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ANDOVER-HARVARD THEOLOGICAL
LIBRARY
PKOM THE LIBRARY OF
ROBERT HENRY PFEIFFER
HANCOCK PROFEUOK
OP HEBREW AND
OTHER ORtENTAL LANCUACE9
CUXATOR OF THE lEH
Th* gifl of Ui family
DIE CHRONOLOGIE
DER
ALTCHRISTLICHEN LITTERATÜR
BIS EUSEBIUS
ZWEITER BAND
GESCHICHTE
DER
ALTCHRISTLICHEN LITTERATÜR
BIS EU8BBIÜ8
VON
ADOLF HARNACK
ZWEITER THEIL
DIE CHRONOLOGIE
ZWEITER BAND
DIE CHRONOLOGIE DER LITTERATÜR VON IRENAEÜS BIS EUSEBIUS
LEIPZIG
J. 0. HINlUCHS'sciiF. BUCHHANDLUNG
1904
DIE
CHRONOLOGIE
DER
ALTCHßISTLICHEN LITTEEATUß
BIS EU8EBIUS
VON'
ADOLF HARNACK
ZWEITER BAND
DIB OHRONOLOCHE DER LITTERATUR VON IRENAEUS BIS EUSEBIUS
LEIPZIG
J. C. HINRICHS'scHE BUCHHANDLUNG
1904
12.
■3A.2.
andover-harva^p
Th':"log":'\l Library
CA..!3RiDGE. MASS.
JULIUS WELLHAUSEN
ZUM SECHZIGSTEN GEBURTSTAG
FBEÜNDSCHAPTLICH UND DANKBAR
Hat er euch denn je geraten;
Wie ihr Kriege führen solltet?
Schalt er euch nach euren Taten,
Wenn ihr Frieden schließen wolltet?
Und 80 hat er auch den Fischer
Ruhig sehen Netze werfen.
Brauchte dem gewandten Tischer
Winkelmaß nicht einzuschärfen.
Aber ihr wollt besser wissen,
Was er weiß, der er bedachte,
Was Natur, fiir ihn beflissen,
Schon zu seinem Eigen machte.
Fühlt ihr euch der gleichen Stärke,
Nun so fördert eure Sachen!
Seht ihr aber seine Werke,
Lernet erst: so wollt er's machen.
Inhalt.
III. Buch.
Die Litterat ur des Morgenlandes Tom Ausgang des zweiten
Jahrhunderts bis Eusehius,
Seite
1. Kapitel: Die alexandrinischen Schriftsteller 3 — 88
1. Clemens Alexandrinus 3 — 23
Chronologie des Lebens S. 5; Stromateis, Pädagog und
Protrepticus S. 8; der angebliche „Lehrer" S. 13; Strom,
lib. Vlll, Excernta ex Theodoto u. Eclogae proph. 8. 17;
Quis dives salv. Ö. 19 ; Hypoty posen S. 19 ; Andere Schriften
S. 20. Nachtrag S. 541 f.
2. Judas, Chronograph
']. Demetrius, Bischof von Alexandrien . .
4. Heraklas, Bischof von Alexandrien . .
5. Origenes (Trypho und Beryll von Bostra)
Regeste des Lebens nebst Datierungen einiger Hauptwerke
S.2y. 542 f. ; das Verzeichnis der Werke desO. nachPamphilus
Hieronymus nebst Datierungen S. 37; (Genesis 8. 31. 87. 39
42. 53; Exod. S. Ä 42; Levit. S. 38. 42; Numeri S.42. 53
Deuter. S. 38. 42; Josua S. 42. 43; Judic. S. 34. 42; Reges etc,
S. 43. 54; Jesaj. S. 34. 38. 43; Jerem. S. 43; Ezech. S. 34. 39
43; Daniel S. ^4; Prophet, min. S. 35. 38; Threni S. 31.40
Psalm. S. 31. 30. 39. 44. 53; Proverb. S. 39. 40. 43; Eccles
S. 40. 43; Cantic. S. 34. 40. 42. 53; Hiob S. 43; Matth. S. 35
41. 45. 53; Luc. S. 41. 45. 46; Joh. S. 31. 32. 34. 41. 45
Acta S. 40; Epp. Pauli S. 41. 46; Ep. ad Hebr. 46. 54
Apocal. S. 54); Briefe S. 47—50 (32. 34 f.); der Schriftsteller
Trypho S. 49; Beryll von Bostra S. 49. 51 f.; Heg
aQxCbv S. 31. 40; /Teoi dva<ndae(jog S. 31. 40; Strom. S. 31
23
23 f.
24—26
26—54
üeQt (pvaeiüv S. 51 ; De pascht
S. 52; *E()/jiTiveia x(bv hßQ, övofxaxuiv S. 52; Hexapla S. 53
(S. 2f)). 544; Textkritisches zum N. T. (?) S. 53; Verschiedenes
S. 47; Über die Sünde wider d. h. Geist. (?i S. 40.
\ Ambrosius, Freund des Origenes 54—57
7. Dionysius, Bischof von Alexandrien 57—66
Leben S. 57 ; Briefe und Schriften' S. 59 ; N e p o s S. 60;
Basilides S. 64.
S. Theognost, Pierius und Achill as 66—69
9. Phileas von Thmuis 69—71
10. Petrus, Bischof von Alexandrien 71 — 75
VIII Inhalt.
Seite
11. Anatolius 75—79
12. Alexander, Bischof von Alexandrien 79 — Sl
13. Ammomus von Thmuis. Ammonius, der Alexandriner.
Ammonius, der Verfasser einer synoptischen Arbeit . . . 81— 8o
14. Hesychius, Rezension der LXX und der Evangelien ... S3
15. Der Asket und Schriftsteller Hierakas 83— s4
16. Der Catalogus Claromontanus 84— SS
2. Kapitel: Die von den Alexandrinern beeinflußten Schrift-
steller 89—127
1. Sextus Julius Afiricanus 89—91
2. Alexander von Jerusalem 92— f »3
3. Gregorius Thaumaturgus 93—102
4. Firmilian 102—103
5. PamphiluB 103— lOti
6. Eusebius von Casarea IOC— 127
Leben S. 106. Werke S. 110. Das Leben des Pamphilus
8. 111; Die Apologie für Ori^enes S. 111; Sammlung alter
Märtyrerakten S. 111; Chromk, Eirchengeschichte u. Palä-
stinens. Märtyrer S. 112; Über d. Leben Konstantins, K.'s
Rede an d. h. Versammlung, Tricennatsrede S. 115; Adv.
Hieroclem S. 117; Adv. Porphyrium S. 118; Praeparatio
und Demonstratio evang. S. 119; Praeparatio und Demon-
stratio eccl. S. 120; Elenchus S. 120; Theophania S. 120.
127; üegl x^Q r. na).. clvAq. nokvTcaiSlag S. 121; Bibel-
handschr. 8. 121 ; Sektionen und Kanones S. 121 ; Antiqua-
rische Abhandlunffen S. 122 ; IleQl x^i r. ßlßkov x. ngoipij-
xdiv dvofxaalaq 8. 122; In Psalmos S. 122; Hypomn. in
Jesaiam 8. 123; Kommentar zu Lukas [?] S. 12o; Komm,
zu I Kor. S. 123; Uegl ÖLagxovtag eiayy, 8. 124; Isagoge
und Eclogae prophet. S. 124; Adv. Marcellum 8.124; Ad
Marcellum de eccl. theologia 8. 125. 544 f.; De Pascha 8. 125;
Ober den 8tem der Weisen 8. 126; Rede aui die Märtyrer
u. a. R^den 8. 126; Briefe 126.
3. Kapitel: Orientalische Schriftsteller, die von den Alexan-
drinern unbeeinflußt oder ihre Gegner sind .... 12^ — 10^
1. Bardesanes und das Werk Hegt elfJtaQfiivTjg (Philippus),
Prepon 12S— 1:;2
2. Serapion, antiochenischer Bischof 132 — !*>;)
3. Geminus, antiochenischer Presbyter ]3o
4. Die pseudoklementinischen Briefe De virjo^nitate .... 13') — 1'>5
5. Fabius, Bischof von Antiochien l-{'>
0. Paul von Samosata, Bischof von Antiochien, und der Pres-
byter Malchion 135 — 1 1"^
7. Lucian, Presbyter von Antiochien 138 — 14<»
8. Methodius 147- 14!«
9. Adamantius 14!«— IT)]
10. Die pseudojustinische Cohortatio (s. auch 8. r)45fi'.) . . . l.')l — 158
11. Anthimus von Nikomedien 15s— l'iu
12. Synodalbeschlüsse von Ancyra 1'»M
13. Synodalbeschlüsse von Neo-Cäsarea K»]
14. Acta Edessena l(il — ir,:;
15. Acta Archelai (s. auch 8. 54Sf.) IG;] — 1 Hi
16. Symmachus 1()4- 167
17. Elkesai ]07--l»'>s
Inhalt. IX
Seite
4. Kapitel: Varia 160—198
1. Zu den apokryphen Apostelgeschichten 169 — 177
Petmsakten S. 170; Johannesakten S. 173; Andreasakten
S. 175 ; Thomasakten S. 175. 549 ; Petrus- u. Paulusakten S. 176.
2. Zu den apokryphen Evangelien 177 — 179
3. Papyrusblätter aus christlichen Werken des 8. und an-
fangenden 4. Jahrhunderts 179 — 182
4. Ein anonymes exegetisches 'Stück zur Eindheitsgeschichte
Jesu 182—183
5. Die Abercius-Inschrift 183—184
6. Die sibyllinischen Orakel 184 — 189
7. Sextus(Xystus)-Sprache 190-192
8. Die Pistis Sophia und die im Papyrus Brucianus saec Y
vel VI enthaltenen gnostischen Schriften 193 — 196
19. Hermias, Verspottung der nichtchristlichen Philosophen . 196—1971
0. Die pseudopolykarpianischen Stücke 197J
fll. Die Rede des Erzbischofs von Alexandrien Athanasius an
ZakchBus 197—198]
IV. Buch.
IMe Litterator des Abendlandes Tom Ausgang des zweiten bis
zum Anfang des ylerton Jahrhunderts.
1. Kapitel: Die Schriftsteller bis zur Zeit des Decius . . 201 — 333
1. Zephyrinus, Römischer Bischof 201
2. Theodot der Lederarbey:«r und seine Schüler 201
3. Theodot der Wechsler, Asklepiodotus, Hermophilus, Apol-
lonides 201
4. Artemon (Artemas) 202
5. Praxeas, Epigonus, Kleomenes und Sabellius. Der Verfasser
der monarchianischen Prologe zu den Evangelien . . . 202 — 206
6. Proculus (Proclus) 206
7. Cajus, römischer Christ 206
a Römische Bischöfe von Kaliist bis Fabian 207—209
9. Hippolyt 209—256
Leben Hippolyts S. 21ü; ^ÄnöSeiSig neoi Xqiotov xal ^Avxi-
XQi<nov S. 214; Ueol &€0v xal aaoxdg Ävaardaewg, De resur-
rectione, vSermo de resurr, ad Mammaeam S. 215; flpo-
TQsnTixdq ngdg ^eBegelvav S. 216 ; /7eoi ^eoXoylag S. 21(i ;
DeQi r&yad^ov xal nd&ev rd xaxöv S. 217; Eig rä ciyta
^eotpdveia S. 217; UpooofxiXla de laude domini salv. S. 218:
IleQl olxovofiiag S. 218; Dquc "Iov6alovg S. 218; Ilegl ttjq
Tov TtavTÖg oialag^ IJodg ^E).Xrjvag xal ngög tlXazoyva i]
anoxa}jv\i)BO)g, Capita c. Cajum 8.220; Eine Schrift ^egen
den Montanismus (??) S. 22i9; Kaxa naaibv xCov alQtaewv
sXeyyog, "0 AaßvQiv^og S. 230; Die Schlußkapp, des Briefs
an den Diognet S. 232; TIbqI xov [äylov) :tdax(x. S. 233;
'AnöÖBiiig X(^övcüv xov ndaya\ Der Canon paschalis
X Inhalt.
Seite
auf der Statue S. 234; XqovixCov ßlßXog S. 236. 549; Elg r^/v
h^a^fiegov, Elg tä fierä ri^v kSa^uegov, In Genes., In Ezod.,
Auslegungen des Segens Isaaks, Jakobs und Moses, Elg rd?
eikoyiag z. BaXadfx S. 241. 552 ; 'Egfxrivela 'Pov&, Elg iyyacxQi'
fxvB'Ov, Elg xöv '^Ehcaväv x. r. *Awav,^ Auslegung über David
und Goliath S. 244.552; Abh. vom Glauben, Abhandlung: Die
Gestalt des Gelübdes S. 245; Elg rovg xpalfxovc S. 246; Ilepl
Tcaqoifxubv S. 246; De ecclesiaste S. 247; Elg xo aopia 8. 247;
In Esaiam S. 248; [In Jeremiam] S. 248; Elg fieoi} xov '/£^e-
xiiiX S. 248; [Über den Tempell S. 249 ; Elg xöv daviiiX S. 249 ;
In Zachariam S. 251 ; In Matth. S. 251 ; Elg r. r. xaXdvxtov
dutvofx^, Elg X, ß^ Xy<ndg S. 253; Komm. z. Evang. des Jo-
hannes u. z. Auferweckung des Lazarus S. 253; De apo-
caly^si S. 254; Oden S. 255; Ilegl x<^Q^<^f^dxo}v liTtoatoXucfj
TtagaSoaig 8. 255. 501 ff. ; Unechtes S. 255.
10. TertuUian 256—296
Allgemeines zur Chronologie, die festen Punkte S. 256 ; Ad
man;., Ad nat., Apolog., De testimonio S. 266; De spectac.
S. 267; De bapt. haeret. und De bapt. S. 268; De cultu fem.
S. 269; De orat. S. 271; De paenit. S. 271; De patient. S. 272;
De idolol. S. 273; Ad uxor. S. 273; De praescr. haer. S. 274 ;
Adv. Marc. 1. u. 2. Bearbeitung S. 274; De virg. vel., De
exhort. cast., De ecstasi, De spe fid., De parad. S. 275 ; De
Corona und De fuga S. 279; Ad ScapuL S. 281; Adv. Marc.
3. Bearbeitung, Adv. Hermog., Adv. Valeni, Adv. Apell.,
De censu animae. De pallio S. 281 ; Scorpiace, De carne
Christi, De resurr, cam.. De anima, De mto S. 284; Adv.
Praxean S. 285; De monog., De ieiun., De pudicit. S. 286;
Ad amicum phüos., De Aaron vestib.. De carne et anima,
De anim. submiss., De superstit. saec. S. 287 ; Adv. lud. 8. 288 ;
Leben Tert.s 8. 292; Chronologische Tabelle S. 295.
11. Die lateinische Bibel zur Zeit Tertullians und vor TertuUian 290 — 302
12. Die alten lateinischen Übersetzungen ATlicher apokrypher
Bücher, des altrömischen Symbols, des 1. Clemensbriefs, des
Hirten des Hermas, der Didache, der Acta Pauli und des
Hauptwerks des Irenäus 302—320
13. Die Akten der Perpetua und Felicitas 321—324
14. Der Octavius des Minucius Felix 324—330
15. Das Muratorische Fragment 33(>— 333
2. Kapitel: Die Schriftsteller von der Zeit des Decius bis zu
der Konstantins 334 — 459
1. Cyi)rian und Pseudocyprianisches 334 — 30<)
Echtheitsfragen (Testim. 1. ITI., Quod idola, Das Fragment
Donatus Cypriano) 8. 334; Chronologie der Briefe 8. 339
(epp. 5—43 8. 340; epp. 1—4. 62. 03. 6ü. 67 8. 347; verlorene
Briefe 8.349: epp. 44— Ol. 04. 66 8.349; epp. 08— 75 u. die
Sentent. LXXXVll episcopomm 8. 350; epp. 70—81 8. 301);
Chronologie der Libelli 8. 302 (Ad Donat., De habitu 8. 363,
De laps.. De unit. 8. 304, De orat., Ad Demetr., De mortal..
De opere, De bono pat., De zelo, Ad Fortunat. 8. 365,
Testim. 8. 300) ; Acta procons. u. Vita des Pontius 8. 300 ;
Chronologie des Lebens Cyprians 8. 367.
Pseudocyprianische Schriften aus nachnicänischerZeit 8.309.
553 ff.; Pseudocyprianische Schriften aus vornicän.Zeit S.37U;
Ad aleatores 8. 370 ; De pascha comp. 8. 381 ; De mont. Sina
et Sion 8. ^383; Exhortario de paenitentia 8. 380; Ad Nova-
tianum 8. 387. 552; Ad Vipilium de lud. incredulitate 8. 390;
De rebaptismate 8. 393 (die übrigen pseudocyprianiscbeu
vornicanischen 8chrift<?n s. unter Novatian).
Inhalt. XI
Seite
2. Novatian 390—410
Zwei Briefe S. 39<3; De cibis ludaicis S. 398; De trinitaie
8. 399; De spectaculis und De bono pudiciÜae S. 400; Adr.
ludaeos S. 402; De laude martyrii S. 404; (Quod idola du
non sint S. 407; Tractatus Pseudo-Origenis de libris 88.
Script. S. 407).
3. Römische Bischöfe von Cornelius bis Miltiades .... 410 — 112
4. Römische Gnostiker 412—413
5. Amobius 414 — 415
6. Lactantius 415 — 420
Leben S. 415; De opificio, Inst, div., De ira S. 417; Die Zu-
sätze S. 419; Die Epitome S. 420; Verlorenes S. 420; Ascle-
piadesy De medicinalibus S.420; De mortibus persec S.421;
Abschließendes zur Chronologie S. 424; Gedichte S. 425.
7. Victorinus von Pettau (und der Anhang zu Tertull., De
praescr. haeret.) 426—432
8. Reticius 433
0. Commodianus 433—442
10. Pseudotertullian, Carmen adv. Marcionem u. das Gedicht
„Landes domini" 442—450
11. Die Canones von Elvira 450—452
12. Chronologie donatistischer und antidonatistischer Akten-
stücke 453—458
13. Der falsche Briefwechsel zwischen Paulus und Peneca . . 458 — 459
Anhang zum dritten nnd vierten Buch.
L Martyrien 4(^^—482
Einleitung S. 403; Pionius S. 466; Achatius 8. 408; (Maxi-
mus AsiaF. ; Petrus, Andreas, Paulus und Dionysia S. 469) ;
Konon S. 469; (Nestor; Lucian und Marcian; Trypho und
Respicius S. 470); Marianus und Jakobus 8. 470; Monta-
nus und Lucius 8. 471 ; Fructuosus, Augurius und Eulogius
S. 473; Maximilianus 8. 473; Marcellus Ting. 8. 473; (Nice-
phonis 8. 473); (Gurias und Schamonas S. 474); (Petrus
Balsamus 8. 474); Agape, Chionia, Irene 8. 475; (Afra;
Florian S. 475) ; Claudius , Asterius etc. 8. 475 ; Crispina
8. 476; (Dasius 8. 476); Euplius 8. 476; (Didymus und Theo-
dora 8.476); Felix Tibiur. 8. 477; (Genesius 8.477); Ire-
näus 8irm. 8. 477 ; Julius Veteran. 8. 477 ; (Julian Anazarb.
S. 477); (Maxima, 8ecunda und Donatilla 8. 478); (PhilippuB
Heracl. 8. 478); iQuattuor coronati 8. 478); (Pollio 8. 478);
Testam. XL martyr. 8. 479; Quirinus 8. 479; (Tarachus
8. 479) ; (Theodotus Ancy r. 8. 480) ; Typasius 8. 481 ; (8er-
gius und Bacchus; Pancratius; Fabius Vexillif.; 8erenus
Sirm. ; Trophimus 8. 481).
IL Kirchenrechtliche Litteratur 483 — 517
Einleitung ; Die in Nicäa citierten Kanoncs 8. 483 f.
1) Die sog. Apostolische Kirchenordnung 484
2) Die sog. Apostolische Didaskalia 488
3) Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts nebst Exkurs über
eine Apokalypse im „Test^mentura domini nostri" . . . 501
111. Pseudoklementinen 518—540
XII Inhalt.
Seite
Berichtigungen und Nachträge 541 — 555
1. Zu Clemens Alexandrinus (S. 1 ff.) 541
2. Zum Geburtsjahr des Origenes (&. 23) 542
3. Zu Origenes, Hexapla (S. 29 £ 53) 544
4. Zu Eusebius, Katä MagxiXXov ^S. 124 f.) 544
5. Zur pseudoiustinischen Cohortatio ad Graecos (S. 151 ff.) . 545
6. Zu aem Lioer disputationis Archelai episcopi adv. Mani-
chaeum (S. 163) 54S
7. Zu den Thomasakten (S. 176) 549
8. Zu ffippolyts Weltchronik (S. 241) 549
9. Zu Hijppolyts Auslegung des Segens Jakobs und Moses'
(S. 242) und der Erz&hlung von David und GoUath (S. 244) 552
10. Zum pseudocyprianischen Traktat „Ad Novatianum" (S. 387) 552
11. Zum pseudocyprianischen Traktai ,,De singularitate cleri-
corum^' (S. 369) 553
12. Zu den pseudocyprianischen Gedichten (S. 369) .... 554
Register 556-564
Eine chronologische Tabelle habe ich diesem Bande nicht hinzugefügt,
weil an mehreren Stellen chronologische Übersichten gegeben sind, auch
Sicheres und Wahrscheinliches auf einer Tabelle für den Leser leicht ineinander-
fließen. Das ausführliche Register wird einen gewissen Ersatz bieten kOnnen.
DRITTES BUCH.
DIE LITTERATÜR DES MORGENLANDES
VOM
AUSGANG DES ZWEITEN JAHRHUNDERTS
BIS EUSEBIÜS.
Harnack. Altchristi. Litteraturgesoh. II. 2.
Erstes Kapitel.
Die alezandrinisclien Schriftsteller.
1) Clemeus Alexandrinns.
Bis gegen Ende des 2. Jahrhunderts muß die christliche
Katechetenschule in Alexandrien ^ — wir kennen weder die Be-
dingungen, unter denen sie entstanden ist, noch die Zeit der Ent-
stehung'-* — eine streng aristokratische Anstalt gewesen sein.
Was in ihrer Mitte gedacht und gelehrt, wurde, kam nicht zur
Kenntnis der Christengemeinde in Alexandrien. Nichts Schrift-
liches wurde veröflFentlicht, und selbst die Namen der Lehrer, bez.
die Namen der Autoritäten und Gewährsmänner der Lehrer, sind
in der Gemeinde nicht notorisch gewesen*'*. Unter solchen Um-
ständen vermögen wir uns keine A'orstellung von dem ursprüng-
lichen Verhältnis der Schule zur alexandrinischen Kirche vor der
Zeit des Clemens zu machen. Wir wissen nur, daß zwischen dem
gemeinen Christentum, welches sich mit der öffentlichen Autorität
der oLQxc^^oi jtQaaßvreQoi begnügte ^ und dem theologischen, welches
1) S. Redepen n in g, Origenes 1 (1S41 : S. 5711*. Zu der alteren Litteratnr
sind in neuerer Zeit mehrere Werke gekommen, die wohl den Geist der In-
stitution aufgehellt haben, nicht aber sie selbst; denn Quellen fehlen; s. Bigg,
The Christian Platonists of Alexandria, 1886; Hatch, The influence of Greek
idens and usages upon the Christian church, 1S02 (deut^cli von Preuscheu,
1892); Heard, Alezandrian and Carthagian theolog}' contrasted, 18J^3; Leh-
mann, Die Katechetenschule zu Alex, kritisch beleuchtet, 1896; de Faye,
Clement d'Alexandrie, 1898.
2) Nur das ist mehr als wahrscheinlich, dal^ sie nicht von der alex. (Ge-
meinde eingerichtet, sondern neben ihr entstanden ist; sie ist wohl allmählich
in die Kirche hineingezogen worden, als eine selbständige Stellung zwischen
ihr und den gnostischen Gemeinschaften nicht mehr möglich war.
3) Auch Clemens hat absichtlich nur Andeutungen über seine Lehrer ge-
jreben (Strom. I, 1, 11).
4) Was wir über diese äQxoXoi TiQeoßvxegoi und ihre mündlich fortge-
pflanzten Lehräußerangen wissen, habe ich im ersten Teil dieses Werkes S. 291 ff.
zusammengestellt. Sie sollen in einer Kette bis zu den Aposteln hinaufreichen.
Zu ihnen gehört auch der frühere Stoiker (nach Philippus Sidetes war er früher
4 Die Litteratar des Morgenlandes.
auch diese Autoritäten hochhielt, aber noch andere kannte und den
Glauben in ein Wissen zu verwandeln trachtete, in Alexandrien
eine Scheidewand aufgerichtet war.
Der Mann, der vorsichtig, aber wirksam diese Scheidewand
gehoben hat, obgleich er an dem Unterschied von „Gläu-
bigen'' und „Wissenden" nicht rüttelte, war Clemens Alexan-
drinus K Er hob die Scheidewand, indem er, der kirchliche Gnostiker,
das Presbyteramt in der Kirche übernahm und zur Feder
griff.
Seitdem Zahn i. J. 1884 sein „Supplementum Clementinum''
veröffentlicht und Preuschen i. J. 1893 in meiner Litt.-Gesch.
(T. I S. 296—327) eine Übersicht über den gesamten Bestand der
Clementina gegeben hat, ist vieles für diesen Autor geschehen und
sind zahlreiche einschlagende Schriften erschienen'^. Aber die
Pythagoreer) Pantänus, der (wie die frühesten nenplatonischen Lehrer) nichts
geschrieben hat. Was Euseb., h. e. V, 10, 4, behauptet (cf. Maximus Conf.,
Proleg. zu den Opp. Dionysii Areop.), kann nicht richtig sein oder muß sich
auf Schriftb'ches des Pantänus, was nur innerhalb der Schule kursierte, beziehen.
Daß er nichts veröttentlicht hat, folgt sicher aus Strom. 1, 1, 11 f. Eclog. 27.
Pantänus stammte aus Sizilien (Schluß aus Strom. I, 11, den schon Euseb., h. e.
V, 11, 2 mit Recht gezogen hat). Er war der eigentliche Lehrer des Clemens
(s. d. Stellen im ersten Teil dieses Werkes S. 291. 293). Als Clemens das I.Buch
der Stromateis schrieb, war er nicht mehr am Leben (I, 1, 14). Vorsteher der
Katechetenschule ist er nach Euseb,, h. e. V, 10, 1 unter Commodus gewesen
(es ist nicht gesagt in dessen erstem Jahr); da lag eine Reise nach Indien (1. c )
bereits hinter ihm. Nach Euseb. VI, 0 u. a. war Clemens sein Nachfolger in
der Leitung der Katechetenschule. Da Clemens selbst aber i. J. 202/3 diese
Leitung aufgab (s. u.), so muß Pantänus einige Jahre vorher gestorben sein (der
Sicherheit dieser Kombination gegenüber kommt Hieron. de vir. inl. 3G nicht in
Betracht). Daß Origenes ein persönlicher Schüler des Pantänus gewesen, er-
scheint durch seine eigene Angabe (bei Euseb. VI, 19, 13) nicht nahe gelegt
und wird bei genauer Erwägung der Stelle aus dem Brief des Alexander an
Origenes (Euseb. VI, 14, 8) nicht gefordert. Damit fallen die Kombinationen
dahin, die an diese Stelle geknüpft worden sind, Pantänus könne nicht vor
c. 200 gestorben sein, da Origenes in diesem Jahre erst 15 Jahre alt wurde und
ihn früher schwerlich gehört haben könne. Hinfällig ist auch, was Zahn,
Forsch. III S. 172, auf das xara xovxov i. Euseb. V, 11, 1 auferbaut hat, s. da-
gegen meine Chronologie S. 16.
1) Der Name Titus Flavius Clemens (so Eusebiiis n. Photius bei Angabe
des Titels der Stromateis) kann nicht unabhängig sein von dem Namen des
Konsuls v. J. 95. I^nser Clemens war wohl ein Nachkomme eines Freigelas^ieneii
desselben.
2) Aus der Litteratur der letzten zehn Jahre sei folgendes mitgeteilt (s. auch
Anmerkung 1): Küster, Quis dives salv. [Ausgabe] in der Krügerseben Samm-
lung, 1893. Frick, Chronica minora I, 1893 p. Vif. Dan seh, Der NTliche
Schrift<?nkanon u. Cl. v. Alex., 18i)4. Schlatter, Zur Topographie u. Gesch.
Palästinas, 1S93; dazu Theol. Lit.-Zeitg. 1893 Kol. 326f. Major, Crit. notes
Clemens Alexandrinus. 5
Ausgabe Stählins fehlt uns noch, und bevor sie uns geschenkt
ist, ist es nicht ratsam, sich tiefer mit Clemens einzulassen. Ich
werde mich im folgenden so streng als möglich nur an die chrono-
logischen Fragen halten.
Die chronologischen Daten, welche wir besitzen, sind:
on the I— VII book of the Strom, of Clem. AI. in The Classical Rev. Bd. 8, 1SJ4
p. 233ff. etc. etc., Bd. 0 p. 97ff. etc. Arnim, De VIII. Clem. Strom, libro,
Rostock 1814. Schlatter, Der Chronograph v. 10. Jahre des Antoninus Pius
in d. Texten u. Unters. Bd. 12 H. 1, 1804, dazu meine Chronologie Bd. I
S. 406 ff. 223 ff. Ziege rt, Zwei Abh. üb. Cl.' Psychologie u. Logoschristologie,
Heidelberg 1894. Stählin, Beiträge z. Kennt, d. Handschr. des Cl. Alex.,
Nürnberger Progframm, 1895 (s. desselben Observatt. criticae in Clem. Alex.,
1890). Wendland, Philo u. d. kynisch-stoische Diatribe, 1895, S. 68ff. Bernoulli,
Uieron. de vir. inlustr. LS95, S. 135 ff. 203 ff. Hort, Six lectures on the Ante-
Nic. fathers, 1805. Wendland, Die ITierapeuten u. d. Philon. Schrift v. be-
achaul. Leben in d. Jahrbb. f. klass. Philol., Suppl. Bd. 22, 1806, S. 600.
Wendland, Philo u. Clemens im Hermes Bd. 31, 1896, S. 435 ff. Hozakowsky,
De chronographia Clem. Alex., Münster 1806. Koch, Pseudo-Dionysius u.
Clemens in d. Tübing. Quartalschr. 1806, S. 29()ff. Barnard, Quis div. salv.
[Ausgabe] in d. Texts and Stud. V, 2, 1897. De Faye, Les Strom, de Cl. d^\lex.
in der Rev. de Thist. d. relig. Bd. 36, 1807, p. 300 ff. Stählin, Unters, über
die Scholien z. Cl. AI. Nürnberger Programm, 1807. Kutter, Cl. AI. u. d. N. T.
Gießen, 1897. de Faye, Clement d'Al., 1808 [das beste Werk der neueren Zeit
über Cl.]; dazu Wendland in d. Theol. Lit.-Zeitung 1898 Kol. 652ff. de Faye,
Ktude sur les rapports du christianisme et de la philos. etc. in d. Bibl. de Pöcole
des h. ^tud., Sciences relig. T. XII, 1808. Michaelis, De origine indicis
deorum cognominum, Berlin 1808. Bonwetsch in d. Protest. REncykl.3 Bd. 4,
1898. Major, Notulae crit. in Cl. AI. Protrept. im Philol. Bd. 5S, 1800, S. 266 ff.
Thomas, Le Clement d'Alex. de M. E. de Faye in d. Rev. de theol. et philos.,
ISIK», p. 427ff. Barnard, The bibl. text of Cl. AI. in Texts and Stud. V, 5,
lS.q<). Holl, Sacra Parall. in d. Texten u. Unters. Bd. 20, H. 2, ISOO. Stählin,
Zur handschr. Oberl. des Cl. AI. in d. Texten u. Unters. Bd. 20, H. 4, lOK).
Ehrhard, Die altchristl. Lit v. 1884--11K)0, 1000. Christ, Philol. Studien z.
01. Alex., Separatabz. aus den Abh. der Bayr. Akad., 1000. Lejay in d. Rev.
d'hist. et de litt relig. T. V, llHX), p. 70ff. von Dobschütz in d. Theol. Lit.-Zeitg.
1000 Kol. 205 ff. Blass, Verse von Komikern bei Cl. AI. im Hermes Bd. So,
1100, S. 340. James, Clement of Alex, and Plutarch in d. Class. Rev. 1[NX)
Febr. Jackson, Notes on Clement of Alex, im Joum. of Philol. T. 2S, 10C)1,
p. 131 ff. Markgraf, Cl. AI. als asket. Schriftsteller in d. Ztschr. f. KGesch.
Bd. 22, 1901, S. 487 ff. Parker, Musonius in Clement in d. Harvard Stud iii
Class. Philol. 1901 T. 12. Paul, Welcher Reiche wird selig werden, in d. Ztschr.
f. wissensch. Theol. Bd. 44, lOiJl, S. 504ff. Stählin, Cl. AI. u. die LXX, Nürn-
berger Programm, 1001. Pascal, La fois et la raison dans Cl. Al. 1001.
Jülicher in Pauly-Wissowa REncykl. Bd. 4, liK)l, S. llff. Hort u. Major,
Clement of Alex. Miscell. [Strom.] Book VII, the Greek text with introduction,
translation, notes etc. London 1902. Heussi, Die Stromateis des Cl. Alex, und
ihr Verhältnis zum Protrept. u. Pädag. in d. Ztschr. f. wiss. Theol. Bd. 45, HK)2,
S. 465 ff. Schwartz, Zu Quis dives salv. im Hermes, Bd. 38, 1003, S. 75 ff*.
f3 Die Litieratur den Morgenlandes.
Julius Africanus in der Chronik (nach Cedrenush im Kofffioöov
KX7jfiT]g 6 SrQWfiarevg kv \4Xs§av6QBla kyvcoQiCsTo K
Hippolyt hat in seiner Clironik die Stromateis benutzt (s. u.)
und in der Sclirift gegen Artemon (Euseb.. h. e. A^ 28; daß Hippolyt
der Verfasser ist, ist sehr wahrscheinlich, s. u.) den Clemens zu den
Schriftstellern gerechnet, die bereits vor dem römisclien Bischof
Victor eine „theologia" Christi gegeben haben. Kr hat ihn dabei
nach Tatian gestellt. Somit trifft er mit .lulins Africanus in der
Zeitbestimmung: „Unter Commodus" zusammen; denn Victor wurd(^
189190 Bischof.
Alexander, der 212,3 Bischof von Jerusalem wurde, vorher aber
schon Bischof in Cäsarea in Kapp.- war, 202/3 ins Gefängnis ge-
setzt wurde und bis 211 12 in demselben blieb (s.u.), bezeugt, in
einem in diesem Jahre"* aus dem Gefängnis nach Antiochien ge-
schriebenen Briefe (Euseb. VI, 11,6), daß Clemens damals nocli lebte;
denn er betraute ihn mit der Überbringung des Briefes. Kr nennt
ihn dabei (mxaQiov jtQtoßvTtQov, erwähnt, daß die Antiochtruer ihn
bereits kennen (ob persönlich?), und daß er der christlichen Ge-
meinde in Cäsarea Kapp, wichtige Dienste geleistet, nämlich sie in
der Zeit, da ihr Bischof im Gefängnis saß, gestärkt und vermehrt
liat [oq xal ivd-aöe jtctQmv y.arct r/jv jtQovoiav xal tjnöxorr/jv rov
ötOJtoTov bör/jQi^t T£ xcu fjv^fjös Tf/if Tov xv(flov ixxhjöiav). Dies
setzt einen längeren Aufenthalt daselbst voraus. In einem anderen
Briefe desselben Alexander ^an Origenes, Euseb. VI, 14, 8) wird aber
Clemens als bereits gestorben bezeichnet. Leider läßt sich die Zeit
des Briefes nur mit Wahrscheinlichkeit feststellen. Da er von Eusebius
vor die römische Reise des Origenes, die unter Zephyrin stattfand,
gesetzt wird, und da er seinem Inhalt nach der erste Brief zu si*in
scheint, der zwischen Alexander und Origenes gewechselt worden
ist, so wird man ihn nicht gern nach 217 ansetzend Damals
weilte also Clemens nicht mehr unter den Lebenden. Was die
1) Das Zeugnis des Julius ist von besonderem Wert; denn er war (wohl
etwas jüngerer) Zeitgenosse des Clemens. Setzt er ihn unter Com modus ;in.
ohne des Septimius Severus zu erwähnen, so muß ein Teil der Schrifistellerei
des Clemens bereits in die Zeit jenes Kaisers gehören.
2) Dali Cäsarea Kapp, der Sitz des Alexander war, darüber s. meine Mis-
.^ion^jgesch. S. 401». 4(3r».
;5j Das ergibt sich daraus, daß Alexander den Antiochenem zum Amts-
autritt des Aaklopiades gratuliert; dieser trat aber das Amt 211/12 an, s. meine
Chronologie I S. 21 2 f.
4) Anzusetzen ist «t wohl auf die Zeit des ersten Aufenthalts des Origenes
in Palästina oder gleich danach, also i. d. J. 215 0, als Alexander den Origenes
]^ersünlich kennen gelernt hatte.
Clemens Alexandrinus. 7
Auslegung des Briefes betrifft *, so ist bereits oben gesagt worden,
daß man nicht darauf bauen kann, daß Alexander den Origenes
als persönlichen Schüler des Pantänus (wohl aber des Clemens)
hier bezeichnet^.
In der Praet zu den Canones der Chronik nennt Eusebius den
Clemens als Chronographen. In den Canones selbst steht zum
J. 193 p. Chr. (2209 Arm., 2210 Hieron.) die Eintragung des Cle-
mens (^alex. Presbyter") und des Pantänus als berühmter Theologen.
Die Nachstellung des Pantänus ist rätselhaft und hat vielleicht dem
Philippus Sidetes Anlaß zu seiner Umstellung der Lehrer an der
Katechetenschule gegeben. Vielleicht steht Clemens nur als der
Berühmtere voran ; Gewicht ist dem nicht beizulegen. Zum J. 203/204
(2220 Arm. et Hieron.) findet sich dann noch eine zweite Eintragung
(„Clemens his temporibus libros ponebat," bez.: „Clemens multa et
varia conscripsit"). Diese beiden Daten sind schwerlich von Eu-
sebius erfanden ^ sondern sind aus Nachforschungen gewonnen.
Sie müssen sich auf etwas Bestimmtes im Leben des Clemens be-
ziehen (Zitate aus den Strom. I in der Chronik II, p. 92. 98 f. ed.
■Schoene*).
In der KGeschichte setzt Eusebius den Clemens unter Commo-
dus (V, 11). In VI, 6 sagt er, Clemens, der Nachfolger des Pantänus
1) Tovto yag xal S-tktjfxa &sov, d^ olSaq^ yiyovtv^ \va rj cbto ngoyovmv
iifiXv (pikia fiivs aavkog, fiäXXov 6h ^sgixox^Qa ^ xal ßeßaiortQa. natsQag
yag lo/isy rovg (laxaglovq ixelvovq xovq ngooösvaavtag, itQÖq ovq yitx oUyov
iaofie^a, ndvzaivov rbv fxaxoLQiov dXri&wg xalxvQiov^ xal rov legov KXrjfievza
xvgiov ßov ysvofisvov xal mtpeX'^aavxd (jlb, xal et xiq exegoq roiovxoq^ Si* wv
<jf iyviogiaa rov xard Ttdvza dgiarov xal xvqiov fiov xal döeX(p6%'.
2) Zar Auslegung der Stelle bemerkeich: (1) ügöyovoi sind dieselben, die
nachher nazigeg heißen. (2) Die g>iXlaj um die es sich handelt, ist die Freund-
e'chaft, die ipso facto durch die Gemeinsamkeit der Lehrer besteht; Alexander und
Origenes brauchen nicht zusammen bei ihnen studiert zu haben. (3) Alexander
sagt ausdrücklich, er habe den Origenes durch seine Lehrer kennen gelernt;
von den Lehrern her kennt er den Schüler. Zu diesen Lehrern gehörte als der
älteste Pantänus. Nicht einmal dies ist notwendig, daß ihn Alexander persön-
lich gehört hat; er kann ihn auch durch die Vermittelung des Clemens und
der anderen Lehrer als seinen Lehrer betrachten ^in dieser Hinsicht ist wichtig,
daß nur bei Clemens steht ,jXal (oq>elriaavtd fxe", nicht aber bei Pantänus).
Aber auch zugestanden, daß in dem 61 wv Pantänus als persönlicher liChrer
des Clemens einbegriffen ist, so braucht er deshalb nicht persönlicher Lehrer
auch des Origenes gewesen zu sein. Er kann es freilich gewesen sein.
3) S. meine Chronologie Bd. 1 S. lOf. 31f. 30f. 41. 49. 60.
4) Ich habe im ersten Bd. dieses Teils, a. a. 0., gezeigt, daß Eusebius die
genaueren Daten, die er in der Chronik gegeben hat, in der Kirchengeschichte
nicht preisgabt, wenn er hier sich auf allgemeinere Datierungen beschränkt.
In der Kirchengeschichte befolgt er in der Regel das Prinzip, nur die Kaiser-
regierung zu nennen.
g Die Litteratur des Morgenlandes.
in der LeituDg der Katechetenschule, habe bis zu der Verfolgung
unter Septimius Severus der Schule vorgestanden und Origenes sei
sein Schüler gewesen. Das zweite Datum in der Chronik ist damit
erklärt: bis 203 stand Clemens der Schule vor K Eusebius bemerkt
noch, daß die Stromateis (nach Buch I) den Tod des Commodus
voraussetzen, also unter Severus geschrieben sind. In VI, 13 gibt
er den genauen Titel der Stromateis: Tlrov ^Xavlov KXrmevro^
xmv xara t7]p aXr^d'fj (pikocoiplav yvmcrtx&v vjcofdvfjfiarcov öXQfo-
/larelg, nennt die übrigen, ihm bekannten Werke des Mannes und
gibt litterarhistorische Notizen zu ihnen.
In der Praepar. ev. II, 2, 64 sagt Eusebius, daß Clemens früher
Heide gewesen ist; ob das auf Überlieferung beruht oder eine bloße
naheliegende Annahme des Eusebius ist, steht dahin. Auch aus den
Werken des Clemens läßt sich die Frage nicht ganz sicher ent-
scheiden; denn Paedag. 1, 1, 1 u. II, 8, 62 sagen das nicht bestimmt.
Epiphanius berichtet (haer. 32, 6), Clemens werde sowohl als
Alexandriner als auch als Athener von Einigen bezeichnet. Hier-
nach ist es wahrscheinlich, daß er aus Athen gebürtig war. Die
Art seiner Bildung und seine Schreibweise fagen sich gut zu dieser
Annahme.
Aus Strom. I, 1, 11. 14 folgt, daß Clemens, als er die Stromateis
verfaßte, nach langen Reisen im Orient ^ nun in Alexandrien an-
sässig war, und daß alle seine Lehrer einschließlich des Pantänus,
den er in Ägypten getroffen und um dessen willen er dort ver-
blieben war, schon gestorben waren; — diese Lehrzeit lag al^o
weit hinter ihm.
Aus Strom. I, 21, 139. 140. 144 folgt, daß dieses Buch nach dem
Tode des Commodus und vor dem des Septimius Severus verfaßt
ist, und daß der Tod jenes schon geraume Zeit zurückliegt, da
seit demselben schon Chronographen (wie Clemens I, 21, 147 be-
merkt) geschrieben hatten, deren Arbeiten dem Clemens vorlagen.
1) Das erste Datum in der Chronik vermögen wir nicht zu erklären. Es
kann den Antritt des Lehramts an der Katechetenschule bezeichnen, aber be-
weisen läßt sich das nicht. — Eusebius berichtet ganz deutlich, daß Clemens
*J02/3 Alexandrien verlassen hat. Daß er je wieder dorthin zurückgekehrt ist.
wird nirgends überliefert.
2) Den ersten christlichen Lehrer hatte er im eigentlichen Griechenland
(dies stimmt mit der Tradition, daß er Athener gewesen ist), in Großgriecheu-
land hatte er zwei Lehrer, ebenfalls zwei im eigentlichen Orient bez. Palästina.
Der erste Lehrer war ein lonier (also etwa aus Ephesus oder Smymai, dor
zweite ein Syrer, der dritte ein Ägypter, der vierte ein Assyrer und der fiinl>e
ein palästinensischer Judenchrist. Pantänus war also der sechste. Die Lehrer
lassen sich nicht bestimmen. Nicht einmal, daß der Assyrer Tatian ist, kann
für ganz sicher gelten.
ClemenB Alexandrinus. Q
Aus Strom. II, 20, 125 ergibt sich, daß zur Zeit der Abfassung
dieses Buches Martyrien ini Gange waren ^
Aus Paedagog. I, 6, 37 folgt, daß Clemens bei Abfassung dieses
Buches „Hii-te" d. h. Presbyter gewesen ist
Über diese dürftigen Angaben hinaus '^ läßt sich direktes chrono-
logisches Material den Werken des Clemens nicht entnehmen, aber
indirektes steht uns durch Vergleichung der Werke zu Gebote. Hier
ist von der Entdeckung Wendlands^ auszugehen, die Heus si* be-
stätigt hat, daß die 4 ersten Bücher der Stromateis vordemPädagog
geschrieben sind. Diese Entdeckung wirft nicht nur die bisherige
Chronologie des Schriftstellers Clemens, sondern auch die wichtigsten
der bisher geltenden Vorstellungen von seinen schriftstellerischen
Absichten über den Haufen. Die Entdeckung ist zuverlässig;
denn es liegt kein Grund vor, das Zitat in Paedag. IL 10, 94
[xad'oXov (ilv ovv i] yafirjriov ij yafiov slg xb jtavrsXic; xad-evQsrtov
— eX^rat yag ^Tjr^öecog xal xovxo — Iv rcp JteQl iyxQareiag r/f/tif ded/y-
Äcorai) auf einen anderen Abschnitt zu beziehen als auf die große
Ausführung, die von Strom. II, 20, 103 bis in das 4. Buch hinein-
reicht, 8. bes. II, 23, 137. Nicht anders ist über das Zitat Paedag.
II, 6, 52 {6isiXi^(pa(i6P öh ßaOvztQq) Xoyq? cog aQa ovxb hv xolg ovo-
fiacip ovTB fiijv hv xolg övvovöiaöxixolg ßoQlotg xxX.) zu urteilen;
es ist das 3. Buch der Stromateis gemeint, und endlich ist der
yafiixog Xoyog, auf den Paedag. III, 8, 41 verwiesen wird, in den-
selben Ausführungen, nämlich Strom. II, 23, 137. 146; IV, 8, 59—65;
IV, 20, 125—129 zu suchen. Besondere Schriften des Clemens jtsQi
tyxQaxslag (oder über die Ehe) hat nie jemand genannt; kein Zitat
findet sich aus ihnen ^ Dagegen enthalten die betreffenden Ab-
1) 'Hfitv dh äfpBovoi [xaQxvQwv nijyal hxdorijq r^fitgag iy 0(p^aX(xolq
rifjicSv &Cü)Qovfievai nagonrwfxivcjv dvaaxivSvXEVOfxivwv, tag xstfaXag dno-
Tf f4vofiivwv. Ans dem 6. Buch (18, 167) empfängt man denselben Eindruck, s.
auch VIL 12, 78.
2) Die aristokratische Haltung des Clemens zeigt sich auch darin, daß er
Zeitgeschichtliches, soweit es nicht der Ideen* Geschichte angehört, höchst selten
streift
3) Theol. Lit.-Zeitung 1898 Kol. 653. S. auch desselben „Christentum u.
Hellenismus in ihren literarischen Beziehungen^' in d. Neuen Jahrbb. f. d. klass.
Altert., 1902, V S. 14.
4) Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 45, 1002, S. 474 ff.
5) Zahn wollte (Neue kirchl. Ztschr. Bd. 12, 1IK)1, S. 744f.j ein Zeugnis
gefimden haben. Der Nestorianer Jesudad zitiert (um d. J. 825) einen „großen
Brief des Clemens gegen die Verächter der Ehe'' und t^ilt ein Fragment aus
ihm mit (s. S ach au, Verzeichnis d. syr. Hdschr. d. K. Bibl. z. Berlin, Abt. I,
1899, S. 307. 304). Allein nach den Nachweisungen von Heussi (a. a. 0.
S. 480ff.) läßt sich nicht zweifeln, daß das Stück den Strom. III, 6, 52. 53 cnt-
nommen ißt. Auch ist das 3. Buch wirklich eine Schrift gegen die Verächter
10 Die Litteratur des Morgenlandes.
schnitte der Stromateis das im Pädagog Vorausgesetzte ^ Nun
aber beobachtet man weiter, daß der Protrepticus und Pädagog nur
in den späteren Büchern der Stromateis zitiert werden (Strom. VI, 1, 1 ;
MI, 4, 22)^. Gerade aber in den früheren Büchern müßte man
Verweisungen auf sie oder doch mindestens auf den Pädagog er-
warten, wenn sie früher geschrieben wären und wenn die Stromateis
den Zweck verfolgten, das im Pädagog Ausgeführte nun in eine
höhere Sphäre zu heben. In diesen früheren Büchern der Stromateis
aber wird die Aufgabe so angefaßt, daß sie in keinem Sinne als
Fortsetzung erscheint, vielmehr die Aufgaben mit umfaßt, die im
(Protrepticus und) Pädagog behandelt sind^ Als Clemens die
Stromateis I — IV schrieb, hatte er also jene beiden Bücher weder
schon geschrieben noch geplant
Mithin fällt jedenfalls der Pädagog zwischen Strom. I— IV und
Strom. V— VII; beim Protrepticus läßt sich das nicht mit gleicher
Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit behaupten ; denn er nmßte nicht
der Ehe. Es kann sehr wohl (als Ganzes oder in Teilen) in Syrien für sich
zirkuliert haben. Weiter ist der Ausdruck „Brief nicht befremdlich. Pacian
hat die Traktate TertuUians De paenitentia und De pudicitia (Ep, I ad Sempron.)
als „epiatulae" bezeichnet, obgleich sie sich durchaus nicht als „Briefe" im ge-
wöhnlichen Sinne des Wortes darstellen; der II. Clemensbrief ist „Brief* ge-
nannt worden, obgleich er eine Homilie ist; Cyprians Traktate heißen nicht
selten ,,epi8tulae" (s. v. Soden, Texte u. Unters. Bd. 25, H. H S. D). Endlich
bemerkt Heussi (S. 486) sehr richtig: „Hätte Zahn recht, dann wäre noch
ein anderer Punkt unklar. Wenn Clemens im Pädag. auf ^yxQazeicc und ydfxog
nicht näher eingeht, sondern die Leser auf eine selbständige Schrift über diesen
Gegenstand verweist, po begreift man nicht, warum er im H. Buche der Strom.
— das er nach Zahn nach dem Paedag. geschrieben hat — eine andere Taktik
befolgt, nicht auf jenen ).6yog ya/nixog verweist, sondern ihn ausschreibt. Natür-
lich ist dieser Einwand kein absolut zwingender, aber er verstärkt den Grad
der Wahrscheinlichkeit meiner These" (daß nämlich der von Jesudad genannte
„Brief'^ — Strom. III ist).
1) (Trößere Abschnitte aus einem Werke nach ihrem Inhalte zu bezeichnen
und sie so anzuführen, als wären sie ein besonderes Werk, ist im Altertum nicht
selten. Mir ist gerade ein Beispiel bei Lactantius zur Hand. Er zitiert Instit.
div. T, 23 das 3. Buch des Theophilus ad Autolycum unter dem Titel: „Theo-
philus in libro de temporibus ad Autolycum scripto." Daß das Werk Justin^
gegen Marcion nur ein Abschnitt aus seinem gi'oßen ketzerbestreitenden Werke
war, nehmen viele an. Auch andere Beispiele dieser Art finden sich im ersten
Teile meiner Litteraturgeschichte. Von besonderen Werken des Clemens über
die Enthaltsamkeit und über die Ehe müßten irgendwelche Spuren vorhanden
sein, wenn er solche geschrieben hätte.
2) Umgekehrt, aber entsprechend, wird Paedag. II 11, 117 auf eine
künftige Ausführung verwiesen; dieselbe findet sich in Strom. V, 8, 55 er-
ledigt.
3) Heussi S. 470.
Clemens Alexandrinus. {{
notwendig in Strom. I — IV zitiert werden. Die Entscheidung
hängt davon ab, ob man annimmt, daß Clemens bei Abfassung des
Protrepticus bereits den Pädagog geplant und ihn jenem auf dem
Fuß hat folgen lassen. In diesem Fall muß man aucli den Protrepticu^s
hinter Strom. I — IV setzen. Notwendig scheint mir diese Annahme
nichts Es kommt dazu, daß Hippolyt (s. o. S. 6) Clemens neben
den Apologeten Justin, Miltiades, Tatian zu den Schriftstellern
vor Victor (189/190) rechnet, und daß man (nach unserer Kenntnis
der Schrifstellerei des Clemens) dies am zwanglosesten auf den
Protrepticus bezielit. Es ist also überwiegend wahrscheinlich, daß
die Reihenfolge so zu gestalten ist: Protrepticus, Strom. I— IV,
Pädagog, Strom. V— VII.
Der Protrepticus ist bei dieser Annahme in das vorletzte Jahr-
zehnt des 2. Jahrhunderts zu setzen (eventuell aber später)-.
Strom. I— II können (wie m. W. alle annehmen) kaum früher
als i. J. 202 geschrieben sein um der schweren Verfolgung willen,
die sie voraussetzend Somit sind bereits die Bücher III u. IV
vielleicht schon außerhalb Alexandriens geschrieben; denn i. J. 202 3
(S.o.) hat Clemens Alexandrien verlassen^. Der Pädagog ist jeden-
falls nicht in Alexandrien verfaßt und ebenso nicht Strom. A^— VII.
Man kann mit ihnen bis über das erste Jahrzehnt des 3. Jahrh.
heruntergehen. Indessen ist es doch nicht ratsam, sich aus diesem
Jahrzehnt zu entfernen. Es ist auffallend, wie wenig Notiz Clemens
von den innerkirchlichen Bewegungen genommen hat. die zwischen
190 u. 210 fallen, ja selbst auf eine Erscheinung wie die des
Apelles hat er nicht mehr geachtet \ Dies Argument scheint ft-ei-
lich zu viel zu beweisen: er hatte augenscheinlich mit der lebendigen
Kirche wenig Fühlung; fast nur was litterarisch hervorgetreten ist.
1) S. Hort u. Mayor, Strom. 1. VIII (l[)ö'2) p. XV: „The Protrepticus
was written as an indepcndent work."
2) Man müßte sich denn mit dem Verzicht«, das von Hippolyt gemeinte
Buch zu ermitteln, begDügen, oder man müßte, was nicht unwahrscheinlich ist
ij?. u.), die Hypotyposen vor d. J. 189 setzen. Zu dem Ansatz des Protrept. im
vorletzten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts stimmt die Friedenszeit, die das Buch
voraussetzt. Das Christentum verteidigt sich hier nicht, sondern greift an und
macht Propaganda.
3) Genauer: nur das 2. Buch setzt schwere Verfolgungen voraus (s. o.).
4) Zu dem Thema Clemens u. die Verfolgungen s. die trefflichen Ab-
schnitte bei Neu mann, Der röm. Staat u. d. allg. Kirche (1890) S. 99 f. 113 ff.
103. l«)6f.
5) Die abendländischen kirchlichen Verhältnisse liegen vollends außer-
halb seines Gesichtskreises, obgleich er früher einmal in Oroßgriechenland ge-
wesen ist.
\2 I^ie Litteratur des Morgenlandes.
erregte sein Interesse, wenigstens sein Interesse als Schriftsteller.
Dali er der Kirche in Cäsarea Kapp. Dienste geleistet hat, hat ihm
Alexander allerdings ausdrücklich bezeugt Es bleibt dabei, daß
die kirchlichen Erscheinungen, die seine Aufmerksamkeit en'egt
haben und mit denen er sich auseinandersetzt, der Zeit bis c. 190
angehören. Ich möchte daraus schließen, daß man seine Geburts-
zeit über das Datum, das man gewöhnlich nennt, hinaufrücken
muß. Dafür spricht auch, daß im J. c. 202 alle seine Lehrer ge-
storben waren. Das pflegt erst um das 50. — 60. Lebensjahr der
Fall zu sein. Bis gegen die Jahre 140 — 150 wird man mit dem
Geburtsjahr des Clemens hinaufgehen müssen. Die Zeit, in der er
gereist ist und eingesammelt hat, wird die Zeit Marc Aureis ge-
wesen sein. Auf diese Zeit beziehen sich seine lebendigsten und
dauerndsten Eindrücke; mit den Häretikern dieser Jahre setzt er
sich auseinander; damals wirkte sein Lehrer Tatian (wenn er sein
Lehrer war). Er wird dem 60. Lebensjahre nicht mehr fern ge-
wesen sein, als er Alexandiien verließt Wann er dorthin ge-
kommen ist, bleibt im Dunkel; wie lange er den Pantänus gehört
hat, wann er selbst Lehrer, wann Presbyter in Alexandrien ge-
worden, ist ebenso ungewiß. Nur das ist gewiß, daß Pantänus
bereits gestorben war, als Clemens c. 202 das ei*ste Buch der
Stromateis verfaßte (s. o.) ; aber mit dieser Einsicht ist wenig ge-
wonnen. Alle Vermutungen, daß er auch neben ihm als Lehrer in
Alexandrien gewirkt hat, schweben in der Luft. Pantänus kann
sehr wohl schon im Anfang der 90 er Jahre des 2. Jahrhunderts
gestorben sein. Nachdem Clemens Alexandrien verlassen, bleibt
sein Leben so unbekannt wie zuvor. Wir wissen nur, daß er
längere Zeit in Cäsarea Kapp., dem Bistum des Alexander (zur
Zeit als dieser im Gefängnis saß), gewesen und daß er einmal
nach Antiochien gegangen ist. Wo er gestorben ist, ist unbe-
kannt. Wahrscheinlich ist es, daß sein Tod zwischen 211 u. 2 IG
erfolgte \
Aber wird die Chronologie der uns erhaltenen großen Schriften
des Clemens nicht durch ihr inneres Verhältnis als unmöglich er-
1) Strom. 1, 1, 11 widerspricht dem nicht, sondern drückt die Stimmuiiir
des angehenden Greises aus: tjötj 6h ov yQC((pTj elg iniöei^iv rezeyrciOfjih'rj f/iSe
rj ngaY/aareiaj dXXd /xoi vnofxvTjfxaza stg yfjgag S-rjoav(}lZ,(tai, /./^S^r^g <fdgfxaxoi\
ei'öioXov dxeyväiq xal axiayQa(pla täjy ivaQywv xal ifixpi/cov ^xeliwv, wv
xtttrj^iwS^Tjv inaxoioaL Xoywv xe xal dyÖQwv fxaxaQlwv xal rät ovii d^ioXoywv.
2) Ehrhard, Die altchristl. Lit !l9(X)) S. :n2 bemerkt: „Sehr wün.schens-
wert wäre die Untersuchung des Fragments einer Lebensbeschreibung des
Clemens, tlie in dem Cod. Par. Siippl. Gr. lOOn saec. X. fol. 1 — 5 vorliegt."
Leider ist auch jetzt noch diese Untersuchung unerledigt.
Clemens Alexandrinus. 13
wiesen? Daß dies nicht der Fall ist, hat Heussi gezeigt (a.a.O.).
Zuerst war de Faye der herrschenden Meinung scharf entgegen-
getreten. Diese erklärte den Protrept, den Pädag. und die Strom.
als eine vom Verfasser beabsichtigte Stufenfolge. Mindestens im
Pädago'g (Init) sei sich Clemens über den Plan klar geworden:
Der Protrept. handelt von dem Logos, sofern er vom Heidentum
bekehrt; der Pädag. von ebendiesem Logos, sofern er zur rechten
Sittlichkeit erziehe, und die Stromat entsprechen der Ankündigung,
daß der Logos als „Lehrer"" in die Gnosis einweihe; allerdings sei
es Clemens nicht gelungen, in den Strom, eine systematische Dar-
st-ellung zu liefern; er sei in der Behandlung einzelner Probleme
stecken geblieben und sei am Ende des 7. Buches nicht viel weiter
in bezug auf die Erreichung des Ziels gekommen, als er im An-
fang war; auch sei er in den Strom, immer wieder in die Methode
der Propädeutik zurückgefallen. Dem gegenüber suchte Faye
nachzuweisen, daß die Strom, gar nicht der versprochene „ Lehrer •"
seien, sondern nur eine Einleitung zu demselben. Er stützt sich
auf Form und Inhalt der Strom.: der Form nach wichen sie so
stark wie möglich von einer systematischen Darstellung, die doch
angekündigt sei, ab, und der Inhalt enthalte nichts weniger als
eine prinzipielle Dogmatik.
Weiter aber: nicht nur der Pädagog (1,6,47»; II, 10, 104'^),
sondern auch die Strom, selbst enthielten die Ankündigung eines neuen
Werkes, eben des „Lehrers" (Strom. L l, 15^; 1.24, 158^ 11,20,113^;
III, 3, 136; III, 14, 95"; IV. 1, 2^; IV, 13, 93'^; IV, 26, 171»^;
1) TovTO iv X(o negl ccvaataaswg örjXwd^Tjoezai.
2) ^£ig iv r(p nsQl dvctazdasojg öta nXei ovio v örjktoS^/jaeTai.
H) 'Eon öh a xal alvi^exai fioi ygatfri, xal xoXq filv nagaari^aerat, r« 6h
fzovov igety nsigdotrai 6h xal XavO-dvovaa tlmtv xal inixQxmxofievTj lx<f7}vai
xal öeT^ai aiwnwaa xxX.
4) "Onwq {h iVova?/?] [xhv oiv r}v TtQO^frjrtxdg ftsra xavra ?.e'/ßi^öBtai,
imr^vbea dv negl ngo<pi]tslag 6ia)Mfißdvwfxsv.
5) ÜQoq xb doy/iia xotxo öiaXegof/s^a vaxFQOv, Snrjvixa n e q l ^vx^^ 6ia'
Xafißdvofiev.
6) ÜQOQ fzhv xovxovg, onoxav negl aQxcjv öiaXafjißdvwfjisv ).6yov, dxQi-
ßeaxaxa öia).i^6fxB&a.
7) .... oxav Ttsgl xijg dvO^Qwnov yevtaswg xrjv i^f'jyrioiv fxsxaysiQi-
S) *Enl xovxoig vaxegov nXrjQwiUtGTjg wg ert f/dXtaxa xfig xara xd TtQoxei-
fifva rmlv vnoxvnwoefog xd tcbqI dQX(i)V <pvaio?,oyfjxhhvxa xolg xe^'Ekkrjai xoZg
xt akXoig ßagßdgoig oaov rjxov dg tifidg al öo^at ^gtaxoQtjxiov xal Ttgog xd
xvgicixaxa x<5v xolg (pi),oa6<foig inivevoy/nhiov ^yxsiQsrtov.
9) llgog ^Qvyag iv xolg tcsqI Tigocprjxeiag diale^ofxex^a.
10) ^Hfistg 6h negl fihv xrjg sixtiQ xavd xaiQOv ngoiowog xov loyov
SiaXijtpSfied^a,
14 ^ie Litteratur des Morgenlandes.
V, 13, 88»; V, 14, 140^; VI, 2, 4^; VI, 3, 32^; VI, 18, 168^). End-
lich — richtig erwogen — konnte der „Lehrer" gar nicht sofort
dem Pädag. folgen. Den gewöhnlichen Christen, die der häre-
tischen Gnosis gegenüber mißtrauisch gegen alle Philosophie ge-
worden wai'en, mußte erst das Recht des Denkens in der Reli-
gion und der Philosophie nachgewiesen und erkämpft werden.
Diese Aufgabe mußte mit der höchsten Vorsicht in Angriff ge-
nommen, ja z. T. geradezu verschleiert werden. Aber auch andere
Vorfragen waren zu erledigen: der Leser, der den Pädag. aufge-
nommen hatte, mußte erst für die höhere Stufe des „Lehrers "^
vorgebildet werden. Rechtfertigung der Philosophie und Charak-
teristik des Gnostikers bilden die eigentliche Aufgabe der Strom.
Aus einem gewissen Ungeschick heraus — hier folgt de Faye der
älteren Annahme — hat Clemens die Behandlung anderer Themen
damit verquickt; ursprünglich hatte er sie gar nicht ins Auge ge-
faßt, ja dachte mit einem Buche Strom, auszukommen. Zufällige
Anlässe haben ihn zu Abschweifungen geführt, die schließlicli
ganze Bücher füllen. So ist er in den Strom, stecken geblieben
und zum „Lehrer" überhaupt nicht gekommen.
Demgegenüber hat Heussi durchschlagende Erwägungen gel-
tend gemacht, die nach der einen Seite wieder zur älteren Ansicht
zurückkehren, nach der anderen aber ihr noch schärfer wider-
sprechen als die Fayes. Erstlich hat er gezeigt, daß sich keine
Äußerungen des Clemens zugunsten dieser Auffassung anführen
lassen. Die angeführten Stellen deuten auf selbständige Schriften
oder auf Ausführungen in den Strom., mag sie Clemens wirklich
geschrieben oder bloß einmal geplant haben. Daß er noch mehrere
Bücher Strom, schreiben wollte, steht nach VII, 15, 89 {elg rov
bs^jg JtQoCivaL OTQCDfiarta) fest, vgl. auch das ravTt fiav ovv dg
voTBQOv (VII, 17, 108). Hiernach ist auch der Schluß von Buch VII
(18, 111) nicht auf ein neues Werk, sondern auf ein weiteres Buch
der Strom, mit neuem Ausgangspunkt zu beziehen {xal öy fisza
rov tßöofWP TOVTOP rjfilv oxQconaria tojv i^rjg ajt aXXrjg ccQXfjg
jtoiriöofisx^a TOP Xoyov), Unter den oben angeführten Stellen zeigt
1) ^Ev xolqnE QlnQOiprix elaq xdv xolqTieQl ^pv/TJg tTudsix^^ioezai j^/ulr.
2} *Hg &t(jj^iag ovdhv i^zTOV av^iq ^(faipofis&a xaxa x6 dvayxalov, onrjvlxa
äv xug tisqI aQy^djv öo^ag xag 7iaQ^"E?,X7jOL (fSQOfitvag dvaXeyw/usO^a.
3) . . . ü7i7jvixa äv xä negl dgyßv xolg "E'/.Xriaiv ilgi^ixiva iniovxeg da-
Xiyxioßey.
4) TIsqI fiev xovxojy iv xoj tcsqI dyy{:).(t)v ?.6ya) TCQOiovorig xr^g yga<ftjg
xaxcc xuiQOv öiaXeqofxed-a.
b) '^Onolog yag xaxa xtjv S^eojQlai' hv xolg (pvCLXolg /uexcc xavxa örjXwO^t]'
aexai. imn' tcbqI ytvLoecog xoofiov diakafjißdvEiv aQcwfjitS^a.
Clemens Alexandrinus. 15
Strom. IV, 13, 93 ganz deutlich, daß das Thema jcsq! bvpiq im Fort-
gang der Untersuchung an die Reihe kommen soll.. Auch die
Fassung der angekündigten Themata in V, 13, 88 lautet so, daß
man an weitere Kapitel desselben Buches zu denken geneigt ist.
Dasselbe ist an anderen Stellen, namentlich aber VI, 3, 32 der Fall.
Zweitens hat er richtig bemerkt, daß nach dem Selbstzeugnis des
Clemens die Strom, nicht auf den Empfang der Gnosis vorbereiten,
sondern sie selbst übermitteln sollen. Der Satz tavra yvcoöTixTJg
daxfjoecog jtQoyvfivaOfiara in Strom. IV, 21, 132 ist von Faye
mißverstanden, wenn er ihn auf Buch I — IV, statt auf den § 131
bezieht. Auch läßt sich aus IV, 7, 53 nicht mit Faye eine drei-
stufige Ethik abstrahieren (ebensowenig in § 57). Ks existiert keine
Stelle in den Strom., die man zum Beweise benutzen könnte, daß
die Ausführungen hier durch eine noch höhere Stufe zu überbieten
seien. Drittens hat Heussi das Vorurteil, daß die Strom, ein
besonderes schriftstellerisches Ungeschick des Clemens zeigen sollen
und Clemens hier seinen eigentlichen Zweck immer wieder aus
den Augen verliere, widerlegt; er hat gezeigt, wie die eigentüm-
liche innere Haltung des Gnostikei^s dem „Lehrer" gegenüber kein
anderes Verfahren zulasse als das in den Strom, befolgte, oder
doch dieses Verfahren sehr nahe lege. Viertens hat Heussi die
Beobachtung de Fayes, daß Strom. V — VII, bez. VI und VII ein
etwas anderes Aussehen haben als I— IV, durch den Nachweis, daß
sie zeitlich von jenen getrennt sind und der Schriftsteller durch die
Veröffentlichung des Pädag. teilweise entlastet ist, besser erklären
können als Faye selbst. Die Aufgabe, den Logos als Didaskalos
in Wirksamkeit zu setzen, tritt nun reiner und deutlicher hervor
als in den ersten Büchern. Endlich führt Heussi abschließend
den Beweis, daß die Strom, der „Lehrer'' sind, unter besonderer
Verweisung auf VII, 18, 1 10 (vgl. auch I, 14. 15. 20. 55. 5G. IV, 4. (i. 7.
VI, 1. 2. VII, 111) und widerlegt die auf eine falsche Interpretation
von Pädag. I, 1, 1 sich stützende Gegenthese. Ergebnis: Clemens
hat ein Werk unter dem Titel „Der Lehrer" nie schreiben wollen;
die Strom, sind „Der Lehrer".
Aus diesen Nachweisungen ergibt sich folgendes Bild: Cle-
mens hat zuerst in der Form der xara tjjv aXfjO^tj (pclooorplav
yvcoöTixciv vjtofivrjfidzfDV aTQtDfiaxElg die Einweihung in die Gnosis
bieten und damit den XoyoQ-öiödoxaloQ in Tätigkeit setzen wollen.
Nach Vollendung der vier ersten Bücher hat er seinen Plan geändert
und die Ethik (den XoyoQ jtaiöaymyoii) besonders dargestellt ■— es
ist der glänzendste Abschnitt in Heussis gehaltvoller Abhandlung,
der dem Nachweis gewidmet ist, daß der Pädagog nicht der Stufe
der Pistis und dem gemeinen, in seinen Grenzen bleibenden Christe^i
15 1^16 Litteratur des Morgenlandes.
gilt, sondern sich an solche Pistiker richtet, die zu Gno-
stikern bestimmt sind (S. 429—512). Der Pädagog bezeichnet
also nicht einen Rücktritt auf eine niedere Stufe des Unterrichts,
sondern faßt dieselbe Aufgabe, der die Strom, gewidmet sind,
nur von einer andern Seite, an. Nach Vollendung des Pädagog
ist Clemens zu den Strom, zurückgekehrt, d. h. er hat die posi-
tive Seite der Sache nun reiner und sicherer zur Darstellung
bringen können unter Festhalten an dem methodischen Prinzip,
die litterarische Propaganda für die Gnosis in den weitesten Kreisen
nicht anders zu treiben als durch „Vermischte Aufsätze". Was
alles in denselben noch besprochen werden sollte, zeigen die An-
kündigungen (s. 0.). Sowohl das, was er wirklich besprochen hat,
als auch jenes Angekündigte gehört durchaus in den Rahmen des
Xoyoq'ÖLÖaöxaXoq hinein. Dieser aber ist nicht die Oberstufe zum
Xoyoq-jtaidaycDyoq^ sondern beide gehören zusammen, wobei einzu-
räumen ist, daß der Pistiker, der zum Gnostiker bestimmt ist, zu-
erst auf die Stufe des jcai6ay(DYovfi£vog zu treten hat. Im Grunde
aber sind „Pädagog" und „Lehrer" nicht zu trennen, bedingen und
steigern sich gegenseitig. Die ajtXcog jtiarol, die es bleiben, sind
überhaupt nicht unter ihren Einfluß zu bringen; sie unterstehen
der Autorität und treten aus ihrem Rahmen nie heraus.
Diese Feststellung der Denkweise und Absichten des Clemens
legt somit der aus äußeren Gründen festgestellten Annahme, daß
Strom. I— IV vor dem Pädagog geschrieben sind, kein Hindernis
in den Weg. An irgendeinem Punkte des großen Lebenswerkes,
der Strom., konnte Clemens die Darstellung unterbrechen und eine
Art von systematischer Ethik entwerfen. Höchst wahrscheinlich
hat er das nach Beendigung des 4. Buches getan.
Die Jagd nach den Quellen und die Mode, den Originalquellen
womöglich abgeleitete unterzuschieben, hat zu ungerechten Ur-
teilen über die Gelehrsamkeit des Clemens geführt. Wo wir klar
sehen können, nämlich in sein Verhältnis zur christlichen ürlitte-
ratur, erweist er sich als grundgelehrter Mann, der auf die Ori-
ginalquellen zurückgeht. Seine Belesenheit hier ist außerordent-
lich groß. Die Schriften der sog. apostolischen Väter, die Didache,
die weitschichtige gnostische Litteratur sind ihm vertraut; Tatian,
Melito, Irenäus hat er gelesen; die ,.traditiones" über Apostel, so-
weit sie schon schriftlich fixiert waren, und die bisherigen chrono-
logischen ßemüliungen sind ihm bekannt; seine Bibelkenntnis ist
virtuos und selbständig. Es wird wohl nicht anders in bezug
auf die klassische Litteratur stehen; natürlich mag er hier auch
manchem Kompendium gefolgt sein; aber wer wird ihm die Lek-
Clemens Alezandrinus. X7
türe der philosophischen Hauptwerke des Altertums absprechen
dürfen ! ^
Es erübrigt noch, eine Reihe litterarischer Einzelfragen zu be-
sprechen.
Acht Bücher Stromateis legt dem Clemens Eusebius bei (ebenso
Photius und die Sacra ParalL). Daß unter dem 8. Buch des Euse-
bius und der anderen jemals etwas anderes verstanden worden ist
als das Stück, welches auch in der einzigen Handschrift der Strom,
als 8. Buch bezeichnet ist, ist ganz unwahrscheinlich 2. Dieses
Stück aber, obschon es von Clemens herrührt, ist gewiß nicht von
ihm selbst als 8. Buch bezeichnet worden. Das beweist sein ge-
ringer Umfang, sowie der Inhalt, der Exzerpte aus heidnisch-
philosophischen Werken darstellt^. Nun aber finden sich in der-
selben Handschrift noch zwei weitere Stücke, nämlich ebenfalls
Konvolute von Exzerpten unter den Titeln ^Ex rcov Oeoöorov*
xal dpazokiXTJg xajLovfievTjg dtöadxaXlaq xaxa rovg OvaZevrlvov
XQovovg ijtiTOfial und ^Ex rmp jtQotpriTcop kxXoyai^. Der clemen-
1) Daß er gründliche Vorstudien für seine Werke gemacht hat, zeigt auch
das sog. S. Buch der Strom., sowie die Kzcerpta ex Theodoto und die Eclogae,
s. u. Man sieht hier in die pünktliche Arbeitsweise des Clemens hinein; er hat
sich große Auszüge in sauberer Form angelegt und sie bereits mit kurzen
kritischen Bemerkungen ausgestattet, die er später ausführen wollte. Clemens'
Exzerpte in den Strom, und in den Exzerpten* Eon voluten sind die beste Quelle
für die klassische Zeit des Gnostizismus, die wir überhaupt besitzen. Die in
koptischer Sprache erhaltenen gnostischen Denkmäler sind Quellen zweiten
Ranges, und die bei TertuUian und Hippolyt erhaltenen Stücke können mit
• denen, die uns Clemens aufbewahrt hat, den Vergleich nicht aushalten. Nur
für Marcion bietet Clemens wenig. Es ist nicht auffallend, daß dessen Lehre
ihn weniger interessiert hat. Was die profanen Quellen des Clemens betrifft,
so haben Hiller (Hermes Bd. 21 [1880] S. 126ff.), Wendland (vv. IL),
Scheck (De fönt. Clem. AI., Augsburg 1881))« Eremmer (De catalog. heuremat.,
Leipzig 18J)0), Wendling (De peplo AristoteL, Straßburg 1891), Michaelis
(1. c), Schlatter (L c), de Faye (1. c.) u. a. Vorarbeiten geliefert. Stählin s
Ausgabe ist abzuwarten.
2} Schon Acacius v. Cäsarea kennt das Stück als 8. Buch. Die SS. ParalL
halten es sowie die gleich zu nennenden Exzerpte ebenfalls für das 8. Buch.
Dazu vgl. Photius, Bibl. 101, abgedruckt im ersten Teil dieses Werkes S. 298.
3) S. V. Arnim, a. a. 0. p. Off. Der Anfang ist lückenhaft. Daß das
Stück nicht wirklich das 8. Buch ist, geht auch daraus hervor, daß für dieses
(Strom. VII, 15, 89) ein ganz anderer Inhalt angekündigt ist.
4) Dieser Theodotus ist nicht sicher zu bestimmen oder vielmehr unbe-
kannt.
5) Dieser Titel ist g^anz willkürlich. Die Sammlung stellt ebenso Auszüge
aus häretischen Schriften und aus Auslegungen der h. Schriften dar, wie die Exe.
ex Theodoto.
Harnack, AltchristL Litteraturgescli. II, 2. 2
18 Die Litteratur des Morgenlandes.
tinische Ursprung dieser Exzerpte kann nicht sicher bewiesen
werden, aber nichts spricht gegen denselben*. Alle drei Stücke
für Reste (i h. für von einem dritten angefertigte Exzerpte) eines
verlorenen 8. Buches zu erklären (so Zahn, Forsch. III, S. 104 flf.),
ist eine recht unwahrscheinliche Hypothese. Warum ist nur dieses
Buch exzerpiert und zertrümmert worden? Wer hatte in der
Folgezeit ein Interesse daran, nur das Heidi^ische und Häretische
zu exzerpieren, die Widerlegungen aber beiseite zu lassen?
Welche Vorstellung sollen wir uns von dem Inhalt und Umfang
des Buches machen, wenn diese drei Stücke einträchtig in ihm ge-
standen haben? Viel näher liegt die Annahme Arnims 2, daß
Clemens ein 8. Buch nie veröffentlicht hat, daß wir aber in den
erhaltenen drei Stücken Vorarbeiten für dasselbe, bez. für weitere
Publikationen dieses Autors zu erkennen haben. Die Exzerpte
sind nicht aus seinem Buch gemacht, sondern er hat sie für ein
Buch gemacht. Die Vermutung Arnims ist ansprechend, daß
der Tod ihm die Ausarbeitung verwehrt hat^.
1) Die beiden Konvolute gehören jedenfalls demselben Exzerptor an, da
sie sich ähnlich sind. Die Widerlegungen sind spärlich und nur angedeutet.
Also läßt sich ein sicherer Beweis für ihren clementinischen Ursprung nicht
führen. Aber das Wenige zeigt die Art des Clemens.
2) Man verdankt ihm a. a. 0. unter anderem auch eine gute Analyse der
Eclogae proph. Vorgearbeitet in bezug auf die richtige Auffassung des sog.
8. Buches hatte Rüben (Excerpta ex Theodoto . Bonn 1892), indem er die
Exe. ex Theodoto für Exzerpte des Clemens selbst erklärte. Auch Lipsius
(Lit. Ceiitr.-Bl. 1885 S. 231ff.) und Neumann (Theol. Lit.-Ztg. 1885 Kol. 533ff.)
haben die Zahnsche Hypothese, die drei Konvolute seien Exzerpte eines Spät-eren
aus dem vollendeten 8. Buch, beanstandet. Textkritisches zu den Exe. ex
Theodoto s. bei Brooke, Texts and Stud. I, 4 (1891) S. 105 f. Über das, was
in diesen Exzerpten dem Clemens selbst gehört, s. Zahn, Forsch. IIT, 117 f.
]22ff. u. Gesch. des NTlichen Kanons II S. 9G1 ff.
.')) Ist die Arnim sehe Hypothese richtig — und ich weiß nichts gegen sie
einzuwenden — , so folgt (s. Arnim p. 9. 1.')), daß Freunde nach dem Tode des
Clemens die Exzerpte mit den vollendeten sieben Büchern herausgegeben haben,
wodurch jene zu der Bezeichnung ,,S. Buch" gekommen sind. Von hier aus
läßt sich das .sehwankende Schicksal der Bücher in bezug auf ihren Schluß,
wie es Photius Cod. 111 konstatiert, leicht erklären. Haben die Freunde den
^^chon publizierten 7 Büchern die Exzerpte nachgesandt? Haben auch sie viel-
leicht erst Buch V — \ll und mit ihnen die Exzerj)te veröffentlicht? Das läßt
sich nicht entscheiden. Jedenfalls ist es Clemens nicht vergönnt gewesen, die
angekündigte Fortsetzung seines großen Werkes, die noch tiefer und höher
führen sollte, zu publizieren. — De Faye hat die Arnim sehen Nachweise
akzeptiert, glaubt sie aber ^o deuten zu müssen, daß die drei Exzerpten-Kon-
volute Vorarbeiten für den geplanten „Üidaskalos" sind. Da aber Clemens einen
solchen „Didaskalos" neben den Strom, gar nicht geplant hat. so ist diese An-
nahme hinnillig. In den Florilegien finden sich einige Zitate aus dem 8. Buch,
Clemens Alexiiiiclrii»u><. J9
Der Traktat (die Homilie) Tlg 6 ooj^ofievoi; jtXovoioq, uns durch
den Eskurialkodex jetzt besser bekannt als früher, von Eusebius
zitiert, kann leider nicht sicher datiert werden. Den Versuch Zahns
(Forsch. III, S. 3Sf.), die Abfassung nach den Strom, zu beweisen, hat
Arnim (S. 13 f.) widerlegt. Der Versuch stützte sich auf die angeb-
liche Beobachtung, eine Schrift jteQl aQXOJP xai d^eokoyiag sei in den
Strom. IV, 1, 1 angekündigt, in Quis dives 26 als geschrieben vor-
ausgesetzt. Allein daß die Schrift überhaupt geschrieben worden
ist, ist deshalb unerweislich, weil in Quis dives an der betreifen-
den Stelle gar nicht auf ein Schriftwerk hingedeutet ist. Quis
dives kann daher sehr wohl vor den Strom, (bez. den letzten Büchern
derselben) geschrieben sein und wird es wohl auch, wenn diese
(s. 0.) das letzte Werk des Clemens sind.
Ganz besonders zu beklagen ist der Untergang der Hypoty-
posen; die ziemlich reichlichen Fragmente trösten nicht über den Ver-
lust. Eine Gruppe derselben, die lateinisch erhaltenen (1. Teil, S. 301 f.
303—308), sind zudem nur bedingt zuverlässig; augenscheinlich ist
Vieles in ihnen verwischt und durch Kürzung entstellt worden,
l'ber die Abfassungszeit besteht Streit. Zahn setzt die Hypoty-
posen nach den Strom. Allein die Gründe, auf die er sich stützt,
sind wiederum von Arnim (p. 14 f.), und zwar auch hier mit Recht,
zurückgewiesen worden*. Zahn machte (1) das Argumentum e
silentio geltend: Die Hypot. müßten in den Strom, erwähnt sein,
wenn sie schon publiziert gewesen wären. Allein ein solches Argu-
ment ist an sich mißlich; es können außerdem sehr wohl (i runde
für Clemens bestanden haben, die ihm die Zurückverweisung auf
die Hypot. in den Strom, widerrieten. Nicht nur aus der Schilde-
rung des Photius (Cod. HO), sondern auch aus den uns erhaltenen
Fragmenten gewinnt man den Einckuck, daß die Hypot. hetero-
doxer waren als die Strom. Daß sich aber Clemens allmählich
heterodoxer entwickelt hat, ist nicht wahrscheinlich'-. Zahn glaubte
(2), durch Strom. IV, 1, 2 werde es klar, daß die Hypot damals
noch nicht erschienen waren. „Clemens konnte in den Strom, nicht
so, wie er es tut, von zukünftiger Behandlung der (lenesis und
die sich in dem uns überlieferten 8. Buch nicht linden. Sie können in seinem
verlorenen Anfang gestanden haben. Auch ist es möglich, daß die uns über-
lieferten 3 Exzerpten-Konvolute nicht alles enthalten, was die Freunde aus den
Papieren des Clemens veröffentlicht haben und wiis dann „8- Buch" genannt
worden ist. Hat man doch auch, wie Photius bezeu^rt, ..,Qwis dives" so genannt.
1) De Faye (a. a. 0. p. llüf.) hat ihm beigestimmt.
2) Das Umgekehrte ist doch wohl anzunehmen: der Presbyter Clemens
wird vom £ntwicklang8gang der Kirche beeinflußt worden sein ; in diesem aber
wurden die doketischen und gnoatischen Elemente immer mehr zurückgedrängt.
o *
20 ^^6 Litteratur des Morgenlandes.
von einer der Reihenfolge der biblischen Schriften nachgehenden
Darstellung ihres Inhalts reden, wenn damals die Hypot. schon ge-
schrieben waren, in welchen eben dies geleistet ist." Dem gegen-
über hat Arnim gezeigt, daß an der betreffenden Stelle in den
Strom, etwas ganz anderes angekündigt ist, als was die Hjrpot
bieten. Beweisen diese Argumente also nichts, so tritt die oben
angeführte Erwägung in Kraft, daß die Hypot. heterodoxer sind
als die Strom. Ferner ist darauf hinzuweisen, daß aus der Angabe
des Eusebius (h. e. VI, 13; V, 11) zu folgern ist, Clemens habe bei
Abfassung der Hypot noch in einem engeren Verhältnis zu Pan-
tänus gestanden, als bei der der Strom. Endlich legte sich aus
den Beobachtungen, die oben in bezug auf das sog. 8. Buch an-
gestellt worden sind, die Schlußfolge nahe, daß Clemens durch
den Tod an der Vollendung bez. Weit^rführung der Strom, gehindert
worden ist> daß die Beschäftigung mit ihnen also seine letzte Lebens-
arbeit bildete. Denkbar wäre es ja, daß er die Hypot zwischen
Buch 7 und dem zu schreibenden 8. eingelegt hat, aber die An-
nahme ist doch prekär. Diese Gründe zusammengenommen, ist es
überwiegend wahrscheinlich, daß die Hypot als ein älteres Werk
des Clemens zu betrachten sind^ Die gänzlich in der Luft schwe-
bende Hypothese, die Hypotyp. seien ein Bestandteil der Strom.,
lasse ich beiseite. Die Hypot. waren ein großes exegetisch-histo-
risches Werk zur Bibel. In diesem Zusammenhange ist die Mit-
teilung des Anastasius Sin. vielleicht interessant (Pitra, Anal. IL
p. 208), Clemens habe Bibelhandschriften in Stichen abgeteilt 2.
Die von Eusebius genannte, verlorene Schrift des Clemens IleQl
Tov jidöxa anlangend, hat uns von der Goltz (Texte u. Unters.
Bd. 17, H. 4 S. 4 8 f.) mit einem neuen Fragment aus einem Athos-
Kodex beschenkt (zu IJoh. 4, 3)^. Die Schrift war aus Anlaß der
1) Sie können beträchtlich älter sein als Strom. I— IV. Man vergesse nicht,
daß die beiden ältesten Zeugen für Clemens, Julius Africanus und Hippolyt»,
ihn zu den Schriftstellern in der Zeit des Commodus rechnen (s. o. S. O).
2) Dazu vgl. die im 1. Teil dieses Werkes Prolegg. p. XXXI V gemachte
Mitteilung, nach welcher in einer armenischen Quelle Clemens als Autorität für
eine bestimmte Reihenfolge der Paulusbriefe zitiert wird. Wahrscheinlich ist
aber darauf nichts zu geben. Wäre die Nachricht zuverlässig, so hätte Clemens
den 3. Korintherbrief (aus den Acta Pauli) gekannt und anerkannt. Aber eben
dies — um von anderem zu schweigen — macht die Sache verdächtig.
3) Wir erfahren, daß Clemens [ßv tw negl tov ndaxct ).6yit)), Origenes und
Irenäus 1 Joh. 4, 3 nicht /jiy 6/jio).oyH, sondern ?,vfi gelesen haben. Diese Les-
art, die bisher nur in lat. Handschriften und bei lat-einischen Vätern von Ter-
tullian an nachgewiesen war (doch hat Socrat., h. e. VII, 32 bezeugt, daß die
alten griechischen Mss. sie aufgewiesen haben), erscheint nun mit einem Schlage
treff'lich bezeugt; doch a. Polyc. ad Philipp. 7.
Clemens Alexandrinus. 21
gleichlautenden des Melito geschrieben und berücksichtigte auch den
I renäus (Euseb., h. e.IV,26, 4 ; VI, 13, 3) K Die Angabe des Eusebius, daß
Clemens in dieser Schrift ixßiaoO^^vac ofioXoysl jtQog zmv tzalgcop,
ag STVxe ytaga räv aQXCiloov JtQtoßvxiQwv axtpcomq JtaQaöooeig YQatp^
Totg fisza tavxa jtaoadovvac, bestätigt nur, daß nach dem Sinne
des Clemens solche Überlieferungen im Grunde überhaupt nicht
aufgezeichnet werden sollen oder doch nur in besonderen Fällen
und mit großer Vorsicht Die Zeit der Schrift ist unbekannt; aber
am nächsten liegt es, sie auf die Zeit zu datieren, in der der
Passahstreit sich abgespielt hat, also auf den Anfang der neunziger
Jahre. Gegen die Quartodezimaner ist Clemens in ihr aufgetreten
(vgl. Euseb., h. e. V, 25). Es ist ein Beweis für die Wichtigkeit der
Frage, daß der „Philosoph" Clemens in den Streit eingegriffen hat
Die in einem vatikanischen Kodex (s. T. I S. 300) dem Clemens
beigelegte \4jt66ei$,ig jtaQi xov jtaoxa [so, nicht etg ro] ist unecht;
der Titel erinnert an den Titel einer hippolytischen Schrift (s. dort) 2.
Die Schrift Kapcov ixxXijöiaorixog tj JtQog rovg ^lovödtC^ovxag
(Euseb.), die dem Freunde Alexander gewidmet war, gehört eben
deshalb schwerlich noch in die alexandrinische Zeit des Clemens.
Das eine erhaltene Fragment läßt den Charakter der Schrift nicht
sicher erkennen. Gewiß war sie nicht gegen die Juden gerichtet \
wahrscheinlich gegen solche Christen, welche das Eecht der pneu-
matischen Exegese zugunsten der buchstäbelnden beanstandeten.
Wäre auch sie wie die Schrift IltQi xov Jtaaxa eine Kampfschrift
gegen die Quartodezimaner (Zahn, Forsch. 111, S. 39), so wäre der
Ausdruck Kava>v IxxjiTjaiaoxixog befremdlich; auch spricht das
wahrscheinliche Datum der Schrift gegen diese Beziehung; denn
im ersten Jahrzehnt des 3. Jahrh. ruhte u. W. der Streit mit den
Quartodezimanern.
Die beiden Predigtsammlungen [öiaXi^eig), die Euseb. (h. e. VI, 1 3)
nennt {IlBQi vr/oxslag und IIsqI xaxaXaXiäg). sind spurlos -ver-
schwunden; denn daß eines oder das audere der titellosen Clemens-
fragmente zu ihnen gehörte, läßt sich nicht beweisen. Ob Clemens
in den Predigten jt^qI xaxaXaXiäg auf die Verleumdungen (Vor-
würfe) eingegangen ist, denen der Gnostiker und der christliche Ge-
lehrte seitens der Pistiker und Idioten ausgesetzt war (s. die ver-
steckten und offenen Klagen in den Strom, n. die Selbstverteidi-
gung des Origenes, auch des Tertullian und Hippolyt), bleibt un-
1) Irenäas ist auch in den Strom, ausgeschrieben, vgl. VII, 18, 100 mit
Iren. V, 8.
2) Eine Zusammenschweißung von Clementinis^chem und Hippolytischem
findet sich auch sonst (s. Zahn, Forsch. III S. M).
3) So de Faye (a. a. 0. p. 42), aber 'lovöaiZo vtfg sind nicht Juden.
22 I^ie Litteratur des Morgenlandes.
gewiß. Die Fastenfrage ist durch den Montanismus (sekundär auch
durch die Quartodezimaner) und durch die Enkratiten angeregt
worden. Beide Predigtsammhmgen gehören wohl in die Zeit, da
Clemens als alexandrinischer Presbyter sich genötigt sah, auf solche
Fragen vor der Gemeinde einzugehen. Doch können sie auch aus
der Zeit stammen, da er die verwaiste Gemeinde in Cäsarea Kapp,
„stärkte und vermehrte". Seiner Tätigkeit als Presbyter ist, wie
der Titel deutlich lehrt, die ebenfalls von Eusebius (1. c.) genannte
und verlorene Schrift V) jtQOTQtJtrixog jtQog vjtofiovfjv ?} jtqoq tovc
vecoörl ßeßajtziOfitPovQ zuzuweisen*.
Weder eine besondere Schrift IleQl hyxQaxelaq {koyoq yafiixog)
hat Clemens geschrieben (s. o. S. 9f), noch hat er einen Traktat
IIsQi dQX(5v xal O^soXoyiag wirklich verfaßt Auch die anderen
von ihm angekündigten Abhandlungen ^ waren entweder sämtlich
oder teilweise als Abschnitte der Strom, gemeint und sind höchst-
wahrscheinlich nicht erschienen (s. o. S. 13 if.).
Erst im 7. Jahrhundert wird dem Clemens von Maximus Conf.
und Anastasius Sinaita eine Schrift IIcqI jtQovolag (bez. nagt jcqo-
voiag xal dixaioxQioiag Xoy. a\ also mindestens zwei Bücher) bei-
gelegt. Die wenigen Fragmente (philosophisch-theologische Defini-
tionen und eine Auslegung zur Schöpfungsgeschichte) enthalten
nichts, was Clemens nicht geschrieben haben könnte, aber auch
nichts, was seine Autorschaft verrät. So läßt sich keine Sicher-
lieit gewinnen. Ein bisher nicht bekanntes Clemensfragment aus
(lern (od. Anibros. H 257 inf. will Barnard ^ auf diese Schrift zu-
rückfuhren. Daß Clemens Elg ro2^ :rQ0(f7iTi}v Uticog geschrieben
hat, wird man nicht für sicher halten können, da nur Palladius
(s. den J. T. dieses Werkes S. 303) es bezeugt. In den SS. Parall.^
finden sich 2 Zitate mit demselben Lemma: KXrjuevrog orQcofuc-
Ttcog ix Tyg xa tJcioroX^jg und ein Zitat: E/Jjfisvzog iTriOroXi]-'.
Die Zitate sind des Clemens nicht unwürdig; eine Briefsamuilung
des Clemens aber auf sie zu bauen, ist unsicher.
Ob das dem Pädagog angehängte „Fischerlied" (Titel: v^ivog
Tov örozTjQog Xqiotov) dem Clemens gebührt, ist zweifelhaft. An
!• Ein Fragment glaubt Barnard gefunden 7ai haben (Texts and Stud. V, 2
ISDT} p. 47 if.) in einem frülier nicht bekannten Clemens-Stück.
2) 8. die Titel im 1. Teil dieses Werkes S. 3()8f. Eusebius (h. e. VI, 13, 8,
hat in den Strom, eine Schrift Elg ttjv FhiOLv angekündigt gefunden; er hat
die Stellen III, II, 1)5 u. VI, 18, lOS mißverstanden.
o) a. a. 0. p. 50.
4) Holl in d. 'Texten u. Unters. Bd. 20 H. 2 (I89!i) S. 120 f.
5) Das erste Lemma lindet sich in Zitat I nur in R, in Zitat II nur in OA,
das zweite Lemma nur in PM.
Judas, Chronograph. — Deinetriuö, Bischof von Alexamlrien. 23
diese Stelle gehört es sicher nicht, wie die Überschrift und der
mangelnde Zusammenhang mit den Ausführungen im Pädagog be-
weisen. Das handschriftliche Zeugnis für den clenientinischen Ur-
sprung geht nicht hoch hinauf. Material in bezug auf die Ver-
gleichung mit den echten Schriften des Clemens bietet das Gedicht,
soviel ich sehe, nicht Doch ist der hohe Schwung des Liedes für
Cl. nicht unpassend. Ein halbes Jahrhundert nach Clemens hat
sich der ägyptische Bischof Nepos als Dichter geistlicher Lieder
bekannt gemacht (s. Dionysius bei Euseb. h. e. VII, 24). Der an-
gehängte Hymnus dg top Jtaiöaycoyov ist wohl von Arethas (s. Stäh-
lin, Unters, üb. d. Schollen z. Cl. AI., 1897, S. 48).
Über die Echtheit der ziemlich zahlreichen, nur mit dem Namen
„Clemens" oder „Clemens Strom." bezeichneten Fragmente kann hier
nicht gehandelt werden. Sie sind übrigens alle so gut wie wertlos,
und Sicherheit ist kaum bei einem einzigen zu gewinnend
2) Judas, Chronograph.
Wir wissen über diesen Mann nicht mehr, als was uns Euseb.
h. e. VI, 7 mitgeteilt. Hiernach hat im 10. J. des Severus (202/3) ein
Christ. Namens Judas, unter den Schrecken der Verfolgung ein
W^erk Elg rag jtaQa xm Aavi7]X tßöo^fjxovra ißöofiaöag geschrieben
und die Ankunft des Antichrist als nahe bevorstehend, nach Daniel,
verkündigt. Wo er geschrieben hat, wissen wir nicht; denn Eu-
sebius selbst wußte es nicht. Die Stellung zwischen den alexan-
drinischen Autoren läßt lediglich vermuten, daß er zu diesen gt^-
hört. Ob Hippolyt ihn (im Komm. z. Daniel) gekannt hat, läßt sicli
auch nicht ausmachen; zitiert hat er ihn nicht. Schlatter's Ver-
such (Texte u. Unters. Bd. 12, H. 1), das Werk des Judas auf das
10. Jahr des Pius zu stellen und mit einer chronographischen
Quelle des Clemens zu identifizieren, ist gescheitert (s. den 1. Band
dieses Teils S. 223 if. 406 flF.).
3) Demetrius, Bischof von Alexandrieu (188,9-231 [232]).
Die Zeit des Demetrius ist im ersten Band dieses Teils
(S. 202 flf. 205) und das, was wir über ihn wissen, im 1. Teil dieses
Werks (S. 330 if.) festgestellt worden. Da er außer Briefen nichts
1) In der Bibliothek des Klosters S. Salvatoro zu Messina befand sich nach
einem Katalog v. J. 1563 (s. Batiffol, Rossano, 1801, p. 141) ein Codex „Cle-
menüs Alexandrini onomata". Das ist keine Verschreibung für „Stromata*',
sondern ein unechtes etymologisches Werk. S. auch ßarnard, 1. c. V, 2 p. 50 ff.
24 I^ie Litteratur des Morgenlandes.
geschrieben hat (man kann ihn nicht ffir „den h. Demetrius" halten,
unter dessen Namen Pitra, Anal. 11, p. 345f. ein Fragment elg xov
aeio/dov publiziert hat; denn die Bezeichnung „Bischof von Alexan-
drien" fehlt), diese Briefe sich aber, soweit wir sie kennen, lediglich
auf die Passahfrage und die Geschichte des Origenes bezogen
haben ^ so können wir hier über ihn hinweggehen. Nach vielleicht
glaubhafter koptischer Nachricht ist Demetrius 105 Jahre alt ge-
storben, also im J. 126 geboren. Er war somit älter als Irenäus.
Man begreift es, daß dieser Christ aus einer alten Generation den
Origenes nicht zu ertragen vermochte, auch wenn er nicht ehrgeizig
und neidisch war.
4) Heraklas, Bischof von Alexandrien (231 [232]-247 [248]).^
Auch er ist schwerlich Schriftsteller gewesen (über einen
„Kanon" von ihm s. Dionysius Alex, bei Euseb., h. e. VII, 7, 4) ; aber
im Untei'schied von Demetrius gehörte er ursprünglich zu den
kirchlichen „Gnostikern" wie Clemens, Origenes und Dionysius.
Er ist jedoch der erste Theologe, von dem wir wissen, daß er als
Kirchenmann die Ideale der Wissenschaft preisgegeben oder doch
eingeschränkt hat. Origenes (bei Euseb., h. e. VI, 19) rechtfertigt
seine Beschäftigung mit den profanen Wissenschaften damit, daß er
sie nach dem Vorgang des Pantänus und Heraklas getrieben habe,
„der jetzt im Presbyterium zu Alexandrien sitzt; ihn fand ich bei
dem Lehrer der philosophischen Wissenschaften (Ammonius), dessen
Zuhörer er schon 5 Jahre lang gewesen war, ehe ich nur ange-
fangen hatte, jene Vorträge zu hören [Heraklas ist also schwerlich
lange nach d. J. 170 geboren]. Er legte daher auch die gewöhn-
liche Kleidung, welche er früher getragen hatte, ab und zog den
Philosophenmantel an, den er noch bis auf den heutigen Tag bei-
behält, sowie er auch nicht aufhört, die Bücher der Griechen mit
Eifer zu studieren"^. Origenes aber imponierte dem Heraklas so.
1) Zu den Stellen, welche von Briefen des Demetrius handeln, ist Orig,.
('omm. in Joh. T. VI, 2 hinzuzufügen: tneixa. xov ^yßgov ntxgoxaxa Tjfidiv
itaxaoxQaxevaafXbvov diu xwv xaivwv avvov yQa/bi/jidxwv (gemeint ist der von
Demetrius veranlaßte Beschluß der 2. alex. Synode gegen 0.) tivv dkrj^wc
^yßgwv Tip evayy€?.iü) xal ndvxag xoig iv Alyvnxw dvtfxovg XTJg 71ovt]qI<xq xaS^
i](ji(i)v iySLQavxoq.
'J) Über die Zeit s. den ersten Band dieses Teils S. 202ä'. 205, sonst meinen
Art. in der Protest. REncykl. 3 Bd. 7 S. 092 f.
3) Das Zeugnis steht in einem Brief des Origenes, dessen Zeit leider nicht
zu bestimmen ist; nur so viel steht fest, daß er vor 231 i232) geschrieben ist;
denn Heraklas war noch nicht Bischof.
Heraklas, Biachof von Aloxandrien. 25
daß er (und sein Bruder Plutarch) die ersten Schüler des jugend-
lichen Lehrers wurden (Euseb., h. e. VI, 3). Nun wurde er Christ
und zeichnete sich als wissenschaftlicher Theologe aus, so daß er
anfangs an Ruhm mit Origenes wetteiferte. In seiner Chronik
(ann. 221) erzählt Julius Africanus (bei Euseb., VI, 31), daß es der
Ruf der Gelehrsamkeit des Heraklas gewesen sei, der ihn nach
Alexandrien gelockt habe. Origenes übertrug dem H. die Leitung
der katechetischen Vorschule (Euseb., VI, 15). Wahrscheinlich ist
die Lehrweise und der philosophisch-theologische Standpunkt des H.
dem des Origenes wesentlich ähnlich gewesen, aber er muß es
verstanden haben, den Vorwürfen auszuweichen, die das Leben des
O. verbitterten, oder er hat seine Lehrweise allmählich dem Be-
kenntnis strenger angepaßt. Beweis dafür ist, daß ihn Demetrius
zum Presbyter erhoben hat. Vergebens bemühte sich Origenes in
seinem Streite mit dem bejahrten eifersüchtigen Bischof, sich durch
die Berufung auf den philosophischen Presbyter zu schützen. Dieser
trat nicht für den Freund und Lehrer ein, sondern ließ ihn fallen.
Eusebius hat die Verhältnisse nicht deutlich gemacht, aber wir
besitzen andre Zeugnisse, die sie außer Zweifel stellen. Schon die
Tatsache spricht laut genug, daß Heraklas, nachdem Origenes nach
Cäsarea gegangen war, Vorsteher der Katechetenschule und etwa
ein Jahr darauf Bischof von Alexandrien geworden ist (Euseb., VI, 26).
Ausdrückliche Nachrichten machen es aber zweifellos, daß Heraklas
direkt Partei gegen 0. genommen, ja es ist wahrscheinlich, daß
er ihn, als er noch einmal nach Alexandrien zurückkehrte, noch
einmal exkommuniziert hat, s. Gennadius, de vir. inl. 34 (sab v.
„Theophilus". Theophilus hat in einem Schreiben erklärt, nicht
er sei der erste, der den Origenes verurteilt habe, „sed ab antiquis
patribus et maxime Heracia fuisse et presbyterio nudatum et de
ecclesia pulsum et de civitate fugatum") ; das Synodalschreiben eines
unter Theophilus gehaltenen Konzils ägyptischer Bischöfe in der
ep. Justiniani adMennam (III, p. 263 Hardouin, cf die allerdings
sonst unzuverlässige Mystagogia S.Alex. beiRouth, Eeliq. Sacr. ^ IV,
p. 81: ri dh bIjkd HgaxXav xai Ar/fi/iTQiov rovg f/axaQiovg ijri-
oxojtovg, oiovg jtaiQaOfiovg vjtköxrioav vjto rov ^avevrog ^SlQiyirovg);
Vita Pachom. (Acta SS. 14. Mai § 21 p. 30); Photius {^vpayo^ycd xai
ojiodei^eig bei Döllinger, Hippolyt u. Kaliist, S. 264 f.): Heraklas
hat den Bischof Ammonius v. Thmuis abgesetzt, weil er den
exkommunizierten Origenes in seiner Kirche habe predigen lassen.
Auch die Kopten (Synax., 8 Kihak, Wüstenfeld II, S. 160) wissen
in ihrem Heiligenkalender davon zu erzählen, daß Heraklas und
Origenes sich befehdet haben.
26 I^iß Litteratur des Morgenlandes.
5) Origenes«^
Was wir über und von Origenes wissen, verdanken wir fast
ausschließlich dem Paniphilus und Eusebius. Jener hat die Werke
desselben gesammelt — es waren größtenteils die Handexemplare
des Origenes mit seinen eigenhändigen Bemerkungen (Euseb., L e.
VI, 24, 3 und Stellen bei Hieron. u. a.) — , einige selbst abgeschrie-
ben und einen Katalog über sie verfaßt (1. c. VI, 32; der Katalog
umfaßte auch die Schiiften anderer Autoren, die Pamphilus für
seine Bibliothek zusammengebracht hatte). Beide haben eine
Apologie für Origenes zusammen geschrieben z. Z. der großen Ver-
folgung, als Pamphilus im Gefängnis saß (das 6. Buch ist von
ll über den zweiten Namen (nicht Ehrennamen) „Adamantius" s. Euseb.
VI, 14, 10; Hieron., de vir. inl. 54; Epiphanius, haer. (34, 1; Unrichtiges bei Hieron.
ep. SH, '^ [Photius cod. 118] und Epiph. haer. (>4, 73. Bis zum J. 1805 ist die neuere
Litteratur über Origenes von Krüger (Gesch. der altchristl, Litteratur, 1S95)
sorgfältig vorzeichnet. Die wichtigsten Arbeiten sind die Origeniana des Hu etius
tlO<IS>, Redeponnings Origenes (2 Bde., 18-111), Moellers u. Westcotts Art.
in der Prot. KEncyklop.2 Bd. 11 8. OL>ff. bez. im Diction. of Christ. Biogr. Bd. 4
S. U()fl". (das überliefeiiingsgeschichtliche Material ist in dem 1. Teil dieses
Werkes S. 3M2ft'. von P reuschen zusammengestellt). Ich füge die wichtigsten
Kischinimugen seit dem Jahre 1895 hinzu (mit Weglassung der von Batiffol
(MÜrrteii Tnu't. Orig. ii. der dazu gehörigen Litteratur): Mcrcati, D'un paliui-
psi'.>t(> Ambros. conteueiite i salmi esai»li etc. (Atti della Accad. di Torino T. 31.
l.v.)."»i;, |i. (;.").') tl'.), dazu Ceriaui in d. Rendieonti del R. Ist. Lomb. Ser. II, 2iK
IMm;, ].. KiOli*. N.-stle in d. Theol. Lit.-Ztg. 189G Kol. 301tf. u. Klostermann
in d. Zt^chr. f. d. alttest. Witis. Bd. 10, ISDö, 8. 334if. Klostermann, Griech.
Exzerpte a. Hom. des Orig. in d. Texten u. Unters. Bd. 12, H. 3, 1895. Klo st er-
mann, Analecta zur LXX. Hexapla etc., Leipzig, 1895. Lagrange, Origene.
La eriti(iue text. in Bev. l)ibli(iue T. 1, 1895, p. 50lf. T. 5, 1890, p. 87 ff. Morin.
Anecd. Man'dsol. 111,1, IMC). Rolffs, Urkunden aus dem antimontan. Kampf
in T.'xte u. Tnters. Bd. 12, ü. 4, 1S!>5, S. lU9ff. Nestle, Hexapla, in d. Zt^jchr.
f. wiss. Theol. Bd. 3S. 1S1)5, S. 231ff. Brooke, The coniment. of Origen on
S. .lohn's gosp.»l, 2 Bde, Cambridge, 1890 (dazu Koe tschau in d. Theol. Lit.-Ztg..
ISIIT, Kol. 24:{fr. Kerl) er, Syrohexapl. Fragmente aus Bar-Hebraeus in d. Ztschr.
f. .1. aUt.'st". Wissenseh. Bd. 10, ISDO, S. 219ff. 8ickenberger in d. Tüb. Quar-
talsilir. Bd. TS, ls90. S. IKSff. [zu den Luc.-Hom.]. Klostcrmann in Theol.
Lit.-BL. lS!iO, S. Ollf. zum .loh. -Komment.. Falconer, Origen and return to
(ire«'k theology in d. Biblinth. Saera, IMMI, p. 100 ff. Nenniann, Celsus, in d. Prot.
RKnrvkl.3 Bd. 3. l^iiT. S. 772ff. Klostermanu, Die Seliriften des 0. in Hieron.
Brief an Panla iSitzungsber. d. Berl. Akad., 1S1)7, II S. 85.") ff.). Wot k e , .Tahresber.
d. k. k. >taatsLrvmna.>ianis im 17. Bezirk v. Wien, 1S!)7 'z. (ienes. Homil. .
Eisen hofer. L'rokopius v. (ia/a, Freibnrg 1S97, S. IS ff. Klostermann, Di»-
Überlief, d. .leremiashom. in Texte u. T'nters. Bd. li>, H. M, 1897. Batiffcl.
L'eiiehiridion d'Origene in d. Rev. biblique T. 7, 1S9S, j». 205 ff. Boom, Ori-
giMies als exegeet in d. holl. Ztsehrift f. ref. Theol., 1S!>S, S. 13ff. Riedel, Au^-
legnng drs Holienlieds in d. grieeh. Kirehe, Leipzig, ISÜS. Barth, Prediger u.
Origenes. 27
Eusebius hinzugefügt; die übrigen sind in erster Linie Pamphi-
lus' Werk)i.
Diese Apologie existiert nur noch in einigen Bruchstücken so-
^'ie in der Übersetzung des 1. Buches durch Rufin. um so wert-
voller ist für uns, was Eusebius im 6. Buch der KGeschichte über
das Leben des Origenes mitgeteilt hat. Es ruht ganz auf jener
Apologie und ist auch mit genauen Zeitbestimmungen reichlich
ausgestattet. Zu diesem wichtigsten Hilfsmittel kommt der Kata-
log der in Cäsarea befindlichen Werke des Origenes, den Hieronvr
mus auf Grund des Verzeichnisses des Pamphilus (welches Euse-
bius in das 3. Buch seines „Lebens des Pamphilus" - gestellt hatte)
in seinem Schreiben an die Paula mitgeteilt hat^.
Zuhörer im Ztalter des Orig. in d. Festschr. f. Orelli, Basel 1S1»S, S. 24 ff. Drä-
seke, Das Job. Kvaiip. bei Celsiis in Neue kirchl. Ztschr. Bd. f), ISaS, S. 13iMr.
Cap itain, De Origenis ethica, Münster, 1808. Da vi es, Origen*s theorie of
knowledge in The American Journal of theol. Vol. 2, 1808, p. 73711*. Koetschaii.
Origenes' Werke 1. u. 2. Bd. (Berliner akad. Ausgabe) : Exhort. ad niart., C. C«*ls.,
De erat., 1809 [dazu Wendland in (iött. Gel. Anz. 1800 S. 27Gff. Dujdik von
Koetschau, Krit. Bemerkungen usw., Leipzig, 1800. Jülicher, Theol. Lit.-Zt«;.^
I8f)0 Kol. rK>Otf.]. V. d. Goltz, Eine textkrit. Arbeit d. IM. >)ez. (>. Jahrb. in'
Text^* u. Unters. Bd. 17,- H. 4, 1800. Faulhaber, Die rroi^heten-Catenen in Bil.l.
Stud. Bd. 4. H. 2f., 1800. Holl, Fragm. vornic. KW aus den SS. Parall. in «1.
Texten u. Unters. Bd. 20, K 2, 18f»0. Preuschen in d. Berl. Philol. Wochenschr.
ISOO Nr. 30. 40 [Über Orig. Bibelzitate]. Diekamp, Die origenistisrhen Streitig-
keiten, 1809. Ehrhard, Die altchristl. Litteratur usw., 10<k>, S. 32()-3:>1.
Linke, Zu Orig. c. Gels. IV, 83 in Philolog. Bd. 50 S. lOOf. Bratke, Die ange^bl.
Origenes-Hdschr. Nr. 800 der Bibel von Troyes in Ztschr. f. KGesch. Bd. 21, 101 mi,
S. 445ff. Koetschau, Bibelzitate bei Orig. in Ztsclir. f. wiss. Theol. Bd. -l !,
lUiiOj S. 321 ff. Taylor, Hebrew-Greek Cairo Genizah Palimpsests . . . includinir
a fragraent of the 22. psalm according to Origen*s Hexapla. Cambridge, IImm».
Klostermann, Origenes' Werke 3. Bd. (Berliner akad. Ausgabe): Jereni.-
Homil. etc., 1001. Fairweather, Origen and the Greek patrist. theol., Edin-
burg, 1JH»1. Mcrcati, Note di letteratura biblica e cristiana anticu. L<'ipzig, 10(»1,
8. Stück 4 u. 5 (zur Hexajda). Julius, Die griecli. Danielzusätze. Freiburg, lO^l.
Zöllig, Die Inspirationslehre des 0. Freiburg, 1002. f*rouschen, Origeu«'s'
Werke 4. Bd. (Berliner akad. Ausgabe): der Job. -Kommentar, lOO!). Winter,
Über den Wert der direkten u. indirekten Cberliefening von Orig»'nes' BB. c.
Gel.s. (Programm des Gymnasiums von Burghausen), I. Teil, lOlKJ. Winter ent-
scheidet sich gegen Koetschaus Grundsätze.
1) Ober das Maß des Anteils beider s. den Streit zwi:^chen Hieronymus
n. Rufin (die Stellen im 1. Teil dieses W^erks S. r)40ff.\ Hieronymus hatte in
si»riterer Zeit ein Interesse, den Anteil des Pamphilus so klein wie möglich er-
scheinen zu lassen.
2) Das „Leben des Pamphilus" ist verloren. S. über dasselbe Hieron., D«*
vir. inl. 81; adv. Rufin. 1, 0; 2, 22.
3) Klostermann (Sitzungsber. 1807) hat ihn kritisch ediert. Leider ist
die Überlieferung schlecht; auch läßt sich nicht mehr sicher erkennen, welche
28 I^ie Litteratur des Morgenlandes.
Ich gebe zuerst eine Regeste des Lebens des Origenes nach
Euseb., h. c. VI:*
185 (186) Geburt (VI, 2, 12) in christlicher Familie2.
202 3 Märtyrertod des Vaters des Origenes ^ Leonides ^ im
10. Jahr des Severus unter dem Statthalter Latus (VI, 2, 2). Da-
mals war Origenes im 17. Lebensjahr (mittellos mit sechs jüngeren
Geschwistern), VI, 2, 12; bis dahin hatte er den Clemens (nicht den
Pantänus, denn aus VI, 14 folgt das nicht) in der Katecheten-
schule gehört ^ der aber in der Verfolgung die Schule und die
Stadt verließ (VI, 6; VI, 3, 1). Die Schule ist nur kurze Zeit auf-
Abweichungen vom Original die bekannten Flüchtigkeiten, Versehen und Ein-
grifte des Hieron. verschuldet haben und welche (wahrscheinlichen) Lücken,
Umstellungen und Fehler den Abschreibern zur Last zu legen sind. Daß Hieron.
den Katalog auf Grund seiner eigenen Sammlung von Origenes' Schriften (ep. 84,3'
angelegt hat, ist ganz unwahi-scheinlich. Solche Mühe machte er sich nichts
wenn er j)lündern konnte. Auch aus Adv. Ruf. 2, 22 u. ep. 34, 1 folgt die Ab-
hüngigkeit von Pamphilus.
1) Über die vier Origenes betreffenden Eintragungen in der Chronik habe ich
im ersten Band dieses Teils S. 32 f. 40. GOff. gehandelt. Sie gehen natürlich auch
auf die Apologie zurück. Die erste (z. 10. Jahr des Severus; der Arm. hat eine
falsche Zahl) deckt sich mit h. e. VI, 2: Tod des Leonides, des Vaters des Ori-
genes, in der severianischen Verfolgung. Die zweite (Arm.: 12. Jahr des Sever.,
Hieron. 10. Jahr) deckt sich wohl mit h. e. VI, 3, 3; hier wird berichtet, daß
Origenes im IS. Jahr Vorsteher der Katechetenschule wurde, d. h. iui J. 2<'ti
oder 2'M. In das J. 204 fallt das 12. Jaln- des Severus. Die Eintragung, wie
sie der Ann. bietet („Origenes luirabilis Alexandriae puerili aetat-e cognos-
cebatur'' >, bezieht sich also auf den Antritt des Lehramts. Die dritte Ein-
tragung (zum S. Jahr des Alexander): „Origenes Alexandriae in schola erat hi>
tfnij»oribus'*, ist für uns undurchsichtig. Warum hat Eusebius dieses Jahr
markiert, wrlches kurz vor der Cbersiedelung nach Cäsarea liegt? Die vierte
Eintragung endlich deckt sich mit h. e. VT, 20: Die Cbersiedelung nach Cäsarea.
Sie steht hier beim 10. Jahr des Alexander, und dieses Jahr ist gegenüber dem
Schwanken in den Handschriften der Chronik festzuhalten. — Nach der Kirchen-
goschicht^' muß man es als Fehler betrachten, daß der Amtsantritt des Herakia«
zwei .lahre vorher angesetzt ist; anders DöllingiM-, Hi]>pol. u. Kallist S. 2()2.
2) Die Cln-istlichkeit der Eltern wird durch ror]»hyrius bei Euseb. VI, 11*, 7
nicht widerlegt. Epiphanius nennt ihn einen „Agyi>tier" (haer. ()4, 1) T(5
yizvei, Porphyrius einen „Hellenen". Beides entscheidet nicht. Auch der Name
gibt keine Aufklärung.
3: Die Ausdru(!ksw(Mse des Euseb. (VI, 1,1;: AfOvidrjQ, 6 ÄeyofÄtrog ^ifjt-
yivovq Ttan'iQy ist sehr merkwiinlig. Es ist wohl als P'hrennanie zu verst<»hen.
4) Der Name der ^lütter ist unbokaiuit; die Frage, ob sie eine Jüdin war.
\>i aufgeworfen und bejaht worden auf (inuid eines ^lißverständnisses von
Hieron. ep. :>0, 1, dem noch Westcott zum Opfer gefallen ist.
r>) Daß er auch Schüler des Ammonius Sakkas gewesen ist. Ijczeugt. Tor-
]>hyrius bei Euseb. VI, l!l, 0. Zell er hält die Nachricht für sehr unwahrschein-
lich (Philos. d. kriechen IIP. 2 S. -irjütf.). aber seine Gründe liaben mich nicht
überzeugt (s. Krüger in Ztschr. f. bist. Theol. 1S43 Heft 1 S. ii^tt".). In bezuir
Origenes. 29
gelöst gewesen. Eine begüterte, theologisch angeregte Frau nimmt
den Origenes auf (VI, 2, 13).
203/4 Er wird, nachdem er zuerst Privatkurse gehalten, Vor-
steher der Schule „im 18. Lebensjahi-** nach Anordnung des Bischofs
Demetrius unter dem Statthalter Aquila, der die Verfolgung fort-
setzt (vielleicht fällt in diese Zeit die von Epiphanius erzählte
Anekdote beim Tempel des Serapis, haer. 64, 1); Plutarch und He-
raklas seine ersten Schüler. Er gibt den Unterricht in der Gram-
matik auf (VI, 3, 3. 8). „Viele Jahre" im beständigen Studium der
Philosophie (VI, 3, 9).
Vor 211 die Selbstverstümmelung^ (VI, 8).
Unter Zephyrin (also vor 217) und Caracalla (also nach 211
und vor 215/16, s. u.) Reise nach Rom (VI, 14, 10), wo er einer
Predigt des Hippolyt beiwohnt (Hieron.); vielleicht auf dieser
Reise fand er in Nikopolis bei Actium eine bisher unbekannte
griechische Übersetzung ATlicher Bücher (VI, 16, 2 = die 5. Über-
setzung in der Hexapla, s. Mercati, Studi e Testi 5 p. 28flF.).
Zurückgekehrt, nahm er sein Lehramt wieder auf, und Demetrius
war ihm noch freundlich gesinnt (VI, 14, 11).
Unter Caracalla (also vor 218) nimmt er Heraklas als Unter-
lehrer an der Schule an (VI, 15).
Unter Caracalla lernt er Hebräisch 2, kauft hebräische Bibeln
und spürt griechischen Übersetzungen des A.T. nach; in Jericho
fand er eine neue griechische Übersetzung ATlicher Bücher (= die
6. Übersetzung der Hexapla, s. Mercati, 1. c); er arbeitet die
Hexapla aus (VI, 16)1
auf die hellenische Bildung des Orig. schreibt Porphyrius (1. c): „l'lato war sein
immerwährender Begleiter, ebenso hatte er die Schriften des Numeniu?*, Kronius,
A])ollophane8, Longinus, Moderatus, Nikomachus und der berühmtesten MJinner
unter den Pythagoreeni täglich in seinen Händen. Auch gobnuichte er die
Schrift-en des Stoikers Chäremon und des Comutus. Von diesen lernte er die
allegorische Erklärungsweise der (Jeheimnisse der Griechen und übertrug sie
sodann auf die jüdischen Schriften".
1) Die Anzweiflung dieser Tatsache ist ungerechtfertigt, wie Rede-
penning (Origenes I S. 202 ff. u. 4. Beilage) gegen Schnitzer (Origenes
p. XXXIII ff.) u. a. bewiesen hat. In Matth. T. XV, Itt'. spricht nicht dagegen,
sondern dafür.
2) Auf seinen hebräischen Lehrer hat er sich manchmal in bezug auf
Auslegungen in IIsqI aQxdJv und sonst berufen. Daß der jüdische Patriarch
Huillus ihm Aufklärungen gegeben habe, sagt Hieron. (adv. Ruf 1, 1!^), und
es bestätigt sich aus Select. in Ps. (T. XI p. 8r)2 Lomm.): *Iov).X(p zw nar^iaQ-
Xy . . , dxi^xoa. Die eigenen hebr. Kenntnisse des 0. w^aren nicht groß, s. Re-
depenning I S. 307 ff.
3) Daß die Ausarbeitung der Hexapla die erst<* große Arbeit des Origenes
war, sagt auch Kpi])han., haer. 04, 8, ausdrücklich: "O^ev z6 TiQüixov avxov
30 Die Litt^ratur des Morgenlandes.
Unter Caracalla tritt ihm Ambrosius nahe und wird sein Mä-
cenas, „Ergodioktes"' und unzertrennlicher Freund (VI, 17).
Unter Caracalla bereits stellt sich sein wissenschaftlicher Ruf
auch bei den „Griechen" fest, obgleich er noch nicht als Schriftsteller
aufgetreten war (VI, 18, 3 widerspricht dem nicht); VI, 18. 19 ^
Unter Caracalla wird er vom Statthalter Arabiens durch Briefe
an den ägyptischen Statthalter und an Demetrius nach Arabien
(wohl Bostra) zu einer wissenschaftlichen Unterredung gerufen und
geht dorthin (VI, 19, 15).
215/6 Blutbad des Caracalla in Alexandrien^: Ori genes flüchtet
nach Cäsarea und predigt vor der Gemeinde auf Aufforderung der
Bischöfe (VI, 19, 16). Den Tadel des Demetrius beantworten die
paläst. Bischöfe (VI, 19, 17 f.). Dem Gebot seines Bischofs folgend
kehrt 0. (nach geraumer Zeit) nach Alexandrien zurück^ und
nahm sein Lehramt wieder auf (VI, 19, 19).^
Zwischen 218 und 222, wahrscheinlich 218, wird er nach An-
tiochien zur Kaiserin-Mutter Mamäa zu theologischen Vorträgen
gerufen (VI, 21, 3)^; zurückgekehrt, nahm er sein Lehramt wie-
der auf.
218 oder bald darauf beginnt er auf Betreiben des Ambrosius
seine biblischen Kommentare zu schreiben (VI, 23, 1 f.), und zwar
{^TiifxsXöjg ^(fi?.OTi/nyaazo ovvayaytlv xwv e| hQfjiijvsiwv xxX. — Der Fund in
.Ii'riclio wird wohl er^t i. J. 210 7 {^»»iiiiieht worden nein während des notorischen
Aufenthalts in rnliistina, so daß man eine besondere Reise dorthin nicht an-
zunehmen braucht. Dies bestäti»i[t Kpi]>hanius, der in De mens, et pond. das
7. Jahr des Caracalla nt-nnt. Die Worte, in denen sich Origenes über den
Fund der .'). u. H. Übersetzung geäußert und die Eusebius ausgeschrieben hat.
besitzen wir noch, s. Mercati, 1. c.
1) Von dem Ib'ieffragment VI, 10, iL? f. läßt sich nur sagen, daß es geschrieben
wurde, bevor Heraklas Bischof geworden ist, also vor *Ji>l (s. o. unter Heraklas).
2) S. Dio 77, 22, Iff. llerodian IV, S, Gif. Spart., Carac. 0, 2f. Pauly-
Wissowa, Bd. II Kob214ri.
3) Daß er noch im .1. 217 in Palästina gewesen ist, läßt sich daraus er-
schließen, daß Kpiphanius angibt, er habe im 7. .bihr des Caracalla in Jericho
die ({').] Lbersetzung des A. T. gefunden (s. o.).
4) Origenes hatte schon damals die Absicht gehabt, ganz in Palästina zu
bleiben, und fügte sich nur dem liebot seines Bischofs. Dies geht aus Comni.
in Joh. I, 2 hervor, wo Origenes die Zeit seines dauernden Auf(?nthalts in
Alexandrien erst von jener Bückkehr an rechnet; s. P reuschen, Vorrede z.
4. Bd. der AVerke des V). S. LXXVlIlf.
5) Eusebius b<'richtt't den lv«'gieningsantritt des Klagal)al und Alexander
unmittelbar nacheinander, so daß das Folgende, was er eiv.ählt, in die Zeit
dieser beiden Kaiser fällt. Da für Alamäa ein Aufenthalt in Antiochien in
den ersten U .Tahren der Regierung ihres Solines nicht nachweisbar und auch
nicht wahrsclieinlich i.-t, der Aufentlialt aber, den sie mit dem Sohne im Winter
2ol in Antiochien genommen liat is. Pau 1 y -^Vi^so w a , I^>d. II Kol. 2.j35f.),
Origenos. 3 {
hat er noch in Alexandrien verfaßt die 5 ersten BB. des Kommen-
tars zum Johannes (mit dieser Arbeit hat er begonnen, s. I, 2), die
S ersten BB. des Kommentars zur Genesis, die Erklärungen der
25 ersten Psalmen, den Kommentar zu den Klageliedern, die zwei
in diesem Kommentar erwähnten BB. über die Auferstehung, die
4 Bücher IIsQi dQxcöv\ die 10 BB. Stromateis (VI, 24 nach den
eigenhändigen Einzeichnungen des Origenes).
230/1 „z. Z. des Pontian in Rom und Zebinus in Antiochien"^
(VI, 23, 4) reist er in dringenden kirchlichen Angelegenheiten^
nach Griechenland und wurde auf der Durchreise in Cäsarea (Pa-
lästina) zum Presbyter geweiht (VI, 23, 4)^.
zu spät für den Besuch dos Origenes fallt (gegen Neu mann, a. a. 0. 8. 2(.)7),
da ferner dieser damals mitten in den schweren persönlichen Käm])fen stand,
ja vielleicht gar nicht mehr in Alexandrien war — so ist der Besuch bei
Mamua wahrscheinlich unter Elagabal anzusetzen, und ihre Bezeichnung bei
Kusebius als Mutter des Autokrators ist ein Hysteron-Proteron. Im J. 218
weilt-e Elagabal nach der Besieguug des Macrin (und bevor er nach Nikomedien
ging) in Antioehien. Damals war Mamäa dort, und damals oder gleich darauf
wird sie den Origenes empfangen haben. Das ist nuch Tillemonts Meinung,
Hist. des empereurs T. III (UVJlf.) p. (>24«'. not. VIII. Westcott verlegt den
Besuch in dasselbe Jahr und ninnut an, daß der Besuch des Origenes in Palä-
stina 80 lange gedauert hat, daß er von dort nach Antioehien gereist ist. Das
ist nicht unmöglich.
1) Sie mit Schnitzer schon auf die Zeit um 212 zu datieren, liegt, kt'in
Eirund vor. S'o früh hat 0. überhaupt noch keine Bücher veröffentlicht. —
Über die Anfänge der Schriftst-ellerei des Origenes und speziell über UsqI
fi<}XOtv s. da« interessante Urteil des Marcell von Ancyra (bei Euscb. c. Slur-
cell. I, 4), das Eusebius freilich als eine öiaßoh) bezj'ichnet: Kalxoi el öh
td?.r^^€g Ttegl ^Qiyivovg eineTv, lovto TtQooTJxei /Jyen\ ort agri xdiv xarie
fft).oao<fiav dnooxaq nad'rißux<j)Vi xäl xolq Sfioig of/uf^aai nQotkößtvoq /.oyoig
ngo T^5 thegißovg xwv yQa(pwv 'Aaxah)\i:to)q dia xo 7io).v xal (pikoxifiov xf/g
icOf^Bv Tiatdevaeiog ^äxxov xov ÖBOvxoq aQ^uuevoq vnoyQonfeiv fniel.
yi»a<pHv) V7t6 X(öv xijq <pi/.ooo(piaq Tiag/jxO-ti Aoywr, xal xivcc d/' furovg ov
xa/.wg yiyQafp€. 6tf).ov Si'eii yatt xwv xov IJkdxojvog //f/n7///tV<)c öoyfjLcctcov
xal x^g xwv apy^oßv nag^ avx(o öiatfogaq „Uegl dgywv"^ ytyQacpt ßiß/Jov, xal
xavxTjv X(p avyygdfjifjLaxi xrjv iniyi)a<prjv b&txo. ösTy^a de xovxo fteyiaxov x6
fjiTjöh dXXoS-iv no^Bv xrjv dgytjv xwv li^ewv avzov ?] xrjv imyQa(ptfV xov ßißUov
Tioi/^aacB^ai «AA* and xwv ID.dxwvog ).e/ßivxwv (nifxdxviv. yiygaipe yag agyo-
ftevog ovxwg'.jjoi nsniaxevxoxeg xal neniaxsvfjibVoC'. xovxo xo grjxov ovxwg
BlgTjfiivov evQOig av iv xqt Vogyla ID.dxwvog.
2) Pontian ist am 21. Juli 2'i() Bischof geworden, Xj'binu^ .spätestens 23<)
oder 2'Sl. Hiemus ergibt sich ffir die Keise des 0. <1. J. 2i](Vl, da er 231/2
definitiv nach Cäsarea übersiedelte.
3) Nach Rufin und Hieronynms (vir, inl. 5-1) zur B»'kelining v. Häretik»'rn.
4) Augenscheinlich weil ihm Demetrius di»'so Würde hartnäckig und eifer-
süchtig verweigeH^f. Das Nähere über diese Katastrophe im Leben des 0. hat
Eusebius in seiner Apologie des 0. Buch 2 erzählt (s. VT, 23 Hne) und daher
leider hier nicht mitgeteilt.
32 ^i<? Litteratur des Morgenlandes.
231/2 Die Rückreise von Athen oder den Weg dorthin nahm
0. über Ephesus und Antiochien^ Nach seiner Rückkehr berief
Demetrius eine Synode von Bischöfen und einigen Presbytern in
Alexandrien, die den Origenes zur dauernden Verbannung ans
Alexandrien verurteilte [eine ganz ungewöhnliche Entscheidung],
ihm aber das Presbyteramt nicht aberkannte. Der Beschluß ge-
nügte dem Demetrius noch nicht; er berief eine rein bischöfliche Ver-
sammlung, ließ diese dem Origenes die Amtswürde aberkennen und
teilte den Beschluß den Kirchen „der ganzen Welt" mit (Photios
cod. 118 nach der Apol. des Pamphilus; Hieron. adv. Ruf. I; Euseb.
VI, 8 [damals rückte Demetrius auch mit dem Vorwurf der Selbst-
entmannung hervor], VI, 23)^. Diese stimmten zu mit Ausnahme
der Kirchen von Palästina, Phönizien, Arabien, Achaja^ Origenes
siedelte aber noch vor jenem zweiten (vielleicht schon vor dem
ersten) Beschluß freiwillig nach Cäsarea über (Comm. in Joh, VI,
1. 2) im 10. Jahr Alexanders (Euseb. VI, 26)^ und schrieb zu sei-
ner Verteidigung Briefe an die Kirchen (VI, 36) *, den Demetrius
scharf angreifend und ihm uuevangelische Gesinnung vorwerfend
(Comm. in Joh. 1. c; Hieron. adv. Rufln. II, 18)^ Demetrius ist
1) Es liegt am nächsten, ja es ist fast geboten, den Aufenthalt an diesen
Orten und die Verdrießlichkeiten daselbst, von denen Origenes in einem Brief
an seine Freunde in Alexandrien (Rufin., De adulterat. bei Lommatzsch, Opp.
OvliT. T. 25 i». 8HSff.; Hieron., adv. Rufin. II, 18, 10) berichtet, auf diese Reise zu
bt'/.ioheii. In Atlien, wo er sich länger aufgehalten hat, wird er auch die dortigen
Philosophen gehört haben, und darauf wird sich Epiphan. haer. 04, 1 beziehen,
2) In welchem Umfang Demetrius damals dem Orig. Irrlehren vorgeworfen
hat, bleibt dunkel. In der späteren Zeit sah man in ihnen den Hauptgrund
der Zensurierung.
3) 8. Hieron. ep. 33, 4: „Damnatur a Demetrio episcopo, exceptis Palae-
stiuae et Arabiae et Phoenicis atque Achaiae sacerdotibus. In daninationem eiufi
cousentit urbs Romana : ipsa contra hunc cogit senatum, non j)ropter dogmatum
novitatem, non propter haeresim, ut nunc ad versus eum rabidi canes simulaut., sed
quia gloriam eloquentiae eins et scientiae ferre non poterant et illo dicente
omnes muti putabantur". Ep. 84, 10; Rufin., luvect. in Hieron. II, 20. Aber die
mangelnde Orthodoxie nmß doch bei der Absetzung oino Rolle gespielt haben.
Die Absetzung eines irregulären Priesters hätte man nicht alh'u Kirchen angezeigt.
4) Das 10. (nicht das 12.) Jalir ist die richtige Lesart bei Euseb. Da das
feststeht, korann'u die Schwankungen in der Olx'rlieforung der Chronik nicht
in Hetracht.
5) Diese Brief«' sind natfirlich nicht alle» aus dem .T. 2.'n/2, sondern die
briefliche Selbstverteidigung vor den auswärtigen Kirchen dauerte fort; so
schrieb 0. zu diesem Zweck an den römischen IMschof Fabian, der erst i. J.
23<> Rischof geworden ist (VJ. ;-;(> u. Hi(»ron., t'p. S4, 1(M.
<») Die abscheuliche Anekdot«*, welch«* Ei)iiihaTiius (haer. (M, 2) als Grund
für die Flucht aus Alexan«lri«'n und <lie Lbersiedelung d«'s O. nach Cäsarea
mitteilt, ist mit Recht als böse Verleumdung jetzt verschollen.
Origenes. 33
gleich darauf gestorben (231/2) und Heraklas, den Origenes preis-
gebend S ihm als Bischof gefolgt 2.
Nach 232 und vor 235 besucht 0. von Cäsarea auf Bitten und
^zum Nutzen der Kirchen" den Firmilian in Cäsarea Kapp. (VI,
27) % und dieser kommt später zu ihm nach Cäsarea Pal. (1. c).
Hier wirkte 0. nun als predigender Presbyter und als Haupt einer
Schule«.
235 oder etwas später schreibt er die Exhortatio ad marty-
rium für Ambrosius und Protoktetus, die in der Verfolgung des
Maximinus Thrax verhaftet waren ^ „Origenes hat diese Zeit der
1) DionysiuB ist dem Orif?. freundlicher gesinnt geblieben; er hat ihm
später eine Schrift über das Martyrium gewidmet (£useb. VI, 4H) und auch
durch seine Theologie seine Treue gegen den Lehrer bewiesen. Aber ganz
ohne A^orbehalte kann auch seine Freundschaft und A'erehrung nicht gewesen
sein, und auch Origenes kann ihn "nicht rückhaltlos geschätzt haben, sonst
inüßt<? er ihn in den Schriften der letzten Jahre genannt haben. Wir besitzen
aber nicht eine Äußerung über ihn. S. auch sul) „üionysius".
2) Daß Origenes noch einmal später, wohl bald nach dem Regierungsan-
tritt des Heraklas, nach Alexandrien zurückgekehrt ist, dann aber noch einmal
— von Heraklas — exkommuniziert worden ist, scheint glaublich, aber Sicher-
heit läßt sich durchaus nicht gewinnen. Auf die Chronik des Euseb. darf man
sich nicht berufen (s. o.), wohl aber auf andere Stellen (s. unter Heraklas). In-
dessen muß die Möglichkeit zugestanden werden, daß Photius den Heraklas
mit Demetrius verwechselt hat. Jedenfalls ist die Erzählung, daß Origenes in
Thmuis gepredigt hat und daß der dortige Bischof deshalb abgesetzt worden
ist, authentisch — Epiphanius (haer. r)4, 3) behauptet, Origenes habe 28 Jahre
in Tyrus gelebt. „Tyrus" ist sicher falsch; dort ist 0. nur vorübergehend ge-
wesen (und gestorben) ; aber auch die 28 Jahre lassen sich nicht unt^jrbringen.
Sie führen, wenn man den Tod -des 0. auf 254 ansetzt (s. u.), auf d. J. 220;
aber erst 231/2 hat 0. Alexandrien definitiv verlassen, und die R^jise nach Achaja
kann man nicht, ohne dem Eusebius zu nahe zu treten, in d. J. 220 setzen
(nach Eusebius füllt sie 230 1, s. 0.). Aber auch das ist unwahrscheinlich, daß
zwischen der Reise nach Achaja und dem definitiven Aufbruch aus Alexandrien
4 — 5 Jahre gelegen haben.
3) Es scheint mir zu skeptisch, wenn Neumann (a. a. 0. S. 220) auf
Grund des Wortlaut-es diesef St-clle zweifelt, ob 0. wirklich nach Kappadozien
gereist ist.
4) Er predigte regelmäßig Mittwochs und Freitags, häufig aber auch täg-
lich vor Gläubigen und Kat<?chumenen.
5) Hier bleiben über Zeit und Ort der Schrift ITnsichcrhoiten nach. „Als
Ort der Abfassung ist mit Sicherheit Cäsarea l*al. zu nennen", schreibt Koet -
schau (Orig.* Werke I S. IX), und dasselbe behauptet Neumann (a. a. 0.
S. 218. 228f.). Allein (1) ist das in der Schrift nicht deutlich gesagt; die Be-
hauptung Neumanns, in den Worten: nro/a akXrj ovrcog rifiiga aattrjglag dg
ii ijfiiga T^g toiavxTig ^fidiv ivxev^ev dnalkayr) müsse unter ^vrft-dfv Cäsarea
Pal. verstanden werden, ist mir trotz dem Hinweise auf den vorhergehenden
Satz [nolog ovv &kXog svngooÖBxtog xaiQog ^ ore öta r^v elg O^eov iv XQiaz<p
Harnack, Altchristl. Litteratargescb. II, 2. 3
34 ^iß Litteratur des Morgenlandes.
Verfolgung im 22. Buch seiner Erklärungen zu Joh. sowie auch
in verschiedenen Briefen bemerkt** (VI, 28).
238—244 („Unter Gordian") Gregorius Thaum. und sein Bruder
werden in Cäsarea Schüler des Origenes und bleiben 5 Jahre bei
ihm 1 (VI, 30).
238 — 244 Abfassung des Jesajas- und Ezechiel-Kommentars. Er
reiste nach Athen 2, vollendete dort den Ezechiel-Kommentar und
begann den über das Hohelied daselbst (VI, 32). Auf dieser Reise
hielt er sich auch in Nikomedien auf, wo Ambrosius mit Familie
ebenfalls war (also hat er ihn vielleicht auch nach Athen begleitet),
s. den Brief des 0. an Afrikanus, der von Nikomedien geschrieben
tvai߀tav vno tpgovQav nofJLnevovteq xtX.;) unbegreiflich; (2) sagt Palladius,
Origenes habe sich während der Zeit der Verfolgung zwei Jahre lang im Hause
einer christlichen Jungfrau Juliana in Cäsarea Kapp, verborgen gehalten (Hisi
Laus c. 147; in ihrem Besitz befanden sich Werke des Symmachus, die sie von
Symraachus selbst geerbt hatte, s. Euseb. VI, 17). Es liegt nahe, anzunehmen,
daß 0. in Kappadozien, wo er zum Besuch weilte (s. o.), von der Verfolgfung
üljcrra^cht worden und etwa zwei Jahre daselbst geblieben ist (s. Hieron.
catal. 54: „Fimiilianus cum omni Cappadocia eum invitavit et diu tenuit").
Die Exhort. ad mart. könnte dort geschrieben sein, oder sie könnte auch nach
seiner Rückkehr nach Cäsarea Pal. verfaßt worden sein. Es ist ja nicht nötig,
vorauszusetzen, daß Ambrosius und Protoktetus bei Beginn der Verfolgung ver-
haftet worden sind ; sie können auch erst im J. 230 gefänglich eingezogen worden
sein ; auch braucht Origenes nicht 235 und 230, sondern kann sehr wohl 234 und
235 (bez. bis 230 init.) in Cäsarea Kai>p. geweilt haben. Anderseits ist es
auch möglich, daß Origenes beim Anfang der Verfolgung noch in Cäsarea Pal.
weilte, die Exhoi*t.. schrieb, dann aber, sich der Verfolgung entziehend, der
Einladung nach Kai)padozien gefolgt ist. Daß die Nachricht des Palladius ein-
fach wertlos, weil aus Eusebius zurecht gemacht sei (Neumann S. 220), ver-
malt ich nicht einzusehen. M. E. stammt die Eintruj^ung, auf die sich Palladius
beruft, wirklich von der Hand des Origenes. Aber Sicheres läßt sich nicht aus-
machen. Die Annahme, Origenes sei in der Verfolgung nach Kappadozien
geflohen, läßt sich gewiß nicht strikt beweisen, aber merkwürdig bleibt es
doch, daß er in den Homilien zum Kichterbuch (hom. IX, 1 Lommatzsch
T. XI p. 280), die nicht lange nach 235 gehalten sind, folgendes ausgesprochen
hat: „Licet tamen etiam hoc in militia Christi, si forte aliquando inferiorem
te viribus senseris in persecutionibus, et non aequum tibi adversum crudeli-
tatem tyranni j)er fragilitatem corporis videris esse certamen, dare locum irae
et fugere de loco ad locum: nee tibi in hoc adscribitur militare commissum.
Designatur hoc etiam in legibus Christi, dicentis": Folgt Matth. 10, 23. Klingt
das nicht wie eine Selbstverteidigung? Indessen hat sich 0. ähnlich auch sonBt
ausgedrückt, s. Redepenning 1 S. 198.
1) Näheres s. unter „(iregorius".
2) Reisen in die weitere Umgebung von Cäsarea hat Origenes öfters ge-
macht. Gewiß ist er mehrmals in Jerusalem und Bethlehem (s. c. Cels. I, 51)
gewesen. Möglicherweise fällt jetzt erst der Besuch in Jericho (s. o.). Schon
er ist — der erste fromme Pilger, den wir kennen — der evangelischen Ge-
scrhichte nachgegangen, wie in Bethlehem so auch in bezug auf andere Stätten
Origenes. ;j5
ist K Nach Cäsarea Pal. zurückgekehrt, vollendete 0. den Kommen-
tar zum Hohenlied (VI, 32).
238—244 Reise nach Bostra zur Synode zur Widerlegung des
Beryll (VI, 33).
Um 246 bez. 246—249 „Der bereits über 60 Jahre alte" Ori-
geues 2 läßt endlich Stenographen zu seinen Predigten zu ^ (VI, 36).
Er schrieb das große Werk gegen CelsusS 25 Tomoi über das
Matthäus-Ev. ^, die Tomoi über die zwölf Propheten, je einen
Brief an den Kaiser Philippus und an seine Gemahlin und andere
Briefe^ (unter ihnen an Fabian von Rom und andere Bischöfe
über seine Rechtgläubigkeit) ; s. VI, 36.
(s. Comm. in Joh. VI, 40: //i) Selv Bfj&avUc avayL-yviooxeiv akka Brj^aßagäj
yevofievoi iv xoXq tonoig tnl loxogiav zwv l^vüHv 'Itjaov xal tdiv fxa&rjrwv
avxov xal x<ov TtQOtprjzüiv. Ein Aufenthalt, und zwar ein längerer, in Sidon
k folgt aus Hom. XIV, 2 in Jesu N. (Lommatzsch T. XI p. 1*27). Einen Aufenthalt
L in Antiochien erwähnt Orig. auch in der ep. ad quosdam caros, Lomni. XXV
; I». 391. Er hat auch nicht nur in Cäsarea gepredigt, sondern auch in Jeru-
*' salem (Loiuin. XI p. 21K)) und in manchen Kirchen (Lomm. XI p. H'2).
1) Der Briefwechsel mit Afrikanus zeigt, daß 0. früher eine Streitunter-
redung mit einem gewissen Bassus (wohl in Palästina) gehabt hat, deren
Ohrenzeuge Afrikanus gewesen ist. — Auf der R<^iso ist Origenes von einer
owoöla begleitet gewesen, s. Africani ep. ad Orig.
i 2) S. auch Pamphil., Apol. pro Orig. (Lommatzsch T. XXV p. 30t2): „in
ecclesia catholica senuit".
8) S. Pamphil., Apol. pro Orig. (Lommatzsch T. XXV p. *29S): „. . . trac-
tatus, quos paene quotidie in ecclesia habebat ex tenij»ore, quos et de-
scribentes notarii ad monimentum posteritatis tradebant".
4) Eine nähere Datierung hat mit R^cht Neumann, a. a. 0. S. 'JfJöft'.,
geboten, indem er bewies, daß die politischen Zustände des J. *J4!) die Haltung
hätten durchkreuzen müssen, die Origenes im Anti - Celsus eingenommen
hat. Da« Werk muß also zwischen 240 (Origenes hat den Ifömerbrief- Kom-
mentar nach Vollendung des (>(). Jahres verfaßt, dann folgte der Anti-Celsus)
und 248 niedergeschrieben sein. Daß aber der Anti-Celsus genau im J. 248 ab-
gefaßt sei aus Anlaß der Millenar- Feier Roms („So tritt Origenes mit seinen
Büchern gegen Celsus der Jubelfeier des 10(K>jährigen heidnischen Reiches in
seiner Weise entgegen, wie aus ähnlichen Motiven die Kurie das Lutherfest
von 1883 mit ihren Monumenta refomiationis Lutheranae begleitet hat", Neu-
mann S. 273), ist unerweislich. Eine solche Absicht müßte doch irgendwie im
Buche angedeutet sein. Was ging übrigens (änen Agyptier imd Chi-iston, ydo
Origenes, jene Jubelfeier an? — Die Ilinaufsetzung dos Anti-Celsus auf d. J.
228, welche Doulcet (Essai sur les rapports de T^glise ehret, avec PEtat
romain, 1888, p. 162) gegen die ausdrückliche Angabe Eusebs vorgeschlagen
hat, entbehrt der Begriindung und ist m. W. eindnickslos geblieben.
5) Die Auslegimgen zu Matthäus müssen in zw<»l Formen von Origenes
publiziert worden sein, s. u.
C) EusebiuB hat, wie er VI, 80 bemerkt, über HJ<) Briefe des 0. f natürlich
aus verschiedenen Zeiten) in eigenen Büchem gesammelt.
36 l^i** Ijittenitur des Morgeulaudes.
246—49 Zweite Reise nach Arabien zur Bekämpfung der
Thnetopsychiten (M, 37 und was sub Dionysius Alex, am SchlaB
bemerkt ist).
246—49 Die Honiilie über den 82. Psalm, in der er die Elke-
saiten bekämpft (VI, 38).
249 250 In der Verfolgung des Decius wird er verhaftet und
erleidet standhaft große Martern ^ (in Tyrus?); Briefe nach dieser
Zeit mit „herrlichen Aussprüchen" sind von ihm noch erhalten
(VI, 39)'^.
254 unter Gallus stirbt er „nach vollendetem 69. Jahr" in
Tyrus 3 (VII, 1; Hieron. ep. 65 ad Pammach.), wo er auch begraben
wurde.
Nicht früher als im J. 218 bez. bald darauf hat Origenes seine
schriftstellerische Ttätigkeit begonnen (auch gepredigt hat er das
erste Mal L J. 215/6); in der Zeit nach 249/50 hat er Schriften
nicht mehr geschrieben oder diktiert, sondern nur Briefe; somit
fallen alle seine Werke rund in eine Zeit von ca. 30 Jahren. Inner-
halb dieser Zeit sind die Jahre unter Philippus Arabs, also die
letzten, weitaus die fruchtbarsten gewesen.
1) Der Kichtor wollte ihn nicht töten.
•Ji Nicht piuz rifhtijjf ist es, wenn Neumimn zu dem von EusebiuB an
gej^ebeiieu I)atuni für den Anti-CelsuH und damit, wie es scheint, zu den euße-
hiiinlKchcn Datierunfifen ori«reni^tischer Werke überhaupt (8. 270) bemerkt: „R
ist unerwrislich und unwiihrsclx'inlich, diiß Eusebius über das Datum der Schrift
^o»^en C'clsu.s rinc bestimmte (.'berlieferunjj: besessen hat, die von der Schrift
selber und ihrem Inhalte uiiabbiuif^ijjr jj^ewesen "wilre. Ihn leitete bei Beiner
elironolof^isi.'lien Fixieruii«^ eine Andeutung des Origenes über den Frieden der
Kirche, welche ««r sogar in engem Anschluß an den Wortlaut reproduziert hat
(vgl. Euseb. VI, :;<;, l niit c. Cels. VII, 20); ihn leiteten ferner die Verweisungen
auf bereits vollench'te und ins Auge gefaßte Werke. Es ist ein Schluß und
keine Cberb'eferung, was Hnse]»ius über die Abfassungszeit der Bücher c. Cek
aussagt. A])er der Schluß ist umsiclitig gezogen luid ist schwerlich ansni-
fecliten". Eusebius stützt sicli im H. Buch in bezug auf das Leben und die
Werke des Origenes auf seine mit ram]»hilus zusammen veröffentlichte Apologie
IS. o.); für di(?se aber waren die Handexemplare der Werke des Origenes be-
nutzt, von denen viele Einzeichnungen des Origenes über Ort und Zeit der
Abfassung tnigen (s. \'l, 'Jl fin.). (Jewiß hat Eusebius auch innere und relatiTf
Zeugnisse beachtet, aber seine Hau])tquelle tur <lie Datierungen werden Jen*
Einzeichnungen gewesen sein, und er hat augenscheinlich aus der großen Mengr
der Werke des Orig. hauptsächlicii snlL-he geiuinnt, welche einen von Orig.
selbst herrührenden Vermerk trugen.
3) Wit^ und warum er dorthin gekommen ist und wann, weiß man nicht
Die Tatsaelie wird nicht dur«'h Eusebius, aber durch Hieron. (de vir. inl. M^
[Thotius cod. TIS]) und Epii»lianius diaer. (II. .") u. de pond. et mens. 18) be-
zeugt. Photius teilt zwei rberH«*ferungen über den T(»d des 0. mit. Nach eiBer
rberlieferun«; ist ?r in Cäsarea unter Decius «gestorben.
Origcnes. ;{7
Zeitgeschichtliche Anspielungen sind in den Werken des 0.
nur sehr spärlich zu finden. Stets lebte er in der Sache und wollte
Belehrung und Erbauung geben; daher trat das Zeitgeschichtliche
und Individuelle ihm ganz zurück. Auch wo er konkrete Mißstände
in den Predigten bekämpft, bietet er selten ein konkretes Detail,
und auch das „Ich" ist sehr selten zu finden.
Das gesamte Material (wenige im Original erhaltene voll-
ständige Schriften, viele lateinische Übersetzungen und eine Fülle
von Fragmenten, noch längst nicht gesichtet) hat Preuschen im
1. Teil dieses Werkes verzeichnet Ich beschränke mich hier dar-
auf, die chronologischen Daten für die einzelnen Werke zu geben,
und lege das von Hieronymus überlieferte, von Pamphilus (bez. von
Eusebius, s. h. e. VI, 32) heiTührende Verzeichnis der Schriften (nach
Klostermann) zugrunde:^
Quorsum Varronis et Calcenteri mentio facta sit queritis;
videlicet ut ad nostrum Adamantium nostrumque Calcenterum veni-
amns, qui tanto in ss. scripturarum commentariis sudore laboravit,
ut iuste adamantis nomen acceperit. Vultis nosse quanta ingenii
sui reliquerit monimenta? sequens titulus ostendet:
scripsit 2
In Qenesim libros XIV (XIII Ruf., XII Euseb.) [I. Teil S. 343ff.
Buch I — VIII in Alexandrien geschrieben, der Rest in Cäsarea,
s. 0. S. 31; es war ein Kommentar zu Genes. 1—4, der in älterer
Zeit vielfach benutzt und ausgeschrieben worden ist].
Localium (locarum) omeliarum libros II [der Titel ist ver-
dorben und unverständlich, daher nichts auszumachen; Rufln
schreibt vielleicht mit Recht „mysticarum"].
1) Epiphan. (haer. (>4, 03 und nach ihm andere) veranschlaget die Zahl der
Schriften des 0. auf 6000; s. dagegen die Bemerkungen des Ruün n. Hierony-
mus bei Hieron. adv. Rufin. II, 22 etc. Der Katalog des Hieron. umfaßt keine
8<X) Nummern (wie wir ihn besitzen), und Hieron. sagt, daß das Verzeichnis bei
Pamphilus keine 2000 aufweise. Wie er gezahlt hat, wissen wir nicht.
2) Hier ist die Cberschrifb „Tomorum in Votus Testamentura" oder «?iue
ähnliche ausgefallen. Schon diese St-elle beweist, daß die Überlieferung den
Verzeichnisses mangelhaft ist. Daß aber Hieronymus selbst es nicht genau
wiedergegeben hat, ist bei seiner bekannten Art ziemlich sicher anzunehmen.
Endlich war es von Hause aus kein vollständiges Verzeichnis, sondern stellte
den Besitz des Pamphilus an Origeniana dar. Man hat somit den Katalog
unter dieser dreifachen Einschrilnkung zu würdigen. Km kleiner Teil des Ver-
zeichnisBes steht auch bei RuHn, adv. Hieron. II, 10; doch hat Rnfin keine
Belbgföndige Kenntnis gehabt, sondeni lediglich den von Hiornn. übertragenen
Katalog eingesehen.
38 I^i^ Litteratiir des Morgenlundes.
In Exodum excerpta [I. Teil S. 34 6 ff., verfaßt vor dem Eomm.
z. Hohenlied (s. Lomni. T. XIV p. 314), also vor 240] ^
In Leviticum excerpta [I. Teil S. 348; Näheres nicht bekannt] l
Stromatum libros X [I. Teil S. 383; verfaßt in Alexandrien unter
Alexander, also 222—230]^.
In Isaiam libros XXXVl fl. Teil S. 360f.; verfaßt 238—244].
Item in Isaiam excerpta*.
In Osee de Effraim librum I [I. Teil S. 366; Zeit nnbekannt]^
In Osee commentariiim ]
[n Johel libros II )
1 ) Kin Kommentar zum Exodus wird nirgends bezeugt (aus c. Cels. VIII, 4<»
Hißt Hich nichts folgern; gegen Neu mann, Rom. Staa£ u. Kirche I S. 2tX»);
auch die I'hilokalia (p. 2.12 Rol».) kennt nur OTifjteiwaeig (— excerpta, cf. Hieron..
(.'omni, in Isai. lib. I J'raef.: „orjfjLeiwaBig^ qua» nos Kxcerpta possiimus appel-
Iure") zu diesem Buch; dcjnn xal nakiv ^v aX).v) zonip (nicht tofiqt) tv x. atToS;
elg T. *E^o6ov OTjfjiei. ist zu lesen. Die „tractatus in Kxod.", wie sie der Komm,
z, Hoht'nlied nennt, werden mit den Kxc(»ii)ta zu identifizieren sein, da Homilieu
damals noch nicht aufgezeichnet waren.
2) Kin Kommentar zum Levit. wird nirgends bezeugt. Einen Kommentar
zu Deuter, hat Orig. nach Comm. in Joh. XXX II, IS spät noch (11) geplant:
T« ne^l fx6v zoitov oixtioxiQov ^v xolq elg ro /JevteQOvo/uov ^^ttaaMii iv.
Daß er dazu gekommen ist, ist unwahrscheinlich.
3) Der Athos-Kodex von der (ioltz' hat uns über die Strom, wichtige
Aufscliln.-<e gegeben (Texte u. Unters. lid. 17 S. iMIil*.). Sie waren ein großes^
exegeti^eh-apulogetisches Work ii])er ausgewählte , schwierige Schrittstelleu.
iiiid es ist sehr wohl möglieh, daß <'in Teil der in der Überlieferung als
arjfiFiiooeig bezeichneten Stücke auf sie zurückgeht, da der Schreiber de?
Athos-Kodex seine Exzerpte aus den Strom, mit arjfxfuoxhov oti einleit<»t. Da-
zu ist Hieron., Connn. in (lalat. I'raef. zu vergleiehen : „decimum stromatum
suoruni lil>runi conimatico super exj)laiiatione eins sennone c(»m]>levit." „Seii-
tentiae ]>hilosophoruni" waren mit den Bibelst<'llen v»M-gliclien (IJioron., ej>. 70, 4\
Die Abfassung <les Werkes unter Alexander Sevorus in Alexandrien, also
222-2:^,1», hat Orig. nach Ku>,eb. VI, 21, M selbst ^ernlerkt. Di(>ses Werk hat
ror]>hyrius wahrscheinlich im Auge gehabt, wo er die holh'nische lUldung de:?
0. bezeugt; denn Hieron. charakterisiert es iL c.i also: „(.'lementem Alex, imi-
tatus (Jrigenes seripsit Stnunateas Christianoruni et philoso])honim int^T ^
sententias coni]>arans et omnia nostrat; religionis dogmata de Piatone et de
Aristotele Numenio Cornutojiue contirmans (vgl, dazu KuscV». Vi, llh. Die
Stellung der Strtun. in un-erem Vr-rzeichnis (unter den «'Xegetisehen AVerken»
bestätigt ihn'n Charakter. Hie iloflnung, ^ie im K>knrial noch zu finden, ist
gescheitert (s. K 1 o .«. t e r mann S. SfJ-J ).
-l) Kusebius kennt nur :i(» F»U (bi.-> .le>. :i(), di, nnd da auch sonst nur
diese Zahl überliefert ist, sin«! die 0 weiteren Hiielier fraglich. — Die Kxcerpta
nennt llieron., C'oinni. in Isai. lil». I l'raef, ausdrücklich. l>er Komm, zu .les,
wird c. ('eis. VII, 11 zitiert.
r»! Dies war eine Monogra]»hie für sirli, die iiuch llieron. iComm. in 0>.
Traef I trckannt hat.
Origenes. 39
In Arnos libros VI
In Jonam librum I
In Micheam libros UI
In Naum libros II
In Abacuc libros III
In Sophoniam libros II
In Aggeum librum I
In principioZachariae libros II
In Malachiam libros II (L Teil S. 3651; dieser Kommentar in
25 BB. ist zwischen 246 u. 249 verfaßt, s. 0. S. 35] *.
In Ezechiel libros XXIX [I. Teil S. 364f.; verfaßt 238— c. 240 in
Cäsarea und Athen, vor dem Komm, zum Hohenlied, s. oben S.34]-.
Excerpta in Psalmos a primo usque
ad quintum decimum. — Rursum:
In Ps. I— XVI, XX, XXIV, XXVm, XXIX, XXXVni, XL, XLUI
— XLVI, L— Lin, LVII-^LIX, LXII— LXV, LX VIII, LXX, LXXI
je ein Buch, jedoch in Ps. XLIII und L noch ein zweites
und in Ps. XLIV noch ein zweites und drittes.
In principio LXXII librum I
In cm libros 11 [I. Teil S. 356 ff. Zwei Werke zu den Psalmen
sind hier verzeichnet: (1) Die Erklärungen zu den ersten 25 [so,
nicht 15 ist zu lesen] Psalmen, die nach einer Bemerkung im
9. Buch des Kommentars zur Genesis noch in Alexandrien, also
vor 230, verfaßt waren, (2) Erklärungen zu 42 Psalmen in 47 BB.
Die Zeit dieses großen Werks ist unbekannt]^.
In Proverbia libros III [L Teil S. 358; Zeit unbekannt].
1) 2:") BB zu den kleinen Propheten »ind auch durch Kuseb. VI, 32, 2 und
Hieron. (Pamphil.), De vir. inl. 7') bezeuj^t! Der Kommentar zu Hosea träjrt
nicht durch Zufall in unserem Verzeichnis keine Buchzahl; er war schon zur
Zeit des Hieron. (Comm. in Os. Praef.) axetpaXov xal ax^Xeoxov. Hier erweist
sich unser Katalog also als ganz genau. Die Teilzahlen, die er bietet, geben
zusammen 25; allein zwei Schwierigkeiten bleiben nach: Obadja fehlt, und
Hieron. (Prol. in Malach.) gibt 3 BB des 0. zu Malach. an. Zur Erkl^lrung des
Fehlens des Obadja kann man sich nicht auf c. Cels. VU, 11 berufen; denn
die Stelle beweist nur, daß da« Werk gegen Celsus mitten inne zwischen die
Abfassung des Komm, zu den kleinen Propheten fällt Uv xolq TiQayfiaxevd^slaiv
y/iiy eiq x6v*^Haaiav xal elg xör^Ietexii/k xal eig xivag xwv ödöexa — daß der
Kommentar zu Sophonias noch nicht geschrieben war, zeigt VIII, 72). Aber
vielleicht hat 0. wirklich keinen Kommentar zu Obadja verfaßt. Die Buchziffer
für Malach. bleibt unaufgeklärt. — Zu „In princii>io" Zach. vgl. Hieron.,
Comm. in Osee Praef.
2) Die Buchzahl ist wahrscheinlich falsch; nach Euseb. VI, 82, 1 waren
es 25 BB (s. die Noten des Cod. Vatic. gr. 212;")).
3) Zu dem großen Psalmenwerk s. Hieron., Commentarioli in Ps. (Morin,
Aneedota Maredsol. 111, 1. Prol. 1805).
40 ^i^* I-jitteratur des Morgenlandes.
In Ecclesiasten excerpta [I. Teil S. 358; Zeit unbekannt].
In Canticum Canticorum libros X [I.Teil S. 358f.; die ersten
5 BB. sind in Athen c. 240 verfaßt, die folgenden bald darauf in
Cäsarea, s. o. S. 34 fj.
Et alios thomos II
quos insuper scripsit in adolescentia [I.Teil S.358f., vielleicht
die früheste exegetische Arbeit des 0.]*.
In Lamentationes Jeremiae thomos V fl. Teil S. 363f^ ge-
schrieben in Alexandrien, s. o. S. 31] "'^.
Rursum [oder: Iteram moiiobiblia]^
Periarchon libros IV (I. Teil S. 3781f., verfaßt zwischen 220 und
230 in Alexandrien, s. o. S. 31]^.
De resurrectione libros II
Kt alios de resurrectione dialogos II [L Teil S. 358f.; verfalit
in Alexandrien vor De princ. (s. II, 10) und vor den Klageliedern
(s. Euseb. VI, 24), also wohl näher an 220 als an 230] ^
De proverbiorum quibusdam questionibus libruml [L Teil
S. 386; nichts ist bekannt].
Dialogum adversus Candidum Valentinianum^.
De martyrio librum [I.Teil S. 382; verfaßt 235 oder 236, der
Ort ist nicht sicher, s. o. S. 33f]'.
1) Die Chiirakterisieninji: aU ein Jugendwerk muß auf eine wörtlich gleich-
lautende sjtatere Eintragung des Origenes selbst zurückgehen, s. Philokal. 7:
ex xov eig uapLa fjiiXQOv JOfiov (es wird trotzdem an den 2 BR festzuhalt*»!!
sein), (Iv tp zy veortjri tygaxpsv).
2) Mehr Bücla^r hatte auch Kuseb. (VI, -4} nicht, setzt aber die Exist^Miz
von mehreren voraus. Maximus (.'onfessor weili von ein(»m 10. Buch.
.')) Die zweite Überschrift })ei Kutin, und sie wird richtig sein. Vielleicht
ist sie als (iesamttili?! für die nun folgenden sechs Monogra])hien gemeint.
\) Die lateinisch»' Übersetzung des Rutin kann nur bedingt- als ein Werk
des Origenes gelt(?n, denn er hat sich die größten Eigenmächtigkeiten erlaubt.
Die wörtliche Cbersetzung des Ilieronymus (s. ep. S'Jtf.) ist, wie das Original,
bis auf wenige Fragment«' is. bes. ep. UM) imtcrgegangj'u. — Athanasius zitiert
(ep. 4 ad Serap. c, U; ein owxayfJLuxiov des (). über die Sünde wider den
h. (b.'ist. Mau kann vermuten, daß damit ein A})schnitt in dem Werk .Tfpi
((QXdiv g<'meint ist; <!s kann aber au(;h eine besondere Schrift, sein.
5) Zwei Werke IIsqI civaGtaaeog sin<l auch sonst })ezeugt, bez. 4 Bücher;
wie sich die erhalteiu'u Zitate verteiliMi, läßt sich nicht ausmachen. Eu.seh.
(VI, 24) weiß nur \oii zwj-i Büehj'rn. Die dialogisch«' Form {ih^^i einen Werkes;
ißt auch durch Tlieojthilus Alex. b»'i Hieron. ep. U'J, 4 bezeugt,
0) S. Rufin., De adult. libr. Orig. bei Lomni. T. XXV ]». iiSOf, Hieron.
adv. Buf. II, IS. 111. Der Dialog ist identisch mit d«'m in dem Brief ad quos-
dam caros suos erwähnten, s. den I. T<'il dii.'ses Werkes S. 171. 18*J. 377. 7r>Sf.
Er ist zu Athen 'J:)n/1 gehalten.
7) Ileftl fxaQXVQiov ist auch nach Eus«4). IV, 'js d«'r Titel. Das Werk fallt
unzweifelhaft in d. J. *J:55 oder L^ijd, d. h, in die Zeit der Verfolgung Ma^si-
Origenes. 4j
De NoTO Testamente
In Matheum libros XXV [I.Teil S. 366 ff; verfaßt unter Philippus,
s. 0. S. 35, und nach dem Komm, zu Rom.] K
In Johannem libros XXXII [I. Teil S. 371ff.; B. I— V iu Alexan-
drien verfaßt seit c. 218/9 (s. o. S. 31); nach der Verfolgung des
Maximin schrieb 0. das 22. Buch (vielleicht während der Ver-
folgung); das nie vollendete Werk hat ihn noch nach 238 be-
schäftigt] 2.
In partes quasdam Johannis excerptorum librum I [nichts
bekannt; doch s. d. vorige NoteJ.
In Lucam libros XV [I. Teil S. 368; Zeit unbestimmt]^
In epistulam Pauli apostoli ad Romanos libros XV [I.Teil
S- 373 f., verfaßt nach 244 und vor dem Komm, zu Matthäus]^.
In epistulam ad Galathas libros XV [I. Teil S. 374f., wohl zu
den späteren Arbeiten gehörend] ^
InEph., Philipp., Coloss., I Thess., II Thess., Tit, Philem. je
ein Buch, aber zu Koloss. noch ein zweites u. zu Eph. u.
mins. Ob es aber iu Cäsarca Pal. oder in Casarea Kapj). abgefaßt ist, ist
unsicher.
1) Die Buchzahl ist durch Euseb. IV, iJ'i gesichert. Das, was uns teils
griechisch, teils lateinisch erhalten ist, legt die Vermutung nahe, daß zwei
Ausgaben dieses großen Werkes von Orig. sell>8t herrühren. Der Kommentar
zum Rßmerbrief ist in unserem Kommentar XVII, 32 (Lomm. T. IV ]). l.")!))
zitiert. Es scheint auch, daß c. Geis, vor Matth. geschrieben ist; s. 11,00 mit
ComTD. ser. 143 (T. V p. 79 f.) u. Neumann, Der röm. Staat usw. I S. 200.
2) Preuschen hat in der Vorrede zum Komm. z. Job. p. LXXVlIlf. gezeigt,
daß nach Komm. I, 2 die Arbeit am Johannes die erst^ Arbeit dieser Art ge-
wesen und von 0. daher c. 218/J unternommen worden ist. Das letzte^ IJurli,
welches vorliegt (32.), will Neu mann ohne durchschlagenden (irund nach
c. Gel», nicken (der röm. Staat u. d. allg. Kirche I 2<)!)). :Mehr als 32 Bü(?her
hat O. zu diesem Ev. vielleicht nicht geschrieben (wenigstens sind Nachrichten
über weit<»re Bücher nicht sicher); Eusebius aber hat nur 22 (VI, 2-1) gesehen,
oder soll man mitHuät, Klostermann u.a. 32 schreiben? Die Nachrichten
über spät^ire Bücher (s. Gomm. in Matth. ser. J33) mögen auf die ..Excerpta"
gehen. Die 32 BB reichen bis c. 13, 33.
3) Die Zahl 15 ist schwerlich richtig; Kutin (adv. Hieron. II, 10) \i. Hieroii.
(Hom. Orig. in Luc. Prolog.) bieten 5.
4) Hier hat von der (ioltz, a. a. 0. S. 02ft*., Neues g<?braclit und u. a. auf
(irund de» Athos-Kodex zeigen können, wi«^ weit jedes einzelne Buch reicht«».
Der Kodex bestätigt auch die Buchzahl.
5) Die Buchzahl XV ist in \ zu korrigieren (s. Hieron., Comni. in e]). ad
Cial., Prol.; ep. 112, 4 und jetzt auch den Kodex von der (4oltz, nach welchem
die Grenzen der 5 BB bestimmt werden können). Nach Hieron. (1. c.) waren
im 10. Buch der Strom, viele Erklärungen zu iial. erhalt-en; außer diesen und
dem Kommentar aber „(Origenes) tractatus quoque varios et excerpta quae vel
sola possint sufticere composuit".
42 I^i** Litteriitur des Morgenlandes.
I Thess. noch ein zweites u. drittes [I.Teil S. 375£; wohl
zu den späteren Arbeiten gehörend, aber der Komm, in I Thess.
ist vor c. Gels. II, 65 verfaßt]*.
Rarsas omellarum in Yetus Testamentam
In Genesi omeliae XVII [I. Teil S. 344f., gehalten nach 244, von
Rufln übersetzt].
In Exodo omeliae VIII [I. Teil S. 347f., gehalten nach 244] l
In Levitico omeliae XI [I.Teil S. 348f., gehalten nach 244 n.
zwar wahrscheinlich vor den Hom. zu Jerem., s. Lev. Hom.
VIII, 3; -^
In Numeris omeliae XXVIII [I. Teil S. 350f., gehalten nach 244;
aus XI, 3 ergibt sich Cäsarea als Ort] \
In Deuteronomio omeliae XIII [I. Teil S. 352, gehalten, wie es
scheint, vor Hom. in Luc, s. die VÜI. Lomm. Bd. V p. 113:
.,Memini quondam Deuteronomium disserentem . . . dixisse me**]*.
in Jesu Nave omeliae XXVI [I.Teil S. 352, gehalten nach 244,
nach den Jerem.-Hom. (s. XIII, 3), beim Ausbruch der deci-
anischen Verfolgung (s. IX, 10), also 249/50] ^
In libro .Judicum omeliae IX [I. Teil S. 354, gehalten vor
dem Komm, zum Hohenlied, s. den Prolog z. dems. (Lomm.
li !)]'♦' Hiichziihl Ix'l Kj^hpH. sobcint auch durch den Kod. von der Goltz
l»«'>tijti<;t zu w<'nl»Mi, iu<lin'kt auch die zu Phil. Die Zahl 2 bei Kolos>s. iet in
.) /u vcrwandehi (s. von <lfr(ioltz S. 0'), wo die Hücherabgrenzungen gegeben
siinl, und l'auiithil., Apol. ')}. 1)»m- Kommentar reichte bis c. 4, 12 (s. von der Goltz,
a. II. O. I, wie ja aucli der ^rhhili des Hömerbriefes nicht erkliirt gewenen ist
ivon (b-r ^ioltz >. DI). DalJ Orij::. wirklich auch II Thess. erklärt hat, lehrt
\on d«'r (toUz S. !i<j, un«l auch die Ziffer ,,1 Buch** wird dort indirekt br-
stätii^t. Zu Titus s. ramiihil.. Apol. i>ro Orig. J. U. Zu IMiilem. s. von der Goltz
S. !m; II. l'amphil., A|»ol. »i.
•Ji l)i»' Zaiil VIII nnilJ in XIII verwandelt werdiMi: dtuin U> Hom ilien finden
sirli in IJuiin.-j 1 Iwrsr'tzuuj^.
!!• l)i«' Zahl XI muß in XVI verwan<lelt werden; denn lÜ Homilien finden
>u'\\ in KuHn< fbersetzun^; zur Zeitbe^timmunLT s. Klostermann, Orig. Werke
III S. IXf.
\) h'w \ »'rweisung auf Kxe|^etihehes zu Num. in dem Prolog zum Hohen-
lifde bezii'ht Klrjsteruiann auf <lie Homilien; aber es wird sich zeigen, daß
ein K\z«'ri)t»»n-Konnnent;ir zu Ninn. *j:«'meiut i^t.
r>) Ob liuiin >ie übei'<<'tzt hat, ist fraijrlich 's. meinen l'rolog zu Orig. in
Niini.i. aber wahrsi'heinlith; dfun Ka.->^lodor hatte il V SV 1.1 Vi Homilien zu Di'ut.
Das einzij/e <;riechi.-'ehe Frajrment laiis der 7. Homiliei bietet von der (lolt/
S. HS.
'ii Die Stelle IX, I'' lautet: „Conveuerunt rog(*^ terrai*, senatus populusque
et [irinei|n*s Kf)njani, ut exi»ugnarent nomeu Jesu et Israel simul; decreverunt
enim legibus suis, ut nun siut Christiani. omnis civitas, omnis ordo Chriötia-
nnriim nouien impuguat". Das ist das decianische Dekret.
Origeiies. 43
T. XIV p. 317), u. bald nach einer Verfolgung, also wohl bald
na<;h 235] 1.
De pascha omeliae VIII'-.
In primo Regnorum libro omeliae IV [L Teil S. 355; gehalten
nach 244]^.
In Job omeliae XXII [I. Teil S. 355f.; gehalten nach 244 und
vor den Ezech.-Hom., s. hom. VI, 4 in Ezech.].
In Paroemias omeliae VII [nichts ist über die Zeit dieser ver-
lorenen Hom. bekannt].
In Ecclesiasten omeliae VIII [I. Teil S. 358; nichts ist über
die Zeit dieser verlorenen Hom. bekannt).
In Cantico Canticorum omeliae II [I. Teil S. 359 f.; diese bei-
den in der Übersetzung des Hieron. erhaltenen Hom. werden
wohl auch nach 244 fallen].
In Isaiam omeliae XXXIl [I. Teil S. 361; Zeit unbestimmt, wohl
auch nach 244].
In Jeremiam omeliae XIV [I. Teil S. 361; gehalten nach 244
und zwar nach den Hom. zu Psalm, und Levit, vor denen zu
Ezech. und Josua]*.
In lezechiel omeliae XII [I. Teil S. 364f.; gehalten nach 244
und zwar nach den Jerem.-Hom., also spätj^
1) Aus der Stolle im Hohenlied- Komm, geht hervor, daß 0. die!^e „onitiuii-
culae" selbst ediert hat. Aus Hom. IX, 1 folj^t, wenn auch nicht mit Sicher-
heit-, daß eine Verfolf^ng nicht lange vorherging.
2) Dies ist ganz rätselhaft: man weiß von diesen Homilien sonst nichts,
und die Stellung hier befremdet außerordentlich; Kombinationen mit Hom. zu
Ruth, Chron., Esra, Nehem., die man erwartet, schweben völlig in «ler Luft.
3) Die Ziffer durch Kassiodorius bestätigt. Wir besitzen nur noch je ein«»
im Original und in lateinischer Übersetzung. Die letzt<?re ist zu JenisaU-m (im
Beisein, wie es scheint, des Bischofs Alexander) gehalten, s. Lomm. T. XI
p. 21M): „Nolite ergo In nobis illud requirere, quod in jiapa Alexandro habetis;
fatemur enim quod omnes nos su])erat in gratia lenitatis". Die erst^Tc (über
1 Sam. 28, 8ff.) ist (gegen Redepennings Vermutung 11 S. 7) in (Tisarea ge-
halten, s. S. XLlVf. u. '2HUj 5 — 1(> ed. Klostermann: ci^ tiqwtjv hXtyofjttv
i&jyovftsvoi Tor xa rpaXfiov .... /iSfjtvi'j/xeOaj eTye fie/ivtjfxeO-a twv Ugwi'
ygafifiaxmv fit/jivtj/iai yag avrwv slgijfÄivwv elg xov xa %pa).(Ji6v. Ob es noch
eine andere Homilie des 0. über denselben Text gegeben hat? (s. Klohtermann
S. 28S, 11 ff. not.). In der Hom. HI, 4 (Lomm. T. XI p. ?>1) zu Josua erwähnt
Orig. eine früher zu 1 Reg. 1] gehaltene Homilie; aber man weiß nicht, ob sie
aufgezeichnet worden ist.
4) S. Klostermann, Orig. Werke lll S. IXf. — Die Zahl ist die der lat.
übersetzten Homilien; in der l'hilokalie wird die .'59. Homilie zitiert, Kassio-
dorius berichtet von 45, und das wird richtig sein. Im Original sind 19 er-
halten. Hom. iV, 3 zeigt, daß die Märtyrer/eit abgeschlossen und verfloss»'n
ist, somit die Friedenszeit unter Philijiims.
5) S. Hom. XI, 5 in Kzech.: „eo tempore, quo Jeremiam exposuimu»*'. Die
44 ^i^ Litte rat\ir des Morgenlandes.
De Psalm is [I. Teil S. 357 f.; gehalten in den letzten 6 — 10 Jahren
vor Decius]^
In Psalmo lU, IV, VUl, XII, XIU je eine Homüie
In Psalmo XV omeliae III
In Psalmo XVI, XVIll, XXII— XXVII je eine Homilie
In Psalmo XXXVI omeliae V
In Psalmo XXXVII-XXXIX je zwei Homilien
In Psalmo XLIX, LI je eine, LH zwei Homilien
In Psalmo LIV omelia I
In Psalmo LXVIl omeliae VII
In Psalmo LXXl omeliae II
In Psalmo LXXII und LXXIII je drei Homilien
In Psalmo LXXIV und LXXV je eine Homilie
In Psalmo LXXVI omeliae HI
In Psalmo LXXVII omeliae IX
In Psalmo LXXIX omeliae IV
In Psalmo LXXX omeliae II
In Psalmo LXXXI omelia I
In Psalmo LXXXH omeliae Hl
In Psalmo LXXXIII omelia I
In Psalmo LXXXIV omeHae II
In Psalmo LXXXV, LXXXVn, CVm, CX je eine HoraiUe
In Psalmo CXVTII omeliae III
In Psalmo CXX omelia T
In Psalmo CXXl— CXXIV je zwei Homilien
Zahl kann nicht ri(rhti^ sein, da llioron. selbst 14 übersetzt hat. Im Griechißcben
Avaron es vielleicht no(!h mehr. — Daß die Homilien in Jerusalem (Aelia) ge-
halten sind, hat man ohne Not aus llom. 1, 11 (Lomm. T. XIV p. 24) j?e-
srhlossen. Sic* sind sicher an demselben Ort wie die Jerem.-Hom. gehalten,
diese aber gehören sicher nach Cäsarea.
ll Das Verzeichnis zählt liM Homilien zu <)i> Psalmen auf. Ob das alle
gewesen sind, steht dahin. Interessant ist, daß nach Hieron. adv. Ruf. U, IS
(^-^ej». "U) die Krl^lilrung zum l'JO. J*s. in der JJibliothek des PamphLJus ver-
mißt wurde; sie tindet sich auch hier nicht (ein Beweis, daß das Verzeichnis
des Hieron. das des Pamphilus ist). — Aus dem wenigen, was in Cbersetzung
durch Kufin (neben den griech. Kateneu-Fragmenten) erhalten ist, folfjft, daß
diese Homilien sjjJlt gehalten worden sind, s. Hom. l, L? zu l's. HU (Lomni. T. XII
S. 157): ,,Vide (juis imperavit ante hos triginta annos, quomo<lo imperium eiu:^
etfloniit, continuo autem sii.'ut tlos foeni cmarcuit wohl Caracalla; denn auf
Sept. Severns \niiM es nichtj, tunc deinde alius ]iost ijisum [Klagabal], deinde
alias atque alius [Alexander, ^laximlnus, etc.], <]ui deinde ducr's et principe!':
et omnis eonim gloria et honor non solum tamquam flos emarcuit, veniui etiam
tamquam jnilvis aridus et a vento dispersus ne vestigium (inidem sui reliquit".
Dazu Hom. 11, 1 zu i*s. oi> d. c p. 170): „rnde et meniini me frequ enter
dixisse ad vos, «piia v<'niam d»']ictornm etc."
Origenes. 45
In Psalmo CXXV, CXXVII- CCXXIX, CXXXI je eine HomiUe
In Psalmo CXXXII-CXXXIV je zwei Homilien
In Psalmo CXXXV omeliae IV
In Psalmo CXXXVII omeliae II
In Psalmo CXXXVin omeliae IV
In Psalmo CXXXIX omeliae II
In Psalmo CXLIV omeliae IH
In Psalmo CXLV— CXLVII, CXLIX je eine HomiUe
Excerpta iu totum Psalterium [Abfassungszeit ungewiß]^
Omeliae in Nomm Testamentum
Kara MAß evangelium omeliae XXV [I. Teil S. 367; Zeit
unbekannt (aber nach 245), da alles untergegangen ist]'-^.
In evangelium xara AOYKAN omeliae XXXIX [I. Teil
S. 368 ff., gehalten vor dem Comm. in Matth. und Comm. in Joh.
t. XXXn und zwar beträchtlich früher (aber natürlich in Cä-
sarea), auch von Origenes selbst ediert] '^
1) S, Kloster mann (Sitzj^aber. S. 8Ü8): „Dieöe Kxcorptu in totum psal-
t<*rium i>flegt man richtig mit der Notiz de« Hioron. (Prol. comm. in Ps. cd.
4J. Moriu) zu kombinieren: „Proxime cum Origenis j)Balt^'rium, quod Knchiridion
ille vociibat, strictis et necessariis interpretationibus adnotatum in commune
le^^eremus, Kimul nt-erque deprehendimuö nonnulla eum vel i)raeßtrinxi88e levit«»r
vel intacta penitus reliquisse, de quibus in alio opcre latiasime disputavit".
(Vgl. dazu Hieron. Comm. in Psalm. (Morin, 1W)ü p. 5): „nam h^anXov^ Ori-
geuib in Caesareensi bibliotheca relegens'S j). VI: „(^um vetustum Origenis hexa-
phim psalterium revolverem, (piod ipsiuH manu fuenit emendatum"). Doch ist
die gewöhnlich dabei vorausgesetzte Deutung des "Wortes „Enchiridion" als
Buchtitel kaum richtig. Man wird besser mit Mercati annehmen, daß Orig.
den Psalter schlechtweg oder sein Handexemplar der Psalmen als sein „Hand-
buch" bezeichnet hat. Morin hat übrigens wahrscheinlich gemacht, daß die
lül> tractatus des Trithemius allerdings [s. d. 1. Teil dieses Werkes S. iJöT) nichts
sind als das Breviarium in Psalmos. Wenn man zusammenzählt, was hier an
Arbeit-cn des Orig. zu den I*salmen genannt wird, so versteht man, daß Hieron.
ep. 112, 20 Orig. an erst<?r Stelle imter denen nennt, die das ganze corpus Pss.
ausgelegt haben. Unter Zuhilfenahme der Katenen und der Erkläningen von
Hilarius, Ambrosius, Hieronymus (vgl. jetzt Anecd. Mareds. 11 T, 2, 1S97) wird
er zum größten Teil wiederhergestellt werden können". Man hat also (s. o.)
vier Arbeiten des Orig. zum i'salter zu unterscheiden: (1) die Kxcerpta zu den
25 ersten Pss., (2) die Kommentare, (^J) die Homilien, (4) die Kxcerpta zum
ganzen Psalt<?r.
2) S. Hieron. Comm. in Matth. Praef.: „legisse nie fatoor ante annos pluri-
mos in Matth. Origenis XXV volumina et totidimi t?ius homilias".
3) Hieron. hat 30 llom. übersetzt, die uns erhalten sind; es waren aber
mehr, wie Selbstzitat^ des Orig. und der Komm, des Ambrosius beweisen. Im
Griechischen ist wenig erhalten (Thenn, Ztschr. f. wiss. Theol. 1S1»1 S. 228ff.
iSr^fF.; ia02 S. l()5ff.; 189;] S. 274 ft"., hat nichts Neues -dazu Unechtes] gebracht.
Daß die Hom. vor Comm. in Joh. XXXJl. 2 [Iv xaiq tlq x6 xaxä Aovxäv bfiiUaiq
avvfxglvofiiv dlh'ßaig zag TiagaßoXaq yal h^rut\(jauiv t/ ficv arjfiaivei zo xaza
46 ^i^ Littorutur deis Morgenlandes.
In Actus apostolorum omeliae XVII [I. Teil S. 373, Zeit un-
bekannt, nach 245].
In epistula ad Corinthios II omeliae XI [I. Teil S. 374; un-
bestimmbar] K
In epistula ad Thessalon, omeliae II [I. Teil S. 375; unbe-
stimmbar].
Jn epistula ad Galathas omeliae VII [I. Teil S. 374 f.; unbe-
stimmbar].
In epistula ad Titum omelia I [i. Teil S. 375 f.; unbestimmbar].
In epistula ad Hebreos omeliae XVIII [I.Teil S. 376; unbe-
stimmbarj-.
T«^ xf-eiaQ ygafpug agiatov) j^ohalten sind, ist klar. Eben diese Stelle und
C'omiu. in Miitth. XIH, 2f» {xa ÖB nsgl xwv q Trgoßatatv ^€«c f^C tag xate
Aorxäv ofii/Jaq) bewj'ison muh (Comni. in Matth. XVI, ll gehört nicht hierher;
dt^nii OS iiud»*t sich in Hoiii. XXXI V in Lne^ini), daß die lateinigch erhaltenen
Honiili»'» nur einen Teil darstellen un<l dali Orig. sie selbst ediert hat; denn
auf bl()I5».' NachricbtiMi würde vr sich nicht in dieser Weise bezogen haben.
Auch das nnterschcidot sie von den anderen Honiilien, daß sie am Sonntag
jrehalten ssind Is. die Aufschrift: „Dictae homiliac in diebus dominicis*', Zahn.
<iesch. «1. NTlichen Kanous II S. 02*2 f.). Dazu fii^ sich, daß Hieron. sie ans*
drinklidi uls ein Werk dos Mannesalters, in welchem 0. sich noch gehen ließ,
nicht. de< (Ireisenalters, bezeichnet (Vallarsi T. VII p. 24S: „Fateor ... in hL;
Ori<(eneni tractatilnis quasi ]iuorinn talia ludere; alia sunt virilia eins et aÜA
sein'clutis .--eria''. Neu mann (der römische Staat usw. I S. 200) meint, man
solle «liis Wnrt des llieron. als ein in der Polemik flüchtig hingeworfenes nicht
über.^ehät'/i'n. Hr wird chirin recht haben, dafi man dem Wort nur entnehmen
darf, daß die Lu<;i<hniii. die iilt«'r^ten Homilien des <.>rip. sind. Sie sehr hoch
hinauf/.u^et/••n, verbietet si<'h aiu'h dadurch, daß in lloni. XVII (Lomm. T. \
]». 1;")!) ]v\*'«rotiea zu I Kor. vorausgesetzt sin<l („Meniini, cum int<»rpretaror
illud, i(und ad Corintliio.^ scribit-ur'', folgt c. 1, 2\ Auch darauf ist aufmerkt^uui
zu maclien, dali in diesen ibunilieu die ej». Africani a<l Aristidem benutzt \rX,
s. Anibros. in Lucam lil, 41 f u. die Nicetjis-Katene.
1) l»ei «len Kommentaren scbweii^t das Verzeichnis über Arbeiten z. 1 u.
II K(»r., und hier neimt es nur 11 Ibunllien zum 2. Brief. Aus dem Kodex
von dr'r Tioltz i;i. ;i.<>. S. DI) geht hervor, daiJ keine Kxegetica zu I Kor.
(der Verf zitiert für diesen nur Stellen aus dcMi Strom."), wohl aber solche zu
II Kor. I jedoch, wie »«s scheint, kein Konnnentari bekannt waren. Dieser IJofniul
stimmt mit dem Verzeichnis. Aber wie ist dann clie in <ler vorigen Anmerkung
angeführte Stelle aus der 17. Homilie in Lucam zu deut(MiV Wie die Behauptunp
des Hieron. (e]!. l'J, .1), (")rigene.> habe lati>sime diesi'n Urief interj »rotiert V Wio
die zahlreichen Katenen-Fnigmente zu I Kor.V Di^r erste Einwurf läßt sich zur
Not durch Hinweis auf solche Absehnitte wie in e|>. ad Ibun. VIII, \ u. Comm.
in .loh. VI, r>!» erlecligon; aber der zweite und drilie bleiluMi nach. Die Sache
ist rätselhaft. Hat Orig. wirklich einen Komm»'ntar zu 1 Kor. geschrieben, so
muß er nach c. Cel-. VIII, 21 fallen; <lenTi damals existierti« ein solcher Kouiiu.
noch nicht.
2) Der Ko(l»'X von der Tioltz kennt wcMler Kommentiire nrich Homilien
zu llebr.; aV>er Kuseb. VI, 2;") brinjjt einr» Mitteilun«' \\\\> diesen Hom.
Origenes. 47
De pace omelia P.
Exhortatoria ad Pioniam^.
De ieiunio, de monogamis et trigamis omeliae IP.
In Tharso omeliae 11^.
Origenis, Firmiani et Gregorii [der uns erhaltene Brief an
Gregorius, die (der) an Firmilian] ^•
Item excerpta Origenis et diversarum ad eum epistula-
rum libri IL
Epistulae sinodorum super causa Origenis in libro 11^.
1) Nichts ist bekannt. Ob der Titel richtig überliefert ist, steht dahin.
Konjekturen sind nutzlos. Übrigens hat Dionysius Alex, einen Brief itsgl
eigi^vijg geschrieben (Euseb. VI, 40, 5).
2) Auch hier ist nichts bekannt; Pionia mit Pionius, dem bekannten Mär-
tyrer, zu identifizieren, ist keine beifallswerte Vermutung. „De ieiunio" ist
vielleicht zu „Exbortiitoria ad Pioniam" zu ziehen: so wird dieser Titel be-
stimmter und die folgende Zeile verständlicher.
8) Lnßt man De ieiunio hier fort (s. d. vorige Anmerkung), so gewinnt
man zwei Homilien, deren Thema nach den Anordimngen des Kallist — sie sind
dem Origenes, wie Stellen in seinen Homilien beweisen, nicht unbekannt ge-
blieben (s. Rolffs in den Text<m u. Unters. Hd. ]*J H, 4 S. l()l)ff., der indessen
in den Ausdeutungen sehr kühn ist) — geschichtlich wohl begreiflich ist
(Hom. XVTI in Luc. Lomm. T V p. 151: puto enim monogamum et virginem et
eum, qui in castimonia perseverat, esse de ecclesia dei, eum vero qui sit diga-
muä, licet bonam habeat conversationem et ceteris virtutibus polleat, tarnen
non esse de ecxilesia et de eo numero, qui non habent rugam aut maculam aut
aliquid istius modi, sed esse de secundo gradu et de bis qui invocant nomen
tlomini et qui salvantur quidem in nomine Jesu Christi, ncquaquam tarnen
coronantur ab eo". Comm. in Matth. T. XIV Lomm. III p. 308 ff. 81K: inrj'
nogovfiev d*} ogwweg divaxov elvai ßsXxlovq 7io?Mo xvyyaveiv xivaq diyaßovq
fiovoyafxwv xxl.^om.lL^j \ in Jercm. (Klostermann p. lS2f.). Redepenningl
S. 212 f. Bekannt ist sonst über diese Homilien nichts. Kloster mann (a. a. 0.
S. 869) macht auf Hieron., ep. i34, 0 aufmerksam: „Nunquam enim exhortat-orias
litteras postulares, si ambigeres de bono monogamiae". Der Anklang kann zu-
fällig »ein; ist er es nicht, dann wäre im Text „exhortatoriae" zu schreiben
und das Wort auch für <lie folgende Zeile gelten zu lassen.
4) Dieser Titel ist ganz unverständlich und wahrsch<'inlich verderbt.
5) Nach „Gregorii" scheint, >vie das folgende „Excerpta .... epistularum"
lehrt, „epistulae" ausgefallen zu sein. Das „Finiiiani" (so 8 Codd., einer
„Frumani") kann nur als „Firmiliani" gelesen worden. Ein Brief von ihm an
Orig. folgt aus Euseb. VI, 27, und auch sonst hat die Nachricht eines Brief-
wechsels zwischen ihm und Orig. nichts Auffallendes, ja wir besitzen noch das
Fragment eines Briefes an ihn, „de bis qui fugiant quaestiones" bei Victor
v. Capua (Pitra, Spie. Solesm. I p. 208). Klostermanns Konjektur, die er
sogar in den Text aufgenommen hat, „Africani", ist zu verwerfen. Bei „(iregorii"
ißt schwerlich an den Panegyricus mit zu denken, sondern an den Bri«^fwechsel
über die Susanna (um 23G) und an andere verlorene Briefe.
6) Diese und die vorige Zeile scheint mir Klostermann aufgehellt zu
haben. Sie referieren über eine besondere Briefsanimlung in zwei Büchern, in
48 ^^i^' Littoratiir des Morgcnlandeü.
Epistularum eius ad diversos libri IX.
Aliarum epistularum libri IL
Item (^pistula pro apologia operum suoram libri 11^
in der Bibliothek zu Cäsarea waren demnach Briefe des Ori-
geiies in 4 Sammlungen vorbanden, dazu wurde ein langer Brief
in zwei Büchern besonders aufbewahrt: (1) Briefe von und an Ori-
genes an und von Firmilian und Gregor, (2) Exzerpte von Orige&tfp
briefen und „verschiedene*^ Briefe an ihn in zwei BQchem; ftuf
seinen l^rozeli bezogen sich die Schriftstücke des zweiten Bacfa&
(3) eine Sammlung von 9 Briefbüchern; es war die Hauptsamfr
hing, (1) eine zweite, nachträgliche Sammlung in 2 Briefbüchem
(5) ein umfangreiches Schreiben [an Fabian von Rom] zur Vö^
teidigung seiner Orthodoxie und seiner Werke in zwei Bächemi
(Itrcn -. Hurh «lie rrtrih- iiH?hrt?nT Synoden über den Prozeß des O. entbaltei
waren (dio Mss. liietcn IVt'ilich für ,,e])ii$tulue i«ynodoruni" vielmehr „epis^
(»sifodonini"). I)ie J. Zcilo ist nUo als Nel>en})cmerkung zur ersten zu Ter
stclit'ii. Diis ,,Kxci'r|)fa'' licwcist, daii die Sanunlung ein zu einem bestimmta
/werk (ih'.v Aiu»lo|/i«» Wiv Orij^jiMu's) iinrjeli^gtoK Inst-nimentum war, s. Euseib.^
;J*), 1. Nach dicsm- Stolli* ist sie iiu U. Huch der Apologie pro Orig. des Pitt-
iihilu.s lind Kusehius verwertet worden.
1) Dir lihri II betVenideii und sind vielleicht eine Ditt-ographie- AlWi
diesi« HyiM)tin'S(? ist dorh niclit walirselK'inlich. Handelte es sich nicht um einW i
selir innlanj^ncitlieii Hrief, so stände er nicht besonder». Es ist wohl jenes
Srlin-il.KMi fpußiarv* xip xcau Pwf/tjv iniaxono) ntgl xf^Q xaz^ avzov S(>&od(^SiK
}^»iu»'int, WL'hrhcs Kus«'l)ius I VI, .*)»). I) zitiert und das, da es auch „pro apolop*
oiMiuni suoruni" v^Tlallt war. iiirht kurz sein konnte». Dem Hioron. war ft
imeh Ix-kannt (s. ej). Sl. lU). (Jesclirieben war es — der VorgJlngcr des FabiflB>
INiniian, hatte drn Orij^enes verurteilt — wohl am Anfang der Kegieningsieit
dt!S l'abian, also l»ald narli d. .1. 'J.lll.
L'i Da die ZiisainuhMish'llun},' in beznjjf auf Briefe des Orig. im ersten Teü
dieses Werkes S. .'{STil". nirlit «:ranz vollständi<x ist, j^ebe ich hier eine kurtt
TlMTsielit darübi'r. was wir abp'srhen von dem „Katalopr" wissen:
(a) Kiisebins VI, iJÜ, IJ (Syiii-.ll. ].. (is-J. Si bemerkt., daß or über UX) Briefe
Tinog 6ia<p6(H)vg gesammelt habe ^r Idiaiq xofimv neQiyQdipalg. Das ist ife
j^roße Sanimlunj; des Verz»•ielmis^e^. s. o.
(b) Kuse]>ius VJ, *J, 1 saj^t, dali er die fobjfi'nde Darsti^llung auch auf Briefe
des Ori^. «^rMnd(^
(e) Kusebius VI, 'J, «i t.'ilt ein Hruell^t^H•k aus einem Brief des
junj^tMi 0. an seinen Vater mit.
i<l) Kusebius VI, L*s bemerkt, dall 0. die A'erfolj^'unp (unter Maximinus
^riiraxi in mehreren Mriefen ]>rriiiiie [das spricht viellei<*lit dafür, daß or zu die«5ei
Zrit ni<;iit in Cäsarea warj.
M«) Kiisrl». VI, .11 beriehlet liber dm Briefweeh.sel zwischen Afrikanus uiwi
0. über die Susaniia,; dieser Hrit?f Wechsel existiert noch in selb«
ständi''«'!- r b^M-lieferunir. Verlallt In Nikomedifu e. I'IO: viele Mss.
<f) Kuseb. VI. .';«i, :» notiert je eimMi lirief an den Kaiser Thilippus un»i
an seine (Jemahlin Severa (Hieronvmus nuuht daraus ., Kaiserin- Mutt-t^r**).
Origcnes. 49
Eine ganze Anzahl von notorischen Schriften des Origenes
sind in dem Katalog nicht enthalten, sei es, daß sie in der Biblio-
thek zu Cäsarea fehlten — was freilich z. B. in bezug auf c. Gel-
(g) Euseb., 1. c, notiert einen Brief des Orig. an Fabian von Rom und
Briefe an sehr viele andere Bischöfe in bezug auf seine Orthodoxie.
(h) Euseb. VI, 39, 5 teilt mit, daß aus der Zeit nach Decius noch viele
Briefe des Orig. vorhanden seien.
(i) Euseb. VI, 19, 12fl*. teilt ein Bruchstück eines Briefes des Orig.
MQoq xivaq fiBfitpafiivovg (nämlich Tadler seiner Beschäftigung mit den
hellenischen Wissenschaften) mit.
(k) Vielleicht sind die Worte (Euseb. VI, 14, 10) nBv^aixevoq trjv apxoio-
Tclrtiv ^Pwfifiiwv ixxXijaiav löeTv'* aus einem Brief des 0., jedenfalls sind sie
sein Eigentum.
(1) Euseb. VI, 14 teilt ein Fragment eines Briefs von Alexander von Jeru-
Balem an Origenes mit. Hieronyums (de vir. inl. 57) berichtet, daß mehrere
Briefe des Trypho, eines Hörers des Origenes, an diesen existieren. Doch wird
die Stelle vielleicht richtiger so verstanden, daß es sich um Briefe des 0. au
Trypho handelt. Von diesem Trypho, der auch Schriftsteller war, weiß nur
Hieron., genauer läßt sich seine Zeit nicht angeben (s. 1. Teil S. 405). Er hat
,yDe vacca rula'* und „De dichotomematibus" (Genes. 15, 9 ff.) geschrieben.
(m) Ein Brief des Firmilian an Orig. geht aus Euseb. VI, 27 hervor, und
ein Bruchstück eines Briefes des Orig. au ihn (lat.) findet sich bei
Victor v. Capua „Do bis qui fugiant quaestiones" (s. o. S. 47) aus dem
Clod. Sangerman. 60 nunc Paris. 83S.
(n) Ein Brief des Origenes an Gregor Thaum. ist in der Philo-
kalia 13 erhalten. Auf diesen Brief wird sich auch die Randnote im Cod.
Vatic. 389 (s. I T. S. 389) beziehen. Zur Zeit dieses Briefs (235/0) s. Dräsoke,
Jahrbb. f. protest. Theol. 1881 S. 106.
(o) Photius cod. 118 berichtet, Orig. erzähle in einem besonderen Briefe,
dafi ihn seine Mutter unter Septimius Hev. vom Martyrium abgehalten habe.
Doch mag das willkürlich nach Euseb. VI, 2 erzählt sein. Willküriich wird
wohl auch die Bezweiflung der Echtheit der von 0. nach der Verfolgung luitor
Decius geschriebenen Briefe (1. c.) sein.
(p) In dem Kodex von der Goltz (Text<? u. Untere. Bd. 17 H. 4 S. s<j. 99)
wird ein Brief des 0. an einen Ati-anes zitiert und eine Lesart zu II Tim.
3, 13 ans dem Brief mitgeteilt.
(q) Hieron. sagt, Orig. habe Briefe an Beryll v. Bostra geschrieben (de
vir. inl. 60); aber da er in dem Kapitel, wie gewöhnlich, ganz von Eusobius
abhängig ist, kann man sich auf das Zeugnis durchaus nicht verlassen. An
sich ißt die Tatsache wahrscheinlich. Berylls Zeit ist allein nach dem Loben
des Origenes zu bestimmen (s. 0. 8. 35). Nach Euseb., h. e. VI, 20, 1 f. hat er
Briefe und Schriften hinterlassen, von denen sich niclits erhalten hat. Soknifes
{h. e. III, 7) bezeichnet ihn als Bischof von Philadelphia Anib., während Eusebius
Bostra nennt. Nicht ganz unmöglich ist oh, daß Sokrates diesmal recht liat,
da er an der angeführten Stelle die Apologie des Pamphihis benutzt (s. Prou-
schen in d. Theol. Litztg. 1902 Kol. 208): die Verwechslung wäre so zu er-
klären, daß die Synode zu Bostra stattfand. Allein wahrscheinlicher ist es,
einen Lapsus bei Sokrates anzunehmen. Soll sich Eusebius, der doch die Apo«
logie mit verfaßt hat, in der Kirchengeschiclite so gröblicli geirrt haben?
Harnack, Altchristi. Litte ratargesch. II, 2. ■(
50 Die Litteratur den Morgcnlande«.
siim sehr uiiwalirsclieinlich ist — , sei es, daß Hieron. sie ans
Flüclitigkeit übergangen hat^ sei es, daß die Abschreiber seines
Verzeichnisses sie übersehen haben. Es sind, soviel wir wissen,
folgende, wobei festzuhalten ist, daß manche Schriften des Origenes
existieil haben können, von denen uns nicht einmal die Titel er
halten sind-.
IJsQi tvxrjc: Direkte Angaben über die Abfassungszeit dieser
Schrift fehlen, aber aus Andeutungen in der Schrift selbst läßt sich,
wie Koetschau^ u. a. richtig gesehen haben, das Datam recht
genau ermitteln. Nach c. 3,3 waren die Excerpta in Exodum noch
(r) Suidas Liit ein Fraj'ineiit aus oinom Brief des Orig. an einen
Unbekannten über Auibrosius autbewahrt. Auch Uieron. hat diesen
Brief gekannt, aber falsch iil)er ihn bericht^jt (ep. 4^, 1 ; s. unter „ Ambrosiitf").
Briefe des Anil)roKius an Orijy. erwiUmt Hieron., de vir. inl. 56.
(ti) AuR einem Bri^'f Ad ipioBdam caroü suos Alexandriam teilen
llufin und Hieronymu» Bruchstücke mit; in dem Brief war von einer
I)isputatinn (mit dem Valentinianer Candidu« über die KrIÖBungAfähigkeit de«
Teufj.'ls die R«'de, aurh hat O. in ihm den Demetrius scharf angegriffen; t
Hieron. adv. Buf. II, IS: Bufin de adulter. ]»ei Lomm., T. XXV p. 3S8-3K.
Der Brief wird von Bufin als in dr*m 4. Buch der BriofBammlung stehend b^
zeichnet (also stand <'r in der jjroßen Sammlung). S. zum Brief auch Snlp. Ser.
Dial. I, 7. Verfaßt ist er bald nach der definitiven C}>or8iedelung nach CSsani»
«•twa pjlcichzeitij^ mit ('omni, in .loh. VI, 1.
(t) Buiin, 1. c. p. iJI>- s<r]ireibt: „Mcmiiiimus sane etiam in alia eius epi-
stuhl siinilcm nos de libronim suorum falsitate leprisse querimoniam [acfi.
Orij^riiisl, CUJUS ejiistulae excmplum in ]>raeHenti non habui".
(ui Unsiirher ist d<*r Ih'ii'f an die Presbyter IMiotius und Andreiiä [sdioi
<lit'Sf'r cliristlielu' Nanur b^fn-mdct im ."). .Tahrh.\ s. (iallandi XIV App. p. 10
zu Deut. 10, lUf., da er die V'brrsrliritl; „Sev»>nanu<" in einem Kod. trägt.
(v) Aus «'incm C)ri«^on«'s-Brief mit der <lnMmal wiederliolten Aufschrift
,,Kx e|»istola OripMiis ad (in!»arum dr uuder/ima" bringt Victor von Capua drei
Fraj^nentf (lat.i, s. IMtra, Spie. Solesni. I p. '2^u mit dem Cod. Sangonn. ft*
nunc Paris. S.'iS, s. auch Analcirta V ]). HJi'.f., wo mitgeteilt ist, daß die Ab-
sclmitt«' sieli auch Par. PJiJoO «aec. IX fiudi'u. Ilire Kchtheit zu beanstanden,
sclu? ieh k»'inen (inmd. „De und»Minia" ist wolil dir Ordnungsnuuiiner in der
{ijroßen Briefsannulunfj dos Ori^'. Virtor hat dii' Stü<*ke natürlich aus zweiter
oder dritt^'r Hand.
1 1 Nur aus Fiüchlij^kcit? Hat rtwa das, was von Werken dos OriKene^
bereits ins Lateinisch«' übt'rjrejzaniren war. ihn an einijxen Stellen beeinfluBt?
S. Klostermann, OripMies' Werke 111 S. X u. XLIV.
2) Manche dieser Scliriften sind wahrsrheinlieh st^'ts nur in wenij^n
Kxem]»laren vorhanden gewesen und daher rasrli unter fje.^anjjfen. Ks kam iui
Altertum vor, daß ein Autor seine ei<ronen Schriften nicht mehr auftreiben
konnte. Sr» schreibt Au«^ustin, Confess. I\', l.*,: „Siripsi libros De pulchro et
apto, ])nto duo aut tres. tu scis, «leus, nam excidit mihi, non eniiu habeniv
cos, sed aberravennit a nobis, nescio quomoilo.
:i) Orijrcnes' Werke l S. LXXVtl".
Origenes. 51
nicht erschienen * ; diese sind aber (s. o. S. 38) vor 240 ediert worden.
Anderseits zeigen die Worte in c. 28, 10, daß Origenes mit Miß-
fallen von der Bußgesetzgebung des Kaliist in Rom Kenntnis ge-
nommen hat'-^, und aus c. 23,4 folgt, daß Orig. vor IIbqX evxfiq be-
reits seine 14 Bücher in Genes, sämtlich oder nahezu sämtlich ver-
öffentlicht hattet Nur die 8 ersten BB. dieses Werkes aber sind
noch in Cäsarea geschrieben, die 6 folgenden in Alexandrien
(s. 0. S. 37). Man wird also nicht irren, wenn man IleQl svxfiq
nach dem J. 232 setzt Dafür spricht auch, daß nach c. 15,1 * unsere
Schrift mit dem Comment. in Joh. X, 21^ gleichzeitig zu sein scheint.
Buch X des Kommentars ist aber (s. o. S. 31. 41) zwischen 232 und
234/5 verfaßt. Also ist DeQl tvx^g in diesem Zeitraum geschrieben;
denn die Verfolgung des Maximinus ist noch nicht in Sicht
Kara KiXoov: Daß dieses große Werk in 8 BB. zwischen 246
u. 248 in Cäsarea abgefaßt worden ist, ist oben S. 35 gezeigt worden*^.
IltQl q>vO£(Dv: Ein Fragment einer Schrift mit diesem Titel
(und zwar nennt er das dritte Buch) teilt Victor von Capua in
einem Konvolut unverdächtiger Origeneszitate mit Die Zeit ist
unbestimmbar.
Das Protokoll der Disputation mit Beryll: gehalten
zwischen 238 und 244, s. Euseb. VI, 33, 3'.
1) Jiä xl 6k otx eTgfjzai „xal tjv^axo" dq inl xwv itgoxtQwv äXX^ ,)H^'
Ttiraae xäg z^^9^^ itQÖq xigiov", evxaiQorsißOv iv äXXoig h^staaxiov,
2) Ovx old* OTiioq huvxoTg xiveq hjux^etpaireq xa vnhg xtjv isganxrjv a^lav^
taxtt firjdl axQtßovvxaq tr/v XsQaxtxliv iTtiotfjfiTjVt ai'xovatv wg övvdfievoi xal
eiöwXoXnxQfiaq ovyxofQ^lv /xoixsiag xe xal nogvtiaq atpUvaij wq öta xrjq tvxfjq
nvxdfv negl xwv xavxa xexoXfjtrjxoxcov Xvo/iivrjq xal x^q ngdq &dvaiov afiagxlaq,
H. dazu mein Lehrbuch der Dograengesch. P S. 411.
B) Die 14 Bücher bezogen sich auf die 4 ersten Kapitel; in bezug auf
Genes. 3, 8 f. heißt es an unserer Stelle: negl xovtwv öl inl nXelov dieiXt)(pafiBv,
i^exaCfOvxfq xa slq tj}v reveaiv. Hiernach liegt es am nächsten, daß alle 14 BB.
bereit« abgeschlossen waren. Jedenfalls wird man aber die Krkläi-ung von Hj 8 f.
nicht froher als im 9. Buch suchen dürfen; denn (len. 1, 14—18 war bereits im
8. Buch behandelt.
4) El yag ixegoqt ciq iv aXXoiq öeixvvxaij xax ovalav xal vnoxel/xevov
iOTiv 6 vldq xov naxgoq xxX.
5) JtjXovvxa ?xegov elvai xov lyelgavta nagä xov iyrjyegfiivov . . . firj
6ia<ptgeiv xtp dgi&fjtip xdv vlov xov naxgoq, d?.X* tv ov fiovov ovaia ä/J,d xal
vnoxetftivqf xvyx^vovxaq nfitpoxtgovq.
f>) Die noch genauere Datierung Neumanns (dem Koetschau, a. a. 0. I
S. XXII f. folgt) auf das J. 248 ist oben S. 35 abgelehnt worden. Kr beruft sich für
sie auch auf III, 15, wo „ij inl toaovxo vvv atdatq^* auf die drei (legenkaiser des
Jahres 248 { Jotapianus, Pacatianus, Uranius Antoninus) sich beziehen soll; allein
das ist keineswegs sicher.
7) Die Disputation mit dem „quidam auctor haereseos" in Athen, die in
dem Brief an „quosdam caros Alexandriam" als aufgezeichnet erwähnt ist,
4*
52 ^^^ Littcratur des Morgenlandes.
De pascha: Das von Anatolins Alex^ d. h. Pseado-Anatolins,
erwähnte Werk kann mit den Homilien de pascha (s. o. S. 43) nicht
identisch gewesen sein, da es nach der Beschreibang ein wissen-
schaftliches Werk über die Passahberechnung war. Krasch (Sta-
dien z. M Alichen Chronologie S. 317) hält das Werk für unecht; un-
sicher gestützt wird die Echtheit durch zwei Zitate bei Victor yon
Capua ,,aus dem ersten Buch über das Passah*^ die gut origenistisdi
lauten (Pitra, Spie. Solesm. I, p. 26S) und vielleicht nicht ans den
Homilien stammen (oder bedeutet „erstes Buch" erste Homilie?).
Ferner hat Zahn (Forsch. III, S. ISl) darauf aufmerksam ge-
macht, daß Cummian in seinem Brief an Segienns von Hy (Migne
T. 87 Col. 971) V. J. 634 eine andere Stelle aus der Schrift des
Origenes über das Passah zitiei*t hat. Existiert hat also eine solde
Schrift, und ich sehe keinen sicheren Grund, die Echtheit zu be-
anstanden, fanden sich nicht auch in den irischen Bußcanones zahl-
reiche Verweisungen auf Oj igenes. Obgleich sie noch nicht quellen-
kritisch untersucht sind, läßt sich doch schon jetzt so viel sagen,
daß die Mehrzahl derselben gefälscht ist (Eine Untersuchnng der
Quellen der iri^^chen Bußcanones ist ein dringendes Bedürfnis; aber
die Aufgabe ist zu weitschichtig, als daß ich ihr hier näher treten
könnte).
'KQfir/vtia riöv IßQa'ixcov o ro//a reo); [inkl. der Maße nnd Ge-
wichtig]: Diese Schrift (s. Texte u. Unters. Bd. 21, H. 4 S. 55. 116.
11&-, Redepenning 1,S. 45Sff.; Zalm, Gesch. d.NTlichen Kanons II
S. 94811'.), w(^lche die Fortführung eines älteren Werks (Comm. in
.loh. T. 11, 33) — wolil Pliilos, eventuell auch anderer Gelehrter —
war, war noch nicht verftxßt, als Origenes das 2. Buch des Joh.-
Konniientars schrieb. Näheres ist niclit bekannt.
ht idi'iitiHch mit (l«'in Dialog ndv. (■iunlidum VuliMitiniammi (8. o. S. 40i. Cber
clio Akti'Ti oiuor p'fiilsc-htf^ii T)isj)utiitioii. für dio Origcnos' Name unt-er seinen
Aiit^^on milibniuclit worden ist, s. ihm 1. T<mI di»':?i's WtTkos S. 40of. Ob der iti
dem linefwochf?el mit Africnmis crwiihnh' Dialog mit Dns<>us aiifgozoiehnot worden
ist, steht dahin. — Was drn Beryll \nn Dostra hctritrt (s.o. S. 4!)), soistcrim
Chron. Hicron. ad ann. 'Jl'l 1 Abr. als „clanis scriidor*' bezeichnet. (Ob die«
Notiz aucli bei Kiiscbius stand? boi ^^yia-ellus und im Armen, fehlt sie). Kusebio^
(h. V. VI, 'JO, 1) sjiricht von Ibiofon nnd Schriften Berylls, ohne sie näher si
charakterisieren; er hattf^ sie In der Bililiothek zu Jerusalem gesehen. Hierony-
mus will wissen, dal> litTvll in einem Brief di'Ui Origenes dafiir gedankt hat.
dal» er ihn auf den irditen Weg zuriiekgebraeht i.])e vir. inl. (JOi; aber nur
tlie Tatsache, dalJ sich 15. für id)erz«'Mgt erklärte, ist gewiß. Kin Protokoll df'
Disputation zwischm bridni (Jeli-hrt.-n h;it bestanden Is. Knseb., h. o, VI, »-i3, H'.
l^io Zi'it des I^fryll «Mgibt sich aus dem Lebrn di\- Origenes (zwiBchen w3S «■
lMI find die I>lsj»utation statt). Die Angabe dc^ Hieron.: „sub Alexandn«.
Miinnnaeae iilio, r\ Maximino et «iordiano", ist an sich wertlos, doch woM
richtig kr)iistruiert.
Origenes. 53
In bezug auf die bibelwissenschaftlichen Werke des Origenes,
welche das Verzeichnis nicht nennt, ist, die Abfassungszeit anlangend,
wenig zu sagen. Wann das große textkritische Werk begonnen worden
ist (die Hexapla etc.), läßt sich ungefähr angeben, wann es vollendet
worden ist, ebenfalls^. Mercati hat seinen glücklichen Fund von
Kesten der Hexapla bisher nur beschrieben, aber noch nicht veröffent-
licht; Taylor hat einen ähnlichen Fund publiziert (Cambridge, 1900).
In bezug auf die Schollen sind die Abfassungszeiten vollends dunkel.
Mit den otifisiciosig dürfen sie schwerlich durchweg identifiziert
werden, obgleich Hieron. diese wie jene mit „Excerpta" übersetzt.
Auch wird man zwischen solchen Schollen, die Orig. selbst in
Büchern gesammelt hat, und solchen, die aus seinen Handexem-
plaren stammen, unterscheiden müssen. In dem Kodex von der
Goltz (a. a. 0. S.87f. 98; Theol. Lit-Ztg. 1900 Kol. 613) werden zu
Hebr. 11,5 Scholien zur Genesis zitiert {iv rotg elg ttjv riveciv
oXoXioig ovxwq avroXi^ei (prjoliijy von denen man bisher nichts wußte.
Viel wird man aus den Nachweisungen Eisenhofers und Faulha-
bers noch lernen. 2 — Excerpta zu Numeri, in ein Buch befaßt, ergeben
sich aus dem Prolog zum Hohenlied (Lomm. T. XIV, p. 314. 316)
und aus der Praef. Rufins zu den Hom. in Num.^; sie waren also vor 240
1) Als Origenes Comrn. in Matth. XV, 14 schrieb, scheint es vollendet
gewesen zu sein. Kpiphanius (de mens, et jiond. 18) sagt., es sei erst zu Tyrus,
also in der letzten Lebenszeit des Orig., beendigt worden. Daß es ein Werk
war, an welchem die Arbeit nie ruhen konnte, liegt auf der Hand. Die Tetrapia
(Euseb. VI, IG, 4) wird eine Abschrift (Auszug) sein. Eine ti^xtkritische Arbeit zum
N..T. hat Orig. wohl nicht gemacht, aber öfters verschiedene LAA angegeben, und
fieine Texte sind später wie Rezensionen angesehen worden, s. Redepenning II
S. 182 ff. Daß er viele Handschriften zu NTlichen Büchern eingesehen und
verglichen hat, beweisen vor allem die Worte im Kommentar zu Matth. XY, 14
(Lomm. T. IH p. 357): Nvvl dh SrjXovoxi noXXrj ytyovev 17 xwv avrtyQttcpwv
öiafpogdy ehe dnd ^aS-v/iiaQ xivwv ygatpitov^ ehe dno xohfjiriq xivtSv /ioxS-rjQag
xfjq öiOQ^iiaewQ xc5v ygatpofiivwvt ehe xai dno xwv xa tavxoTg öoxovvxa ^r
Tj öiogB-waei TtQOtnt&ivxcjv ij dfpaiQovvxwv, Origenes spricht dann von seiner
kritischen Rezension des A. T. und fügt (nach der lateinischen Übersetzung
des Comm. in Matth.) hinzu: „In exemplaribus autem Novi Testamenti hoc
ipsum me posse facere sine periculo non putavi." — Zu den kritischen Zeichen
des Origenes in der Hexapla s. jetzt D. Serruys, Anastasiana p. 189 fiF. (in den
M61. d'Arch^ol. et d'Hist. publ. par FEcole fran9aise de Rome T. XXII, 1002).
2) Der genaueste Kenner, Mercati, hat bereits mehrere Vorstudien zur
geplanten Herausgabe der Reste der textkritischen Arbeiten des Origenes
( namentlich betreffs der Psalmen) veröffentlicht, s. Studi e Testi 5 (1901): „üna
congettura sopra il libro del Giusto" (p. 1 — 7); „Sul testo ebraico del Salmo
140" (p. 8—10); „D'alcuni frammenti esaplari sulla V. e VI. edizione greca della
Bibbia" (p. 28— 46); „Sul iesto e sul senso di Eusebio, h. e. VI, 10" (p. 47-60).
3) „Quomodo differant opera ab operibus operum in Numerorura libro
tractatibus, prout potuimus, dictum est a nobis." „Sed de his plenius in Nu-
54 ^ ^^6 Litteratur deu Morgenlandes.
abgefaßt. Wann die je eine Homilie zu IL Samnel. (s.I. Teil, S. 355),
zu II Chron., Esra und Nehemia (a. a. 0.) abgefaßt waren, ist ganz
dunkel, da wir sie nicht mehr besitzen. Das Gleiche gilt von der Ho-
milie in Melchisedek (Hieron. ep. 73, 2) und von der Homilie mit dem
kuriosen Titel (Hieron. ep. 34,1) K Ein Kommentar zum Hebräerbrief
ergibt sich mit Sicherheit aus der Apologie des Pamphilns; seine
Zeit ist unbekannt Ob Orig. die Absicht ausgefQhrt hat, einen
Kommentar zur Apokalypse zu sclireiben'^, weiß man nicht; wah^
scheinlich ist es nicht; denn die Überlieferung hätte über ihn nicht
geschwiegen, wenn er ediert worden wäre^ Von exegetischeD
Arbeiten zu den katholischen Briefen ist nichts bekannt^.
Es wäre meine Pflicht die Untersuchung darüber aufzunehmen.
welche Werke Orig. selbst formlich ediert hat, und in welchem
Grade wir in den lateinischen Übersetzungen der Werke des Orig.
durch Rufin, Hieronymus, Hilarius, Ambrosius, Bellator usw. den
echten Orig. noch besitzen, was und wieviel gekürzt, kastriert und
übermalt ist Allein bevor wir kritische Ausgaben dieser Über
Setzungen (mit Unterstützung derKatenenfragmentej erhalten haben,
ist es unmöglich, der Behandlung dieser Fragen näher zu treten.
6) Ambrosius, Freund und Mäcenas des Origenes.
Das Material über ihn ist Teil I, S. 328 IF. dieses Werkes zu-
sammengestellt ^ Unter Caracalla(Euseb., h. e. VI, 18,1) wurde er von
( )rigenes der Kirche zugeführt^. Daß er unter Alexander Severas.
incrorum libro, socniKluni quod dedit nobis domimis, di«*tum est", llufin 8chreil»t:
„(^naeciinque in Numeronim lil)ro sivt* homilctico stilo nivo otiam ex bis, qua**
Excerpta ap]>f»llantiir, »scripta reporiiuus, haoc p^Mnirjxont^* ti?, Homana, ut j>o-
tuimiiH, ex diversis in umnn ordinein collocta digossimus." Nicht ein wissen-
schaftlicher Kommentar zu Niim. existierte also, 8on(h^rn «»in Kxzcrpton-Buch-
Ihitin hat e« bei «einer Cbertrapfiinpf der Homilien ))eniitzt.
1) Walirscheinlich eine Homilie zn ]*s. US Vers l*h. — Daß Origenes b**-
sondere» Schriften oder Homilien zn Daniel verfallt hat, ist (s. I. Teil S. BOT)'
nach Comm. in Matth. ser. 40 („quae aiiteni sequuntnr in textu Danielis, sicnt
l»otuimus exposuimus") wahrscheinlich.
2) Comment. Ser. in Mattli. 40: „. . . . exponetur tempore suo in rew-
latione .Tohannis".
r>) Über an<.^ebliche Schriften dj's Orijr. s. Klostermann, SitzunprsWr.
a. a. 0. S. S7().
4) über die „Tractatus Orijjjenis ile libris ss. scrii>turarum", die Batiffol
entdeckt nnd ediert hat, werde ich ln'i den lateinischen Schriftstellern handeln.
obgleich sie einij:jes Orijjjenistische enthalten.
r») Hinzuzufäf^^Mi ist, daß auch das Werk des Orif^enes über die iValme«
ihm f(ewidmet war.
()) Nach Kusebius war er vorher Valtnitinianer, nach Hieron. (de vir. inl.
50. Ol) Marcionit. Da Hieron, über ihn selbstUndig unterrichtet war und anch
AmbrosiuB, Freund und Mäceniw des Origenea. 55
Maximinus, Philippus Arabs die Beziehungen zu Origenes fortge-
setzthat, lehren Euseb., h. e. VI, 23,1 f., VI, 28 und Origenes' Schriften
Eig (iaQTVQiop und IIsqI tvx^Qj die Kommentare zu Joh. und den
Psalmen, der Brief an Africanus und die Bücher wider Celsus*.
Gestorben ist er (nach Hieron., de vir. inl. 56) „ante mortem Ori-
genis*' (also um d. J. 250), „et in hoc a plerisque reprehenditur, quod
vir locuples amici sui senis et pauperis moriens non recordatus
Sit" (wahrscheinlich ein vorwitziger Tadel: der bedürfnislose
Origenes würde wohl eine Erbschaft nicht angenommen haben). Das
Verhältnis des A. zu Origenes war ein so nahes, daß er mit ihm nach
Cäsarea übergesiedelt ist und ihn auch auf Reisen begleitet hat
(so war er mit ihm in Nikomedien ; ob auch in Athen P)^. In welcher
Weise er die Schriftstellerei des Origenes förderte, lehrt Euseb.,
h. e. VI, 23,1 f. u. a. St. Man darf wohl sagen, daß wir dem Ambro-
sius einen großen, wenn nicht den größten Teil der Werke des
Origenes indirekt verdanken; aber er war nicht nur ein sachlich
teilnehmender^ und freigebiger Gönner, sondern auch ein rück-
sichtsloser Treiber {iQyoötcoxx nq).^ Er hat den fleißigsten Mann
der Epoche und einen der allerfleißigsten Männer der Geschichte
immerfort noch zur Arbeit gehetzt^ und die Publizierung auch
Kpiphanius (haer. 04, 8) berichtet, einige sagt^Mi, er sei Marcionit geweöeu (an-
dere: Pabellianer), so ist es nicht unwahrBcheinlieh, daß er der luarcionitischen
Sekt^ angehörte. Vielleicht war er formell überhaupt nicht Mitglied einer
Sekte (das könnte man dem Bericht des Suidas entnehmen\ Anspielungen auf
die Tatsache, daß Ambrosius früher Häretiker gewesen, finden sich im Kom-
Bientar zu Johannes.
1) Hier findet sich die letzte Notiz über ihn als noch Lebenden. — Wie
ilie Widmungen fast sämtlicher späterer Werke dos 0. an Ambrosius aufzu-
fassen sind, darüber hat P reu sehen in der Vorrede zum 4. Bd. der Werke des
Origenes S. LXXVIl das Richtige gesagt.
2) Doch waren 0. und Ambrosius auch zeitweise (so während der Ab-
fassung der 5 ersten BB. des Kommentars zu Johannes) getrennt, s. P reu-
schen, a. a. 0., Redepeuniug I S. ;>81f.
3) Epiph. 1. c: avPy(> koyioq xal anovdaioq negl xaq ^eiag dvayvwasiq
tdSv ^siütv ygatpdiv, Hieron., 1. c: „non inelegantis ingenii".
4) S. Hieron. de vir. inl. (U. Einem Brief des Origenes hat Hieron. die
Bezeichnung fiir Ambrosius ^Qyoöiwxzrjg entnommen. Das Wort findet sich
auch im Komm. z. Joh. V, 1.
5) S. das bei Suidas erhaltene Fragment ein(js Briefes des Origenes an
einen Unbekannten (abgedruckt im T. Teil dieses W^erkes S. :}3()). Hieron. hat
diesen Brief (ep. 4.^ ad Marcell.) auch gekannt und benutzt, aber ihn irrtüm-
lich dem Ambrosius beigelegt. Bernoulli (Der iSchriftstellerkatalog des Hieron.,
1805, S. 270 f.) bestreitet das und meint, die Verschiedenheit in der Inhalts-
angabe bei Hieron., verglichen mit dem Fragment des Origenes-Briefs bei Suidas,
sei 80 groß, daß sehr wohl beide Briefe ne>)eneinander bestehen könnten. Die
Möglichkeit räume ich ein, aber wahrscheinlich ist es nicht.
56 Dio Littenitur (Ich Morgciilaudes.
solclier Arbeiten veranlaßt, die Origenes selbst nur für den engsten
Kreis bestimmt hattet
Ambrosius war ans vornehmem Geschlecht^, sehr begütert',
stand zeitweise in hohen Munizipalämtern (..von zahllosen Städten
^echrt")^ und war verheiratete Die (öffentliche Tätigkeit muß er
anfgejreben haben, als er nach Cäsarea übersiedelte. Dort wurde er
Diakon*'. In der \' erfolgung des Maximin wurde er zusammen mit
dem Presbyter Trotoktetus gefangen gesetzt (daher Origenes' Schrift
EiQ funiTVQioif an sie; die Anrede r^isQt^ an Ambrosius hat Origenes
schon vor dem «Martyrium • gebraucht). Nach c 41 dieses Traktats
scheint es, als hätte er nach Germanien verbannt werden sollen.
Origenes schreibt, Ambrosius und er, Origenes, werden dem Paulas
nachfolgend, sprechen können: El xara ard-Qtoxov dv^jQtB-fjv tp
rtnf/uria. Allein wenn wirklich das ferne Germanien gemeint
wäre, wäre diese Aussicht von Origenes nicht nur beiläufig ein-
mal im Traktat erwähnt worden". FtQ^aria ist wohl ein Schreib-
fehler; gemeint ist entweder eine uns und dem Abschreiber unbe-
kannte Lokalität in Cäsarea oder ein Ort in der Nähe der Stadt
odtT — möglicherweise — ein Bergwerk in Palästina oder Syrien^.
Will man ..Germania" halten, so kann man mit Neuniann (Der
römische Staat u. die allg. Kirche I, S. 221. 228, vgl. Koetschan,
Orig. Werke I, S. IXj sich erinnern, daLN Maximinus im Winter 235
li Ilirron. <•]>. Sl lad rimiuiiu-li. i: „l|>sc Ori^cnos in i'i»istolu, quam scnbit
ml ]'al»l;iniiiii K(Mii;Mia(.' niliis <»|»i><<n»iini. i»:j»'iiit«'iitiani ii^lt, cur tiilia scrij'-
^«'l•it■, et cimsa^ triiH'ritatis in Aiiil»iosiinu ri'l'«'rt, «jiiod srurrto cilita in piiblicani
]»rotulont". Zu «l'n'scr rntrrsrli.'idun«; rj. l*anii»hil., Apol. i>ro Oripf. (Loin-
niatz^cli, T. XXV y. oJO), wo unter «Im Hüclu-in des Orijx. s(dclu» iM'zi'U'lini't
wcriU'u, ,.«iU(js in Kcrieto ai'ud seinetijt^uni null«) ar»»itn» interc<'<l<»nti.» dictabat*'-
*J) Jlieron., de vir. inl. .VI: ,,vir n(^l^Hl^''. Dir Vorncliniheit dos Ambrosia?
\lA\i auch daraus hervor, dali er in Liq fxaitx. de> Orijjeues vor l*rütoktehi>
jirenaunt winl, ohjjjleicli »lieser Treshyler, Ainhrosius luir Diakon ist.
W) Orijj. Elq fiaQT. c. 1 1 f. II».
A} K}»il»han. 1. c.: TcfJr dn'jfuvwv iv av'/.ciiQ ßc.oi/jxal^ ((h*r Ausdruck ist
freilich dunkel i; aber deutlich «^eht aus C>ri|4. AVj fxuQZ. c. !>♦) hervor, daß er
aui'esehene Ämter hekh'iilet hat.
r») Klq fiaQX. l.*i. :i><; Ori^'. ej». ad Afric. Die (Jemahlin hieß MarCA^Un
{•ti nioxoxuTti GVußiOQ. Kinde]- 11. ec.
(Ji Diesi' Ani^ahi' des llii'ion. idi' vir. inl. ."»«Ii hätte HerufMiUl i a. a. <»■
S. *Jllt'.) niclit hean-taialen sollen: d^nn (hiir.. Kl<; finoT. 4L', hestätij^t di»'
Nacliricht. Daj^ej^en i<i- längst JM-wiesen. dalJ tla-. was llieron. De vir. inl. Td
über Ambrosius s.ij^t, au.- eitieni lei<-htt"ertiLren MiI)V»M>tänduis iler Worte d»-
Kusebiu-i stammt.
7) Schon Jluetiu-. Orij^. I, <■. '.'>. 1, hat Au>t«>I» <jenonnnen.
8) In dersclbi'u \ «'rtoljjunf^ wurden Tontiau uiul Ilii»i><dyt in die Herj:-
werke nach Sanlinlen \eibannt.
DionysiuB, Bischof von Alexandrien. 57
nach PaDnonien aufgebrochen ist und daß Origenes somit daran
denke, der Kaiser werde über ihn und Ambrosius dort den ver-
urteilenden Kichtei*spruch sprechen, nachdem sie, persönlich sich
nach Germanien begebend, ihre Appellation an ihn angebracht
hätten (aber Neumann läßt selbst durchblicken, daß dieser Modus
zwar in bezug auf Ambrosius, nicht aber in beziig auf Origenes
und Protoktetus wahrscheinlich ist). Aus dem Gefängnis in Cäsarea
ist Ambrosius jedoch wieder befreit worden.
Briefe von ihm erwähnt Hieron. (de vir. inl. 56); man wird
ihm Glauben schenken dürfen, wenn auch das Fragment eines
Ambrosius-Schreibens im 43. Brief auf Mißverständnis beruht (s. 0.).
Briefliche Anfragen des Ambrosius an Origenes gehen ja auch aus
der Schrift des Orig. über das Gebet klar hervor, ja c. 5 wird so-
gar ein Fragment mitgeteilt. Als Schriftsteller wird Ambrosius
nirgends erwähnt.
7) Dionysins, Bisehof von Alexandrien. ^
Dionysius war Bischof v. J. 247(248)— 264(265), nachdem er
im J. 231 (232) Nachfolger des Heraklas an der Katechetenschule
geworden war 2. Der Beiname „der Große" findet sich zuerst in
der Praef der Hist. eccl. Euseb. 1. \ IL Er ist vielleicht daher zu
erklären, daß er auch als Bischof Vorsteher der Schule blieb '^ —
eine Kombination, die er zuerst und allein vollzogen hat und die
die Spannungen zwischen Kirche und Theologie zeitweilig beseitigte
(„den Lehrer der katholischen Kirche" nennt ihn Athanasius, Sentent.
Dionysii 6). Hauptquelle für sein Leben ist Euseb., h. e. VI, 40 —
VII, 26, aber seine Schriften waren auch dem Eusebius die Haupt-
quelle für die Zeit von 249—264. Da er an der ersten gegen Paul
von Samosata gehaltenen Synode Alters und Schwäche wegen nicht
teilnehmen konnte (wahrscheinlich im J. 263/4, s. Chronologie 1,
S. 215fif. u. Euseb. VII, 27), so wird seine Geburt nur einige Jahre
später als die des Origenes, dessen Schüler er warS fallen. Er
wird im letzten Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts geboren sein''. Daß
•
1) Dittrich, Donysius d. Gr. v. Alex., 1867; Foerstor in d. Ztschr. f. d.
hist. Theol. 1871 S. 42ff.; Westcott im Diction. of Christ. Biogr. I. p. 850.
2) S. den 1. Band dieser Chronologie S. 205 u. den I. Teil diese« Werke«
S. 400 — 127. Die Kaisergleichzeitigkeiten sind folgende: Bischof im dritten
Jahr des Philippus (Euseh. VI, 2!)), Tod im 12. Jahr des Gallieuus (Kuseb. VII, 28).
3) Eusebius würde uns wohl seinen Nachfolger genannt haben, wenn es
einen solchen bei Lebzeiten des Dionysius gegeben hatte.
4) Euseb. VI, 29, 4.
5; Daß er schon Presbyter war, als er Vorsteher der J^chule wurde, sagt
Hieron. (De vir. inl. 09); divs ist an sich wahrscheinlich, aber das Zeugnis des
5S ^i^' Littemtur des Morgenlandes.
er ursprünglich Heide war, folgt aus VII, 7, daß er als Bekehrter
eine Zeitlang von gnostischen Gedanken affiziert gewesen ist^ ans
derselben Stelle. Aus Vli, U, 18 geht hervor, daß er von Haus ans
ein begüteiler Mann war, Ehrenämter (Staatsärater?) bekleidet hat
und bei den Statthaltern in Gunst gestanden hatte ^.
Sein Episkopat bildete eine Kette von Katastrophen. Kaum
ein Jahr, vielleicht nur wenige Monate war er Bischof, da brach
in Alexandrien eine schwere lokale Verfolgung (Euseb. VI, 46, l£)
aus und im Jahr darauf die decianische Verfolgung, in der er ge-
llohen ist (Euseb. VI, 40); in der valerianischen Verfolgung wurde
er verhaftet und erst nach Kephro in Libyen, dann nach dem rauheren
und barbarischen Kolluthion in der Mareotis verbannt (VII, lüt).
Zwei bis drei Jahre blieb er fern von seiner Gemeinde, wenn auch
der Verkehr mit ihr fortdauerte. Das im J. 260 erfolgte sog. Toleranz-
edikt des Gallienus (d. h. die Zurückziehung der valerianischen
Verordnungen, s. VII, 13) ist in Ägypten nicht sofort gültig ge-
worden; aber im 9. Jahr des Kaisers (=261/2) war Dionysius jeden-
falls wieder in Alexandrien, s. VII, 21, 1; 23 extr. Allein furcht-
bare Zustände warteten seiner dort, ein wilder Bürgerkrieg, Pest
und Hungersnot (VII, 21—22). Sie rieben die Kräfte des alten
Mannes auf, der im 12. Jalir des Gallienus (VII, 28,3) gestorben
ist (264/5).
Bewunderunofs würdig ist es, daß der Bischof unter solchen
Umständen Zeit gefunden hat, eine j^roße litterarische Tätigkeit
hauptsäclilicli durch Lehrbriefe, zu entfalten. Er ist dadurch
der erste alexandrinische Bischof von ökumenisch-kirch-
licher Bedeutung geworden. Er hat den Stuhl des Markus
über Ägypten hinausgehoben, ihn an die Seite des Stuhls Petri ge-
stellt und die universale Politik der alexandrinisc-hen Bischöfe, die
sich bis Dioskur fortsc^tzt, begründet, weil ihm das Gesamtwohl der
Kirche am Herzen la^g und er an allen Fragen, welche die Kirchen
in der Welt bewehrten, wirksamen Anteil nahm. Der Name «der
(ifroße" gebührt ihm in dieser Hinsicht nicht mit Unrecht. Man
braucht nur die Liste seiner Adressaten zu überschauen, um fest-
lli<'roii. k(niiint cbt-ii «loslmll) nicht in Hrt nicht, iiiul kiiuii nicht für clironoloj^isJchi-
Schlüsse hfnutzt witiUmi.
1) Auf «Itis Chmii. Oricntah« fl'aiis, l'i.M) z. J. '2^\\ möchte ich mich nicht
bcnifiMi. ,,Hic erat Saluiitu ?] sai»icnti>>inins et ex dentis i>riinorilms atqu»*
<»l»tiioiitihats". Lcktün* <lcr iiaulinischcn liricf«' snll ilm /um Oliiuben j^oführt
habi'n. Das ist wohl ein«' Ausspinnnn«^ von Kuscb. VII. 7,!), wo Dionysius bi-
richtft, (laß ihn niclit »'in«' übiTwältl^j^cndc Aniorität oder nioralische Krwrignn«feii.
sondern vonirt«*iNh)Sfs >tuiliuiu i«']itri()}<(.i- S( liritti-n alU*r Art zum Glauben ge-
bracht luit. JJieselbc <2"*'ll'' berichtet, Denn.'trius habe den Dionysius getauft.
DionyHiuB, Bischof von Alexaiulricn. 59
zustellen, daLi an Umfang und Weite der Korrespondenz ihn kein
römischer Bischof übertroffen hat*. Was aber Gehalt und Viel-
seitigkeit seiner Briefe anlangt, so ist ihm kein Bischof des Alter-
tums gleichgekommen. Auch C-yprian von Karthago vermag nicht
mit ihm zu rivalisieren^.
Auffallend ist es, daß Eusebius wider seine Gewohnheit die
Briefsammlung des Dionysius, aus der er geschöpft hat, nicht
charakterisiert (ja nicht einmal nennt) und uns überhaupt darüber
ganz im Dunkeln läßt, wo und in welcher Zusammenstellung er die
Werke des Dionysius gefunden hat. Auffallend ist auch eine ge-
wisse Kühle dem Dionysius gegenüber bei aller Bewunderung und
allem Respekt Ich glaube das so erklären zu müssen (s. 0. S. 33),
daß Dionysius zwar im wesentlichen Origenist war und die wissen-
schaftliche Theologie vertreten hat, daß er aber doch kein so
schlechthin unbedingter Verehrer des Origenes gewesen ist, wie
Eusebius es war^.
Zu einer genaueren Chronologie der einzelnen Werke und
Briefe des Dionysius reichen die uns erhaltenen Fragmente der-
selben nur in bezug auf die nach Rom gerichteten Schriftstücke aus.
1. Der Brief an Germanus (wo?); er ist im J. 259 oder gleich
darauf von D. geschrieben zur Verteidigung seines Verhaltens in der
valerianischen und — D. blickt zurück — decianischen Verfolgung.
Man darf diesen Brief voranstellen, weil die uns bei Euseb er-
haltenen Fragmente (VI, 40; VII, 11) das meiste geschichtliche
Material über D. bringen.
2. Einen Kommentar zum Anfang des Predigers Salom. zitiert
Dionysius selbst in einem Briefe bei Euseb. VII, 2G, 3. Die Zeit
des Kommentars ist unbekannt, und es ist daher eine grundlos(5
Vermutung, daß D. ihn abgefaßt hat, bevor er Bischof wurde.
3. Dasselbe gilt von dem philosopliischen Werk IIeqI ^vöscog,
das in Briefform gekleidet seinem Sohne Timotheus gewidmet war
(Euseb. VII, 26, 2, Praepar. evang. XIV, 23—27) und sich die Be-
kämpfung des Epikur zur Aufgabe gesetzt hatte*.
1) Dionysius hat lUißtM* an Hgyptischo und pcntai)olitani.sclu' IJiscliöfo Brirfc
nach Rom, nach Antiochien, nach LaoiUcea Phon., na(rh Cäsaroa Pal. und nach
Armenien gericht-et. In bczu^ fiiif die rftmischiMi VcrhaUiüsso ist er in Briefen
iiiienuüdlich gewesen, als sei er Oberbischof für Koni. Römisch«» Briider
scheinen ständig in Alexandrien anwesend gr'wesen zu sein, s. Euseb. VII, 11.
Zweimal ist er nach Antiochien zu großen Synoden eingeladen worden, VI, 40
11. VII, 27.
2) Übrigens — daß Dionysius keine Brief«.^ mit Cypriau gewechselt, dieser
jenen nie genannt hat, ist eine sehr merkwürdige Tatsache.
3) S. auch den I. Teil S. 41Sf. -JJ2f.
4) PiS gibt auch einen Brief von Pseudo-Dionysius An-opagita an Timotheus.
00 ^^^ Litt^ratur des MorgenlundeK.
4. Auch die, ebenfalls in Briefform gekleidete Schrift Begi
:xnQaO(ia)v (an Euphranor, VII, 26, 2) läßt sich nicht datieren und
5. leider auch nicht der zwei ovyyQa/ifiara umfassende Traktat
IltQi b:xa'fytXi(Jjv (gegen die Schrift des ägypt Bischöfe Nepos
"Ektyxog aXXiiyonior(7)v\ Doch ergibt sich aus den Fragmenten
des letzteren wenigstens dies, daß er aus der bischöflichen Zeit des
Dionysiiis stammt (Kuseb. VII, 24. 25). Nepos war schon gestorbea
als Dionysius zum Angriff gegen seine Anhänger, an deren Spitze
ein gewisser Korakion stand (VII, 24, 9), vorgingt
(). Das große Werk in 4 Büchern *'EXtyxog xal axoXoyla {xqo^
^c(ßf:k/.i((povS^ jroog ^aßtXXiop? — s.Euseb. VII, 26; Praep. evang.
Vll, 19; Athanas., var. 11.; Basilius, de spiritu 29; Rufin beiHieroD.
adv. libr. Ruf. II, 17)'^ an den römischen Bischof Dionysius kann
ziemlich genau datiert werden: die beiden Dionyse regierten vom
22. Juli 259 bis 204.5 gleichzeitig. In der Zeit der schrecklicbeo
inneren Zustände in Alexandrien (seit 261 2) ist die Schrift schwer-
licli geschrieben; Verhandlungen mit dem röm. Dionysins waren
ihr schon vorhergegangen *; sie stammt also aus dem J. 260 oder
201 (Anfang).
7.-10. In diesen Streit gehören vier Briefe an Ammon von
Berenike, an Telesphorus, Euphranor und Ammon [und Euporus'
xaza ^\i;hW()v (Kuseb. VII, 26, 1). Es liegt sehr nahe, sie mit
den Briefen zu identifizieren, die Dionysius in einem Schreiben
an Sixtus von l\üm (Euseb. VII, 0) als gegen Sabellius geschrieben
zitiert und von denen er Abschriften dem Sixtus übersandt hat.
Dann müssen diese Briefe vor 257 S — denn nur in diesem
Jahr von August zu August war Sixtus Bischof — verfabt
1) I)«M- .Vus«liink li. ♦'. VII, Jl, «lalJ /(t/Qi rvi' v'u'l»^ UriUliT sich an d-v.
j^ristlichiMi Li»Ml«'rn des N«']>o.s orfnnion, lo^t <li»' Annalinu» iiiiho, daß Ne}»«»'
iiiehf; vor j^iiiiz knr/.tT Zeit <rt'>torbon war. Pas, was man iibor Nt^pos weil?,
ist im I. 'rdl «lirsi's Wrrkrs S. -ll'Tf. zusaiiiin»'n.L,^'>it'llt. N<»i>os war ein Christ
altrn Schlairs, <h'r (b'ii aU«Mi H«*ali>nuis nml d'w Apokalyptik pojjfon Orij?on»'
auiVoclit- erhirlt uinl ^it-li «lanmi mit Vorlirlu* an »li«» Ajjokalypse dos Johaiun-
liit'lt. Dionysius Inlit sfiuo niGiiq, (fi/.onovla und ?/ m* t(u^ yga^fctig 6^aTQt^i\
snwii' st'inj' nro/A/] xi'cO.fwtdla ln-rvor, J //<-/(^' vvv Tio/./.ol rwr döelfföüv tvi^i-
fioivTfii. Kr liatt«' in den unt«'räuryi»tis<'lirn UüriVm «'int'n pr(»[j,»n Anhanp, nvA
♦*s kam zu „Srlii-nu-n und Aldall". /u wi-it darf man di«' L«'l»t'ns7.t'it. dosha':!'
nirlit hiuaufs«'t/.»'M. w«'il lli^hinn'r in ALrviiti'U in itwa> Lrrr»l)j.'n'r Zahl erst unt» :
Ht'rakias iro^riind»! wnrdfu -ind.
'_') Auf «-In ]»i.-liir unln'kannii'^ Shii-k aii< «lif-i-m Wrrk d«'S Dionysius hat
Böhmer- Höh mundt anfm»'rksam jx«'ina<lit. Ks strht in finoni Fraf^iuoiit
<'in«'r Schi'ift d«'s Afliana.-iu< von Anazarhus. und di»'s»'s ri-aj;mont seilest find»'t
sicli l)«'i (*in«'iu nnldii»'u>»*r Krat^mmtistfu (/tstlir. f. wls-j^nscli. Theol. T^d. V\
;)) S. d.'u I. Tril di«'.-cs \Vrrk»'.s S. \\{).
Dionysius, Bischof von Alexandrien. 61
gewesen sein. Auch nach Euseb. VII, 26, 1 ist es wahrscheinlich,
daß die Briefe dem großen Werk vorangegangen sind und daß sie
die Briefe sind, auf Grund deren, wie uns Athanasius berichtet
(8. Teil I, S. 414ff.)» Dionysius' Christologie verleumdet und er selbst
bei seinem Namensvetter in Rom verklagt worden ist. Die kleine Vari-
ante in der Bezeichnung eines Briefs („an Ammonius und Euphranor")
reicht schwerlich aus, um den Brief, den Athanasius im Auge hatte,
von jenen vier Briefen zu unteischeiden. Die Briefe sind wohl
unmittelbar vor dem an Sixtus geschrieben — Dionysius ist gleich-
zeitig durch das Interesse für den Ketzer tauf streit und die christo-
logische Frage, in der seine Oi-thodoxie angegriffen wurde, in An-
spruch genommen — , also i. J. 257.
11. — 25. Fünfzehn Briefe erwähnt Eusebius als vonD. in Sachen
des Martyriums, der Behandlung der Gefallenen und des Novatiani-
schen Schismas verfaßt, nämlich drei nach Ägypten, acht nach Rom,
je einen nach Laodicea Syr., Armenien, Antiochien (an den dor-
tigen Bischof Fabius) und an Origenes. Alle diese Briefe gehören
der Zeit 250/1—253 an^) und standen augenscheinlich in der Brief-
sammlung, die Eusebius (VI, 46) vorlag, zusammen, und zwar in
dieser Reihenfolge:
a) An die Brüder in Ägypten IltQi fieravolag — die Regeste,
die Eusebius gibt, zeigt, daß der Brief gleich nach Erlöschen
der Verfolgung geschrieben ist; wie der Titel sagt, war D.
noch im Versteck (251).
b) An Konon, Bischof von Hermopolis IIsq! fievarolaa.
c) An die Gemeinde in Alexandrien, IsrioroX?] ijtiotQtjtrix^,
also war D. noch im Versteck (250/1).
d) An Origenes IIsq! fiagrvQlov] der Brief ist als Trost- und
Bewunderungsbrief zu verstehen, also 250,1 verfaßt.
e) An die Brüder in Laodicea Syr.
f) An die Brüder in Armenien IleQl fisravolag.
g) An Cornelius von Rom, nachdem er dessen Schreiben wider
Novatian empfangen hatte; da der Tod des Fabius in dem
Brief mitgeteilt war, ist unser Brief 252/3 geschrieben.
h) An die Brüder in Rom durch Hippolyt, öiaxovtx/j (Was
heißt das?); der Brief ist seiner Stellung nach um dieselbe
Zeit verfaßt.
i) An die Römer IJ^q] uQjjVfjg, wohl auf das novatianische
Schisma bezüglich.
1 ) I^ei dem Brief an Fabius von Antiochien und bei dem au Corneliuy von
Rom ißt daß ohne weitere« khir; denn jener war von ITA) bi« 'J;7J Knde (oder
•J.^3 Anfang), dieser vom Frühjahr 251 bis Juni :1')'\ Hisehof. In dem IJrief an
('orneliuß ht der Tod des Bißchof« Fablu8 miti^etcrilt.
(52 l^H* LitU'ratur des Morgenlandes.
k) An die ßöiner ntQi lurarolag (beide Schreiben wohl auch
2512).
1- An die römischen Konfessoren, die auf Seiten Novatians
standen; Näheres s. sub Cyprian (251/2).
ni) und n) An die römischen Konfessoren, nachdem sie zu Corne-
lius zurückgekehrt waren; Näheres s. sub Cyprian (251/2).
Die beiden Schreiben der Sammlung o) u. p) an Novatian und
an Fabius von Antiocbien hatte Eusebius schon in den cc 45 bez.
41.42.44 vorweggenommen. Das erste ist unmittelbar nach Aus-
biucli des Schismas, also im J. 251, geschrieben und fordert deo
Novatian auf, die Einheit der Kirche schleunig wiederherzustellen.
Das zweite ist ihm wenige Monate darauf gefolgt und sucht den
dem Nuvatian zuneigenden Bischof von Antiocbien von dem Ernst
der Haltung der Katholiken (speziell des Dionysius selbst) zu über-
zeugen und bei der großen Kirche festzuhalten*.
20.— :J3. Eine weitere Gruppe bilden die in dem Ketzertauf-
streit nach Kom gericliteten acht Schreiben (Euseb. VII, 2—9)*.
1 )er erste Brief über die Taufe war an Bischof Stephanus gerichtet
(VII, 2. 4. 5), stammt also aus den J. 255— 257; die in früheren Briefen
des 1). genannten Bischöfe Fabius von Antiocbien, Alexander von
Älia und Thelymidres von Laodicea waren, wie der Brief angibt,
bereits gestorben. Der zweite und dritte Brief waren, wohl gleich-
zeitig: mit dem an iStcphanus, an die rc'anischen Presbyter Philemon
und Dionysius gerichtet (VII. 5 extr.). Der vierte Brief über die
Taufe wendet sich an Sixtus (Vll, 5. t)\ ist also zwischen Herbst
257 und Sommer 258 verfallt. Der fünfte und sechste Brief an
die römischen Prcsbytta- Pliilemon und Dionysius begleiteten das
Schrei]>en an Sixtus (Vll, 5 extr. 7. S); die beiden Männer müssen
b(;sonders einflulNri^ichc- Glieder des rrmiischen Presbyterkollegiums
<»ewesen sein; Dionysius ist ja auch Nachfolger des Sixtus geworden^
Der siebente und acljte Brief über die Taufe sind wieder an Sixtus
gerichtet, sind also auch vor August 258 geschrieben, der achte
V) Am Scliliiß tlk'sor Hrlffsinuiiiluiii; .stainL'n iiocli iin(l«'re Schreiben, t-
VI, K) (;xtr.: Kai a?.?,oiq dh n'/.tiooiv ö/hoiwj: iSiu yQauudxvn' o^u),t]Gaq^ noixiJiai
ToT^ f'r/ rh' 07iovör]v ntnl roig ?.oyov^ avrov notovfiiroiq xaxa)M,ointif
OJ(ff:).U(CZ.
lii in ili'i* Siiininlnnjx, «lir Kui»iO)iii.- vorlag', Ifrfandi'n sich nur sech»*; iil»er
Dionysin.-^ erwähnt seilest in <h*ni IJrit'f an >ix(u:?. dalJ it .-rlion früher ( über dii'
'l'autV) an di«' riWnisehj.'n l'^e^^hytl'r Thilrinon mul Dinnysins jx«"J^t'hrh?beii haW.
Dit'se lu-ith-n iilt»'n*n Hricf»» stamU'n nii-lit in «Lt Sannnhm^. wohl aber die unter
Sixtus an dit'St'lbcn p'rielit^'ten.
''\) Na<-h (h'ni I>ii»'f aji I'hilj'uion i.-t ••< wahrscluMnlicli. «hiß Dionysius den
HriefweehM>l zwisclien C'y]»rian un<l Firniilian von (Titjan'a «Erkannt hat.
Dionysius, Bischof von Aloxaudrion. 63
zugleich im Namen der alexandrinischen Gemeinde an die römische,
also hochoffiziell (VlI, 9j K
34. — 42. Der Überlieferung seines Stuhls gemäß hat Dionysius
Osterfestbriefe jährlich geschrieben. Eiisebius (VII, 20flF.) sagt das
ausdi'ücklich und teilt uns auch Bruchstücke aus ihnen mit. Man
darf annehmen, daß er aus ihnen in chronologischer Reihenfolge
geschöpft hat'-^; daß sie in einer Sammlung standen und gezählt
worden sind, geht auch aus den Fragmenten in den Sacra Parallela
hervor, die „aus dem 4. Festbrief" (ob auch aus dem zweiten?)
zitieren^. Der Festbrief nun, der an Hermammon und die Brüder
in Ägypten gerichtet ist (Euseb. VII, 22 extr. 23; auch VII, 1. 10
waren schon Mitteilungen aus ihm gemacht), ist nach VII, 23, 4 im
Hinblick auf das Osterfest im 9. Jahr des Gallienus geschrieben,
d. h. im Hinblick auf das Osterfest des J. 261. Daraus ergibt sich,
daß der Festbrief VII, 21, 1 zur Zeit des Bürgerkriegs der des J.262,
der Festbrief an Hierax während des Bürgerkriegs VII, 21, 2 ff. der
des J. 263, der Festbrief Vll, 22,2ff. zur Zeit der Pest der des
J. 264 und endlich der letzte in ruhigeren Zeiten geschriebene Fest-
brief VII, 22, 11 der des J. 265 ist. (Da man nicht weiß, wie lange
vor dem Fest die Festbriefe erlassen sind, kann Dionysius schon
Ende 264 gestorben sein).
Die drei Festbriefe an Flavius, Domitius und Didymus und an die
Presbyter in Alexandrien (VII, 20; aus dem zweiten hat Eusebius
schon VII, U, 20flF. zitiert) sind die Briefe, mit denen die Sammlung
der Festbriefe begann. Somit wird der an Flavius der Festbrief
für das J. 249 oder 250, der an Domitius und Didvmus der für das
J. 250 oder 251 sein (er ist aus dem Versteck in Libyen unter
Decius geschrieben, Eusebius hat ihn VI], 11 irrtümlich auf die
valerianische Verfolgung bezogen)^, der an die Presbyter in
Alexandrien ist der des Jahres 251 oder 252 (auch er wird noch,
wie die Adresse wahrscheinlich macht, aus dem Versteck geschrieben
sein). Die Festbriefe zwischen 252/3—261 hat Eusebius nicht er-
wähnt^; denn die Bemerkung VII, 20 extr. {txeQoiq re ofwv öia-
1 ) Der 7. Brk^f ist nach VIl, i), '2 gleich nach O^Un-n 'Jr>S abgefaßt.
2) Mit Ausnahme des historisch roichhaU-igsten Festbriefs an Hennammon,
den er an mehreren Stellen seiner Kirchengeschicht^ ausgebeutet hat.
3) Holl in den Texten u. Unters. Bd. 20 II. 2 S. 151.
'I) Augenscheinliiih ist auch VII, *J0 (die Notiz über die ;> ersten Festbriefe)
zu sput gesetzt. In dem Brief an Domitiiis und Didymus war ein achtjähriger
Osterkanon mitgeteilt, s. VII, 20. — Mösrlich, wenn auch nicht wahrscheinlich
ist, daß Dionysius zwei Briefe an Domitius und Didymus geschrieben hat
(B. BernouUi, a. a. 0. S. 1, ")()). In diesem Falle kann man Kusebius von dem
Vorwurf entlasten, den Brief um c. 10 Jahre zu sjiät gesetzt zu haben.
.'i) Die SS.Parall. zitieren aus dem J. Festbrief, d.h. aus dem des J.lM'J oder 2,"5'i.
64 ^^^ Litt^^nitur des Morgeulundes.
ffOQcoQ [ijtiOToXag öiaxciOCiTTH]f xal xavzaq Bti rov öicuY/iov üvv-
horoJToq) bezic^ht sich nicht auf Festbriefe, sondern überhaupt auf
Briefe, die in der Verfolgung geschrieben worden sind.
4^$.— 4S. Sechs Briefe an Verschiedene erwähnt Eusebins nocb.
nämlich an Dionysius Rom. — der Brief ist zwischen Angust 259
u. 264/5 (s. 0. S. 60) geschrieben, „über Lucian", wie Eusebius VII, 9
<'xtr. angibt, als müsse man wissen, wer das ist>; er stand hinter
den Briefen über die Taufe — , an Oermanus — geschrieben in der
Verbannung während der Verfolgung Valerians, s. Euseb. VI, 40;
VTI, 1 1, also zwischen 258 u. 260 — , an Theoteknus von Cäsai-ea —
nach dem Tode des Origenes und zu dessen Lobe, also bald nach
254, s. Stephanus Gobarus bei Photius Cod. 232 — , an Aphrodisios
— die Zeit ist unbekannt- — , an Basilides, Metropolit in der
Pentapolis (mehrere Briefe; ein Brief [Antwort auf ein Schreiben
des Basilides] ist in extenso erhalten) — die Zeit ist anbekannt^
aber nach der Stellung, die Euseb. VIT, 26 ihnen gibt^ ^hören sie
der spätesten Zeit an'* — , endlich an die antiochenische Gemeinde
über l*aul von Samosata, \'1I, 27, 2, das letzte Schreiben des Diony-
sius kurz vor seinem Tode*.
19.— 51. Noch werden folgende in Briefform abgefaßte Schriften
erwälint: IhQi oai^t^uTov (Euseb. VIT, 22, 11), IleQl yvnvaolov (L c
J) Vi«'ll«'iclit. i-l- iin »L'u iM^riiliuitiMi LoIiht (L's Ariii:* zu cleukou; aber«
iiiüßti.' als liolior >i«tl)zi;^i'r '^»'storl)«'!! sein.
•Ji S.M-lis liniclistCa-kc in «1. SS. rjiral!., s. IIoll, 1. o. S. I4J>f.
'.\) I);w »'rhultiMit; .'^(•hi-t'ilM'n liiuulrlt Ihi^l tot fifya/.ov aaßßaxov Tioif^
/(>// u7TOi'?iOTi"C,ho*hu mul von ainL'n'ii DinjTrii. I^ionysius u. Mit don AdressaWn
^«'i1UMl ,,jr<'lii'l»l«*ii >()hn iiiul HnidiT, don ^ntt;x<'lu»rHan!. ii Mit»lit?iii'i'**. Es itt
• 'in Aiit\vorist:hriibi'u auf einen Urief »li»s Ha^ii'.idi'S, «lor versehiedone Fnigen
«•nthirli-. J)ic Antwort b»?jncksichtij^t auch die i\Mnische Praxis {». Kouth,
lu'liir. >:iri\ IM- p. LL'.'IiV. •. J)i«; vier anjjfoliän«:ten Canones worden wolü echt
sein, alu r nielit zu diesem }iri<.'Ie «gehören, ^nnd^•rn aus anderen Schreiben an
d«.Mi.^'Ihen stammen.
1 1 S. auch Knsel). VII, :)<\ '.). Der Urief, ul)j;:loich er dem Schreiben «liT
antioehiMiisehen ^ynode («.'i-tTt-n Tanl) l>eijrelejj:t worden ist, ist nicht erhalten.
Kine Inl)alt.san»:abe stellt im Synaxarium c<»]>t(»-aral>. (Wüstenfeld I S. THi.
ist. aber p'fä'sclit. ^„Der Vater I)ionysiiis \erfal)ti' ein Sendschreiben — an*
L(eblie]i l.') Jahre vor dem Konzil v. Nicäal — des Inhalts, dal» Christus das "Wort
und sein Scdin sei, dal» er ihm ^^leieh sri an rer>on, (Gottheit und Kwiirki^-it.
dalJ <lie I)r«*ifalti^ki'it drei I'rrsonen in ilinrr Hes(»nih'rheit cMUe iiottheit ans-
nniche, dalJ (Mner der Freiheit, welehi-r der ^()hn >ei. sich als vollkoiuiuener
Mensch verkörpert habe, usw. Kr bewies «lies durch viele /eu^nisse jiuk den
Schriften dt?s A. u. N. T.s u. schickte das Sendschreiben ab durch zwei gi-
lehrte Triester a\is s«'iner «Irnu-inde. l>;i kamen Ü) IJiscliöfe vunl die beiden
Priester [in Antioehicn] zusammeu usw.''». ilieron. (de vir. inl. •)!)) Kajrt, der
Brief sei „ant^? paucos die^ quam nioreretur" «^'eschrieben, aber das ist Willkür.
Dionysiuä, Bischof von Alexandrien. 65
u. Holl, I.e. S. 151) und IleQi ya(i(ov (mindestens 2 Briefe, aus
dem 2. ein Fragment bei Holl S. 150 f.). Ihre Zeit ist nicht zu
bestimmen K
Merkwürdig ist folgender Bericht im SjTiaxarium copto-arab.
(Wüstenfeld I, S. 8): „An dem 3. Tage des Monats Tut fand eine
h. Versammlung statt in Alexandria im 2. Jahre der Regierung
unseres h. Vatei^s des Patriarchen Amba Dionysius (also 247/48 oder
248/49). Die Veranlassung zu dieser Versammlung war, daß Leute
in dem Verwaltungsdistrikt des Arianus [soll heißen „Arabiens**,
s. Euseb. h. e. VI, 37] aufgestanden waren und behauptet hatten,
die Seele sterbe mit dem Körper, und am Tage der Auferstehung
stehe sie wieder auf mit ihm [genau nach Euseb. 1. c.]. Sie hatten
hierüber einige Sätze aufgestellt und an Leute in Alexandria ge-
schickt, und als dies D. erfuhr, wurde er darüber sehr aufgebracht
und suchte sie von dieser Ansicht abzubringen, und als sie davon
nicht ablassen wollten, ließ er gegen sie diese Versammlung zu-
sammenkommen (s. Euseb. 1. c), disputierte mit ihnen [s. Euseb.
1. c] und bewies ihnen ihren Irrtum. Als sie sich nicht bekehrten
und von ihrer Ansicht nicht abbringen ließen, verfluchte er sie
[ganz anders Euseb. 1. c] und setzte gegen sie eine Schrift auf,
welche begann: „Siehe die Liebe Gottes zu den Menschen ist wahr-
lich sehr groß" — und er setzte darin fest, daß die Seele weder
sterbe noch sich verändere noch verschwinde, sondeni bestehen
bleibe wie die Engel und Teufel bestehen, weil sie geistig sei und
keine Veränderung und keine Verschlechterung erlitte; von der
Zeit, da sie den Körper verläßt, wird sie an irgendeinen anderen
Ort versetzt nach Verhältnis ihres Verdienstes, und am Tage der
Auferstehung, wenn mit der Posaune geblasen wird und die Körper
auferstehen auf Befehl dessen, der sie entstehen läßt, nimmt jede
1) Dittrich (a. a. 0. S. 129f.) iat in bezug auf die Chronologie des D. zu
folgenden, von den unsrigen abweichenden Ergebnissen gelangt: In die JJ. 232 — 247
setzt er IlfQl ^vaeatv und den Kommentar zum Anfang dos Ekkles. und in die
JJ. 253 — 257 De^l inayysXioiVj was unerweislich ist. Unrichtig ist es, den Brief
an Dionysius über Lucian i. d. J. 257 zu setzen; denn damals war Dionysius
V. Rom noch nicht Bischof. Zu spät sind wahrscheinlich die Briefe an Ammon
von Berenike, an Telesphorus, an Euphranor und an Ammon (u. Euporus) gesetzt,
nämlich erst 258 — 2()1 (statt z. Z. des Sixtus 257/58), und die Opterfcstbriefe an
Flavius und an die Priester in Alexandrien werden auch zu spat, nUmlich nach
258 bis 262 datiert statt auf 249/50 bez. 251/2 (sie gehören zu dem von Ditt-
rich richtig datierten Brief an Domitius und Didymus). In das Jahr 262 wer-
den — was unmöglich ist — drei Osterfestbriefe gest-ellt, nämlich der an Her-
mammon, an die Alexandriner zur Zeit des Bürgerkriegs und an Hierax, statt
sie 261, 262, 263 anzusetzen; erst in dem Pestbrief sieht Dittrich den Osterbrief
für d. J. 263 (statt 264).
Harnack, Altchristi. Litteraturgesch. II, 2. 5
66 Die Littvrntur des Morgenlandc*«.
Seele ihren Körper wieder an and empfang mit ihm die Belohnmig
oder die Strafe, die für die Seelen geeignet ist, und beide ve^
bleiben in dem Znstande, der ihnen zuteil wird, und kommen nicht
aus ihm heraus für alle Zeit und Ewigkeit"
Daß hier Euseb., h. e. VI, 37 zugrunde liegt und daß Diony-
sius und Origenes verwechselt sind, ist klar; aber um der frappanten
Datierung und des mitgeteilten Initiums willen ist es wahrschein-
lich, daß der Krzähler mehr gewußt hat als bei Eusebins steht
(Indirekte Kenntnis der Akten?).
Aus Hier. ep. 49, 3 ist nicht zu folgern, daß D. einen Kommen-
tar zum 1. Korintherbrief oder zu einigen Abschnitten desselben
verfaßt hat
Uneclit ist der Brief an Paul von Samosata (s. den 1. Teil
dieses Werkes S. 425), sowie der Brief an den MOnch Theodosius
und der an den Lektor Ursenuphius (s. Mcrcati, Studi e Testi 5
1 1901] Nr. 7 p. 82 ff.)} obschon die beiden letzteren einige auff&Uende
Stiherwandtschaften mit den echten Briefen des Dionysins haben.
Über das, was syrisch und aimenisch erhalten ist h^be ich mich
a. a. 0. S. 425£ ausgesprochen und habe dem nichts hinznzufOgea
8) Theognost, Picrius und Achillas. <
Nur Philippus Sidetes bezeichnet fnacli einem Exzerpt im CoA
Barocc. 142) den Theognost als Vorsteher der alexandrinischen
Katecheteuschule, Eusebins und Hieronymus nennen ihn überhaupt
nicht und in den Zitaten bei Athanasius und anderen erscheint
er nur als hervorragender Exeget. Doch wird die Bezeichnuns:
bei Philippus richtig sein. Dagegen erweckt die Reihenfolge „Pie
rius, Theognost" bei ilnu Bedenken, da er (bez. der Exzerptorl
auch sonst die alexaiidrinisclien Lehrer umgestellt hat und da sich
nach Pierius kein Raum für Tlieognost mehr findet Weil wir für
Theognost chronologisches Material nicht besitzen, ist von Pieriii?
auszugehen. Als A'orsteher der Katechetenschule in Alexandrien
wird der Pn^sbyter Pierius von Philippus Sidetes (1. c) und von
Photius (Bibl. IIS) bezeichnet, während Eusebins und Hieronymus
nur sagen, dal> er Prediger und Lehrer gewesen ist (Euseb^ h. e.
VII, 32, 2(i: axQoyg dxTJjfiovi iSicp xai fiaih'jfiaat ffiXocofpoic öeöoxi-
(laOTo, rat;; jref/i ra d^tla O^etDQlaig xru t§7]y7jae(ji xai ralq Ijtl toi
xoivov TTJc lxxh]Oiaq 6ia?.t^£0tv vjrtQffvöjg b^)]Oxy]iikroQ. HieroÜM
1) S. Diokam]» in der Tlujol. (^mrhilscbr. l!Mrj Tl. 4 S. 48111*.; hien«
Harnack, Die Hypotyposeu dos Thoognost in den IVxtcn u. Untoii*. Bd. -4
H. S S. 7:5flf. Zu IMoriu«; s. de Boor, obendort Bd. :^ H. "J S. 11)7 ft*. (Mittoilimi:
neuer Tragnicntc und Berichte), Boutb, Heliq. S:ur. 1112 p, 4<>7fi'.
Theognost, Pierius und Achillas. (J7
de vir. inl. 76: »Florentissime populos dociiit et in tantam sernio-
nis diversorunique tractatuum, qui usque hodie exstant, veiiit
elegautiani, ut Origenes iunior vocaretur"). Eusebius (1. c.) be-
zeichnet ihn als seinen Zeitgenossen \ und Hieronymus (1. c.) gibt
die doppelte Datierung: „sub Caro et Diocletiano principibus tem-
pore quo Alexandrinam ecclesiam Theonas episcopus regebat."
Theonas war von 282 (281) bis 300 (Sommer) Bischof von Alexan-
drien (s. den ersten Band dieser Chronologie S. 205) 2. In dieser
Zeit also (Carus wurde im J. 282 Kaiser) wirkte Pierius als Pre-
diger und Lehrer. Er erlebte in dieser Stellung noch die diokle-
tianische Verfolgung, wurde in ihr Confessor (nicht Märtyrer)^
und siedelte „post persecutionem" nach Rom über, wo er bis zu
seinem Tode blieb (Hieron., 1. c). Diese Übersiedelung ist auf-
fallend; wir kennen die Beweggründe zu ihr nicht. Auch das Todes-
jahr des Pierius ist uns unbekannt Jedoch wissen wir, daß er
noch nach dem Februar 309 gelebt hat; denn er hat einen Logos
auf das Leben des h. Pamphilus nach dem Zeugnis des Philippus
Sidetes (deBoor, 1. c.) verfaßt. Pamphilus aber, der nach Photius
(Bibl. 119) der Schüler des Pierius gewesen ist, erlitt im Februar
309 das Martyrium. Somit lassen sich c. 30 Jahre für die Wirk-
samkeit des Pierius abgrenzen^. Ob er wirklich in dieser Zeit
1) Und zwar als allernächsten Zeitgenossen: iv xol^ fiuXiaxa xad^ ^A'c^C*
2) Sonst ist von diesem alexandrinischen Bischof so gut wie nichts be-
kannt. Der Brief des Bischofs Theonas an den Oberkammorherrn Lucian, den
zuerst d'Achery (Spicil. 1675) publiziert hat, ist eine Fälschung der Neuzeit,
8. meine Abhandlung in den Texten u. Unters. Bd. 24 H. 3. Ich gehe daher
nicht mehr auf ihn ein.
3) Dies bezeugen Philippus Sidetes und Photius; auch die Tatsache, daß
es eine nach ihm genannte große Kirche in Alexandrien gab, spricht dafiir
(Epiphan. haer. 09, 2; Philippus Sidetes in einem von de Boor entdeckten
StQck). Um ein wirkliches Martyrium kann es sich aber nicht gehandelt haben
(vgL auch das Schweigen des Eusebius und den Bericht des Hieronymus). Mit
P. wurde nach Philippus auch sein Bruder Isidor Bekenner. Letzlich geht
bei Philippus und Photius diese Nachricht auf ein großes (ledicht zurück, das
ein alexandrinischer Rechtsanwalt, namens Theodor, verfaßt hat (wann?). In
dem 13. Buch desselben, wie Philippus berichtet, war das Bekennertum des
Pierius und seines Bruders Isidor verherrlicht (de Boorsches Fragment). Daß
in bezug auf Isidor eine Verwechslung mit dem berühmten alexandrinischen
Märtyrer gleichen Namens aus der Zeit des Decius (Euseb., h. e. VI, 41, 19)
vorliegt, ist nicht wahrscheinlich. Es gab übrigens nicht nur eine Pierius-
Eorche, sondern Photius berichtet auch (Bibl. 118), daß den Brüdern Pierius
und Isidor mehrere Heiligtümer geweiht seien (pv, Sg tpaat, xal ve<og xal oheot
vnd xwv evaeßovvrofv iSgvv^aav),
4) Da er sicher noch im J. 309 gelebt hat, so ist schon dadurch die An-
gabe des Philippus, er sei der unmittelbare Nachfolger des Dionysius an der
Katechetenschule gewesen, widerlegt.
f)^ Die Littt'ratur des Morgenlandes.
oder in fineni Abschnitte dieser Zeit der Vorsteher der Kate-
chetenschule gewesen ist, ist deshalb nicht ganz sicher, weil wir
überhaupt von der späteren Geschichte dieser Schule fast nichts
wissen, und weil auch mehrere Lehrer nebeneinander an ihr ge-
wirkt haben kimnen (s. Origenes und Heraklas). Dazu kommt^
daß sicli Euseb., h. e. \1I, 32, 30, wo er den Pierius zum zweiten-
mal erwähnt, so ausdrückt, als sei zu seiner Zeit Achillas der
eigtjJitliche Vorsteher der Schule gewesen {xtxva Osiovav kxl t^c
\iki:^ctv6{ihiaQ kjii tcwtop rr/i DuqIco jtQsaßvtBQlov fj^imfiivog *Axd-
Xä'^ ^ kyvcoQiC^hTo, T/jc; legäg jtioncoi; ro öiöaöxaXeloP lYxexsiQUh
(iivo<:, ovötvoc, //ttoi^ ojcavidrarov g>iXooo(plaq tQyov xäi xoXitelag
tvayythxfjg tqojiov ypr^oiop tJtiötötiy/iipog). Muß aber „to t^«
hoäg jtloTtcüz diöaoxaXeiop" notwendig die Katechetenschule be-
zricliiu^u? Kann der Ausdruck nicht allgemeiner verstanden sein?
J(MlenfalLs ist die Sache dunkeP.
Worüber Pierius auch gesprochen und geschrieben hat — überall
(selbst in der Biographie des Pamphilus) zeigte er sich, wie Ori-
genes, als Exeget und Bibelforscher. Auch in textkritischer Hin-
sicht wurde er beachtet (Hieron. zu Matth. 24, 36: »In quibusdam
Latinis Codd. additum est .Neque lilius^ cum in Graecis et maxime
Adaniantii et Pierii exeniplaribus [Hieron. wird sie wohl in Cir
sarea eingesehen haben] hoc non habetur adscriptum"). Die Nach-
richt(^n über die SchriftsteUerei des Pierius ordnen sich am besten
durch die Annalnn(% daß er auLser der Schrift auf das Leben des
Pamphilus nur gesanunelte Predigten herausgegeben hat (ob selbst?!,
die in Walirlieit weitschichtige Abliandlungen waren („divers!
tractatus" Hieron., ,,ojtovdaO(iara'* Pliilippus). Vielleicht gehörte
die Kcde auf Pamphilus docli auch in die Sammlung. Diese Samm-
lung (oder ein Teil von ilir). zwölf Stücke umfassend, kam Photius
in die Hände (oline eine gemeinsame Aufschrift); es befanden sich in
ihr eine Predigt Kig ro xara Aovxäv und eine andere Elg xo
jcaoxa xal top 'Siofji (diese kannte auch Hieronymus: ^-longissirnnm
tractatum"", gehalten unmittelbar vor Ostern, ^extemporali et di-
sei-to Sermone"). Philippus zitiert aus den ojrovöaOftara den ersten
Logos Tojp elc ro rraoxa, ferner einen Logos :!t€Ql rJjg ^eoroxov
(war dies wirklich der Buchtitel?) und auch den Logos alg r^r
aQX^i^ roü 'ii(J//t, der als Abhandlung über die Ehefrage besonders
1) D'u'ii ist iL*r luirliinalijL^o aL-ximdriiiisdi«' Jüschof, (U»r Vorgauper do?
Alexander, der aber mir wniij^^e Monate das liistmn iniie hatte (Hieron. Chrou.
ad aiin. 2327). — IMiili]»ims Sidetrs ii».'iiiit als Naelifol^i-r des Pierius und Theo-
f^nont au der K•ateeh^'t^•ll^e.llul♦• St-rapio und IV-trus. Jener ist fast ganz uii-
ln'kannt.
1') Als SohriftstrlliT wird Achillas von Kiisi-hius nieht geuanut.
Philea« von Thmui». (}9
berühuit gewesen sein muss^ Daß Pierius einen Kommentar zum
I Kor.-Brief geschrieben hat, ist trotz des Anscheins, den Hieron.
(ep. ad Pammach. 49, 3) erweckt, ganz unwahrscheinlich. DaK
Eusebius die Biographie des Pamphilus, welche Pierius verfaßt
hat, unerwähnt gelassen hat, ist ein Rätsel. Vielleicht hat Pierius
in dieser Predigt sehr wenig über Pamphilus und sehr viel Exe-
getisches gebracht.
Für die Zeit des Theognost empfiehlt es sich, an die Jahr-
zehnte zu denken, die zwischem dem Jahre liegen, in welchem
Dionysius sein Amt in der Katechetenschule niederlegte, und der
Zeit des Pierius. Hält man es für wahrscheinlich, daß Dionysius
die Katechetenschule auch als Bischof geleitet hat (s. o. S. 57), so
bliebe die Zeit von 264/5 bis c. 280 offen, im anderen Fall die Zeit
von 247/8 bis c. 280. Indessen muß hier alles dunkel bleiben: Theo-
gnost kann auch schon neben Dionysius und er kann auch noch
neben Pierius gewirkt haben. Nur das wird man festhalten dürfen,
daß er der jüngere Zeitgenosse jenes und der ältere dieses ge-
wesen ist. Seine „Hypotyposen", das gi-oße systematische Werk,
von welchem uns Diekamp ein neues Bruchstück aus der Mar-
ciana beschert hat, mögen etwa zwischen 260 und 280 verfaßt sein.
Ein avpray/idtiov über die Sünde wider den h. Geist, welches
Athanasins erwähnt (ep. 4 ad Serap. c. 11), kann nicht leicht als
Teil mit dem Hauptwerk identifiziert werden 2.
9) Fhileas von Thmnis^
Dieser vornehme, reiche und angesehene Bischof (Euseb., h. e.
VIII, 9,6 £; 13,7) schrieb aus dem Gefängnis in der Thebais an
seine Gemeinde einen Brief de laude martyrum (nämlicli der Mär-
tyrer, die vor ihm gefoltert wurden und starben), aus welchem
Eusebius (h. e. VIII, 10) große Bruchstücke mitgeteilt hat. Phileas
wurde bald darauf enthauptet; Akten darüber existieren noch (s.
1) Von (seltsamen) etymologischen Erklüningen des Pierms fo^t das Ex-
zerpt aus Philippus ein paar Probon (nämlich der Naiuen Philippiis, Herodes,
Herodias). Diese Erklärungen werden wohl nicht in einem Ononiastikon des
Pierius gestanden haben — von einem solchen ist nichts bekannt — , sondern
in einer seiner „Predigten". Sie zeigen, daß er es mit dem Hebrilischen, übel
genug, versucht hat.
2) Athanasius sagt a. a. 0., daß er jüngst auf awrayfiatia über die Sünde
wider den h. Geist, die Origenes iind Theognost verfaßt haben, gestoßen sei.
Die Möglichkeit, daß in beiden Fällen Abschnitte der Hauptwerke (s. o. S. 40)
der beiden Autoren gemeint sind, muß offen bleiben. Aber hätte sich Athana-
sius so ausgedrückt, wenn er diese im Sinne gehabt hätti' ? Sie kannte er doch
gewiß längst.
H) S. Routh, Reliq. Sacr. IV2 p. 8;') ff.
70 l^i^ Littenitur des Morgenlandes.
Ruinart, Acta Mart, 1859, p. 519 f.); Eusebius (h. e. VIII, 9 fin.)
und Hieronynius (De vir. inl. 78) haben auch solche gekannte In
den Brieffragmenten wird der Statthalter nicht erwähnt; aber in
den Akten steht sein Käme, „Culcianus", und wir wissen jetzt (s.
Karl Schmidt in d. Texten u. Unters. Bd. 20 H. 4 S. 47ff.), daü
dieser Culcianus im J. 303, also beim Ausbruch der Verfolgung.
Praeses augustalis in Ägypten (also nicht, wie man früher gemeint
liat, Eparch der Thebais) gewesen ist*-^. Wie lange er es geblie-
ben ist, ist unbekannt; doch steht fest (s. Schmidt a.a.O.), daü
Hierokles sein Naclifolger in Ägypten gewesen ist Für das J. 30S
ist dieser dort bezeugt; aber er kann sehr wohl sein Amt daselbst
schon einige Jahre früher angetreten haben, ja es läßt sich wahr-
scheinlich machen, daß er schon im J. 306 daselbst fungierte (s.
Neumann, in der Protest. REncykl.'* Bd. 8 S. 40). Jedenfalls
gehört das Martyrium des Phileas, und deshalb auch der Brief
dem ersten großen blutigen Sturm der Verfolgung an. Dies ist
auch durch Eusebius bezeugt. Das Jahr 305 wird das richtige sein\
Noch ein zweites Schreiben, an dem Phileas beteiligt ist, be-
sitzen wir (in lateinischer L'bersetzung)\ Es ist der Brief, den
die Bischöfe Hesychius, Pachomius, Theodorus und Phileas an
Meletius von Lykopolis seiner Eigenmächtigkeiten wegen gerichtet
liaben. Dieser Brief ist ungefähr gleichzeitig mit dem vorigen;
denn auch er stiimnit aus dem Gt^fängnis^ Der kurze historische
Ij Dit? Ix'i Kuiuart ^tL•lu.*Hd^'Il latoiiiischeii Akti'ii halte ich für wesenr-
lieh /uvt'iläi?hi^. IiitiTpolirtc grk'chi.scht» Akten voröflentlichte schon Combefit
illlustr. Christi luurt., \m\ p. U.jfl'.). S. über ilie Akten Le Blant, Not^ m
h'< artt-s «le S. l'hileas (Nuovc bnlh^t. «li luvheol. crist. Bd. 2 [1S1H5J p. 27if/.
Schmidt hat st.'in«' A'envortuiij? der (Jlauhwürdij^keit der Akten {Texte u.
liiterr. l^d. -JU H. 4 S. 22) nicht begründet.
2j Unter den von (1 renfeil u. llnnt entdeckten nnd publizierten Ost-
rliynclni.s Papyri (Part 1, IS'JS, S. i:]2f.) tindet sich ein datiert-er vom 4. Phamenotb
oO.J, drshen Kingang laiit«'t: Kko)6iv) KovXxtaviji nö dia\OJjfjiota)rio t^-TnxQXtp Alyh-
KW naQa AvQt^/.lov JrjfxfitQt'ov Nti/.ov d^txiSQaTevoccvtog t/]^ lAgaivoizittv nvltvf;-
.'{) Das Jahr /KU ic^t deshalb nicht wahrschehdich. weil eine läutere Ver-
bannung dem Martyrium vorausgegangen i?ft. Sceck (Ztschr. f. Kgesch. Bd. 1'
S. «32 il.) g«'lit irrig bis in das .1. DI 2!) lienmter, «.'bcnno Achelis (8. unt<*r „Petra?
V. Alex.".
4) In «lem in> Lateinische nbt.Tsetzten. auf der Bibliothek zu Yeroiiii tr*
halteneu, von Matfri zurrst publizierten Konvolut von Aufzeichnungen eiu^
/•'itgfno>ften. das mrlctianisrhe Schisma botreibmd, (_'od. Capitul. A'eron. *^0\,l^-
saee. A'II =^ der Samndung dfs 'J'ln'odosius Diakoiuis, s. Houth, Reliq. Sacr.^ IV
p. Dl ff.; Mauss,..n, i>.41en 1 S. :;:>:;. 511;. :>-J!.)f.
r») Hat Kus(?bius <lieM'S Schreiben nicht gekannt oder verschwiegen, «Va
• r das^ meletianische Schisma fibi-rhaui)t nicht berühren wollte? In der h. e. Vlli.
\'.\, 7 zählt er die vier Bischiife in derselben lieihenf()lge als Märtyrer auf; nur
d»'U Phileas hat er vorangi'stellt, weil er ihm drr wichtigste war.
Petrus von Alexandrien. 'Ji
Bericht des Zeitgenossen, der sich in der Quelle anschließt, erzählt,
daß der Brief nichts gefruchtet hat und daß Meletius nach der
Hinrichtung der vier Bischöfe nun seine Spaltung auch nach Alexan-
drien trug. Hieraus ergibt sich noch einmal, daß der Tod des
Phileas in den Anfang der Verfolgung gehört
10) Fetrns yon Alexandrien.
Die Chronologie der Amtszeit dieses Bischofs ist durch die
bestimmten Angaben des Eusebius (h. e. VII, 32 fln.; von Hierony-
mus' Chronik sehe ich ab) festgelegte Nach ihnen hat Theonas,
der Vorgänger des Petrus, 19 Jahre regiert, Petrus selbst 12, und
zwar nicht volle 3 Jahre vor der Verfolgung, also auch noch
9 Jahre nach der Verfolgung. Da diese im Febr. 303 begonnen
hat, so ist Petrus im Sommer 300 Bischof geworden und hat somit
— da die 12 Jahre nicht voll gewesen sein müssen — zwischen
Sommer 311 und Sommer 312 das Martyrium erlitten. Da nun
als Todestag des Petrus (bei Griechen, Kopten und Lateinern) der
25. bez. 26. Nov. (29. Athyr) überliefert ist, so ist er Ende Nov.
311 enthauptet worden (vgl. Euseb., h. e. VIII, 13, 7; IX, 6, 2;
Chron. pasch, p. 514, 7; Beda, Maityrul. zum 25. Nov.)^. Nach Phi-
lippns Sidetes war Petrus (vor seinem Episkopat?) Vorsteher der
Katechetenschule, und zwar nach Pierius, Theognost und dem un-
bekannten Serapio^. Eine Chronologie kann man hier nicht auf-
1) S. den 1. Band diorior Chronologie S. 202 ff.
2) Den 25. Nov. 311 setzt auch Seeck an (Zt^chr. f. KGesch. Bd. 17
S. m). (^utschmids Ansatz „31C/* (Kleine Schriften ed. Kühl, Bd. II S. 427 ff.)
kann nicht bcHtehen. Karl Schmidt ist (Texte ii. Unters. Bd. 20, H. 4 S. 32f.)
für das J. 312 einj^etreten, aber ans Krwiigungen, die wenig Wahrscheinlichkeit
haben und dazu auf einer unsicheren Urkimde fußen. Für den Nov. 811 spricht
noch folgende Überlegung. Das Toleranzedikt des (lalerius vom April oder
Mai 311 hatte überall im Orient die Folge, daß die Geflüchteten zurückkamen
und ihre Platze wieder einnahmen (Euseb., h. e. IX, 1, 10 f.). Allein im Ge-
biete de« Maximinus Daza dauert<> der Friede nur (> ^lonate (Euseb. IX, 2j,
also bis Oktober oder November 311; dann erhob sich die Verfolgung
aufs neue. In diesem Zusammenhang nun schreibt Eusebius (IX, (j): „Für uns er-
neuerten sich wiederum Verbannung und grausame Verfolgungen, indem sich die
Statthalter aller Provinzen aufs heftigste gegen uns erhoben . . . Um dieselbe
Zeit wurde auch Petrus Alex ohne irgend einen Anlaß ergritten und wider
alb* Erwartung plötzlich und ohne allen (Jrund angeblich auf Befehl des Maxi-
minu« enthauptet." Hier erkennt man deutlich, daß das Martyrium des Petrus
jrleiclisam aus heiterem Himmel kam, also nicht 18, sondern G Monate nach
d«^iu Toleranzedikt erfolgt ist, d. h. eben im Nov. 311. Wäre es erst im Nov.
:>rJ erfolgt, so hätte Eusebius nicht so schreiben können, wie er geschrieben hat.
3) Doch erwähnt Epiphanius (haer. OO, 2) eine Kirche des Pierius und Sera-
]»ion. Das wird der unsrige sein (s. S. ÜSj, da eine Kirche des Theonas vorhergeht.
72 I^i*-' Iiitt**ratur des Mor^enlamies.
stellen, da die Schiilverhältnisse (ein oder mehrere Lehrer zur Zat?)
ganz dunktd sind.
Nicht durchschauen lai^sen sich leider die Anfänge des nele-
tianischen Schismas. Nur so viel läßt sich bemerken, daß der neueste
Versuch von AchelisS diese Anfänge erst in den Herbst 311 zu
verlegen, sehr wenig Wahrscheinlichkeit hat; denn nach dem Be-
richt des Eusebius ist Petrus ganz unerwartet plötzlich enthanpt^t
worden, hat also vorher iiberhaupt nicht im Gefängnis gesessen
und hat sich nicht in der Situation befanden, die den meletiani-
sehen Wirren unmittelbar vorausgegangen ist. Es bleibt also das
Zeugnis des Athanasius (ad episc. Aegypt 22) in Kraft, daß das
Schisma im J. 3UG (oder 305) ausgebrochen ist^, und daß sich da-
her seine Anfänge auf jene Situation beziehen, in die die Bischöfe
durch das sog. vierte diokletianische Edikt vom Mai 304 versetzt
worden sind-*. Damals oder bald darauf ist Petrus geflohen ^
Wie lange er von Alexandrien entfernt blieb, wo er geweilt hat
(in M(\sopotamien? Phönizien? Palästina?), wissen wir nicht Daß
er einmal auch in Alexandrien gefangen gesessen hat, ist möglich;
aber sonst steckt hier und in bezug auf die Anfänge des meletia-
nisclien Schismas alles in einem undurchdringlichen Nebel, weil
die beste Quelle, die Maffeischen Veroneser Fragmente (Routh,
Reliq. Sacr.- lA' p. 91 flf.; s. auch sub ,.Phileas'•)^ zu kurz und ab-
1) I*roto.4. REnrykl.:» JM. \'2 S. .MStt'.
J; Viiii /i'u^nis tl«.'s Athüiiusius ist «.»in iii(liivktt'.s. Kr sa^ti in der ep. ad episc.
dalJ dir Mi'lt'tiaiuT vor .V) .IiilinMi filr Sc'liisiuat.ik«'r «»rklärt wordou seien. Dieeif
«'piiitula ist ini.l.;ir)<>odfr Ü'IL vt-rfaßt; difSyin^lr, auf dor dit' VordammungderMelt'-
tiamM- cHoljxtv, umß also im J. :i(il (.UK). :\\y2) odrr .'Hk; i.'Ju.:». :i()7) abgehalten worden
sein. Da das rrsto J)atmii schwor orträ«jrlirh ist, woil zu früh, ist die Verdammung im
.1. rJiM» (;{()."». ;)(i7) rrfoljrt, di-r Hricf ad t'piftc. somit im J. iJOl geschrieben, s. Hefel«'.
Com'il. (iifsch. 12S. 1 17. Ihit Loofs ( IVotest. KKnovkl.aHd. 2 S. VM)) recht mitdem
Ansatz für den liricf auf Febr. !}."»<» 7, so müßtt^ mau auuehmen, daß Meletius sebon
vor dt-r diokh'tianis<h»Mi Verfnlgung Wirn?u erregt hat und zennuriert worden Ut
Auf eiu»'u so späteu Ausatz, wie Achelis will, wird mau jedenfalls nicht geführt.
.')) Dali die vi«*r J-Jisehöfe (J'liileas und (leuosseii), die an Melctiu^s ifife-
>ehri«"ben liabeu und dann ^lärtyrer gewonleu sind, von Kusebius h. e. VIH.
ri. 7 luit Pt.'tnis zugleifli ^«-Tiaunt >ind. ub^leicli bie. wenn dtiö meletianiscbe
Sj-hisma im .1. iJiMl ausgebrcu-hen if?t, ein i>aar .lahre vor ihm Märtyrer j^r
wonU'U sind — genügt uicht, uui dir .\nfäu|^i' <les Schismas bis z. J. 3J 1 herab-
zurücken, denu der JJericht d«'s Ku>«'l)ius VIII. l:i. 7 ist summarisch und anti*
zipatoritjch. l'mgirkelirt brweirt vielmehr das Martyrium vou IMiileas und <ir
noBsen, daß das meletianische Schisma si»ätesteus !'>«».') »3 el»t^tauden ist; denu dicÄ"
Märtyrer litten ;s. o. sub l'hileas' unt.<M" Culcianus und nicht erst. nnt4.*r Hierokles.
4) Die Flucht stvht durch mehrere Zeugniss»« f«.'st. Die Kxkommuiiikatiou
des Melefcius tallt noch m d. .T. ;i05 (^oder :}(»•;.
r>) Secck hat sie sidtsann-rweiM- für eine Fälschuug erklärt- (Ztschr. f.
KT.esch. Bd. 17 S. fJOf.;.
Petnis von Alexandrien. 73
gerissen ist, die zweite Quelle (bei Epiphan. haer. 68) schwere
Verstöße zeigt und sich zur ersten Quelle disparat verhält ^ und
die Überlieferung über das Leben des Petrus (s. die ganz unglaub-
würdigen Akten) durch zahlreiche Legenden (s. u.) verdunkelt
worden ist. Von seinen Schriften, um die sich die Gelehrten des
Zeitalters, die Origenisten, nicht viel gekümmert haben mögen
und die daher zum geringsten Teil konserviert worden sind, sind
die 14 Canones (dazu noch einiges nur syrisch Erhaltene) jtsQl
fi€Tavolag (wohl aus einem Briefe stammend) im J. 306 verfaßt,
wie ihr Eingang {ijtl roliwv rexaQxov tJötj jtdoxa ijnxaTel2,rjg)6
rov öicoyiiov) beweist. Der Brief an die Alexandriner (Routh, 1. c.
p. 94), in welchem vor Meletius gewarnt wird, stammt aus dem J.
305/6. Die übrigen Schriften von ihm sind nicht näher zu datieren.
Zu der Übersicht über die Schriftstellerei des Petrus, die ich im
1. Teile dieses Werkes S. 443 ff. gegeben habe, habe ich folgendes
hinzuzufügen: 1) Zu den griechisch erhaltenen Stücken aus der
Schrift IlbQl tpvxfjg vgl. die lateinischen Stücke in der Exposit. in
Heptat. des Johannes Diaconus bei Pitra, Spie. Solesm. I p. 283.
2) Eine AiöaaxaXla üirQov anlangend, bemerkt Ehrhard (Die alt-
christl. Litt, 1900, S. 355): „In dem Cod. Vatic. Gr. 2081 fol. 94v
aus dem 10. Jahrh. steht unter dem vollen Namen des Petrus eine
AiöaaxaXla, die noch nicht ediert ist (Inc.: IlQOöix^Te top loyov
fisr dxQißelag xal xUrare rb ovg vfi^v big xa QTj^ara rov öro-
fiarog (lov . . . . Desin.: dyajtfjre dXXi^Xovg xal ouyx^Q^^'^^ dXXrßoig
xa JtaQaxxdfiaxa. Oder gehört dieses Stück zum Kerygma Petri?).
Da auch Leontius ihm eine Didaskalia zuschreibt, so ist es wohl
unrichtig, wenn sein Zitat als Fragment des Kerygma Petri auf-
gefaßt wurde". 3) Das S. 447 f. signalisierte Stück UtQi ßXaog)?/-
filag kann echt sein ; die Erwähnung des Paphnutius in ihm scheint
mir kein Indizium der ünechtheit. 4) Die „Mystagogia* Petri, in
der Petrus in der 1. Person spricht und von Theonas, Dionysius,
Heraklas, Demetrius und Origenes berichtet (S. 448), ist eine Fäl-
schung. 5) Für eine Fälschung halte ich auch nach längerem
Schwanken das koptische Stück, welches Karl Schmidt in den
Texten u. Unters. Bd. 20 H. 4 (1901) aus dem Cod. Copt. 130^ der
Pariser Bibliothek saec. X. vel XI. vorgelegt und als echt ver-
teidigt hat. Auch hier spricht Petrus in der 1. Person, und die
Annahme liegt daher nahe, daß dieses koptische Bruchstück zur
„Mystagogia" gehört. Die Worte „die Begebenheit, die zugestoßen
ist mir, dem Petrus, dem Mitteilhaber der Leiden Christi.
Ihr wißt, daß ich, als ich während langer Zeit floh von Ort zu Ort
1) Der energische Versuch von Achelis (a. a. 0.), die beiden Quellen zu
vereinigen, hat mich an wichtigen Punkten nicht überzeugt.
74 ^i^' Littcratur des Morgenlaudes.
aus Furcht vor Diokletian* und seiner Verfolgung, die auf uns
noch jetzt"", ferner „ich dachte nach über die Verfolgung, welche
Diokletian gebracht hatte über die Kirche", endlich die Be-
zeichnung des Petrus als ^Vater des Glaubens" und die Anrede
„Petrus, du letzter Märtyrer" - — sind sehr verdächtig. Dazu kommt
eine Gesetzgebung für den Sonntag, die in vomicänischer JZeit
unerhört ist-^ Wie sich die „Mystagogia", das koptische Stfick
und die Akten des Petrus^ (in ihnen eine Rede des Petrus an
Achillas und Alexander im Gefängnis) verhalten, bedarf noch der
Untersuchung, die hier nicht geführt werden kann. Höchst wahr-
sclieirilich ist die Mystagogia einfach mit den Akten identisch:
denn was von ihr bekannt ist steht in diesen. Von Achelis ist
eine Monographie über Petrus zu erwarten, die über diese Fragen
hoffentlich Liclit bringen wird. Zu bemerken ist aber noch, dal>
es neben dem von Schmidt publizierten auch andere koptische
Stücke gibt, die den Namen des Petrus Alex, tragen. Den HiD-
weis verdanken wir neben Schmidt Crum, der sie koptisch und
z. T. englisch veröffentlicht hat (Journ. of Theol. Stud., 1903, p. 387 ff,),
mit Ausnahme der Stücke, die schon Schmidt kopiert und deren
Publikation er sich vorbehalten hat^ sowie zweier anderer, deren
Untersuchung Crum Achelis überlassen hat (Petrus und ein heid-
1) Miixiiuin wiir doch dor Vorfol<^<»r.
2) Di«.'.s ist di«' jrt'wölndiclH' Hezcnchiuing fiir Petrus in der »pilt-oren Tra-
dition (s. Acta Petri M. Vitoau \k TU: IlkXQOQ oiQxh dnooxoXiov^ IHtqoq tkko;
IxaQxi'Qwv),
?>) Aurli D.'lehayo (Anal. Ikdland. t. XX, 10(H, p. lOlf.) hat sich gegen
di<' Echtheit mit starken (Jründcn erklärt-.
4) S. die verHchiedj'u gestalteten Akten bei Combefis, Ulutstr. Chri:«ti
Mart., 1()(>Ö, 1». lS!»rt'. und bei Viteau, Passions des ss. Ecaterine et Piern*
d'Alexandrie etc., Paris 1807, p. (i'it*. Lateinisch bei Surius z. 20. Nov. (cf.
ausführliclier bei Mni, Spie. Knin. T. ITI p. OTütl'.), koptisch bei Hyvernrtt
(Les actes des niart. p. *J<K>ti'.), syrisch bei Bedjan (Acta Mart. et Sanet. T. V
1». 5i:)tt'.'. Dir? rnglaubwiirdigkeit der Akten ergibt sich fast aus jeder .*^tz-
gnii»pe: Das Martyrium soll unter Diokletian gt?schehen sein; Arius wird für
inuner exkommuniziert; Petrus sj.'tzt diMi Achillas und Alexander zu. seinen
Nachfolgt'rn ein, kopiert die A})schiedsrede des Paulus in Milet et<;. Daß dor
Verf. einige liistorische Nachrichten besessen liat (s. die Erwähnung von Philea>.
Ilesychius. Pachomius und Tluvjdorus), ist klar. Er kannt-e den antimeletia-
nisehen Anonymus und wahrscheinlich noch anderes, was uns fehlt. Aber wir
besitzen keim^ Mittel, Haltbares auHzuschoiden, da er auch das Haltbare vor-
dreht haben wird. Ein Nachklang guter Erinnerung findet sich in der Stell-'
über Origenes, an «ler namentlich der Name des lleraklas })eaehti*n8wert ist.
;")) Schmidt hat aulier dem von ihm publizierten Stück noch einen Bri«'f
des Petrus an .\polloniu8 von Lyknj>olis aus dem Kod. abgeschrieben (h. Schmidt,
a. a. O. S. 40) und einen Hrief des Petnis an p'fangene Pischöfe. Diese beiden
Stücke hat er \\\nn' bisher noch nicht ediert.
Petrus von Alexandrien. — Anatolius, 75
nischer Philosoph Diogenes; Martyrium des Petrus). Mit diesen
drei Schmidtschen und zwei Achelisschen Stücken (von denen aber
bisher nur eines zugänglich gemacht worden ist) sind es zehn. Von
ihnen gehören acht einer zerstörten Handschrift an (sechs Stücke
finden sich in Paris, je eines im Britischen Museum und in Rom),
die zwei anderen einer Pariser Handschrift. Die fünf Stücke, die
uns Crum mitgeteilt hat, sind ziemlich umfangreich. Das erste
scheint aus einem Brief an die alexandrinische Gemeinde zu stam-
men und ist ziemlich farblos. Das zweite, ebenfalls ein BriefErag-
ment, ist amüsant und bringt eine Anekdote über den Bischof
Theonas, der wie in den Acta Petri (p. 75 ed. Viteau: 6 äva^Qt-
yag (it jratf^Q fiox\ cf. p. 79) der „Erzieher" des Petrus heißt. Das
dritte ist sehr zerstört, so daß Crum auf eine Übersetzung verzichtet
hat; es tändelt von der fabelhaften „Aloe*". Das vierte erwähnt
wieder den „Erzieher" Theonas; es schöpft aus Moses- Apokiyphen
und nennt zwei sonst unbekannte Häretiker, Enotes, der eine Ge-
nesis (wider die Genesis des Moses) geschrieben hat, und Sietes '.
Das fünfte Stück, über welches Crum nur referiert hat, bringt
eine Anekdote, die der Erzählung in dem von Schmidt publizier-
ten Stück sehr ähnlich ist
Die Echtheit dieser Stücke ist durch die Unechtheit des von
Schmidt veröflfentlichten Stücks präjudiziert (sowie durch deut-
liche Vei-wandtschaft mit den Akten des Petrus). Das gilt vor
allem vom 5. Stück, weil es dem Schmidtschen gleichartig ist.
Im einzelnen bieten die Fragmente noch manche Anstöße; z. B.
daß Theonas einem Simonianer und zwar einem simonianischen
Bischof begegnet sein soll, wird man schwerlich für glaubwürdig
halten können, mag man sich aucli erinnern, daß noch Origenes
Simonianer kennt. Die Geschichtchen sind Heiligenlegenden. Den-
noch mag Crum recht haben, daß P^chtes zugrunde liegt; aber man
kann es m. E. nicht ausscheiden. Am wenigsten Anstöße bietet
das farblose ei*ste Stück ^.
11) Anatolius.
Die Zeit dieses hervorragenden und angesehenen Alexandi'iners
kann ziemlich genau bestimmt werden. Wir hören von Eusebius,
daß dieser in allen Wissenschaften gebildete Mann von seinen
alexandrinischen Mitbürgern so lioch geschätzt worden ist, daß sie
ihn in den Senat der Stadt aufgenommen hatten und ihn baten.
1) In der boheiritichen Version heißen die Namen „Isidonis" und „Isiödes**.
2) Cher die Fragmente in orientalischen Sprachen 8. Loofö, Theol. Lit.-Ztjjr.
1W<<-1 Nr '>:-?
70 Die liittt^ratur dos Morgenlandes.
eine Schule für aristotelische Philosophie einzurichten (Enseb., h. e.
VI], :$2, 6). Ferner hören wir (1. c. 7—11), daß er in dem Stadt-
kriege, der in Alexandrien tobte (Belagerung von Bruchium durch
die Rr»mer), durch weise Maßregeln einen gi*oßen Teil der Be-
völkerung gerettet hat. Dieser Stadtkrieg muß identisch sein mit
der Erhebung des Äniilianus in Ägypten und den damaligen Stadt-
kämpfen z. Z. des Gallienus (s. Vita Gall. 4, 1; 5,6; 9, 1; Trig.
Tyrann. 22; 26,4; Victor Ep. 32). An eine spätere Revolution in
Ägypten zu denken ist deshalb unwahrscheinlich, weil nach Enseb.,
1. c, Eusebius, der alexandrinische Diakon, damals noch in Alexan-
drien war. Nach VII. ;V2, 5 ist er aber z. Z. der Kontroverse mit
Paul von Samosata nach Syrien gegangen und dort (in Laodicea
Syr.) festgehalten und zum Bischof gemacht worden. Dies kann
nur (S. den Artikel ..raul von Samosata") um 264 geschehen sein.
Mit ihm ist aber auch ( VII, 32, 12) gleich nach dem alexandrinischen
Bürgerkrieg Anatolius nach Syrien gegangen. Man darf vielleicht
annehmen, daß Dionysius von Alex., da er des hohen Alters wegen
nicht selbst mehr nach Syrien gehen konnte, seine beiden tüchtigsten
Männer dorthin geschickt hat: für so wichtig hielt man in Alexan-
drien die von Paul angeregte Kontroverse. Indessen nur von
Eusebius Alex, wird ausdrücklich gesagt, daß er Pauls wegen nach
Syrien gegangen sei; Anat-olius kann aucli, weil er politisch kom-
promittiert war, Ägypten verlassen haben. Er ging nach Cäsarea
l^il., und der alte Bischof Theoteknus weihte ihn daselbst zu seinem
Koadjutor und Nachfolger (ein merkwürdiger Fall ; Euseb. VII, 32, 21).
Allein nur ganz kurze Z(»it stand er neben Theoteknus der Ge-
meinde von C'äsarea vor. Noch vor der letzten Synode gegen Paul
( Euseb., 1. c.) starl) Eusebius in Laodicea Syr., und die dortige
Gemeinde .,nötigte" den zur Synode nach Antiochien die Stadt
I)assiereiiden Anatolius, der Nachfolger seines Freundes zu werden.
Dies geschah somit im J. 2GS oder um dieses Jahr. Hieraus folgt,
daß die beiden Daten für Eusebius und Anatolius in der Chi-onik
desEusebius-Hieronymus wertlos sind (Eusebius Laod.: ad ann.2292,
bez. nach Hieron. ad ann. 2290; Anatolius Laod.: nach Hieron. ad
ann. 2295; nach Syncell. zum 3. Jahr des l^robus; der Armenier
fehlt). Nur das Spatium zwischen beiden wird annähernd richtig
sein: Eusebius kann in der Tat liüclistens 5 Jahre Bisehof von
Laodicea gewesen sein. Die Daten sind aber um c. 10 Jahre hinauf-
zurücken. Wann Anatolius gestorben ist, wissen wir nicht; die
Angabe des Hieron. (de vir. inl. 73', er habe ,.sub Probo et Caro"*
geblüht, wird richtig sein, aber stammt schwerlich aus bestimmter
Kunde. Die Verfolgung hat er nicht mehr erlebt; denn damals war
der feige Stephanus Bischof von Laodicea (1. c. § 22)«
Aiuitolius. 77
Eusebius nennt zwei Werke des Anatolius, IlBQi rov jtacxa
(xcrorcc) und V<(ud^//?yr£x«l elcayrnyai in 10 Büchern (I.e. § 14 ff. 20) ^
Aus dem ersteren hat er ein sehr interessantes Bruchstück mit-
geteilt (§ 14 — 19), das von der wirklichen Gelehrsamkeit des A.
(der asti'onomLschen und litterarischen) eine gute Probe gibt.
Der „über Anatoli de ratione paschali" (ed. Bucher 1634,
Migne, Ser.Gr.T. X. Col. 209ff., zuletzt Krusch, Studien z. christl.-
MAlichen Chronologie 1880 S. 316ff.) ist von Hagen (Dissert. de
cyclis paschal, 1736, p. 115 ff.) als unecht erwiesen worden, und
Ideler (Chronol. IL S. 230) und Krusch haben ihm beigestimmt.
Zahn (Forschungen III S. 177—196) hat dagegen Bedenken erhoben,
will aber auch nicht die Echtheit in jeder Hinsicht behaupten'-^.
Sicher ist, daß der jetzige Text der Schrift eine Interpolation er-
fahren hat. Im jetzigen Text steht eine Berufung auf Isidor, und
Hagen gründete auch auf sie die Unechtheit der ganzen Schrift
Allein Krusch hat S. 313 ff. gezeigt, daß schon Columban sich auf
diesen lateinischen Anatolius berufen hat, mindestens 10 Jahre vor
Isidor (bez. vor dessen „Origines"), vergl. Monum. Germ. Hist,
Epist. lU p. 156 f, ep. ad Gregor. Also ist „Isidor" eine Interpolation,
die man einfach zu tilgen hat. Allein auch auf Hieronymus beruft
sich dieser Anatolius in demselben Zusammenhang. Da „Isidor'^
getilgt werden muß, ist die Annahme, daß auch Hieronymus fallen
muß, gewiß nicht schwierig, zumal da die Namen in einer Paren-
these stehen. Indessen selbst wenn man diese Namen streicht,
bleibt die Echtheit der Schrift, die formell undurchsichtig ist
(c. 16 u. 17 findet sich plötzlich eine Anrede), zweifelhaft. Dazu
kommt, daß sich nicht das ganze Stück, welches Eusebius aus
Anatolius zitiert hat, in ihr findet, sondern nur § 14—18 (§ 19
fehlt) ^. Femer stimmt der den Eusebius-Zitaten in der lateinischen
Schrift entsprechende Abschnitt mit der Übersetzung des Rufin
überein, ist also dem Rufin entnommen. Um diesem der Echtheit
tiidlichen Argument zu entgehen, hat man angenommen, Rufin
sei der Übersetzer der Schrift des Anatolius gew^esen. Die ge-
schichtlichen Partien des Buches verraten m. E. die Abhängigkeit
von Eusebius' Kirchengeschichte deutlich: was es von Hippolyt,
1) Dazu spricht er von &k).a ÖsiyfiaTa zijq nsgl xa x^tla ayolriq te avrov
xal noXvnnQiaq. Die >>etitelten beiden Scliriften sind wohl noch in Alexiindrien
abgefaßt.
2) Der Cberuetzer soll als Bearbeiter tiiu«riert und Torheiten verschuldet
haben.
3) In der Au8|,^be von Mijj^ne «tt'ht aber auch das dem § 1 0 bei Eusebius
Entsprechende in lateinischer Cbersetzunjj; sie ist also an diesem Punkt irre-
führend.
78 Di<' Litt^Tiitur des Morgenlandes.
Mctor y. Rom, Polykiates, IreDäus sagt, kann man alles bei Eüs^
bius lesen. Endlich ist es nicht wahrscheinlich, daß sich der echte
Anatolius mit gallischen und afrikanischen Komputisten ausein-
andergesetzt hat, wie dieser Lateiner c 8 und 15 tut Die Schrift
wird im 6. Jahrhundeii; oder schon früher im Zusammenhang mit
der britisch- römischen Osterkontroverse gefälscht woi'den sein*.
Damals und später ist von den Iroschotten manche Fälschung ver-
brochen worden, wie die irischen Bußcanones beweisen. Spuren,
daß dieser Lateiner aus dem Griechischen geflossen ist, habe ich
niclit gefunden. Der Verfasser war übrigens kein Stümper. Der
Versuch von Zahn, in Isidor und Hieronymus alexandrinische
Chronologen des 3. Jahrhunderts zu erkennen, wird schwerlich
irgendwo Nachfolger finden 2.
1) Zahn stollt diis In Abn?de, und in der Tat weist die Schrift des Ana-
tolius D(;tails auf, die sich aus jener Kontroverse nicht erklären. Deshalb U\
Khrhard (Die alteliristl. Litt., 19(X\ S. .TrJ) geneigt, Zahn beizustimmen (,.Ton
Zahn seheint mir bewiesen zu si'in, daß der Traktat nicht im Streite der Brit«
und Römer entstanden ist. Au(rh ist on revht unwahrscheinlich, daß man im
i). Jabi'li. auf einen obskuren Nanion zurückgriiP*). Zuzugestehen ist-, daß nw
di(* l^edinfnii^l^^-n, unter d(^nen die Schrift ent«tanden ist, keineswegs ganz deat*
lieh sind. Daher wird die Frajj:«', ob sie nicht doch wesentlich echt ist, immer
wiediT auftauchen. Übrigens haben sich jüngst zwei englische Forscher, die
sich mit ihr br^schiiftif^. haben, auch für die l'ucchtheit entschieden; aber zu
üben.'instinmienden KrJ:lfeb^i^sen sind si»« nicht gelangt. Anscombe (Tli«'
l»aschal canon attributtMl t(» Anatolius of Laodicea, in: The Engl. Hist. Rev.
T. 10, 189'), p. r)ir)lV.) läßt sie in Himi um d. J. 458 entst-anden sein; Turnvr
(The i)aschal canon of „Anatolius of Laodicea", I.e. p. ßOOiF.) weist sie der Zt'it
."iSO — ()(M» und dem Kloster Jona zu. Vielleicht haben wir es mit einer Schrift
des Anatolius zu tun. die s(thon bei d(T Übersetzung und dann weiter noch
Umgestaltungen und Bereicherungen erfahren hat. Chronologische Traktate
ditjser Art hatten einen luaktischt^n Zweck und mußt-en daher immer wietW
nach den neuen Krkenntnissen und Bedürfnissen umgemodelt werden.
'2) Zahn hat versucht, dem „Hieronymus Alexandrinus saec. 11 1." nachzu-
gehen (a. a. 0. S. 17!) ti'., 107 ff.), und will in ihm den Verfasser von ö Psaliufn-
Kcholien erkennen, die er in den Codd. Goisl. 10 u. 187 unter dem Namen ili*?
llienmymus gefunden hsit. S. diigegen den [. Teil dieses Werkes S. 783 £, V'>
ich dieser Hypothese die Meinung entgegengestellt habe, man habe es in solcht-n
und iihidichen Fällen stet^ mit echten oder unechten Stücken de« berühmten
Hieron. zu tun. Demgej^enüber bemerkt Eh rhard (a. a. O. S. .^HO f.): „Drei von
den Zahnschen in den ('o«ld. Coisl. entdeckten Ilieronymus-Scholien habe ioli
in der Psalnienkat(*ne des Cod. Taiirin. VA- (H VII !jO) wahrgenommen. Die«?
Unzialhandschritt, die ich in das S.--i). Jiihrh. datiere, enthalt noch eine ganz»'
Reihe von Scholien eines Presbyters Ilieronynnis, d«'n sie indes einige Mak
ausdrücklich als Pre.O»yter von Jerusalem bezeichnet (z. B. fol. 72v, 75, 210^'.
An t^inen alexandrinischen Schriftsteller kann also nicht gedacht werden, wohl
aber muß die Frage näher nntersuclit werden, ob dieser Presbyt-er von .Vni-
saleni identisch \>t mit dem gleichnamigen Presbyter von Jerusalem, den uuin
Alexander vou Alexandrien. 79
Was die „Arithmetica" des Anatolius betrifft, so sind grie-
chische Fragmente unter diesem Namen vorhanden (s. die Fund-
orte im 1. Teil dieses Werkes S. 437; dazu Migne, Ser. Gr. T. X
p. 231 ff.). Ein sicheres Urteil über ihre Echtheit ist m. E. nicht
möglich; aber ich sehe nicht ein, warum sie unecht sein müssen:
sie stammen jedenfalls aus der vorbai'barischen Zeit, und die Her-
vorhebung des Aristoteles in ihnen spricht für unseren Anatolius,
den die Alexandriner gebeten haben, eine aiistotelische Schule in
ihrer Stadt zu errichten. Ob unser Anatolius der Anatolius sein
soll, der in dem 43. pseudohieron. Briefe (ad Daniasum, Migne,
T. XXX p. 292) als Autor erwähnt ist in der Frage: ^De panibus
a fidelibus in altari oblatis, quis illis iure uti debeaf", steht dahin.
Vi) Alexander von Alexandrien.
Wann dieser Bischof, der Vorgänger des Athanasius und Nach-
folger des Achillas, sein Amt angetreten hat, kann nicht ganz
genau ermittelt werden. Wir wissen, daß Achillas sehr kurze Zeit
(nur Monate) regiert hat (falsche Annahme: Januar bis Juni 31 1)
und daß sein Vorgänger Petrus Ende November 311 Märtyrer
geworden ist; aber wie lange die Sedisvakanzen zwischen Petrus,
Achillas und Alexander gedauert haben, wissen wir nicht
Hieronymus hat in der Chronik (der Armenier und griechische
Fragmente fehlen) den Amtsantritt des Alexander zum ann. Abr.
2338 (Olymp. 275, 2) gestellt Bei der Verwirrung, die in diesem
Teile der Chronik des Hieron. herrscht', kann dieses m. E. das
Jahr 319, 320 oder 321 sein. Auch das früheste dieser Jahre ist
viel zu spät; denn von einer achtjährigen Sedisvakanz in Alexan-
drien würden wir wissen. Auch aus der Geschichte des Arius
läßt sich die Zeit des Amtsantritts des Alexander nicht bestimmen ;
denn sogar das ist unsicher, ob der Streit im J. 318 ausgebrochen
ist und ob die Synode in Alexandrien, welche den Arius verurteilt
früher in das Ende des 4. Jahrh. verlegte? und den I*. Batilibl (J^röme de J6ni-
salem d'aprea un document in^dit, Rev. des (luedt. hiat. Bd. HJ) [lvS8*3] p. 2480*.)
für einen Schriftsteller des 8. Jahrh. erklärt hat, oder ob ein älterer griechischer
Hieronymus angenommen werden muß. Hamack (s. o.) hat geglaubt, es könnten
die von Zahn edierten Psalmenscholien nur dem berühmten Hierou. zugeschrieben
werden. Die von mir aus der Turiner Handschrift abgeschriebenen Scholien
berühren sich aber nicht mit den S'cholien, noch mit den Homilien zu den
Psalmen, die G. Morin jüngst herausgegeben hat (Anecdota Maredsolana III, 1
[1895], HI, 2 [1897])." Die ganze Frage hat tiir uns hier kein Interesse, da ein
Hieronymus Graecus im 3. Jahrh. weder in Alexandrien noch sonstwo ge-
schrieben hat.
1) über die Verwirrung in der Colum. Rom. s. Schöne, Chron. p. W.l
80 Die Littoratur des Morgenlandes.
hat, im J. 320 oder 321 oder in einem angrenzenden Jahre ab-
gehalten worden ist K Wir können also nicht mehr sagen, als daß
Alexander einige Zeit nach dem November 311 Bischof geworden ist
Sein Todesjahr (fünf Monate nach der Rückkehr von Nicäa) und
der Amtsantritt seines Nachfolgers (Athanasius) stehen fest (326).
Es gab (Epiphau. haer. 69, 4) eine Sammlung von über 70
Briefen des Alexander in Sachen des Arius. Die große Mehrzahl
derselben, wenn nicht alle, wird der Zeit vor dem Nicänum bez.
der Zeit um 320 angehören. Sicher ist das von den beiden in ex-
tenso erhaltenen Briefen, dem älteren an Alexander von Eonstan-
tinopel (Theodoret, h. e. I, 4)'^ und dem etwas späteren an alle
katholischen Bischöfe (Sokrat, h. e. I, 6) ^. Über die Adressen
einiger verwandter Briefe, die wir sonst noch durch Epiphanias
u. a. kennen, s. den 1 . Teil S. 449 flf. Der Brief des Alexander an
Konstantin, den Kpiphanius in seinem chronologisch ganz konfusen
Bericht über die (jeschichte des Arius verzeichnet (haer. 69, 9), ist
vor das Nicänum in das J. 324 zu setzen*.
Gegen die Echtheit des syrisch erhaltenen Aoyog jibqI ^wx^g
xal adfiaroQ xal tlq rb jtd&og weiß ich positive Gründe nicht gel-
tend zu machen'^; die Abhängigkeit von Melito ist kein Q^en-
argument, da Werke dieses Bischofs nachweisbar dem Clemens
und Origenes bekannt gewesen sind. Kein sicherer Verlaß ist auf
die syrischen Fragmente bei Pitra (Anal. IV, 433 f.), die aus Ho-
milien des Alexander (eine 9., 3., 5. wird zitiert) genommen sein
1) S. Loofs „Ariiinisnius" i. d. FroteBfc. KEncykl.s Bd. 2 S. llf.
2) Im SyriBchoii sind auch Stücke aus ihnen erhalten (Pitra, Anal. IV
p. 4H0f.) sowie Stücke venvaudten Inhalts. Daß der Brief an Alezander von
Konstant inopel nicht der erste dieser Art war, den Alexander geschrieben, er-
giebt sich aus Theodoret.
3) Der Brief an Silvester von Rom , den Liberius in seinem Schreiben an
Konstantius v. .T. H54 (ep. 4, 4) erwälint, gehört auch in diese Zeit, sowie die
Ka&algeaig ^Agelov an die Presbyter und Diakonen von Alexandrien (Äthan.
Opp. 1 j). 890), di(; Seeck (Ztschr. f K(Jesch. Bd. 17 S. 50 f) ohne zureichende
Gründe für eine Fälschung erklärt hat.
4) Daß in der Frage des Ostertermins Alexander und ein gewisser Cres-
centius gegeneinander geschrieben haben, berichtet Epiphanius (haer. 70, 9).
Von diesem Crescentius ist sonst nichts bekannt, wenn er nicht identisch ist
mit Tricentius, an den l*etnis von Alex, seine Schrift ü})er das Passah gerichtet
hat (s. Teil 1 dieses Werkes S. 44;"> und Duchesne, Rev. des quest. hißt. T. XXVIIl
p. 31 ). Auch von dem unter Alexander als Schismatiker aufgetretenen alexan*
drinischen Presbyter Kolluthus läßt sich wenig Sicheres sagen (s. das Material
im 1. Teil dieses Werkes S. 4SC)); lediglich als Zeitgenosse des Alexander kann
er datiert werden.
5) S. Krüger in d. Ztschr. f wiss. Theol. Bd. M (INSS) S. 434 tf. (Thomas,
^Telito von Sardes [Osnabrück 18Ü3J S. 40ff.).
Ammonius, Bischof von Thmuid u. s. w. gl
sollen (das letzte Stück aus der Epist. ad Alexandrum Constanti-
nop.}. Doch gibt es keine sicheren Beobachtungen gegen die Echt-
heit Das wiederholte „d^eoroxog' ist keine solche; der Terminus
hat schon damals gegolten (s. unter „Pieiius" S. 68), und der
Sammler hat augenscheinlich Stücke, die diesen Terminus aufwei-
sen, zusammengestellt.
13) Ammonlns, Bischof yon Thmuis. Ammonius, der Alexan-
driner. Ammonlns, der Verfasser einer synoptischen Arbeit.
Photius, einer alten Quelle folgend, erzählt {2vvay. x. ajtoÖBl-
§ug Nr. 9), daß der Bischof Ammonius von Thmuis dem Origenes,
als er nach Syrien reiste, gestattet habe, in seiner Kirche zu pre-
digen, und daU er deshalb von Heraklas abgesetzt worden sei (s.
oben S. 25. 33) K Dieser Ammonius war also ein wissenschaftlich ge-
richteter, dem Origenes befreundeter Mann, der im 4. Jahrzehnt
des 3. Jahrh. lebte. Es liegt nahe — doch mehr läßt sich nicht
sagen — , ihn mit dem Alexandriner Ammonius zu identifizieren,
den Eusebius (h. e. VI, 19, 9f) mit seinem Zeitgenossen, Ammonius
Sakkas, verwechselt hat ^ und dem er eine Reihe von verbreiteten
Schriften beilegt, unter ihnen mit Namen die Schrift IleQl zTJg
Mcovöiwg xat ^Irjöov ovfiq^corlag nennend. Diese verlorene Schrift
wird sich wohl gegen die Gnostiker, vornehmlich die Marcioniten,
gerichtet und die „Antithesen" zwischen dem A.T. und dem Evan-
gelium aufgelöst haben. Eine Schrift dieser Art setzt genaue
Bibelkenntnis voraus, und so kann man weiter fragen, ob nicht
der „Alexandriner" Ammonius, dem Eusebius in dem Brief an
Carpianus eine synoptische Arbeit in bezug auf die Evangelien
auf der Grundlage des Matthäus beilegt (Tischendorf-Gregory,
Prolegg. zu edit VIII. N.T. p. 145if.)^ eben unser Ammonius ist.
1) Heraklas setzte an seine Stelle — ^o berichtet Pbotiiis weiter — «»inen
gewissen Philipjnis. Auf Bitten der Thmuitaner gewährte er später aber die
Wiedereinsetzung des Ammonius, der nun mit Philippus zusammen rej^iertt*.
S. auch K. Schmidt, Texte u. Unters. Bd. 20 H. 4 S. Ü.
2) S. Zeller, Ammonius Sakkas und Plotiu, im Archiv f. Gesch. d. l'hilos.
VII, '-i (1804) S. 2115 ff. — Derselbe Ammonius mag gemeint sein, wenn Ana-
iita»ius Sin. zu „den alten und ersten Kxcj^eten", die das Hexaemerou auf
Christus und die Kirche gedeutet haben^ nelx'n Papias, Clemens und Pantilnus
auch einen „weisen Ammonius" rechnet (Anast. Sin., Contempl. in Hexaeni.
lib. I).
•S) Die Arbeit war also kt»ln Diatessaron, obgleich Eusebius sie fep nennt:
*Afifi6vioq ßhv 6 ^AksSavögeig noXXfjv wi; ebcdg (piXonovlav xal dnoi^S^if'^^laa-
y'ioxwg To 6iä xeaaaQmv ^fiiv xaxaXiXoinev evayyiXiov, X(B xarcL Mäib^Töi^
Harnack, Altchristl. Litteraturgesch. II, 8. 0
g2 Die Littenitur des Morgenlandes.
Das ist die Meinung des Hieronymiis (de vir. inl. 55), und sie scheint
ganz probabel; aber von einer größeren Wahrscheinlichkeit sind
wir noch immer weit entfernt, da Eusebius die Zeit dieses Am-
monius nicht angegeben hat, der Name ,,Ammonius" in Ägypten
liäufig war ^ und — die Identität des Alexandriners und des Thmuitcn
Ammonius vorausgesetzt — die Annahme prekär ist, Easebins habe
nicht gewußt, daß der „Alexandriner" Ammonius später Bischof
von Tlimuis geworden sei. Alles, was Spätere über die verlorene
Evangelienharmonie des Ammonius berichtet haben, geht auf Euse-
bius-Hieronymus zurück — mit einer Ausnahme. In der „Ge-
schichte des Mönchtums", die Maruta von Maipherkat niederge-
schrieben hat (Braun, De S. Nie. Synodo; Syr. Texte des Mai'uta
usw., 1898, S. 21 ff.), findet sich der Satz: „Besonders können wir
es erfahren (nämlich, daß das xayua der Mönche im alten Bunde
einen anderen Namen hatte) aus jenem [Briefe], den Magna von
Alexandrien an Serapion, das Haupt der Einsiedler, schrieb —
dieser Magna war aber derselbe, der zuerst ordnete [und] nieder-
schrieb das Krniqön in der Kirche; auch Eusebius erinnert daran
an der Spitze der Canones, die er über die vier Evangelien ge-
macht hat, und ebenso in seinen anderen Schriften." Hiernach ist
offenbar, wie ich Theol. Lit.-Ztg. 1S99 Kol. 47 gezeigt habe, statt
„Magna" vielmehr „Ammonius" und statt Krniqön „Karovixov'^ zu
lesen. An der Zuverlässigkeit der Nachricht, daß der Ammonius,
welcher das synoptische Werk verfaßt hat, an den Einsiedler- Vor-
steher Serapion einen Brief gerichtet, den Maruta noch gesehen
hat, ist schwerlich zu zweifeln. Wie sollte Maruta von sich aus
dazu gekommen sein, zu dem so häutigen Namen „Ammonius" hin-
zuzusetzen, eben dieser Ammonius sei der Verfasser des Karovi-
xop, wenn er es nicht bestimmt gewußt hätte (sei es, daß er es
aus dem Briefe selbst herausgelesen hat, sei es, daß er es aus uns
unbekannter Überlieferung wußte)? Dann aber wird die Identifi-
zierung mit dem Anmionius, der über Moses und Jesus geschrieben
hat (und auch mit dem Ammonius von Thmuis), sehr unwahrschein-
lich; denn ein Brief an ein Haupt der Einsiedler, d.h. an einen
Vorsteher eines Mönchvereins, am Anfang des 3. Jahrhunderts ist
gewiß keine leichte Annahme. Am Ende des 3. Jahrhunderts hat
er keine Schwierigkeit. Diesem Argumente kann man nur ent-
rag ofiotpwvovg rwv Xoinwv evayyshotwv TieQtxoTiag nagad^eu^ wg i§ dvdyxfi
av/jißfjvfti xov rtjg axoXov^lag HQfxbv rwv tqiüjv öiaff&aQfjvaty öaov inl tä
Vilbel tijg avayvcjaecog.
1) Zu dor im 1. Tril .^. 4(M;f. angeführten Litteratiir füge (iwilliam, Tbf
Ammonian Sections et<'. in the Syriuc Tetraevangeliuni, in tl. Stiid. Bibl. (Oxf.) H
\K 241 ff.
Hesychiiis. — Hierakas. §;{
geben und die Behauptung des Hieronymus betreffend die Identität
beider rechtfertigen, wenn man annimmt, der Titel „Haupt der Ein-
siedler" sei von Maruta selbst gegeben oder unrichtig übersetzt;
Serapion sei vielmehr ein zu seiner Zeit berühmter Asket gewesen.
14) Hesychius, Rezension der LXX und der Evangelien.
Die Rezension der LXX und der Ew., die z. Z. des Hierony-
mus für Alexandrien und Ägypten die maßgebende gewesen ist
(Praefat. in Paralip.; Apol. adv. Ruf. II, 27; Praef in evv., cf.
Decret. Gelas,) und um deren Wiederherstellung sich Lagarde
(Septuag.-Stud. I, 1891) und Bousset (Texte u. Unters. Bd. 11 H. 4
S. 75 ff.) in unseren Tagen bemüht haben ^ kann genau nicht datiert
werden. Nur so viel ist gewiß, daß sie nach Origenes und geraume
Zeit vor Hieronymus fällt (da sie zu seiner Zeit bereits in Ägypten
verbreitet war). Sie wird also in weiten Grenzen um das Jahr 300
anzusetzen sein, und dafür spricht auch, daß sie von Hieronymus mit
der des Lucian zusammen genannt wird. Doch kann sie auch ein
paar Jahrzehnte nach Lucian fallen. Ob der Bischof Hesychius. den
Eusebius h. e. VIII, 13, 7 unter den Opfern der diokletianischen Ver-
folgung nennt und der mit Phileas und anderen ein Schreiben an
Meletius gerichtet hat (s. o. S. 70), ihr Urheber gewesen ist, läßt
sich nicht ermitteln; Bousset hält es für wahrscheinlich, aber
Argumente für diese Annahme (außer dem Namen und dem Lande;
denn die Rezension ist gewiß ägyptisch, da sie dort und nur dort
verbreitet war) gibt es nicht.
15) Der Asket und Schriftsteller Hierakas.-
Dieser zuerst (als Christologe) von Arius (Epiphan. haer. 67, 7)
um das J. 320 erwähnte, in Leontopolis im Nomos von Heliopolis
1) Neue Aufschlüsse erwarten wir von Sodens Ausgabe des Neuen Testa-
luente. Bousset hat, über die Negationen von Westcott und Hort hinaus-
Htrebend, in den Codd. BkLT und Minuskel 3.'] die Rezension des Hesychius
gesehen. Ceriani erkennt in dem Cod. Manihalianus einen Zeugen derselben
(De cod. Marchaliano seu Vaticano Gr. -125 etc., 1890, in der Ausgabe des
Tod. Prophet, von Cozza-Luzi). Zu dieser R<»zension s. auch Euringer in
der Rev. biblique T. 7, 180H, p. 18:}ff., Nestle, Einführung in d. griech. N. T.,
1?. Aufl. (1809) S. 148 ff. und Rahlfs in seiner Abhandlung über das Alter des
Vaticanus (Nachr. d. K(Jesellsch. d. Wissensch. z. Göttingen 1891), H. 1 8. 72 iK),
in der freilich der Versuch, einen festen tenuinus a quo für den Ursprung dos
Vaticanus zu gewinnen, mißglückt ist.
2) Außer Teil 1 dieses Werkes S. 407 f. s. auch meinen Artikel in der
Protest. REncyklp.3 IJd. S S. :j8f. Kunze, Marcus Eremita, 1895, 8. 70 ff.
S2ff. u. in der Neuen Kirehl. Ztschr. VIIJ, 7, 1897, S. 550ff. Prcuschen,
Pjilladius u. Rufinus, 1S{»7, S. 124. Kattenbusch, Apost. Symbol. H, 1 S. 242ff.
y^4 l^^^* Litterutur des Morgenlaudei».
lebende Gelehrte und Asket, der giiechisch und koptisch (also in
einem unterägyptischen Dialekte) * schrieb und den Spiritualismus des
Origenes und seine asketische Moral noch übertrumpfte, ist nach
dem Zeugnis des Epiphanius (1. c. c. 3 ) über 90 Jahre alt geworden
und hat einem Asketenverein nicht nur weltflüchtige, sondern auch
häretische Impulse gegeben. Als Epiphanius schrieb, war H. nicht
mehr am Leben; er ist also spätestens um das J. 275 geboreo.
Wie lange seine Schriftsteller ei (Kommentare zu den h. Schriften
in griechischer und koptischer Sprache, speziell zum Sechstage-
werk; eine besondere Schrift über den h. Geist? Christologisch-
Trinitarisches ; über die Ehe; zur Empfehlung der Virginität;
..viele neue Psalmen") gedauert hat, wissen wir nicht (daß er
bis zu seinem Tode kalligraphiert hat, berichtet Epiphanius i.
Begonnen hat sie schon vor Arius, also am Anfang des 4. Jahr-
hunderts. Unseres Wissens ist er der erst« Gelehrte, der koptisch
geschrieben hat.
16) Der Calalogiis Claromontanus.
Das im Cod. graeco-latinus D der paulinischen Briefe (saec. VI»
hinter dem Philemon- und vor dem Hebräerbrief auf fol. 467 f. stehende
stichometrische Verzeichnis der h. Schriften '^ gehört innerlich nicht
zu der Handschrift^ und stammt aus der Zeit vorEusebius und Atha-
nasius, bez. aus einer Kirche, die durch die Festsetzungen dieser
Männer über den Kanon nicht beeinflußt war. Da die Hand-
schrift D und der Katalog nur zufällig zusammengeschweißt sind,
so läßt sich aus den Feststellungen über Herkunft und Alter der
Vorlage von D nichts in bezug auf den Katalog folgern; er ist
fiir sich zu betrachten. Daß er aus dem Griechischen übersetzt
ist, hat Zahn (a.a.O. S. 166 ft.) sehr wahrscheinlich gemacht Seine
..kleinen" Argumente dafür sind freilich nicht beweisend, aber der
Inhalt des Katalogs spricht dafür: das 4. Makkabäerbuch beft-emdet
■ ' ■ I- ' I .
1) ^l riieil)oidt, uScheimti^ von Atripe, in d. Texten und Unters. Hd. '3
Ü. i S. Hfy. ' ■ ;■:: -^'l^l .'. . .■• / .;•: •
■ *i)/I)ttiroh;«m V^evs^licciid^ »Sclireiloer* defcTHed». 1 u. U, l^hüipp. und wohl
Mieh HelbrJ ^Ufa^efaUeii (hiÄ<A?r Zcöle r>7); '. .'■ . : ■ : ;./.
' H) S, Zkbniy (jdtich; des NTlichen Kaiiioiiii il S. a57ft'. . D«in Katalog w^rde
angefügt, als der S'ehreiber mit seiner Aufgabe »u Ende war,' die sidli auf die
1^ PnliiliiBln^ele "beüog; iNaeli.-derTAiifiigiing isrt danii noch 'der Hälbrilcrbrief
hiny.u^etii^fworden^itsbi "€1^^ d(iß öich.dojf Schreiber, sei et«, dtiß Blüh sein Ailf-
trap?giHier ri11)er^l^lif^e,''daß' dtr in dei 'Vorlagi» nicht, enthaik^ne lirief ;doch. laut'-
, )
Der Catalogus Claromontanus. g5
in einem lateinischen Verzeichnis. Noch deutlicher aber redet die
Aufzählang der NTlichen Bücher. Diese schließt also:
Petrus I, II
Jacobus
Johannes I, II, IIT
Judas
Bamabas
Revelatio Johannis
Actus Apost.
Pastor
Actus Pauli
Eevelatio Petri.
Wäre dieses Verzeichnis abendländisch, so könnte es frühe-
stens dem letzten Drittel des 4. Jahrhunderts angehören; denn da-
mals erst ist im Abendland allmählich (durch griechischen Einfluß)
die Siebenzahl der katholischen Briefe zum Abschluß gekommen.
Diese sieben stehen aber hier nicht nur zusammen, sondern auch
vor den folgenden sechs Schriften. Wo sie aber so zusammen-
stehen, da können wir (für den Ausgang des 4. Jahrh.) nicht an
eine abendländische Winkelkirche denken, sondern nur an eine
orthodoxe große Kirche, die direkt oder indirekt mit der griechi-
schen Kirche in Fühlung stand. Aber eine solche Kirche kann
unmöglich zwischen c. 306 und 400 noch den Pastor, die Actus Pauli
und die Revelatio Petri ohne Bemerkung in ihrem Neuen Testa-
ment gehabt haben; sie kann auch nicht die Joh.-Apokalypse und
die Apostelgeschichte so mitten unter diesen geführt haben, wie
das Verzeichnis dies tut (über „Barnabas" s. u.). Ist das Verzeich-
nis abendländisch, so führt mithin der Versuch, es unterzubringen,
zu einem Widerspruch: es muß der Zeit c. 366—400 (oder späten
und es muß dem 3. Jahrhundert angehören. Dagegen wird alles
einfach, wenn man das Verzeichnis als orieutalisches und zwar
aLs alexandrinisches in Anspruch nimmt. Dann bildet es die
nächste Vorstufe zu dem Kanonsverzeichnis des Euse-
bius, eine Vorstufe, wie man sie ausEusebius selbst noch
zu rekonstruieren vermag.
Claromont. Euseb.
Vier Evangelien Vier Evangelien
Apostelgeschichte
Paulusbriefe Paulusbriefe
I Joh.
I Petr.
7 katholische Briefe 5 katholische Briefe
>t>
Dir Litt-eiutur det; Morgenlandes.
Claroniout.
Barnabas
Kevelatiü Joliannis
Apnstelgeschichte
Pastor
Acta Pauli
Revclatio Petri
Easeb.
Acta Pauli
Pastor
Revelatio Petri
Barnabas
Didache
Revelatio Joliannis
Ik'kanutlich ist Kusebius' Verzeichnis ein Kompromiß. Der
strengen Beurteilung, bez. der kritisch behandelten Praxis gegen-
über, die das N. ^J\ in 21 Schriften abgeschlossen sein läW^ zu der
die Ai)()kalypse Job. als 22. tritt, stehen Überlieferungen, welche
fünf weitere katlmlisclie Briefe und dazu noch sechs Schriften an-
♦ rkennc^n. I)aL> diese Überlieferungen alt sind und vomehnilirb
nach Alexandrien und Ägypten weisen, steht fest is. Clemens Alex.'.
Kns(tbius hat sich nun so geholfen, daß er den Begriff des Kanon
— unbekünnnert um die kirchlichen ITolgen, bez. um die praktische
Unvollzielibarkeit seines Auswegs — auflöste und di'ei Gruppen
von absteigendem Werte schuf 21 (22) + 5 + 6 (5). Im CataL
(Jlaroiiiont. nun haben wir ein Verzeichnis, in welchem dieselben
:31 Cyi) Schriften noch auf einer Fläche stehen. Mag sich auch
in der Reihenfolge ein gewisses Abnehmen der Dignität ausdrücken.
liervorgehoben ist dieses Abnehmen nicht. Dali der Befund, den
Kusebius vor sich hatte und ordnete, zufällig derselbe ist, wie
dei-, den der Claromontanus ordnet, ist ausgeschlossen; denn bis
auf eine Schrift (die Didache, die im C'laromont. fehlt) ist er iden-
tisch '. Später als Eusebius und von ihm abhängig kann aber der
("laromont. unmöglich sein; denn es wäre unerhöi-t, daß ein Ka-
nnnist, der auf Eusebius fnl>t, die Apostelgeschichte z^vischen Be-
\el. Job. und Pastor stellt und die dritte (Gruppe des Eusebius
wieder zu vollen Kliren bringt. Dal> er die 7 katholischen Briefe
niclit, wie Eusebius, in 2 -' 5 zerteilt, ist in diesem Falle noch
kein Zeugnis für eine spätere Zeit. Diese Tatsache muß vielmehr
mit der anderen zusammengehallen werden, daß er auch die fol-
genden si^-chs Schriften ohne Bemerkung zum N. T. rechnet. Knd-
Ii \)\\< Vt'\\\i'u im ('IiirniiKMii. ist vii'Ui'ifht nur ziilalliji:; ilit' llaiuL^chntt
iVt «4(Ml;iiik»*iilo.> «XI *><'lni ('])»'!). Man kiiiui \rnuuti'ii, diilJ die Didacht» in iltr
V<»i-la;j:«' «irs (MaroiiuMit. zwi.-clicii IJanial». und Job. Ut?v. ^et$timdeii luit. I^*r
«irnjijn' IJarn.il)., Pidarlu*, lu'vcl. .Inh. In-i Ku>«*l). würdo dann im nanmiuut.
<li«* (lru|>|M^ Jianial»., l)iilaclu', Hi'vcl. Juli, «-bfiiso fiitspHTheii wie der tlnii»]*«*
Acta Pauli, l^astor, Hfvi'l. l*<-tri b.'i Kiistl». dir (!rii})|M» l'astor. Acta l*aiili. Krvi!.
• '•'tri im Clarrmiont.
Der Cataloguä Claromontanut«. 87
lieh zeigt die Vergleicbiing mit Eusebius klar, daß die epistola
Bai-nabae des Claromont nicht der Hebräerbrief sein kann — dieser
wird oben, wo Thess. I, II und Philipp, fehlen, mitausgefallen sein;
der Schreiber glitt von „ad Efesios* sofort zu der nach „ad Ebreos"
stehenden Eintragung seiner Vorlage hinüber, indem die Ähnlichkeit
der beiden Worte ihn verführte. Der apokryphe Barnabasbrief ist
gemeint. Allerdings ist der Hebräerbrief im Abendland öfters in
älterer Zeit als epistula Barnabae bezeichnet worden, aber das
Fehlen des Zusatzes ,,ad Hebraeos" wäre doch auffallend, und unser
Verzeichnis wird, wie gezeigt, rätselhaft, wenn man es für das
Abendland in Anspruch nimmt.
Hätte Clemens Alex, ein Verzeichnis der NTlichen Schriften
aufgestellt, so hätte er wahrscheinlich alle die im Claromont. auf-
geführten 31 (32) Bücher und vielleicht noch einige (aber wenige)
dazu genannt; aber er hätte sie nicht auf eine Fläche gestellt.
Origenes aber hätte sie, der damaligen Praxis seiner Kirche fol-
gend, überhaupt nicht mehr zu einer Einheit befaßt. Aber Alexan-
drien ist nicht Ägypten. Unser Verzeichnis gibt eine Kirchen-
praxis wieder, in der sich der Zustand des Kanons, wie wir ihn
bei Clemens Alex, finden, in entgegengesetzter Richtung zu der-
jenigen entwickelt hat, deren erster Zeuge für uns Origenes ist.
Während Origenes die eintretende Verkürzung der Sammlung
bezeugt, bezeugt der Claromont. die Fixierung der größeren Sanmi-
lung und damit den Versuch, in ihr die Dignitätsuntei'schiede zu
verwischen, die doch bei Clemens deutlich hervortreten. Daß aber
ein solcher Zustand wirklich in einigen Kirchen geherrscht hat
um das J. 300, d. h. daß sie eine solche größere Sammlung mit
gleicher Dignität der Bücher wirklich besessen haben, zeigt das
Kapitel über das N.T. bei Eusebius. Eusebius wäre es gewiß nicht
eingefallen, jene sechs Schriften — sei es auch nur in der von
ihm beliebten Weise — dem N. T. zuzuordnen, wenn er nicht
Kirchen gekannt hätte, die sie als volle kanonische Schriften gel-
ten ließen. Da dies sicher nicht palästinensische oder syrische
Kirchen waren, so können es nur ägyptische gewesen sein; denn
mit ihnen ist der Horizont des Eusebius abgeschlossen, und für
sie sprechen auch Clemens und Origenes.
Der Claromont. darf also als ein ägyptisches Verzeichnis aus dem
3. oder anfangenden 4. Jahrhundert betrachtet werden. Die kui-zen
Bemerkungen Jülichers (FCinl. in d. N. T."^ S. 426), der den abend-
ländischen Ursprung festhält, haben mich nicht überzeugt. Gewiß
kann man Actus Pauli und Pastor auch für abendländische Kanons-
verzeichnisse des 3. oder anfangenden 4. Jahrhunderts in Anspruch
nehmen; aber fiir Eevelat. Petri ist das schon schwieriger; die
8S I^i*i LitU»ratur de« Mor^eulandes.
„Barnabae epistola" muß man zum Hebräerbrief umstempeln trotz
des fehlenden ad Hebraeos, und mit einem abendländischen Kanous-
Verzeichnis um 330, welches die sieben katholischen Briefe enthält,
jschafFt man ein kanonsgesehichtliches Novum. Aber auch die Zu-^
sammenstellung: Barnab., Joh. Rev., Actus Apost, Pastor, Actus
Pauli, Petri Kev., ist in dem, was sie enthält und nicht enthält, für
das Abendland paradox. Für das Moi-genland (Ägypten) befremdet
sie nicht.
Zweites Kapitel.
Die von den Alexandrinern beeinflußten
Schriftsteller.
1) Sextus Julius Africanus. ^
Sextus [so Suidas] Julius Africanus war nach Suidas aus Li-
byen gebürtig {<piX6co(poq Alßvg) und nach seinen militärwissen-
schaftlichen Kenntnissen wahrscheinlich ursprünglich Offizier (des
Lateinischen war er kundig, wie seine Auszüge aus Sueton, De
regibus in der Chronographie beweisen). Nach der osrhoenischen
Expedition des Severus im X 195 — er wird sie in seiner Eigen-
-sctfäfE äIsT)fflzierTnTtgemacht haben (wohl auch den Feldzug nach
Adiabene) — , auf der er auch bis zum Araratgebirge vorgedrungen
ist und Kelänä in Phönizien berührt hatte (s. die Kearol und Syn-
cellus, Chron. p. 669, 20), ließ er sich in Emmaus (Nikopolis) in
Palästina nieder. Indessen ist das wahrscheinlich nicht sofort ge-
schehen; er scheint vielmehr sich mehrere Jahre in Edessa auf-
gehalten zu haben, wie seine Freundschaft mit dem Könige Abgar
Severus bar Ma*nü (f 213) beweist (mit dem Sohne desselben ist
er auf die Jagd gegangen ; beides nach den KsötoD \ Von Emmaus
1) Geizer, >>xtus Julius Afric, 2 Bdt^, 1880. 1885. Routh, Reliq.
Sacr.2 II p. 221 fF. Seh war tz, Die Königsliöten des Eratosthenes usw. in d.
Abhandl. d. K. Gesellsch. d. Wiss. z. Göttingen Bd. XI, 2, 1801. Spitta, Der
Brief des J. Afric. an Aristides, Halle 1877.
2) Dazu auch Euseb., Chron. ad ann. 2231: „ALgarus vir sanetus regnavit
Edessae ut vult Africanus." Die Nachricht des Moses von Chorene (11, 27),
daß Africanus Auszüge über die edessenische Königsgeschichte aus dem Archiv
zu Edessa gemacht habe, wird zuverlässig sein (s. Baum gar tn er in d. Ztschr.
d. Deutschen Morgenl. Gesellsch., Bd. 40 S. 457 ff. ed. Hallier in d. Texten u.
Unters. Bd. 0 H. 1 S. 50 f.). Die Woi-te des Moses lauten: „Ich will anfangen,
dir nach dem 5. Buch des Chronisten Africanus zu erzählen .... Jener nämlich
exzerj)ierte alles, was in den Papieren des Archivs von Edessa, d. h. Urha, über
unsere Könige erzählt wird". In Edessa ist auch Bardesanes dem Africanus
bekannt geworden, s. eine Stelle aus den Keoxol (Vet. Matheni. Opp. p. 275 sq.),
i)[) Die Littoratur des MorgeuUuides.
aus ist er zeitweise nach Alexandrien übergesiedelt, um den Heraklas
zu hören (s. die Chronographie nach Euseb., h. e. VI, 31) ^ Dies
muLs einige Jahre vor 221 (Publizierung der Chronogi-aphie) ge-
schehen sein; denn die Chronographie hat ihn gewiß ein paar Jahre
beschäftigt^. Nach Einniaus zurückgekehrt, ging er im Auftrag
seiner Mitbürger als Gesandter zum Kaiser nach Rom — nach
Euseb., Chron. ad ann. 2237 zu Elagabal (Syncellus 676, 6 nennt
Alexander Severus)^. Noch um das J.^AO hat er gelebt; denn
damals hat Origenes von Nikomedien aus an ihn geschrieben (s.
0. S. 34f.) *. Da er schon im J. 195. im Mannesalter gestanden hat.
muß er zwischen 160 und 170 geboren sein; das bestätigt sich
durch die BeobachtungrdalTer in seinem Brief an Origenes diesen
„xvQiog fiov xal r/oc" nennte Sokrates (h. e. II, 35) hat ihn also
mit Recht zwischen Clemens und Origenes gestellt.
Eusebius hat in der Chronik den Africanus als „Chronographen**,
in der Kirchen geschichte (VI, 31) als .,o rojv IjriyeyQafi/iivojv Kt-
OToJv ovyy(/a(pevg'^ bezeichnet Die Chronographie und die Ksoxoi
waren also seine Hauptwerke. .lene {XQovoyQa(plat^, in 5 BB., s.
Euseb., Chron. I, p. 97 f.) reicht bis zur 250. Olymp, bez. bis zum
\, Jahre Elagabals (s. die Fragmente 39 u. 50 bei Routh, 1. c,
p. 287. 306j. Die von /Beizer versprochene Sammlung der Frag-
(lio ich unkorrigiert abdrucke [\'\*\. von (Jii tscbniid, Osrocne, in den Abbauül.
der Petcrsburj^er Akiid. ISST S. .Kj): iXQi'toaxo t// ndgr. ravt^ xal SvQfio; o
Ixv&Tjg xal BaQÖtjOavTjg 6 nuQ&og, xd^a dt nov xal n).eiovsg, eiöov xal avio;
bv ^AßyccQOv Tov BaoO.koq Mdvvov xov Tiaiöög avxov noXXdxiq nBtgdaavto;
i'jnov v(priyTioatxivov. i^v öh aga aoipöq xo^oxt^g Bagöfjodvrjgj etneg xiq txego;
itblj^t eine dieses Urteil beb»pf<'nde Krzäbhinjjfi.
1) Der Huf des llenikbis butte ibn {Lj:eb)ckt, siigt er. Man wundert i?ich,
daß ibn nicht Origenes' Ruf jjjelockt bat; (ielzer (a. a. 0. 1 S. 13) scblielU
daraus, daß Origenes damals in Rom wnr. Aber d<'r Aufenthalt daselb.<t war
schwerlich von längerer Dauer. Wenn man überhaupt hier etwas schließen
will, so wird man daran denken, daß Origenes zwischen 21() u. 218 nicht in
Alexandrien, sondern in l*alästina gewesen ist. Vielleicht hat eben der be-
scheidene Origenes den Africanus auf Heraklas aufmerksam gemacht..
2) Wober (ielzer (I p. 12) die Nachricht bat, die Chronographie habe den
Africanus spätestens schon im J. 212 beschäftigt, weiß ich nicht.
'.]) Die l*assabchronik p. 41M», 5 setzt die Reise in das 2. Jahr Alexanders
i22:j).
-1) Man bemerke auch, <biß Eusebius in der Kiiesch. (VI, 151) den Afri-
canus (»rst bei der Regieningszeit des (Jordian (s. VI, 21», 1) verzeichnet bat.
')) Auf späten^ Nachrichten, die den Africanus zum Bischof machen, i^t
nichts zu geben. Auch nicht, daß er (leistlicber gewesen, läßt sich beweistai.
(ii S. zum Titel Euseb., h. e. VI, Ijl, 2 und Euseb., Denionstr. VIII, 2, 4i.».
Daneben kommen die Namen laxoQiaiy xd laxogixov, xwv XQOV(i>v initoßt) vor
(Hieron.: „tem}>orum liistoriae", „volumina dt? temporibus").
Sextuö Julius Africaiiuti. 91
mente ist noch nicht erschienen; zn ihnen sind aucli die Bischofs-
listen zu rechnen, die Eusebius uns mitteilt; denn bis Kallistus ep.
Rom. (Elagab. ann. 1) stammen sie aus Africanus, wie ich Chrono-
logie I, S. 120 ff. erwiesen habe. Das als Ganzes leider verlorene,
schon von Hippolyt benutzte Werk ist die Wurzel der christlichen
Chronographie; Tatiau, Theophilus und Clemens kommen als Vor-
läufer des Africanus kaum in Betracht.
Die ^eorol Qj üa^aöosa), eine Art von technischer Enzyklo-
pädie und turiositätensammlung, waren dem Alexander Severus
gewidmet; in welches Jahr dieses Kaisers sie fallen, ist unbekannt.
Der Zweifel über die Anzahl der Bücher (Syncelius 9, Photius 14,
Suidas 24) war bereits früher gegen Syncelius entschieden; ganz
jungst ist er zugunsten des Suidas gehoben worden; denn Gren-
fell und Hunt haben angekündigt, daß jsie denSchhiLs des 18. Buches
in Ägypten gefunden haben. Ebenso sind die Bedenken gegen die
Autorschaft unseres Africanus — das Buch schien in einigen Par-
tien eines Christen unwürdig — widerlegt; denn der V'erf zeigt
sich mit der Bibel vertraut, und das Zeugnis des Eusebius wäre
nui' durch die stärksten Gegengründe umzustoLsen.
Der uns erhaltene Briefwechsel mit Origenes über die Peri-
kope voUj der Susanna (je ein Brief) stammt aus der Zeit um 240
(s. 0.). Der in Bruchstücken auf uns gekommene Brief an Aristi-
des über die Genealogien Jesu Christi läßt sich auf Grund dir
Beotachtung etwas näher datieren, daß ihn Origenes in seinen
Homilien zu Lucas is. dort) benutzt hat. Diese Homilien sind dio
ältesten des Origenes. Dafür, daß Africanus, der des Lateinischen
kundig war und nach freilich sehr fragwürdigen Nachrichten als
Übersetzer ins Lateinische gegolten hat ^ der Übersetzer der Apo-
log. Tertullians gewesen ist — habe ich i^Texte u. Unters. Bd. 8
H. 4, 1892) einige Argumente geltend gemacht-. Aufschriften, die
ihm beigelegt worden sind auf Grund einer Verwechslung mit
^Aphroditianus", gehe ich nicht ein. Die Behauptung sehr später
Berichterstatter, Africanus habe Kommentare zum N.T. geschrie-
ben, ist unglaubwürdig.
1) S. den ersten Teil die««*« Werkes S. .")i:i.
2) Wenn Khrhiird (Die altcbristl. Litfct^ratur usw., 1!MM>, S. .iTui kVw^w
Hypothese u. a. entgegenhält, daß Afrieanus, der sein Chiist»'ntuni mit welfcliclnMi
.^tudien und Vergnügungen [aber let/.t^Ter? als junger Mann] zu verbinden
waßte, der mit Prinzen auf die Jagd ging und s*'in<» Ksatoi ilem Kais»»r
Alexander widmete, kein großes apologetisches Interesse halxni und sich vou
der düsteren Phantasie Tertullians kaum angi.'zogcii fühlen koinite — so
Heheint mir diese Diflerenzierung nicht ri<.'htig zn st^n. Außerdem l»«»w.*ist dl»«
Chronographie ein starkes apologetisches hiti'n.'sse.
\)2 I>i<.' liittorahir i\va Mür^eiiliiiuloii}.
i) Alexander Ton Jernsalem.
Dii:^ Zeit dieses Bischofs, der ein hohes Alter erreicht haben
iiiiiLs habe ich im ersten Band dieser Chronologie S. 223 festge-
stellt': er regierte in Jerusalem (zuerst als Mitbischof des alten
Xarcissus) von 2\'2j:\ (Kuseb. nennt das 2. Jahr Caracallas) bis 25U,
wo er im Gefängnis in der decianischen Verfolgung gestorben ist
t Kuseb. VI, 39,2; VI, 4(), 4'. Vor 212 3 war er aber bereits Bischof
in Kiippadozien (Kuseb. VI, 11) und Konfessor unter Septimins
Severus (s. u.), und zwar in Cäsarea (s. Dionysius v. Telmahar,
Chronik p. 69 und Gre*ror v. Nyssa). Er war also etwas älter als
Origenes. Studiert hat er in Alexandrien unter Pantänus und
Clemens (s. seinen Brief an Origenes bei Euseb. VI, 14, 8) und hat
dann die kirchlich-wissenschaftlichen Studien nach Eappadozien
und nach .lerusalem getragen. Dorthin soll er als Wallfahrer ge-
kommen sein; unter welchen Umständen er dort., seinen Sitz in
( äsarea aufgebend, geblieben ist, ist dunkel (wie alles, was Ease-
bius aus der Geschichte des Narcissus, dem er als Bischof bei-
gegeben wurde, h. e. VI, 9— 11 erzählt). In Jerusalem liatA. eine
Bibliothek begründi't, in der Origenes u. a. eine BriefsammluDg
des A. gefunden hat (VI, 20). Über die Bedeutung, die er fttr das
Leben des Origenes gewonnen hat durch die ihm erteilte Erlaub-
nis zu predigen und durcli die Weihe zum Priester, s. sub „Üri-
^^enes". Die vier Briefe des A., aus denen Eusebius Mitteilung
gemacht hat, lassen sich näher datieren. Der ei'ste (Kuseb. VI, 11'
ist an dit' (iemeiiide zu Antiochien geschrieben ^ und von dem be-
rühmten Presbyter Clemens, der damals in Cäsarea seinen Wohn-
sitz hatte, überbracht ■'. Alexander saß im (icfängnis und schrieb
aus demselben, um den Antiochenern zu ihrem neuen Bischof As-
klepiades zu gratulieren; der Brief ist also 21 11 2 verfaW-*. Der
zweite Brief'' d. c.i ist an die (lemeinde von Antinoe in Ägypten
gerichtet. Er i.st aus der Zeit der gemeinschaftlichen Bistums-
verwaltung in dem Jahre gesehrieben, als der Mitbischof Narcissus
!!6.1ahre alt gewordtMi war. Nach Kpiphan., haer. 66, 2o, hat
Narcissus bis zur Zeit des Alexandt^r S(»v. gelebt, nach Eutychiiis
soll er 1! Jahre nach '1\'1'\ regiert haben. Obgleich beide Daten
li \ ixl. jiin'li Ti'H I i'il. •-.'-> \\'i'rkt'> S. .'i».MV.
'2) Al»'X.iinlt'r kiiniiii' «lir-i« < li'nn-indi- ;iii^ t'i iilii'nT Zrit wabrtfrht'inl'uU
e-'i-öiilicli.
.'!) C'l«'iii«'iis -tiiiul ih'U\ Ali-xamltT iiiilic iind li;ii ihm sriin*ii Kai'dtv txxXtt-
'uaoTixoq jr«*wi(liiict (Imi>»'1). VI. 1:;, :;\
li S. riinni(»l(><_M«' I .'S. iM.I.
.')) ICntaxohd ^ i'in lirirl".
Alexander v. Jerusalem. — (iregorius Thiiumaturguö. 93
sich nicht widersprechen, sind sie doch nicht zuverlässig (s. Chro-
nologie I, S. 222 u. 225 f.); aber a priori ist es wahrscheinlich, dali
unser Schreiben nicht viele Jahre nach 212/13 anzusetzen ist; in den
Beziehungen des Origenes zu Jerusalem spielt Narcissus, der um das
J. 100 geboren sein mag, keine Rolle mehr. Der dritte Brief ist an
Origenes gerichtet (Euseb. VI, 14); er scheint das erste Schreiben des
Alexander an 0. zu sein; an Pantänus und Clemens (als schon Ver-
storbene) wird erinnert (s. dort u. sub „Origenes" S. 28. 49). Der
Brief ist daher wahrscheinlich vor 216, aber nicht lange vorher
geschrieben und bahnt die engen Beziehungen zwischen beiden
Männern an. Der vierte Brief endlich (Euseb. VI, 19) ist das
Schreiben, das A. in Gemeinschaft mit Theoktistus von Cäsarea
an Demetrius von Alexandrien in Sachen des Origenes gerichtet
hat Es gehört dem J. c. 216 an (s. oben S. 30)^ Ein Zeugnis
des Origenes über A. findet sich in der Hom. in lib. I Sani. (Lomm.
T. XI p. 290). Über die „membrana Alexandri episcopi qui fuit
in Hierusalem, quod transscripsit manu sua de exemplaribus apo-
stolorum" s. v. Dobschütz in den Texten u. Unters. Bd. 9 H. 1
S. 136—150.
3) Gregorius Thaumaturgus.
Erst nach der Erwähnung der Verfolgung des Maximinus Thrax
und des Regierungsantritts des Gordian bemerkt Euseb. (h. e. VL
30), daß Theodorus-Gregorius und sein Bruder Athenodorus - zu
Origenes nach Cäsarea gekommen und im ganzen fünf Jahre bei
ihm als Schüler geblieben, dann aber — trotz ihrer Jugend, um
ihrer theologischen Kenntnisse willen — Bischöfe im Pontus ge-
worden seien. Diese Angabe fordert nicht, daß die beiden Brüder
erst nach dem Regierungsantritt Gordiaus in Cäsarea eingetrofien
sind, sondern sie ist gedeckt, wenn sie unter Gordian in Cäsarea
wai*en bez. unter ihm Cäsarea wieder verlassen haben. Da Gor-
dian zwischen 238 und 244 regiert hat, so fällt in diese Zeit der
Abschluß der funQährigen Studien der Brüder bei Origenes.
1) Diesen Brief erwähnt Hieron. (de vir. inl. 02) nicht, wohl aber will er
von einem anderen Schreiben des A. an Demetriiis wissen betretts der Pres-
byter-Weihe des Origenes. Hieron. hat denEusebius fliuhtig gelesen, bez. das
(lelesene unsicher behalten, und ist so zu der Verwechslung gekommen. Er
will auch von „epistolae ad diversos" des A. wissen.
2) Drei Fragmente unter diesem Namen und aus einer S\*hrift nsgl
Xßfktofkav'm. den SS. Parall., s. Holl in d. TcxUmi u. Unters. Bd. 20 H. 2 S. 1(31.
In einem der Fragmente wird A. als Bruder (iregors bezeichnet. Cber die
l^ebtheiD'fößt'Hiöh mcht« sageii. '' '
tj4 l^it^* Littonitur des Morgenlandes.
Aus der „Dankrede" des Gregorius (c. 5,63) hat Koetsehau'
schließen wollen, daß Gregorius ungefähr gleichzeitig mit 0. in Cäsarea
Pal. eingetroffen sei, d. h. daß 0. damals eben erst Alexandrien
definitiv verlassen habe und nach Cäsarea gekommen sei. Da nun
(s. 0.) das 10. Jahr des Alexander Severus als das Jahr der Über-
siedelung des 0. nach Cäsarea feststeht (= 231/2), so wäre Gregorius
damals oder wenige Monate später in diese Stadt zu 0. gekommen;
das ist auch Koetschaus Meinung, der (233 für 231/2 setzend)
die Jahre 233—238 als die Zeit des Aufenthalts des Gregorius
bestimmt und gegen Einwendungen zu erhärten versucht Allein
die Worte des Gregorius (1. c): rov ö' ItQov xovxov avÖQa ix rtj^
Alyvjtrov ix rrjc A}.f:^av6Qiwv jtoXecoc, evd-a rfjp iorlav txmv
hTVXf JTQOTBQov, xcil avTov kxivtt xol fisTavlOT?] IjtI rode ro xp-
i^ov, ojöjtsfj djtavT7jöovTa 7]fjtW, ?rf(>a jrQayfiaxa^ schließen die An-
nahme nicht aus, daß Origenes schon eine gewisse Zeit in Cäsarea
lebte, als Gr. dorthin kam. Seine Vbersiedelung war eine cause
celebre, die dadurch noch nicht verwischt war, daß sie ein paar
»lahre zurücklag. Wir wissen also noch nicht, wann Gregor nach
(/äsarea gekonmien ist. Bevor wir weitergehen, ist ein Punkt
zu erledigen: Eusebius (1. c.) bestimmt den Aufenthalt auf 5 Jahre.
Man hat diese Angabe korrigieren und auf die Zahl „8 Jahre"
bringen zu müssen gemeint-, weil (Jregur in der Dankrede c. 1
sagt: ov fifjv aX/M xcd oxTair/jg fioc XQ^^'^^ ovrog ?jd?j. Ig ov ovrt
i:vTo^ tljtcov Tt ij yfjaifmi; Xoyov rira fityav // fnXQOV oXcoq rvr^'-
yavco, ovTB aXXov ?jxovöa rov löia yoafpovTog // Xtyovroq i] xdi
df/iwoia jtart}yvQixovQ Xoyovg xal dyojvcorixovg jraQSXofdivow
Allein die 8 Jahre beziehen sich nicht, wie nach dem Vorgang
des Casaubonus und Bengel von Koetsehau (S. XI f.) richtig
ei'kannt ist, auf den Aufenthalt bei Origenes, sondern auf die Zeit
der Abwendung von der Ehetorik. Diese Abwendung kann sehr
wohl schon erfolgt sein, bevor Gregor Origenes kennen lernte, ja das
ist das einzig Wahrscheinliche, denn (iregor war ja, als er mit
0. zusammentraf, auf dem Wege nach Berytus, um als Jurist die
hohe Schule doii: durchzumachen, hatte also schon die entscheiden-
den Studien für dieses Fach getrieben, die ihn von der Rhetorik
(Mitfernt hatten. PiS liegt also kein Grund vor, die bestimmte An-
gabe des Eusebius zu korrigieren -^
1) D^'^^ (4ro<rorlos Th. Danknult* :in Origenes, ISiM, S. IX. S. dazu Woj-
luiin im l'hilolofnis l^d. Tm, ISlKi, S. 4l)2tt'. Hrinkmiinn im Rhein. Museum
N. V. Bd. .")(), 1<M)1, S. r)."iff.
J) S. Rysscl, <Jn.^rorIns Tli. (ISSO. S. IJ. Dazu Jahrld). f. protest. Theol.
IM. 7, IS^l, *S. :»(r)f.
'.)'■ Rysscl will (a. a. 0/) dio l>fM<len AiijTa})on so vrri'inijron, daß (irepor
(irogoriuö Thaumaturgiis. 95
Deutlich folgt aus der Daiikrede des Gregor, daß die Zeit seines
Studiums bei 0. ununterbrochen war. Wäre sie längere Zeit hin-
durch unterbrochen gewesen, so hätte Gr. das sagen müssen. So-
mit ist Gr. nicht während der Maximinschen Verfolgungszeit in
Cäsarea gewesen; denn in dieser Zeit war Origenes in Kappadozien.
^^'ir haben allerdings oben (S. 33 £) darauf aufmerksam gemacht,
daß Unsicherheiten in bezug auf den Aufenthalt des Origenes in
den Jahren 235 und 236 nachbleiben und daß die Nachricht, er
sei damals zwei Jahre in Kappadozien gewesen, um der ^'erfolgung
zu entgehen, allein auf der Autorität des Palladius ruht. Allein
ich kann mich doch nicht entschließen, diese Nachricht einfach in
das Keich der Fabel zu verweisen. Koetschau tut das (auch Neu-
mann und, ihnen folgend, Ehrhard) und setzt den (ungestörten)
Aufenthalt des Gregor in Cäsarea bei Origenes auf 233 — 238 K
Allein selbst angenommen, Origenes wäre in der Verfolgimgszeit
ruhig in Cäsarea Pal. geblieben, so hätte sich doch die mit Orig.
erlebte Verfolgungszeit in der „Rede" des Gregorius abspiegeln
müssen. „Ungestöi-t" war diese Zeit gewiß nicht, wie die Werke
des Orig. beweisen. Somit — mag nun Origenes während der Ver-
folgung in Cäsarea Pal. geblieben sein oder nicht — wird man
die Ankunft Gregors bei ihm nicht früher als auf das Jahr 230
ansetzen dürfen, in welchem die Verfolgung wieder abflutete. Da
das Ende der Zeit noch unter (lordian fällt, so liegen die 5 Jahre des
Aufenthaltes somit zwischen 236—240 oder 237—241 oder 238—242
oder 239—243 oder 240—244. Allein die letztgenannten Zeiträume
sind auszuschließen; denn noch unter Gordian fällt die lange Reise
des Origenes nach Athen und Nikomedien. Man wird somit schwer-
lich irren, wenn man die Dankrede, die Gregor seinem Lehrer ge-
halten hat, zwischen die Jahre 240 und 242 setzt-.
in «'infin Zeitraum von S Jahnni T» Julin* boi Ori<f(Mie.s «^owi-son ist; in dvi\ .'»
.T;ihn.*n der Maximinschen Vorfolf^m^ sei der V»»rkehr iinterbroclien gewesen.
Allein dies«? Annahme ist sehr künstlich und iins der „Hede" des Grej^or nicht
zu bolej?pn, ja sie widersi>richt ihr.
1) Man vffl. auch Dräsckes Ausführunj^en über die Zeit, des Aufenthalts
in CTisarea, die aber auch nicht haltbar sind (Jahrbb. f\ ]u'ot(»st. Thcol. Hd. 7,
INSI, S. lOBif.).
•J) Ffir da« J. '2:]H hat Koetschau fa. a. O. S. Xlllf.) noch das Arf^iment
j;elt<?nd zu miU'heu f^esucht, dafi ein Bild, welches (ire^or in der Dankrede
})raucho (c. 2, 17 f.). augenscheinlicli aus Ori<r., Comm. in Joli, t. XXXII, c. 0
rrtaiume und daß dieser Tomus sehr wohl um d. .1. 2iJS publizieii sein könne,
Wf'nn der 22. Tomus (Kusel)., h. e. VI, 28) im .1. 2iir)/(> niederp^esch rieben worden
ist. Allein abgesehen von der Fragwürdigkeit d»'r littorarischen Abhängigkeit
-- warum kann der Tomus nicht auch 240 oder 212 gesc.hri<'ben oder in diesiMi
.Jahren von (Jregor benutzt worden sein?
96 l^io Litterutur des Morgen] audes.
Wann Gregor Bischof geworden ist, wissen wir nicht; doch
sagt Eusebius (1. c), daß er es früh wurde. Wir wissen aber, dali
er, als er den Origenes verließ, zunächst in seiner Heimat Rechts-
anwalt gewesen ist. Damals schrieb ihm Origenes den noch jetzt
erhaltenen Mahnbrief, in welchem Koetschau (a. a. 0.) Anspielungen
auf die Danki*ede bemerkt hat K Daß er die Advokatur ausübeu
konnte, r)bgleich er in Cäsarea kein Jus studiert hatte, ist erstlich
ein Beweis dafiir, daß er schon gelernter Jurist war, als er zu
Origenes kam, zweitens ergibt sich, daß Origenes zunächst als
theoretischer Keligionsphilosoph auf ihn eingewii*kt und seinen
Entschluß, in einen praktischen öflFentlichen Beruf einzutreten, nicht
wankend gemacht hat. Die Wahl zum Bischof erfolgte wie die des
berühmten Ambrosius. Die christliche Kirche raubte sich den her-
vorragenden Mann, wie uns das Gregor v. Nyssa in seinem Panegy-
rikus berichtet: Phädimus, der pontische Metropolit, weihte ihn zum
Bischof Da Gregor schon eine Zeitlang Bischof gewesen war, als
die decianische Verfolgung im Jahre 250 hereinbrach (das berichtet
ebenfalls Gregor von Nyssa) '-, und da er es jung geworden ist,
so läßt sich doch ein ungefähres chronologisches Bild gewinnen,
wenn man rückwärts rechnet. Setzt man die Bischofsweihe um
243 an, so ist Gregor, da der damals „tri vioq"^ war, um 213 geboren.
Nach dem Tode seines heidnischen Vatei-s, 14 Jahre alt, wurde er,
wie dieses Ingenium praecox selbst in der Dankrede (c, 5, 5<n
berichtet, auf die christliche Ecligion aufmerksam. Bevor er zu
Origenes kam, hat er erst rhetoiisclie, dann (3 Jahre) juristische
Studien getrieben. Man sieht auch hier, daß man die Ankunft bei
Origenes nicht wohl fi-üher als auf das Jahr 236 ansetzen kann.
Zwischen 236 und 238 kam er zu Origenes (Familienverhältnisse
führten ihn auf dem Wege nach Berytus in die Stadt Cäsaren",
verließ ihn zwischen 240 und 242 ^ war dann in seiner Heimat
eine Zeitlang Rechtsanwalt* und wurde um 243 Bischof seiner Vater-
stadt Neo-Cäsarea.
1) Mit (Ik'eifn Anr^pioluiigeii luuj» es sich wie immer verhalten — daß dtr
Urief in die Zeit bald nach der Dankrede gehört, hat Koetschau m. E. mit
Uechfc ang<moinnn'n. Die Ki-mahrjungen erscheinen allerdings als sehr elein»"i'.-
tar, ab«T man darf bei <h'r Dankrede (iregorti nicht vergossen, daß ihr Vi '•-
fasser in das weltliehe Leben zurücktrat, daß also — wenigstens iiu Sinne d«'>
Origeneft — «-ine Klnft zw^ischen seiner TlK'orie und seiner Praxis bestand.
2) Er entzog sieh der Verfolgung, indem er ins Versteck ging; er hatr<'
aber bereits — das wird man dem Nyssener glauben dürfen — eine bedeuten«!«'
Wirksamkeit entfaltet.
'S] tJregor von Nyssa fabelt in seinem i*anegyrikus von einer Reise mvli
Ah'xandrien, w«'il er den Origt-nr's dorthin versetzt.
i) Lange wird «*r Cfc nicht geblieben s.*in: OrigeneS; der verehrte Lehn.'.
(iregonus Thiiuiuaturgus. 97
Nach der großen Verfolgung erlebte Gregor die furchtbaren
oten-Einfalle unter Valerian und Gallienus; der kanonische Brief,
en wir von ihm besitzen, fällt nach dem Abzug der Goten aus
em Pontus*. An der ersten Synode gegen Paul zu Antiochien
ahm er sowie sein Bruder teil (Euseb., VII, 27. 28), wahrschein-
ich auch an der folgenden, schwerlich an der letzten; denn sein
lame fehlt dort (Euseb., VII, 30), bez. kann nur unsicher in dem
Theodorus" gesehen werden*-^; spätere Zeugnisse ^ aber sind niclit
ntscheidend. Nach Suidas ist er unter Aurelian gestorben (270
75). Daß er bereits vor der letzten Synode gegen Paul verschie-
len ist, läßt sich nicht erweisen^.
Die spärlichen Notizen, die sich über das Leben des Gregor
►ei Euseb. (h. e. VI, 30; VII, 14. 28. 30), Basilius (De spiritu s. 29);
:p, 28. 204. 207. 210) und Hieronymus (Comm. in Eccl. c. 4; ep. 70, 4)
inden und z.T. schon oben benutzt sind, sind viel zuverlässiger
ils die legendarischen Berichte Gregors von Nyssa [Blog xal ty-
((6fiiop)y des syrischen Anonymus saec. VI (Vita Gregorii) * und Rufins
Zusätze zur Übersetzung der eusebianischen Kirchengeschichte).
Doch stellt sich in diesen drei Berichten der Niederschlag pon-
:ischer Lokaltraditionen dar, der manches Wertvolle enthält*'. Ihr
lat ihm heftig zugesetzt (s. den Brief des Orig.)*f ^'^ selbst, wie neine „Dank-
■ede" beweist, war im Heraen dem weltlichen Leben entfremdet, und der Mi*-
Topolit des Pontus wird sich dieses Rüstzeug niclit lange haben entgehen
assen. War es doch — namentlich für jene halbbarbai'ischen und fast noeli
^anz heidnischen Gebiete — ein unerhörter Fall, daß der Sohn einer der vor-
lehmsten Familien auszog, um sich in Berytus in der Jurisprudenz zu vervoll-
kommnen, und statt dessen mit der religionsphilosophischen Weisheit des g««-
eierten Origenes zurückkehrte.
1) Eine nähere Bestimmung als nach d. J. 254: ist m. E. nicht möglich,
la mehrere Einfälle anzunehmen sind. Gewöhnlich nennt man das J. 'ifiS.
fcVenn im can. 5 Euphrosynus „avyyiQwv" genannt wird, so folgt nicht, daß
iregor damals schon ein Greis war, denn ovyyeQojv ist = avfinQsaßvtSQog.
2) Wäre Theodorus =« Gregorius (was nicht unmöglich ist, da Gregor auch
enen Namen führte], so wäre wohl auch der Bnulei* Athenodorus genannt. Der
^ame „Gregorius" findet sich übrigens schon in dem Brief des Origenes; jüso
lat ihn Theodorus nicht ei*8t als Bischof angenommen. Daß er sich aber auch
päter noch Theodorus genannt hat, ist unwahrscheinlich.
3) S. Ryssel, a. a. 0. S. 18.
4) Die Nachricht bei »Suidas ist freilich von geringem Wert, da er sich
licht selbständig über Gregor orientiert zeigt.
.')) Die Handschrift (Mus. Brit. S'yr. add. 14(>48) ist aus dem G. Jahrhundert,
iyssel hat dieses Stück in der llieol. Ztschr. aus der Schweiz, 1804, 8. 228 ff.
ns Deutsche übertragen. Der syrische Text auch bei Bedjan, Acta Mart.
W. 0 p. 83 tf.
0) Das Glaubwürdige in der Vita des Nysseuers hat Ko et sc hau, Dank-
ede S. VI ff. richtig bestimmt.
Harnack, Altchristi. Litteraturgesoh. U, 2. 7
98 ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
gegenseitiges Verhältnis hat Koe tschau (Ztschr. £ wissensch. Theol.
Bd. 41, 1898, S. 211 ff.) genau untersucht S nachdem Byssel (a.a.
0.) zu zeigen versucht hatte, daß dem Gregor Nyssenns und dem
Syrer eine gemeinsame griechische schriftliche Quelle zugrunde
liege, die dem Anfang des 4. Jahrhunderts angehöre, also vor-
nicänisch sei. Allein die Nachrichten des Nysseners machen durchaus
nicht den Eindruck, sämtlich aus einer schriftlichen Quelle geflossen
zu sein. Koetschau hat sich daher daf&r entschieden, daß beide
(und auch ßufln) auf mündliche Überlieferungen zurückgehen. Diese
Annahme wird dahin zu ergänzen sein, daß f&r einzelne Legenden
über Gregor auch schriftliche Aufzeichnungen schon zur Zeit des Nys-
seners vorhanden waren und an seinem Gedächtnistage vorgelesen
wurden; denn die Übereinstimmungen der Zeugen in einigen Par-
tien lassen sich nicht wohl ausschließlich durch die mündliche
Überlieferung erklären. Der Bericht des Nysseners macht einen
relativ älteren Eindruck als der anonyme syrische.
Eine Übersicht über die Werke Gregors — er ist nicht nur der
wahre Stifter der pontischen Kirche, sondern auch der wirkliche
Bekehrer des Pontus gewesen, s. can. 7 des kanonischen Briefies:
IIovTixol xal XQicxtapol — in besonderer Hinsicht auf die Ecbt-
heitsfrage muß hier angeschlossen werden:
1) Die Dankrede an Origenes; die Echtheit ist unbestritten
(S. o). Die Rede ist vor Origenes und einem großen Publikum iu
Cäsarea gehalten worden^.
1) Vgl. dazu Heinrich Hilgcnfeld, a. a. 0. S. 452ff.
2) Ihre Erhaltung verdanken wir wohl dem Umstand, daß sie Pamphil»''
in seine Apologie für Origenes aufnahm, jedenfalls war sie ihr angefugt; dio>
berichtet Sokrates (h. e. IV, 27). Er schreibt folgendes: IIbqI xovxov xov Fgrr
yoQiov no),vq 6 Xoyog i'-v ts 'Ad^/jvatg xal Btiqvxw (??) xal ok^ xy Uovtt»,
^loixr/afi, wg 6h elnslVf xal naay xy olxovfAtvfj. ovxog yciQ c^ rcwv *A&ijv^(fi
TtaiösvxTjQicov dvaxoiQt)oaq (?) ^v xy BijpvxiJ) vofiovg ifxdvd^ave (?). nvS^Ofifvo^
xs iv xy KaioapBlu xä U^a ygäfAfAata ^g/irjvevftv ügiyevrjv ÖQOfJialQ inl Ti?v
Katadgsiav nageylvexo [das ist unrichtig]. dxQoaaafievoq xe x^g /aeyaXogfcivov
d-ewQiaq xwv \bqwv ygafifidrcDV nolla yßiQSiv flnwv xoTg ^fiatxoXg vofioi;
dxd^QiOXog tjv xov Xoitiov xov )2Qiy^vovg. xal vn avxov TtaiöevMq xrjy dXrfi^i
ifiXoaoiflav xal fxsxd xavxa inl xrjv naxglöa xwv yoviwv xaleadvxmv dvfx^Q^^^
xdxel 71QWX0V fiev la'ixog wv noV.a arj/uHa inoirjas^ voaovvxag d-eganeveov xal
öaifiovag öi* imaxolüiv (pvyaöevwv xal xovg E^J.rjvi^ovxag xoTg xe Xoyoig xal
nXlov xoTg ytvofi^votg im* avxov nQoaayojusvog. fjtifivrjxai 6h avxov xal Dan-
(ptXog 6 jLidgxvg ^v xolg tisqI ^^igiyivovg novrjOeZaiv avxw ßtßkloig, iv oig xal
avaxaxixog Xoyog F^r^yoglov eig ^Qgiylvrjv nugdxeixai. Die Meinung von
Freusch(?n, Sokrates habe die hier stehenden Mitteilungen über Gregor aus
der Ai)ologie des rami)hilu8 geschöpft (Theol. Lit.-Ztg. 1002 Kol. 208), vermag
ich nicht zu teilen ; denn sie sind fast sämtlich falsch und zeigen zugleich Ab-
hängigkeit vom Enkoniium des (iregor von Nyssa.
Gregorius Thaumaturg^s. 99
2) Der sog. kanonische Brief (s. 0.); der 11. Kanon ist nicht ge-
nügend bezeugt, um für echt gelten zu können. Ob die Canones in der
Gestalt, wie sie in die kanonischen Sammlungen übergegangen sind
und uns vorliegen, vollständig sind, ist fraglich K Der Brief scheint
von einer Synode zu stammen, richtet sich aber wohl an den Me-
tropoliten des Pontus, der mit legh Jtajta angeredet wird.
3) Die "Exd^BCig xlözscog. Die Bezeugung (zuerst von Rufln
und in dem ^Eyxci/iiov des Nysseuers) ist nicht ohne Bedenken^.
Oründlich ist dieses in den drei kirchlichen Sprachen über-
lieferte, sehr philosophische Bekenntnis von Caspari (Alte u. neue
<5uell€n z. Gesch. d. Taufsymbols, 1879, S. 1 ff.) untersucht worden,
vgl. auch Kattenbusch, Das apostopL Symbol I, 1894, S. 338 ff.
Die Gründe aber, die Caspari dafür beibringt, daß das Bekennt-
nis zwischen 260 und 270, ja wahrscheinlich zwischen 260 und 265,
abgefaßt sei, sind nicht durchschlagend. Er glaubt, dasselbe setze
die Kontroverse der beiden Dionyse und andere christologische
Kämpfe, die um 260 geführt worden sind, voraus. Allein das Be-
kenntnis wird doch aus den inneren Zuständen der pontisch-kappa-
dozischen Kirche hervorgegangen und zunächst für sie berechnet
gewesen sein. Diese aber kennen wir nicht Die Echtheit scheint
mir überwiegend wahrscheinlich, da innere Gründe gegen sie nicht
aufzubringen sind und dieser höchst originell formulierte „Glaube"
einer starken Autorität bedurfte, um sich einzuführen und zu be-
haupten. Rücksicht auf den Arianismus ist nicht nachweisbar.
4) Die Metaphrase zum Prediger Salom. Diese litterargeschicht-
lich höchst merkwürdige, das Original an Umfang kaum übertref-
fende Paraphrase ist in den meisten Handschriften dem Gregor
Naz. beigelegt; die Autorschaft unseres Gregors hat aber an den
Zeugnissen des Rufin (h. e. VII, 25) und Hieron. (de vir. inl. 65 u.
Oomm. in Eccles. 4) so starke Stützen, daß sie nicht zu bezweifeln
1) S. zum Brief Draseke in d. Jahrbb. f. protest. Theol. Bd. 7, IHSl,
S. 724 ff. Abdruck und Kommentar bei Routh, Reliq. Sacr.^ III p. 256 ff. Die
Einteilung in Canone» ist nicht ursprünglich. Bei dieser Zerlegung können
Stacke des Briefs verloren gegangen sein; das war sogar fast unvermeidlich.
Den Kommentar des Zonaras zum Brief gab D r ä s e k c heraus, Zeitschr. f. wiss.
Theol. Bd. ,37, 1894, S. 240 ff.
2) Nach dem Nyssener ist das Bekenntnis dem (Ir. offenbart worden und
/.war von Johannes, der ihm, die Maria begleitend, erschienen sei und ihm auf
ihr Geheiß die Formel mitgeteilt habe. Die Sache ist deshalb interessant, weil
<iregorius in Pontus und Kappadozien überhaupt den Grund zum kirchlichen
Synkretismus (mit den vorgefundenen Kulten) gelegt hat. Man kann auch ihn
wie seinen großen Namensvetter in Rom den „pater superstitionum" nennen
trot2 seiner sublimen Philosophie. — Das Autogra])h der Formel war nach dem
Nvsscner damals noch in Neocäsarea vorhanden.
7:5«
](Mj Die Littoratur des Morgenlandes.
ist K AVaiin Gregor — aus ästhetischen Motiven — diese Arbeit
niedergeschrieben hat, weiß man nicht Nicht der hebräische Text
liegt ziiginnde, sondern die LXX.
5^ Die nur syrisch erhaltene dialogische Schrift „an Theopomp
über die Leidensunfähigkeit und Leidensfähigkeit Gottes'' ' hat
nach ilirem Charakter — sie ist ganz philosophisch nnd wurzelt
in ihrem Materialc in der griechischen Überlieferung (auch Ver-
wandtschaft mit Methodius ist vorhanden)^ — Anspruch darauf
fiir eine echte Schrift Gregors zu gelten, obgleich es auffallend ist,
daLi die großen Kappadozicr sie nicht kennen^. Dagegen sind
nähere Bestimmungen über Situation und Zeit, wie sie Ryss
(a. a. 0.) und Dräseke*^ versucht haben, als unbegründet abzu-
weisen.
6) Eine von Basilius (ep. 210, 5) zitierte und daher gewiß echte
Atakeitg .yQog AlXiavov (einen Heiden) ist untergegangen. Sie
gab den Sabellianern — seltsam genug bei einem Origenesschfiler
wie Gregor! — Anlaß, sich auf den gefeierten Bischof zu berufen*.
7) Für echt darf man auch den rein philosophischen Xoyoq
y.uf(OMioy6r}q jciqI ^pvxfjg JtQog Taxiavov halten. Daß er nicht etwa
mittelalterlich, sondern alt ist, bezeugen das syrische Bruchstfict
das Lagarde (Anal. Syr. p. 31) und zwei Mss. saec. VIIL, und die
syrische Übersetzung, die A. Smith Lewis (Stud. Sinait I, 1894,
iS. 19 ff.)" aus einem Cod. saec. VII veröffentlicht haben. In der
Übersetzung steht allerdings der Name Gregors nicht, aber der Anfang
der Schrift fehlt, und so ist die ganz unbestimmte Überschrift „von dem
Philosophen" ergänzt worden. Dräseke ist es gelungen, ein äußeres
Zeugnis fdr den in den griechischen Handschriften dem Gregor
beigelegten Logos zu entdecken, nämlich bei Nikolaus von Methone
1) K Oft seh an will auch s?tilistischo Cbereinstimraungen mit der Dank-
n«!»* l)eiii»M*kon.
2) Doiitsdi bei Ryssol, a. a. 0. S. 73ff., s. auch S. 118ff.
:]) S. Overheck in d. Thool. Lit.-Ztg. 1S81 Kol. 280, Bonwetsch in
i\i'V l»rot.ost.. RKnzykl.3 \M\. 7 S. löTf.
\) Di«' Fia^o «lor Lfidr'Tisfiihigkcit (lottes hat mit den christologisclien
Stivitif]fkrit«Mi nichts zu tun, sondern wird im apologetischen Sinne (gegen di»*
ir«Md»'n) b«'handelt. Da. die Schrift nicht christlich im spezifischen Sinne de>'
Wortes ist, hat sio wohl Ixm den Kappadozir-rn keine Beachtung mehr gefunden.
:►) S. Jahr!)b. f. luotcst. Thol. i). Bd., IKS.% S. G34ff. Die Meinung, di.»
frhrift nnisso vor die Risohofsweihe (Jrejrors fallen (so Ryssel u. auch Barden-
Jicwer, l*atrolo«rit-2 s. l.')l\ wird der Tatsache, daß firegor auch als Bischof
i»«'lij^ionsphilosoph jx«'blii*ben ist, nicht j^t recht.
• I) l'nterj^ccrantr«'n sind auch die Briefe, von denen Hieronymus (De vir.
Inl. \\')) spricht.
7) Di'ntseho ( bcrscfzunir von Kyssel im Rhein. Museum N. F. Bd. ."d.
i^!m;. s. jff. s. :{i«tf.
Gregorius Thaumaturgus. ]\)[
(Ztschi-. f. wiss. Theol. Bd. 39, 1896, S. I6G ff., und Byzant. Ztschr.
Bd. 5, 1896, S. 362). Das Zeugnis ist aber zu spät, und die Be>
hauptung, Nikolaus habe hier den Prokop ausgeschrieben, falsch.
Innere Gründe gegen die Echtheit sind m. E. jedoch nicht vor-
handen ^
8) Ebenfi|lls als echt wird sich die Schrift „an Philagrius
(Evagrius) über die Wesensgleichheit" erweisen. Im Syrischen ist
sie unserem Gregor zugeschrieben, im Griechischen steht sie. wie
Dräseke zuerst erkanntet sowohl unter den Werken des Gregor
von Naz. (Migne, Bd. 37 Kol. 383) als unter denen des Gregor von
Nyssa (Migne, Bd. 46 Kol. 1101 ff.) unter dem Titel IIqo^ EvayQior
fiovaxop JitQl ^eoTfjzog. Sie ist aber mit der Schrift „an Theo-
pomp" blutsverwandt, zeigt nirgendwo, daß die arianischen Kämpfe
ihr vorausgegangen sind, und hat die philosophische Art des Thau-
maturgen ^
Dagegen sind die fünf nur armenisch überlieferten Homilien,
die Pitra (Anal. S. IV p. 134 ff. 156 ff. 386 ff*. 404 ff.) zuerst ediert
hat, sämtlich zu verwerfend Loofs hat das bereits für die zweite
bis fünfte nachgewiesen (Theol. Lit-Ztg. 18S4, Kol. 551 fi'.); aber das,
was er zur Eechtfertigung der ersten beibringt (V^er wand tschaft
mit der Schrift an Theopomp), reicht nicht aus, um ein Stück, das
in einer so verdächtigen Umgebung steht, zu halten \ Es sind uns
überhaupt keine echten Homilien Gregors überliefert; denn die
fünf griechisch (z. T. auch syrisch und armenisch) überlieferttii
Predigten auf Maria Verkündigung (drei), auf das Fest der Erschei-
nung und auf alle Heiligen tragen den Stempel der Unechtlieit an
der Stirn.
Des Nachweises der Unechtheit der Schrift 7/ yMrc. (ii{to^
jtloxig (Caspari a. a. 0. S. 65 ff.) und der KB(pa),hia jttin jtloxHo^
iß' (Funk, KGesch. Abhandl. u. Unters. Bd. 2, S. 329 ff.)*' bedarf es
1) Wad es mit dem Xöyoq ngbq <pvkaxit)QiOv V''7V? *ö^ awfjLaio^ im Cod.
i*arits. Suppl. Gr. 920 saec. X. auf sich hat, wi»^^en wir noch immer nicht, da
die Uandüchrift noch nicht eingesehen ibt (dazu eine Notiz bei Elirhard, Die
altchriatliche Litteratur, 1900, S. ;]ül).
2) Patrist. Abhandlungen, lasO, S. lOSft.
.3) So auch Bonwetsch, a. a. 0. S. ir»8, s. aucli Ky««*el in dm .lahrhb.
f. j.roteet. Theol. Bd. 7, 1881, S. 505 ft.
4) Auch eine Bechste, die Conybeare zuerst veröttentlicht hat im ,.Kx
jioaitor**, 189C I S. 101 ft". Conybeare hält «ie für echt. Ein Verlaß ist auch
hier nicht.
5) Dazu kommt, daß das besondere Interesöe an der Virginität der Maria
post partum im 8. Jahrh. etwas auffallend ibt. 8. auch Bonwetsch, a. a. C>.
C) S. auch Dräseke, Patrist. Abh. S. 7Sft. und Laudiert in der Tüb.
Quartalschr. 19(K) S. 895 ff.
\i)2 ^i<^ Littenitur des Morgenlandes.
nicht mehr, obgleich die letzteren in den SS. ParalL (s. Holl in
den Texten u. Unters. Bd. 20 H. 2 S. 158) als Eigentum unsere»
Gregor zitiert werden.
Die Fragmente können hier nicht untersucht werden. Allei»
Exegetische unter Gregors Namen ist verdächtig, da er, wie nicht als
Homilet, so auch nicht als Exeget bezeugt ist. Das^ schließt aller-
dings nicht aus, daß aus echten Werken kurze Bemerkungen über
Bibelstellen ausgezogen worden sind (s. eine solche in den SS.
Parall. p. 159 zu I Kor. 8, 4). Die ausführlichsten exegetischen
Fragmente sind die in der Catena Ghisleri (abgedruckt bei Rys-
sel S. 55 flF., der S. 43 ff. auch dogmatische Fragmente^ publiziert
hat) 2.
4) Flrmilian, Bischof von Cäsarea Kapp.
Dieser Bischof, der eine ähnliche ökumenische Stellung ein-
genommen hat wie seine Zeitgenossen Dionysius von Alexandrien
und Cyprian von Karthago, taucht für uns auf als Bischof von
Cäsarea unter Alexander Severus (s. Euseb., h. e. VI, 26) ^ und als
Verehrer des Origenes, mit dem er korrespondierte, den er zu sich
nach Cäsarea rief und zu dem er nach Palästina reiste (s. oben
S. 33 f. 47 ff.). Daß ihn Origenes für das Christentum gewonnen hat.
wie Gregor von Nyssa sagt, ist unwahrscheinlich. Dagegen ist
die Nachricht desselben^ gewiß zuverlässig, Gregorius Thaum. sei
1) Das uiufangreichsk^ dogmatische, nur arabisch erhaltene Fragiueut
(Ky ssel S. 44 ft*.) ist unecht; denn die chalcedonensischen Bestimmaugen scheinen
vorausgesetzt, und im H. Jahrh. hat man schwerlich die Frage erörtert, ob die
Trinität durch die Menschwerdung ein incrementum erlitten habe. Es muß
übrigens dieses Fragment zusammengehören mit einem anderen (griechischen i,
das sich in einem Wiener Kod. befindet (Ryssel 8. 40) und mit den Wort-eii
beginnt: ix kBv xaO^ ^f*äQ ioti yvwvai xa vTihg rnnäq; denn in dem arabischen
Fragment st^'ht (S. 45) Verwandtes. — Ein paar Fragmente des Pamphilus sind
im Syrischen unter den Namen des <iregor geraten.
2) Zur Kritik der von Pitra veröffentlichten Fnigmente s. Loofs in d.
Theol. Litztg. 1884 Nr. 2:1. — In bezug auf die Notiz S. 480 im 1. Teil diese*
Werkes bemerkt Ehrhard (a. a. 0. 8. 357): „Die Angabe, daß in dem Cod.
Vatic. 18()2 eine Expositio in prov. Salom. unter (iregors Namen stehe, ist
falsch; denn in dem von V. Batiffol, M61. d'arch. et d'hist. 0 (1880) p. 28—48,
publizierten Katalog der griech. Handschr. des Bischofs Lollino von Belluuo.
die in die Vaticana kamen, steht bei dem Kod. US = Vatic. 1802 der Nam^
in-egors Naz., u. nur eine Notiz von späterer Hand, die Batiffol filr die de^
Leo Allatiuß hält, äußert den Zweifel: „Vide an sit Gregorii Neocaesar"."
3) Das iv rovzip (Euseb. VI, 2<)) geht nicht auf das einige Zeilen vorher
genannte bestimmte Jahr des Alexander, sondern auf seine Regienmg überhaupt.
4) Vita (iregorü Thaum. l)ei Migne T. 40 Kol. 005.
Firmilian, Bischof von Cäsarea Kapp. — Pamphilu». 103
mit Firinilian — rcip evjtaxQiöAv Kajtjtaöoxag, xoofiog tJjg kxxXrj-
olaq xäv KaioaQicov yBrofiepog — (bei Origenes) zusamniengetroflFen ^.
Nachdem Firmilian auf den beiden ersten antiochenischen Synoden
gegen Paul mitgetagt, vielleicht ihnen präsidiert hatte \ starb er auf
der Reise zur letzten Synode in Tarsus (Euseb. VII, 30, 3 ff.), also
im J. 268. Er ist demnach c. 40 Jahre Bischof gewesen. In dieser
Zeit hat er in Eappadozien die Wissenschaft gepflegt (in Nachfolge
Alezandei*s) und an den großen, die Kirche bewegenden Kämpfen
teilgenommen. Seine Stimme galt, wie die Briefe des Dionysius
(bei Euseb. VI, 46, 3; VII, 5, 1. 4) und Cyprian beweisen, als be-
sonders gewichtig. Basilius d. Gr. erwähnt (De spiritu s. 29, 74)
„Aoyoi'' von ihm; aber es ist nichts bekannt^. Dagegen liegt ein
Schreiben von ihm im Ketzertaufstreit an Cyprian in lateinischer
Übersetzung vor, über dessen Zeit und Integrität sub ,, Cyprian"
zu handeln ist, da es uns allein in dessen Briefsammlung
(ep. 75) erhalten ist und nur von ihr aus beleuchtet werden kann.
Stephanus von Rom hat ihn exkommuniziert (Dionys. Alex, bei
Euseb., h. e. VII, 5, 4). Die Nachricht des Moses Choren, (bist.
Armen. II, 75) über „viele Bücher", die Firmilian geschrieben hat,
und über eine Verfolgungsgeschichte in der Zeit des Maximian (?),
Decius und sodann in der Zeit des Diokletian [l) richtet sich selbst.
Ob ihr etwas Haltbares zugrunde liegt, läßt sich nicht entschei-
den. Man kann daran denken, daß in dem bei Cyprian erhalteneu
Brief des Firmilian die Verfolgung des Maximinus Thrax geschil-
dert ist
5) Pamphilas.
Pamphilus, der Verehrer des Origenes und der Verehrte des
Eusebius^, ist unsterblich geworden durch seine Sorge für die nach-
gelassene Schriftstellerei des Origenes und für die Bibliothek in
1) Die Märtyrerin Capitoliua in Cäsarea Kapp, rühmte sich (z. Z. Dio-
kletians), daß sie aus dem Geschlechte Firmilians stamme (b. Tillemont,
M6m. IV p. 300).
2) Schon vorher (im J. 250. 1) hatte er sich an der novatianischen Kontro-
verse beteiligt, hatte zu einer antiochenischen Synode mit eingeladen (Dionys.
Alex, bei Euseb., h. e. VI, 46, 3) und hatte (1. c. VII, 5, 1) den Novatianismus
verworfen.
H) Man kann vermuten, daß sie nicht publiziert waren, sondern daß sie
Basilius im Kirchenarchiv von Cäsarea gefunden hat.
4) Aus dem Beinamen „Famphili" des Eusebius (<plXog tov 11.), den er
sich selbst gegeben, schlössen Spätere (cf. Niceph. Call, h, e. VI, 37), er sei der
Sohn bez. der Neffe des Pamphilus gewesen. „Necessarius" sagt Hieronymus,
de vir. inl. 75. Verwandtschaft mit Eusebius ist durch h. e. VII, 32, 25 aus-
geschlossen, cf. Sokrat., h. e. 111, 7. Nach Photius (ep. 73) war Eusebius
' ; hl'- iJtt»*rdtiir dv^ Mnr^enlainlr-r.
-.v-.rra. 3Iit eigener Hand hat er Origenes Kodizes abgeschrielHrn.
:;::e:: KataloL' der Werke des O. und anderer in Cäsarea befind-
.i'rher BQch^-r abgefaßt .'s. o. sub ^origenes**» und zahlreiche Bibel-
•exte konveniert bez. korrigiert und verbreitet. Was in dieser
ilin^icht im ]. Teil dieses Werkes S. 543 ff. zusammengestellt
worden i.st. bedarf teils der Korrektur, teik der Ergänzung K Doch
kann das hier nicht nachjreholt werden. Eine genaue umfassende
r'ntersuchiing über die Eigenart und die Verdienste des Pamphilus
Hill die Bewalirun^r eines guten Bibeltextes und über den Umfang
seiner Tätigkeit ist ein dnngendes Bedürfnis.
Pampliihis kann, da er aus Berytus stammte (s. Mart Pal,
Texte u. Unters, Bd. 14 H. l, S. 85», als Kind den Origenes noch
jreselien haben, aber darüber ist nichts bekannt Nach Eusebins
war er aus voineinnein Geschlecht, lebte früher wie ein Vomehnier
und hat sich nur ausgezeichneten Männern angeschlossen'-; nach
<1»T Sklavi* <lrs i'aiii|>hiliis — ,.a l»luinl»Tinj; lit«Tali«iu or an i^oble «lrca^lu"
«Li j/l»tfor)t). WUn* <l«T lih. II de tid»* adv. Sabt'llium (Migne, Ser. (ir. -4
I». \(i)[i) vr»ri Kusr})ius. ro war»' «Irr ,,}»Kitus illt* vir", der dort genannt ist, wohl
rainpliiluf'. Aber dtT Traktat i>t mit ll()ch^t♦'r Wahrscheinlichkeit uns»'n*m
Kii«<b. ahziiKjinMthcii.
1) S. Khrhard in «l. Könj. i^iaitalKchr. Bd. f) (ISOl) S. 1>-Jlff. u. CentralM.
t. Hil^liotll»•k^w^'S('n \U\. s (ISlUi S. :>S5, HouBset in den Texten n. Unt<•r^.
Hd. 11 H. 1, ISIM, S. \')iy., von I)o]>s(hütz, Kuthaliusstudien in der Zte^chr. f.
K(MMb. IM. lU, ISÜ'.K S. loTH'.. v<»n der (loltz, Text<* u. Unters. Bd.l7 H. 4, I^IH«,
S. \1\\'., Lin<ll. Dir Oktat<Mulikat«'n«' und die LXX-Foröchung, lfK)2, u. ai. Von
• •iiirr i.laimiiUiij^'on «Mj^fniMi Bibrln-zension do i*ami»hihiB darf man wahrscheiii-
lirli so wrnij; spn'rht'n. wi«* V(»n einer sololien d(»s Kusehiui?.
2i S. Trxt»* u. Int^Ts. Hd. M H. 1 S. 77 (Kubebiiisi: „VamphiluB war au>
vornehnior Faniili«' und lohto micli Land^'s^sittr wi<* die Vornehmen" (vgl. S. 7^:
ranii)hilu> hirlt Sklav«Mi; ,,l*oridiynns, drr tnr (»inen Sklaven des Paml)hilu^
«.ralt, in dfi- Lirlic zu <ir>tt al»er und im iM'wnndt'rnswerten Bekenntnisse sein
Bruder, ja noch njohr ein «,'»'1i«'ht«T Solm für «h'u ]*anii»hilus war und seinem
Krziohcr in alh-m ^'licli"j. ...... Mein Hon* l*ani]»hilus — nicht anders ja darf
irh d»'n ^r<'>ttliohon, seligen Pamjihilu« njMinen als mit der Anrede „mein Herr",
er, welcher sn tief in die hei den (Jrieelien bewunderte Bildung eingedrungen
war, dem es zu seiner Zeit in der Kenntnis der dem göttlichen Geist<? ent-
stammt4«n Schrift und des ganzen l'mfangs der göttlichen Wissenschaft niemand
gleich tat." S. S3: „Kr hat ein außerordentlich nilimeswertes Leben geführt:
denn ««r verschnn'ilite und verwarf Reichtum und Hoffart und ergab sich dem
Worte (iottes. Alles urimlich, was ihm von seinen Klt^rn überkommen war,
verkaufte er und verteilte es unt-er die Nackten, Klenden und Armen. Kr aber
blieb in bedürftigem, besitzlosem Lel)en [ist cimi grano salis zu verstehen] und
beschilft-igt^' sich mit andauerndem Studium der göttlichen Pliilosophie. Daher
hattv er Berytus verlassen, woselbst er zugleich an Körper und Erziehung groft
geworden war, und schloß sich, um sein Wiss(»n und seinen Verstand zu bilden,
an vollkommene Männer an, etc."
i\iini»liilii<. !().",
Photius (Cod. 118. 119) war er in Alexaiidrieii Schüler des Pierius
(über dessen Zeit s. o. S. 66 ff.): er wurde dann Presbyter in Cäsarea
(Euseb., h. e. VI, 32; VII, 32; VIII, 13; Mart. Pal. 11. 3), auch Vor-
steher einer Schule und ist daselbst in der Verfolgung des Maxi-
minns Daza am 16. Februar 309 ' mit dem Schwerte hingerichtet
worden, nachdem er am 5. November 307 (De nmrt. Pal. 7; Texte
u. Unters. Bd. 14 H. 4, S. 58 f.) ins Gefängnis geworfen worden war.
Die von Eusebius verfaBt^ Biogiaphie in drei Büchern (De mart.
Pal. 11, 3; Hieron. adv. Ruf. 1, 9) ist nicht auf uns gekoinmen,
ebensowenig die des Pierius, der — ein seltener Fall - seinen
Schüler verherrlicht hat (s. unter ,.Pierius*). Die MuBe im Ge-
fängnis benutzte P., um mit Eusebius zusammen eine Apologie tVir
Origenes (AjioXoyla vjtIq 'SiQiytvov^) zu schreiben (gewidmet den
palästinensischen Konfessoren) , deren 1. Buch uns in der nicht
überall treuen Übersetzung des Rufin erhalten ist (sonst nur wenige
Fragmente)^. Ein 6. Buch hat Eusebius hinzugefügt. Das Werk
•Buch 1 — 5) ist keineswegs, wie Hieronymus in si)äterer Zeit, um
den berühmten Märtyrer angeblich zu entlasten, glauben machen
tollte, wesentlich die Arbeit des Eusebius; dagegen protestieren
i'^usebius (h. e. VI, 33j, Photius (Cod. HS. 117) und Hieronymus
>^elbst (in jener Zeit, da er noch weniger log, s. de vir. inl. 7:)).
^lan hat nach den besten Zeugnissen vielmehr umgekehrt anzu-
i^ehmen, daß Pamphilus der eigentliche Verfasser von Buch 1 — 5
ge-wesen ist. Von Briefen des P. weiß Hieronymus auf (irnnd der
ßiogi-aphie (adv. Enf. I, 9: 11, 23) ^ Was sonst noch genannt wird,
1) Das Jahr VM Hißt :*ich aus d«Mi Anfraboii «Ics Kiisclnus iHTi'chnen: Paiu-
l'uilus wurde am r>. Nov. 307 wnUn- Urhanus mit mohrcroii (irnosKeii vt'rhaftt^t,
^iiR „zwei Jahre" im (Gefängnis (cf. Text<' u. Unters. IUI. 1-1 IL 1 S. SOf.) und
^urde unter Firmilianiip hinj^crichtot. Der IG. F<d»niar (Scl»fitj steht iuu*h S. SS
^'''< cf. De mart. Pal. 11, 7.
2) S. Routh, Keliq. Sacr.^ 111 ]i. ISTtt". IV p. :j:;!»ir. Nach Socrat., h. r.
'^,27 war ihr die Dankrede de.-< (Iregor. Thauni. an«;ehänj^t. Daraus erklärt
*'^ sich vielleicht, daß Fragmeute der Apologie im Syriselien unter den Namen
*!•« riregor. Thaum. gerat^»n sind — rUt^elhaft freilieli, daß sie dabei die Auf-
'^'hrift „ex sermone de re8urr(*ctione*' erhalten haben; s. Hyssel, (Jregor. Thaum.
^'. 47ff. Kin syrisches Stück findet sich nicht untvr den griecliischen Frajx-
^Uenten. Kinnicht in die Apologie hat Sokrati^'s luurh h. e. 111, 7 genommen.
H) Adv. Ruf. 1, U: „li^se Kusebius amator t-t pnieeo vt contubernalis Vani-
I'hili tres libros scri{>8it elegautissimos vitam Vamidiili eontiuentes, in quibus
(.am cetera miriä laudibus praedicaret luimilitatemque eins ferret in ciuduni,
♦ tiam hoc in t-ertio libro addidit: „Queis studio^orum amicus non fuit Tani-
j'hilus? si qu08 videbat ad victum ne(?essariis indigere, juaebebat large qua»»
poterat. scripturas quoque sanctas non ad legendum tantum, sed ad habenduni
tribuebat promptissime, nee solum viris sed et feminis, (juas vidisset lectioni
d»Klita«. nnde et multos eodiees ])raei)ar»ibat, ut cum necessit^is i>oi»osci!*sft
106 ^i*^ Litteratur des Morgenlandes.
ist sehr zweifelhaft oder positiv falsch (so eine aDgebliche Schrift
adv. matlieniaticos , s. Gennadius de vir. inl. 17). Die Pasdo SS.
Pamphili et sociorum ist ein Bruchstück ans Eusebius' größerem
Werk über die palästinensischen Märtyrer (neu ediert in den Ana-
lect. Bolland. Bd. 16 [1897J, p. 129 flF., cf. Violet in den Texten u.
Untersuch. Bd. 14 H. 4)^.
6) Eusebins Ton Cäsarea.^
Eusebius (von Cäsarea, von Palästina, der Palästiner) war
jedenfalls Palästinenser und wahrscheinlich Cäsareenser von Geburt;
daß er in Cäsarea getauft ist (s. den Brief an die dortige Gemeinde,
c. 2), läßt sich allerdings nicht mit Gewißheit folgern (gegen
Lightfoot p. ;J09). Sein Geburtsjahr kann schwerlich später als
um 260 — 265 angesetzt werden (mit Lightfoot p. 309 gegen
Preuschen, REnzykl.^ Bd. 5 S. 60Sf.: c. 275—280); denn (1) rechnet
er (h. e. VII, 26. 31; V, 28; III, 28; Theophan. IV, 30) sein Zeit-
alter von der Zeit der beiden Dionyse an, die 247/8—264/5 bez.
259 — 268 regiert haben, und schließt Paul von Samosata, Mani etc.
ausdrücklich in dasselbe ein, (2) muß er lange Zeit hindurch mit
Pamphilus zusammengearbeitet und die erstaunlich umfangreiche
Durchforschung der cäsareensischen Bibliothek zum Zweck chrono-
logischer, litteraturgeschichtlicher und historischer Studien bereits
abgeschlossen haben, als die große Verfolgung hereinbrach \ Jünger
voleutibiiö largiretur. ».»t ipso quidem proprii operis niliil oiunino scripsit ex-
c«*i>tis opistolis [Dieties Zougiüö des Eusebius entöcheidet gegen alles, was dein
l'. au vSchriffx^n beigelegt worden ist], quaa ad amicos forte mittebat [Eusebiu^^
hat t*i(^ nicht genehcn, sondern setzt sie nur vonuwj, in tantuni se humilitate
deiecerat. veterum aut^ni tractatns scriptorum logebat studiosissime et in eoruiii
nieditatione iugiter verHabatur."*'
1) Vgl. S. (27). 28 f. 41). oStf. 74— 7S. S:i— ST). 87 f. Ol f. 94. 96. 99. ICßf.
(li:}. 11')). 117. 109.
-) Dil' gründlicliHte Arbeit nach den Bemühungen des unsterblichen Vale-
sius ist noch immer der Artikel „EnEscbins" von Lightfoot im Dict. of Christ.
Hiogr. Vol. il (1880) p. Hi^fW Die Überlieferungsgeschichte hat Preuschen
im I. Teil dieses Werkes S. 551 ff. behandelt und in der Protest. REnzykl.'
B<1. 5 S. ()05ff. den Artikel „Eusebiucj" verfaßt. Dort ist die wichtigste Litteratur
bis z. .1. 1897 zusammengestellt, auf welche ich verweise. In der Berliner Aus-
gabe der griechischen KW. ist bisher die Vita Constantini mit den zu ihr
g»*hOrigen Schiiften (Heikel, 1902) und die Historia eccl., Buch I— V (Schwartz
]^.K):>) erschienen. Buch VI — X, das Tontxov (Kl ostermann) und die „Theo-
phania" ((ireßniann) sind unter der Presse. Eine Monographie über E. hat
im 19. Jalirh. nur Stein (Würzburg, iSöii) zu verfassen versucht.
;3) Dies folgt aus der Beobachtung, daß nach den Eclog. prophet. 1, 1 die
i 'hronik damals l)ereits erschienen war. Die Eclogae selbst aber sind mitten in der
Eusebius von Cilsarea. 107
als etwa vierzig Jahre kann er doch nicht gewesen sein, als er
die ungeheuren Stoffe bewältigt hatte.
Wann er mit Pamphilus den Freundschaftsbund (h. e. VII, 32),
in dem sich Eusebius als der Empfangende wußte (nach P. hat
er sich genannt), geschlossen hat, ist unbekannt. Dieser Bund ist
fast das Einzige, was wir aus älterer Zeit von E. wissen (Vita Con-
stant 1, 19 hören wir, daß E. den Diokletian und Konstantin, als
sie durch Palästina reisten, gesehen hat, im J. 296). In der Ver-
ehrung für Origenes und seine Wissenschaft schlössen sie sich zu-
sammen: sie haben diese Verehrung bewährt, indem sie sein Werk
mit eisernem Fleiß konservierten und fortsetzten. Sie vermehrten,
ordneten und katalogisierten die Bibliothek, konservierten, kopierten
und korrigierten die Handschriften, durchforschten die Bibel nach
dem Vorbild ihres Meisters, und Eusebius exzerpierte Tausende
von Rollen und Büchern heidnischer und altchristlicher Schrift-
steller, um den Bibelglauben zu rechtfertigen und zu vertiefen.
Ordnung, Sauberkeit, Zuverläßigkeit — unter diesen hellen Sternen
steht die bibliothekarische und wissenschaftliche Arbeit des Eu-
sebius. Ob er vor 303 zum Presbyter geweiht worden, ist min-
destens unsicher (gegen Lightfoot p. 309). Wir wissen überhaupt
nicht daß er Presbyter gewesen ist.
In der Zeit von 303—313 ist Eusebius sowohl in Cäsarea unter den
gransamen Statthaltern ürban und Firmilian, als in Tyrus, als zuletzt
anch in Ägypten Augenzeuge der furchtbaren Leiden der Christen
gewesen (Cäsarea und Ägypten waren Mittelpunkte der Verfolgung).
Ini letzteren Lande war er am Schluß der Verfolgung (311—313
wd ist vielleicht selbst vorübergehend von ihr betroffen worden,
doch ist das nicht sicher; in Cäsarea war er jedenfalls am Anfang
ond in der Zeit vom Nov. 307— Febr. 309 (in dieser Zeit war Pam-
phUus im Gefängnis, und Eusebius war es vergiinnt, ihn unge-
hindert zu besuchen); in Tyrus war er wohl nur vorübergehend
(die Daten sind aus der größeren Ausgabe der Mart. Pal. zu ge-
^nen, cf. h. e. VIII, 2; VIII, 7—9). Wie er selbst dem Geföngnis
nnd dem Tode entgangen ist, wissen wir nicht. Potammon von
Beraklea hat ihm auf dem Konzil zu Tyrus den Verdacht ins
Gesicht geschleudert, er habe wohl geopfert oder etwas ähnlich
Greuliches getan (bei Epiphan., haer. 68, 8); begründet ist der
Verdacht nicht, und er ist wohl, da keiner der vielen Feinde
VerfolgUDgBzeit geschrieben (s. I, 8). Also ist die bibliothekarische Arbeit für
die Chronik 1 — 2 Jahrzehnte finiher gemacht, und die Ausgabe kann nicht später
als bald nach 303 fallen, wohl aber frilher.
10^ Die* hitti'ratur des Morjrenlamles.
des Eusebius sonst ilin erhoben hat, als eine Verleumdung abzu-
'W'eiseu '.
Zum Bischof von Cäsaiea ist E. nach dem J. 313, aber nicht
später als 315 gewählt worden; denn die Rede bei der Einweihung
der Kirche von Tyius (h. e. X, 4) kann nach der Stelle, die ihr iu
der KG. aufgewiesen ist, und nach ihrem Inhalte nicht nach dem
J. 315 (wohl aber ins J. 314) fallen, und während der noch toben-
den Verfolgung ist er schw^erlich gewählt worden; das würde er
uns erzählen. Daß ei- dem Agapius direkt gefolgt ist — die Aus-
drucksweise in h. e. Vll, 32 ist der Annahme nicht günstig — , ist
wahrscheinlich, aber nicht gewiß ^.
.1. 325: E. auf dem Konzil zu Nicäa, nachdem er bis dahin füi*
Arius (aucli schriftlich bei Alexander von Alexandrien) eingetreten
war, wenn auch vielleicht von Anfang an nicht so unbedingt, wie
Arius und Eusebius von Nikomedien annehmen (s. bei Theodoret.
h. e. I, 4 u. 1, 5); Sozom., h. e. I, 15. Daß er dem Konzile formell
präsidiert hat. ist eine nicht zu erweisende Meinung; aber fest
steht, daß er zur Rechten des Kaisei-s saß, die panegyrische Ein-
leitungsrede an ihn hielt-* — Konstantin feierte damals gerade
seine Vicennalien - und überhaupt der geistige und wirkliche
Führer der Synode war (Vita Const. Prooem.; 111, 11; Sozom., Le.
1. 19), bis er gegenüber Alexander und Athanasius kapitulieren
mußte. Seine Beziehungen zu Konstantin und der kaiserlichen Fa-
milie können erst nach der Besiegung des Licinius begonnen haben
(erstes Dokument, welches aber persönliche Beziehungen noch nicht
voraussetzt, Vita Const. 11, 40). Walirscheinlich ist er überhaupt
1) rotamiuoM liat (leui Kuscb iiiclit vor^«'wort\*ii, daü er beiiie Pflicht ah
l'n'hbvtrr (sofV'ni vr Ca öiirca 'verlassen hat) vtMietzt habe. Auch ist die Tatsache,
dal) er von der Verfolgung; in Palästina unbehelligt blieb, leichter vei'standUcli,
^v^'nn er kein Kleriker war.
'J^ Merkwürdig ist dit' Ausdruekswelse des Alexander von Alex, in seinem
IJrii'i" an Alexand«'j- von KonstantinoiK'l (Theodon^t, h. e. 1, 8) in bezug auf
unsern Eusebius, I 'aulin von Tyrus und Theodotus von Laodicea (ßie sind ge-
meint): otx oid^ onw>: iv SvQia yeLQOTovfi^tvitq inlaxonoi xqeZq 6ia toi*
ovvuivHv (cvTOiq tTii tu '/U()Ov vnfxxaiovoL (Nösselt ]i. 740 j. Was steckt hinter
dieser Wendung? — Nicht berufen darf man sich für die Annahme, Eusebius
sei dem Agapius nicht direkt gefolgt, auf die in dem ( größeren) Verzeichnis
der Unterschriften des Konzils v(»n Ancyra sich findende Nachricht, Agri-
colaus sei als Uischof von Cäsarea Pal. Teilnehmer an diesem Konzil gewesen.
Der Syrer und das Synodicon bieten „Agapius", und das ist wahrscheinlich
korrekt, da ein Bischof Agricolaus von Cäsarea l*al. sonst nicht genannt wird
und die Nann.'n Agiicolaus und Agapius etwas ähnlich sind.
H) Die entgegenstehenden Nachrichten Theodorets (h. e. 1, 0) und anderer
erledigen sich duri;h die Annahme, daß auch einer oder der andere der großen
Bischöfe bei der Inauguration einige Worte an den Kaiser gerichtet hat.
Kusebius von CTisan-u. |()9
erst in Nicäa dem Kaiser nahegetreten; er wurde dann in beson-
derem Sinne sein Vertrauensmann und genoß als großer Gelehrter
die Bewunderung des Monarchen. Dieser korrespondierte mit ihm,
machte ihm konfidentielle Mitteilungen — wahrscheinlich, damit er
sie weitwbericbte — , hörte seine Predigten und nahm lateinisch
fibersetzte Traktate des E. dankbar entgegen (s, Vita 1, 28; II, 0:
III, 60. 61; IV, 36; IV, 45). Daß E. auf den Kaiser theologisch ein-
gewirkt hat, unterliegt keinem Zweifel; wie tief diese Einwirkung
neben der anderer war, entzieht sich unserer Kenntnis. Für manche
kaiserliche theologische Eede mag er das Material geliefert haben.
wenn auch die Behauptung nicht begründet und an sich bei der
Eigenart des Kaisers unwahrscheinlich ist, daß er diese oder jene
Rede in extenso dem Kaiser suppeditiert hat. Auch mit der
Schwester des Kaisers, Konstantia, hat er korrespondiert (s. u.).
Zwischen 325 u. 330: Litterarische Polemik zwischen E. und
dem strengen Nicäner, dem „großen" Eustathius von Antiochieii
(8. Loofs in der Protest REnzykl.'^ Bd. 5 S. ^26; Socrat., h. e. I,
23,8; VI, 13; Sozom., h. e. II, 19).
J. 331: Antinicänisch gerichtete Synode zu Antiochien (Euse-
bius wai" anwesend, s. Äthanas., Ap. c. Arian. 47). Eustathius wurde
abgesetzt; man wünschte Eusebius als Bischof; er lehnte ab (Vit.
Const III, 59 ff.), weil er die Bestimmung, daß ein Bischof nicht
^n einer anderen Gemeinde übergehen soll, nicht übertreten wollte.
J. 334: Versuch einer Synode zu Cäsarea, den Athanasius zu
^t^Srzen (unter Beihilfe des Eusebius), Sozom., h. e. II, 25; Athanas.
^^tbriefe, ed. Larsow, S. 28.
J. 335 (so nach Athanas., Ap. c. Arian. 75 i Aktenstück); das
*^^hr 336, wie Athanas. Festbriefe S. 28 wollen, kann nicht richtig
^^in): Synode von Tyrus (vor den Tricennalien K.s [25. .hili], also
"^ohl im Frühjahr); Athanasius wird gestürzt. Welchen Anteil
^abei Eusebius genommen hat, ist nicht auszumachen: Athanasius
^at ihn als seinen Gegner, aber nicht als seinen eigentlichen Feind
^trachtet. Doch leitete E. die Synode (das Material bei Mansi.
n, p. 1139 ff).
J. 335: Synode und Kircheneinweihung von Jerusalem (Vita
Const IV, 41 ff.; Socrat., h. e. 1, 33; Sozom. II, 26; Theodoret I, 31).
E. ist Hauptakteur bei den Festlichkeiten. Tricennalien Konstan-
tins. Beschluß, den Arius wieder zuzulassen. Beginn der Aktion
gegen Marcell von Ancyra.
J. 335: Synode von Konstantinopel: Eusebius war anwesend
(Äthan., Apol. c. Arian. 87; Euseb. c. Marcell. II, 4). Verurteilung
des Marcell (Socrat. 1,35 f.; Äthan.. Apol. c. Arian. 87, Festbriefe
110 ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
S. 28 etc.). Eusebius hält die Rede De laudibus Constantiiii zu den
Tricennalien.
22. Mai 337: Tod Konstantins.
Der Todestag des Eusebius steht nach dem syrischen Marty-
rologiuni saec. IV., welches auf einen Kalender von Nikomedien
zurückgeht, fest, nämlich der 30. Mai. Im Sommer des J. 341 war
Eusebius sicher nicht mehr am Leben; denn auf der Synode zu
Antiochien dieses Jahres, die in den Mai bis September fällt, war
bereits sein Schüler Acacius als sein Nachfolger anwesend. E. ist
also am 30. Mai 338 oder 339 oder 340 gestorben. Das erst-
genannte Jahr ist recht unwahi*scheinlich, da Sokrates Ql e. II, 4)
den Tod des E. im Zusammenhang von Ereignissen der Jahre 339
und 340 berichtet Eines dieser beiden Jahre ist also anzunehmen.
Werke des Eusebius^
la) Das Leben des Pamphilus (3 Bücher).
Ib) Die Apologie für Origenes (6 Bücher).
Dieses (1 a) fast vollständig verloren gegangene Werk, welches
einen Katalog der auf der Bibliothek zu Cäsarea befindlichen Werke
des Origenes und anderer Schriftsteller enthielt (s. sub „Origenes"),
ist vor der Kirchengeschichte (erste Ausgabe), also nicht lange nach
dem Tode des Pamphilus (Febr. 309) zwischen 309 und 312 ver-
faßt, s. h. e. VI, 32; VUI, 13 und de mart Pal. 11, 3. — Zu den ersten
5 Büchern der Apologie des Origenes (1 b), die Pamphilus im Gefängnis
(Nov. 307 bis Febr. 309, s. oben S. 105) verfaßte, hat E. Beihilfe
geleistet und ein 6. Buch — nicht lauge darauf — hinzugefügt
Er schickte das Buch an die Märtyrer in den Bergwerken im süd-
lichen Palästina.
2) Sammlung alter Märtj'rerakten (Agxalcop ftagrv-
QLcov ovvaymyy]).
Diese als ganze verlorene, in einzelnen Teilen erhaltene, in
dem ältesten Kalender (dem von Nikomedien, s, das alte Martyrol.
1) Eußcbius hat chvas Lat(»inisch gekonnt (h. li. o. IV, 9; VlI, 18; VUI, 17
11. Text<3 u. Unters. Bd. i:} H. 4 S. 'JOf.) und wohl auch Syrisch. Daher kann
ihm auch das Hebräische nicht i^anz unverständlich gewesen sein. Auf einen
jüdischen Didaskalos bemft er sich im Jesaja- Kommentar (zu c. 22, 15 ff. u. 39, 1).
Einige seiner Werke sind sehr frühe ins Syrische übersetzt worden, vieüeicbt
schon unter seinen Augen. Mußte doch auch im Gott<3sdien8t in Palästina das
«iriechische in mehreren Gemeinden ins Syrische übertragen werden (s. meine
Gesch. der Mission S. 42(>f). (Jwilliam in deu Studia Bibl. Oxf. Vol. 11 p. 2Glf.:
,,lt is reasonable to suppose that the works of Eusebius were in part, if not in
whole (?), translat-ed in to Syriac within th(; lifetime of the author; and for the
place of such translations we turn, of course, to Edessa and its iamous school.
In that city was writt^m the Cod. Add. 12150 etc.'*
Eusebius von Cäsaren. Hl
Syriacum saec. IV) benutzte Sammlung ist älter als die „Kirchen-
geschichte**, in der sie mehrfach zitiert wird, und (um ihrer Begren-
zung willen) höchst wahrscheinlich schon vor dem Jahre 303 zu-
sammengestellt worden. Daß sie nur die fünf Stücke enthalten
haben soll, die in der KG. ausdrücklich auf sie zurückgefilhrt
werden (Mart. Polyc, Pionü, Carpi, Papyli et Agathonices, Christ.
Lugdun. et Vienn., ApoUonii), ist unwahrscheinlich. Die „alten"
Märtyrer sind die der Zeit bis Decius (inkl. oder exkl.?). Daß der
Brief des Hieronymus an Chromatius und Heliodorus, der sich auf
die Herstellung einer Martyriensammlung durch Eusebius bezieht
(Opp. Hieron. ed. Vall. T. IX, p. 542), eine Fälschung ist ist wohl
nicht zu bezweifeln. Auch wenn er echt wäre, würde er sich nicht
auf unsere Sammlung beziehen, sondern auf eine umfassende neue,
die Eusebius geplant haben müßte, nachdem Konstantin Herr des
Ostens geworden war.
3) Die Chronik (XQopoyQaq)la und XqovixoI xavoveg),
4) Die Kirchengeschichte {'ExxXrjaiaarix?! lorogla),
5a und 5b) Die Paläst. Märtyrer (IIsqI räv kv IIa-
Xaicxlvxi fiaQzvQfjöavrcop) in zwei Ausgaben.
Die umfangreichen Fragen über Anlage, Ausführung und Edi-
tion dieser drei eng zusammengehörigen Werke können hier nicht
erledigt werden und sind trotz zahlreicher Bemühungen noch nicht
spruchreif. Nur die chronologische Frage soll eine Beantwortung
finden. Ausgangspunkt für die Zeitbestimmung sind die beiden,
oben bereits berührten Stellen in den Eclog. prophet. Nach I, 8
sind diese mitten in der großen Verfolgung geschrieben (. . . fiijöh
fifjp cslead^ai rtjp jtlarip vjto rcop xara xaigovg ÖKoyficip, xal (la-
XiOxa Tov kpeCrwrog vjchg rovg jtcijtore öfpoÖQOTaxa xad-^ fnimp
:xvBVOapxoq, xal roiavra ijciäei^afiipov xara rs tcop ixxXfjOicip
xal jraPTog xov Xaovy ojcola ovt8 ojco ygatpr^g ovrs fifjp hx jtaga-
doaewg aQxala)P rig i/iP7]fi6peva6V. ravra öi (pafisp, ijtel raxa öo-
%BUV aPTtxQvg xara top kpeoxwra öioyfiop rapapxla ovfißsßrjxipai
Tolg slQTjfi^poig, öia xo firiöh ad^goiOfia pvp avpaorapat öoxelp^ f/i^xt
xov xapopa xmp xijg ixxXTjclag aQxopxmp), also zwischen 303 und
311 (schwerlich darf man bis 313 gehen). Nach I, 1 aber waren
damals schon die „XqopixoI Kapopsg'^ verfaßt Cloxtop 6* cog jvqo
Tfjg Jtagovcijg vjtod^iösog Xgopixovg övpxa^apxeg Kapopag. tJtixo-
fii^p X6 xovxoig Jtapxoöajtjjg laxoglag ^EXXrjpc9P xs xal ßaQßaQOfp
avxiJtaQad-ivxBg X7]p Mcovoicog xal xc5p i§ avxov jtQOfptjxcip an-
XaioxTjxa di avxcop jtaQsoxTJOafisp. olg xijp fisxa x^fp«^ öjcogaärjp
axolov&op vjtoXafißdpopxsg^ elxoxoyg fiex* lxelp?jp ijtl xi}p jtaQOv-
aap kXfjlvd^afisp jtgayfiaxslap). Die XQ^^^^ol xapopsc sind also erst-
112 ^^i'- r-<itteratiir «les Morgenlandes.
iiialig nicht später als um das ^. 303 ediert worden; da nns nun
Hierouymiis in seiner Übersetzung und Fortführung der Chronik
herichtet, Eusebius habe dieselbe bis zum J. 325 gefuhrt, so folgt.
daß Eusebius eine zweite Ausgabe derselben nach zwanzig Jahren
veranstaltet hat. Es liegt indes (trotz entgegenstehender Behaup-
tungen) kein Grund vor, in der zweiten Ausgabe eine Bearbeitung
der ersten und etwa im Armenier die Übersetzung der ei-sten zu
sehen '. Die Abweichungen des Armeniera von Hieronyraus (und
den Syrern) sind sämtlich nicht so beschaffen, daß sie auf eine
andere \'orlage schließen lassen, vielmehr sind sie dem Übersetzer
und der Überlieferung zur Last zu legen. Man wird anzunehmen
haben, daß Eusebius seine Chronik für die JJ. c. 303—325 ledig-
licli fortgeführt hat (wobei natürlich nicht ausgeschlossen ist,
dal> er an einigen früheren Stellen Diorthosen anbrachte).
Aufijrund desselben Materials, aus dem die Chronik auferbaut
i>t — eine staunenswert umfangreiche Exzerptensammlung, die in
den JJ. 285—303 angelegt worden sein muß ^ —■, hat Eusebius die
., Kirchengeschichte" (der Chronik nachfolgend, s. d. Praef. zur KG.)
gestaltet. Ist die Chronik insofern detaillierter, als sie nach Jahren
(Regentenjahren, die auf Jahre Abrahams reduziert sind) die Er-
eignisse gibt, während sich die KG. in der Regel auf Kaiser-
regierungen als Faden für die Darstellung beschränkt, so ist die KG.
die viel ausführlichere, weil sie zahlreiche Exzerpte wörtlich bringt,
während sich die Chronik fast ohne Ausnahme mit der kürzesten
Regeste begnügt. Die KG. muß aber, ganz wie die Chronik, zwei-
mal ediert, bez. ediert (mindestens niedergeschrieben) und dann
(mehrmals) fortgeführt worden sein. Der Prolog zur KG. zeigt
nämlich klar, daß, als er geschrieben wurde, die Toleranzedikte
von 313 und 311 noch nicht erlassen waren. Er hätte anders ge-
staltet sein und hätte den Triumph mit Posaunenstößen zum Aus-
druck bringen müssen, wenn er schon eingetreten wäre. Diesen
Triumph kann man doch nicht in den Worten sehen (Prolog § 3):
x(ä rijV LtI näoiv Yasco xal tvusvT] xov oozfjQog /}^c5r avrih^ipiv.
Diese Worte scheinen mir viel zu schwach, um ihn zu schildern,
und beziehen sich überhaupt nicht nur auf die letzte Zeit, sondern
1 Dit's i.st srlioH «loshalb aii.sj^osflilorJ.st'ii, \v«mI «Iit AnutMiier [daa letzti*
l»l;itt tV'hlt) ;uulj I»is z. .1. 325 gegangen i^t, ft?. Sirhot'ii«', Chroiioj^r. l p. 71. ]'M.
Mai» müßt«' al^o droi Ausgaben aiuiehnit'ii, nänilirli z\v»'i nach ileiu J. i-»2r>.
2) Tni .Jo.J »'xistii'if«' alrro auf «1«m- lUbliothrk /u (.'äsaiva (1) ein goiiauor
Katalog «Irr lfaiul<ehrifton, (2) «'in«' unter hi^torischfu nm\ apologetischen (io-
slfhtspunktru g«'niacht(» und g».'onhn't«' Kxzerjiiensannnlunijr — bt.'id«'»s von Euso-
bins (»dt-r untt-r sj.'iufv Direktion veranstaltef.
Eusebius von Gäsarea. 113
auf die ganze kircbengeschichtliche Periode ^ Was der Prolog
nahe legt, bezeugen die sieben ersten Bücher und namentlich der
Schluß des siebenten mit Deutlichkeit Vergleicht man den Prolog
(mit der Ankündigung: xriXlxoi xara xaiQovg rov 6i* aXiiaroq xdi
ßacavfov vjchg rov d^elov Xoyov öcs^^X&ov aycipa, xa r* inl rov-
TOig xal Tcad-^ ^fiäg avrovg fiaQtvQia) mit dem Schluß des 7. Buchs
und wiederum mit dem 8. (bis c. 13, 7), so ergibt sich folgende
Situation als die wahrscheinlichste. Als Eusebius die Niederschrift
der KG. unternahm, war der Befehl zur Niederreißung der Kirchen
schon gegeben und waren bereits unter seinen Augen Martyrien
(die Martyrien der ersten Jahre) erfolgt, aber den Eindruck, daß es
sich um ein Unerhörtes handle, um eine Verfolgung, wie sie
die Kirche noch nie erlebt hatte, hatte er, wie es scheint,
noch nicht. Er gedachte in 7 Büchern sein Werk auszuführen
und am Schluß des 7. Buches die Niederreißung der Kirchen und
die Martyrien der Gegenwart zu verzeichnen. Als er sich aber
dem Abschluß des 7. Buches näherte, war die Situation eine andere
geworden, d. h. sie hatte sich als die schrecklichste Leid- und Not-
lage enthüllt; denn das 7. Buch, welches den Tod des Pamphilus
und die Abfassung der Vita Pamphili voraussetzt (VII, 32, 25), ist
einige Zeit nach dem Februar 309, aber noch vor dem Toleranzedikt
(313) geschrieben 2. Es war nun nicht mehr möglich, den anfäng-
lichen Plan auszuführen und das Ganze in 7 Büchern zu been-
digen. Aber der ursprüngliche Plan und zugleich die Tatsache,
daß derselbe bald nach dem J. 303 zur Ausführung kam, schim-
meii; noch in der Schlußbemerkung zum 7. Buche deutlich durch
(Vll, 32, 32): 'Ev rovroig rfjv xAv öiaöoxcov jtSQiygätpapreg vjtod'e-
0ip, ajto Tfjg rov owTTJgog fi(imv ysveOscog im ttjv xmv JiQocevxzfj'
1) Hält man es trotzdem für wahrscheinlich, daß die Worte auf die Toleranz-
edikte gehen, so müßte man sie ausscheiden, d. h. als später von Eusebius hinzu-
gesetzt erklären; denn (s. oben im folgenden) die Ausführung der ersten 7 Bücher
der KOesch. zeigt klärlich, daß sie konzipiert sind, als die Kirche noch nicht
den Frieden hatte. — Ich glaube noch Spuren davon wahrnehmen zu können,
daß der Plan zur KGesch. noch vor dem Ausbruch der großen Verfolgung
entworfen ist und daß daraus allerlei Inkonzinnes erklärt werden muß, was
sich in der Anlage findet. Doch kommt man über Probabilia hier nicht hinaus.
2) Dafür gibt es noch einen schlagenden Beweis. In h. e. VII, 18 erzählt K.
von der Statue, die von dem blutflüssigen Weibe in Paneas errichtet worden s^ei,
und die er selbst gesehen habe. Im Komment, zu Lukas erzählt er dies aucli
(Migne, Ser. Gr. T. 24 p. 542), fügt aber hinzu: {rovzov xov dSgiavta rov
^Itjaof; elxova ^igeiv Slfyov), ov Magifilvoq tz/c eavzov övaaeßeiag
noLQtQyov h7toi7)aaTO. Maximin hat die Statue beschimpft oder gar nieder-
legen lassen (sie ist später wiederaufgerichtet und von Julian abermals nieder-
frerissen worden). Dies war aber damals, als Eusebius die KGesch.
Harnack. Altcbristl. Litteraturgesch. II, 2. .^
114 ^^ Litteratur des Morgenlandes.
qIcop xad^dQtoiv elg erri ovvxüvovcav xivxB xolL TQicacocia^, q>iQt
t^^g rovg xad^ W^g '^civ vxhQ evceßaiag dvögicafiipov ay&vac,
0001 TS xcu jifjXixot yeyovaOLy xai xolg (isd-* iJldäg elöivai 6ia yga-
fff^g TcaraZsitpiDfisp. Eusebins schloß nim (im J. 312, als er in
Ägypten weilte; denn in diesem Jahre befinden wir uns höchst
wahrscheinlich) Buch VllI, c. 1—13, 7 an die sieben ersten Bücher
unmittelbar an; denn hier ist ein deutlicher Einschnitt Hierauf
verfaßte er die Schrift über die palästinensischen Märtyrer, un-
mittelbar nach dem großen Umschwung im J. 313. Er gedachte zu-
erst sein kirchengescbichtliches Werk dadurch zu ergänzen, daß
er einen Auszug aus jener Schrift ihm beigab, und verfuhr sol
Aber das genügte ihm nicht; er entschloß sich, die KG^schichte
fortzufuhren, indem er VIU, 13, 8— VlIL 16 und IX hinzufügte (Be-
nutzung von Lactant, de mort persec). Dies geschah nicht später
als im J. 313/4; denn am Schluß von Buch IX erscheinen Kon-
stantin und Licinius noch im tiefsten Frieden \ Nach c elf Jahren
endlich fügte Eusebius auf den Wunsch des Paulinus von Tyrus
noch das 10. Buch hinzu. Welche Dioilhosen bei diesen Zusätzen
in bezug auf den Text der älteren Bücher vorgenommen worden
sind und wie sich in der Zeit des Wachstums der KGeschichte
Neubearbeitung und Edition verhalten haben, kann nicht mehr
ermittelt werden. Das Ergebnis ist folgendes:
Nicht später als bald nach 303 erste Niederschrift und wohl
auch Edition der Chronik^.
c. 303—5 P^clogae Prophet.
c. 305— 312; :j Arbeit an der KGeschichte, die nach dem ur-
sprünglichen Plan 7 Bücher umfassen sollte.
Hchriob (d.h. Buch Vll), noch nicht geschehen. Die Kunde von dem Er-
eigniö hätt«. wenn es schon eingetreten gewesen wäre, zu Eusebius kommen
müssen, da die Statue ohne Zweifel in ganz Palästina den Christen bekannt
war. Also ist Buch VII der KGesch. geschrieben, bevor Maximin aUe seine
Oreuel erfüllt hatte.
1) So zählt Eusebius, nach unserer Zeitrechnung sind es 303.
2) Warum er sich nicht mit der längeren Form begnügte, da er das Werk
doch nicht organisch mit der KOesch. verbunden hat, ist dunkel. Vielleicht
erschien ihm die längere Form zu intim und spezilisch auf Palästinenser bo-
recrhnet. Fragen, die das Verhältnis der beiden Formen sonst noch erweckt
und die die Fassung der kürzeren Form hervorruft, muß ich beiseite lassen.
Auch das l*roblem, welches ein Blatt bietet, welches in einigen Mss. dem 8. Buch
folgt, soll hier nicht behandelt werden.
3) Die Bemerkungen gegen Licinius JX, 0, 1. 12 können demnach nur
spätt^rc Zusätze des Eusebius vom J. 325 sein.
4) Dies folgt, da die Chronik der KGesch. (nach der Praefatio der letzteren)
vorhergegangen ist, aus dem chronologischen Ansatz für die KGesch.
Kusebius von Cäsarea. 1|5
307 — 309 Biographie des Origenes (zusammen mit Pamphilus).
309—312 Biographie des Pamphilus.
312/3 Buch I— VII und Buch VIII, 1—13, 7 sind abgeschlossen K
313 De mart Palaest in beiden Ausgaben 2; die kürzere (spä-
tere) ist für die Leser der KGeschichte bestimmt
313/4 Buch VIII, 13, 8— VIII, 16 und Buch IX.
Zwischen Ende 324 und den ersten Monaten 325 Buch X, Ge-
samtausgabe der KGeschichte in 10 Büchern^, gleichzeitig Fort-
führung der Chronik bis 325 ^
6a) Über das Leben Konstantins (4 Bücher).
6b) Konstantins Rede an die h. Versammlung.
6c) Tricennatsrede an Konstantin.
Das große Enkomium auf K. (nicht ,,Blog'') ist nach dem Tode
des Kaisers und der Deklaration der drei Söhne als Augusti (IV,
68), also nach dem September 337 (der term. ad quem ist der Tod
Eusebius' im J. 339 oder 340) abgefaßt. Neue Studien brauchte
Eusebius für das Werk nicht zu machen; die Aktenstücke lagen
1) Genannt hat EuscbiuK von seinen eigenen Werken in der Ktiesch.
(ll die Chronik (I, 1), (2) die Eclog. proph. (1, 2, 27), (3) die Sammlung der alten
Martyrien (öfter), (4) die Apologia pro Orig. (VI, 23. 33. 3(3) — also int das
€• Buch nicht vor 300 geschrieben — , (5) die Vita Pamphili (s. o.).
2) Daß beide Ausgaben, die nur syrisch vollständig (aber auch in «großen
Jfriechischen und lateinischen Fragmenten) erhaltene längere (Cure ton, 1<S01)
wnd die kürzere, von Eusebius selbst sind, ist höchst wahrscheinlich.
3) Um Crispns willen, der am Schluß des Werkes genannt und gefeiert
^ird, kann die Abfassung nicht nach Sommer 326 gesetzt werden. Die Kata-
''^rophe des Licinius ist noch erwähnt (323/4), da« nicänische Konzil und di<*
'^rif^nnalien Konstantins (Juni 325) nicht.
4) Brieger in d. Ztschr. f. KGesch. Bd. 3 S. 586ff. Overbeck, Cber die
Anfänge der Kirchengeschicht^schreibung, 1802. Viteau, De Kusebii Caen.
^»ipHci opusc. negl t(öv iv UaX. fjtaQZvgija., 1S93. Derselbe, La fin perdne
<1<^ martyrs de Palestine in Compte rendu du IIT. Congres scientif. intemat.
'^es Catholiques, 1805. Harnack, Gesch. d(T altchristl. Litt. II, 1 S. Iff., 1807.
Heinrici, Das Urchristentum in der KGesch. des Kusebius, 1894. Halmel,
^« Entstehung der KGesch. des EusebiuH, 180(). Derselbe, Die palästin.
^toyrer des Eusebius von Cäsarea, 1808. Violot, Cber die paläst. Märtyrer
in d. Texten und Unters. Bd. 14 H. 4, 1800. Acta Bolland. T. 17, 1808, p. n:Jff.
%ei wichtige Fragmente aus der längeren Fassung der Mart. Pal.). Mancini,
Della compos. della Hist. Eccl. di Eusebio in d. Stud. storici, T. VF, 1807, p. 321 iV.
•"^•ilmon, Chronicle of Eus. im Diction. of Christ. Biogr. Vol. 111 p. 3481t'.
Mommsen, Über den Oxforder Kodex der Chronik des Hieron. fm Hermes
Bd. 24 (1889) S. 303ff. Derselbe, ebendort Bd. 30 (1805) S. 321ff, [Nachweis,
«laß die EEandschrift der Chronik von Etschmiatzin die Vorlage der übrigen ist].
>^chöne, Die Weltchronik des Eusebius in ihrer Bearbeitung durch Hieron.,
If*00. Die Prolegg. von Schwartz zu seiner maßgebenden Edition der Kirchen-
peschichte (bisher 1. I — V erschienen) st-ehen noch aus.
8*
] 16 Die Litteratur dos Morgenlandes.
bereit, und aus seinen älteren Werken konnte er ganze Partien
abschreiben (s. die Ausgabe Qeikels, p. XXVIII ff.). Das Werk
wird wohl sehr bald nach dem Tode des Kaisers erschienen sein,
also wohl im J. 338; nach ihm hat E. noch die Tricennatsrede (s.
unten) samt Zubehör publiziert Die älteren und neueren Zweifel
an der Echtheit der Aktenstücke (am radikalsten Crivellucci,
Della fede storica di Eusebio, 1888) oder an ihrer Integrität (Victor
Schnitze in der Ztschr. f. KGesch. Bd. 14, 1894, S. 503ff.) sind von
Seeck (Ztschr. f. KGesch. Bd. 17, 1896, S. 52ff., Bd. 18, 1897, S. 321 ff.)
zum Teil, durchgreifend und abschließend von Heikel (a* a, 0.
p. LXVIff.) widerlegt worden ^ Es lohnt nicht, auf sie zurück-
zukommen. Ich selbst bin an der Echtheit niemals irre geworden.
Die .,Rede an die h. Versammlung", die Euseb., Vit. Const IV, 32
angekündigt hat (als Appendix) und die sich in den Mss. wirklich
findet, hat Heikel (a. a. 0. p. XCIff.) dem Konstantin (und dem
Eusebius) abgesprochen \ Ich habe in den sorgfältigen Ausführungen
Heikels auch nicht ein wirklich beachtenswertes, geschweige
1) Daß die Aktenstücke größtenteils Cbersetzungen sind (nicht von Euse-
bius selbst, wie Heikel sehr wahrscheinlich gemacht hat), darf man natürlich
nicht vergessen. — Cbm* ein Bruchstück einer Rede Konstantins, über die Kus«/-
bins nur kurz referiert liat (Vita Const. IV, 55), s. meine Bemerkungen in der
Theol. Tiit/tg. 10()*J Kol. 374 f. zu Mercati, Alcuni Reliquie Liturgiche Am-
brosianc o lU»mane con un excursus sui frammenti dogmatici Ariani del Mai
(Studi «' Testi Nr. 7), 11K)1. Der historische Wert der Vita Const., die man —
es ist noch nicht lange her — in den tiefsten Abgrund verwiesen hat, ist sehr
groß. Was man abzuziehen hat, ist leicht zu erkennen. Daß Kusebius als
Uistorik«'!- hier ein anderer geworden ist, als der er bei Abfassung der KOe-
schichte wai-, ist eine grundlose Annahme; nur ist unser Werk kein historisches,
sondern es enthält Historica. Ks ist nur eine fiiktische, nicht eine beabsichtigte
Fortst^tzung der K<ieschichte. Cberschlägt man, was ein „Knkomiura" (Uimal>
}>ringen und wi«' es roden mußt^^, und erwägt man, was Konstantin der Kirchs
geleistet hat, so winl man in Eusebius nicht mehr das Muster eines skrupel*
losen Schmeichlers s«'lu'n. Cber di(» Grenzen des Eusebius als Historiker h;jt
Lightfoot im Dict. of Christ. Biogr. 111 p. 325f. das Besto gesagt — den Vor-
wurf, er sei (?in zu milder Hiehter, kann man ihm nicht machen.
'Ji Kossignol (Virgile et Coustantin le Grand, Paris 1845) suchtt» Euse-
bius als Verfasser zu erweisen, "Mancini (Studi storici Vol. UI, 1804, p. 92tt'.
2<)7tf.) hielt sie für eine nacheusebianische Fälschung, Victor Schnitze erklärt^'
sie fiir interpoliert (zuglcMch für eini» Übersetzung), Seeck (Ztschr. f. KGesch.
Bd. 18, 18!)7 , S. 312) hielt die ^i'^i'n die Echtheit vorgebrachten inneren
Gründe nicht für durehsehlagend. Jü lieher (Theol. Litztg. 11X)2 Nr. 6) hat
Heikel beigestimmt, der die „Hede" nach der I.Hälfte des 5. Jahrb. ansetzen
will. — Nicht bekannt geworden ist mir Franchi de* Cavalieris Abhandlung:
„Di un franmiento di una Vita di Constantino" in den Studi e Documenti «li
storia e «liritto Bd. IS (1S07) p. Sil ff., welche von Ehrhard (Die altchristl. Litt.
lOlX), S. 7h)[) genannt wird. Mit der eustjbianischen Vita Const. hängt das Frag-
ment wohl nicht zusammen.
Eusebius von Cäsarea. 117
zwiDgendes Argument gegen die Echtheit gefunden, dagegen eine
recht stattliche Anzahl von Merkmalen, die auf die Zeit Konstan-
tins, ja auf seine Persönlichkeit vorzüglich passen. Die seltsam
mangelhafte Bibelkenntnis schließt einen hohen Kleriker aus, das
Material und die Anschauungen — das hat namentlich Schnitze mit
Recht hervorgehoben — zeigen die frappierendste Verwandtschaft mit
Lactantius (und zwai* mit den Div. instit. und mit De mort. persec.)
— wo kommt später dergleichen vor? — ; die gleichsam schwebende
Philosophie ist ganz die Philosophie vornehmer, apologetisch ge-
richteter Dilettanten ; das Christentum der Rede ist die Spezies von
Christentum, die wir für Konstantin teils vermuten, teils beweisen
können. Wendland (Berliner Philol. Wochenschr. 1902, Nr. 8)
liat dieselben Eindrücke gewonnen und sie zum Teil im Detail
begründet. Man darf daher diese Rede — eusebianisch ist sie
gewiß nicht — mit Fug für konstantinisch halten, natürlich in
der Einschränkung, in der es überhaupt längere Reden von Mo-
narchen giebt, d. h. sie werden in der Kanzlei vorbereitet und nachträg-
lich in der Kanzlei redigiert. Der Autoranspruch des Kaisei*s kann
trotzdem groß sein und ist es in diesem Falle allem Anschein nach.
Die Tricennatsrede an Konstantin (Heikel, 1. c. S. CIV ff.) ist
im kaiserlichen Palaste zu Konstantinopel im Jahre :i:i5, 25. Juli
»Tita r\^, 46) gehalten worden. L. c. teilt Eusebius mit. er werde
eine bereits niedergeschriebene Beschreibung der Märtyrerkirche
niit der Tricennatsrede verbinden und edieren. Diesen Plan hat
«r nicht durchgeführt Dagegen hat er mit der Tricennatsrede
(c 1— 10) ein anderes Stück (c. 11—18) verbunden (und einen
Prolog vorgesetzt), das sich aufs engste mit der „Theophanie** be-
rShrt und in der hier besten Handschrift die Überschrift ..Baaüu-
f05' trägt (cf. c. 11 init). Diese Rede ist (c. 11, Heikel, p. TV)
in Jerusalem gehalten. Eusebius hat wohl nachträglich bemerkt,
daß die Zusammenschweißung der Beschreibung einer Märtyrer-
kirche und der Tricennatsrede untunlich sei; er hat daher nicht
jene, sondern nur eine damals in Jerusalem gehaltene Rede mit
dieser verbunden und zusammen ediert Doch scheint die Tricen-
natsrede auch besonders von ihm herausgegeben worden zu sein.
Ahnlich so auch Wendland a. a. 0.
7) Adversus Hieroclem^
Hierokles war zur Zeit der Verfolgung ei-st Statthalter in
Bithynien, dann in Ägj-pten. Dort ist Eusebius später selbst Augen-
1) Ugo^ za VTio fpiXoargdtov elg *A:ioX).(üViov rdv Tvavta öia rr)v '^Isgo-
xXil TtagaXrjip&etaav avtov X€ xal Xqiotov avyxQiatv. — Ilgog tovq vTihg
UnoXXwvloiy xov Tvavtojg ''leQoxXkOvg Xoyovg.
W^ Di«' Littfr^ratur iles Monrenlande«-
zeuge seiner Grausamkeiten gewesen. Aber dieser Statthalter hat
auch mit der Feder die Christen angegriffen (./O ^iXaX^t^g'' [jtQ02
XQioriavovq], s. Lactant.. Div. Inst V, 2; das Pamphlet, das den
ApoUonius gegen Christus aui^spielte, war in Palmyra geschrieben *).
Das Werk ist nicht erhalten, wohl aber Eusebius (nicht umfas-
sende, sondeiTi nur partikulare) Gegenschrift Sie ist vor Euse-
bius' Aufenthalt in Ägypten verfaßt; denn Eusebius hätte es in
dem Buclie doch erwähnt wenn er seinem Gegner in derselben
Provinz gegenübergestanden und seine Wirksamkeit beobachtet
hätte. Sie ist aber wohl überhaupt vor dem Ausbruch der großen
Verfolgung im J. 303 verfaßt; denn Hierokles ist zwar als ein
lioher Staatsbeamter ic. '2u), nicht aber als Verfolger charakteri-
siert, und von der Verfolgung ist überhaupt nicht die Rede. Aus
Lactant, 1. C, folgt nicht notwendig, daß Hierokles erst nach dem
Ausbruch der Verfolgung geschrieben hat Mir scheint Eusebius'
Schrift, die sich sehr merkbar von seinen anderen Werken unter-
scheidet, eine Jugendarbeit zu sein, die zwar nicht die Gelehrsam-
keit, wohl aber die Gravität der späteren Zeit vermissen läßt und
gezierter gesclirieben ist als die späteren Werke. Eusebius selbst
hat sie. wenn ich nichts übersehen habe, später niemals zitiert, ob-
gleich die Gelegenheit dazu nicht fehlte.
Si Ad versus Porphyrium (25 Bücher).
\'on diesem umfangreichen Werke, das fast spurlos unter-
gegangen ist-, gilt dasselbe, was vom vorigen gesagt ist: Eusebius
selbst hat es niemals zitiert, so oft er auch den Namen des Por-
phyrius jrenannt hat. Auch dieses Werk wird daher nicht etwa
eines seiner letzten gewesen sein ^ — nach dem Siege des Christen-
tums hatte Eusebius am wenigsten Grund, sich ausführlich mit
Porphyrius zu beschäftigen — , sondern eines seiner frühesten.
Porphyrius. der sein Landsmann und älterer Zeitgenosse war und
1) S. Ducht'siiif, IX* Macario Magii., Paris 1877, p. 11. Eusebius W-
hauptet (c. 1), das Werk dej* Hierokles sei nach Inhalt und Ausdruck ein un-
vi'r.s(hämt«\< Plafriat an iUtenMi Schriften, besonders an Celsus.
2) Kin neues FrajJTiuent l>ei von der Goltz, Text^ u. ünt<?rs. Bd. 17 H. 4
S. 41 f. — Hier maj? auch foljxendo Eintraj^img in einem (im Kod. 1280 säet-.
XV N. stehenden) Kataloj,' von hviron (Athos-, der im 1. Teil diedes Werkes
noch nicht erwähnt worden ist, ihre Stelle finden (Meyer in d. Ztscfar. f.
Kcir'sch. Bd. 11 S. 156): eioeßiov xtjq xataagela; ßlßkoq negl x^q xwv e^yye-
Xiwv dia(pü){viaq) — elq rov ngotpi^Trjv t]oalav Xoyoi x. xovxd [sie] — nogipv-
glov Xoyoi )! [sie] — xoniTtov Xoyog a — ano/.oylu vnhg oigiyivovg — negl
ßiov na/xfflXov xov fxdgxvgog Xoyoi y — n^gl fiaoxvglov — eig xovg gv \paX-
fiovg vnoinv^fxaxa.
3) Das ist die Meinun}^ des Valesius.
Eusebius von Cäsarea. 119
den Eosebius auch als Zeitgenossen behandelt (h. e. VI, 19; Prae-
par. 1, 9, 20; IV, 6, 2; V, 2, 9), hatte einst in Cäsarea gelebt und
dort üble Erfahrungen mit den Christen gemacht (Socrat, h. e.
m, 23), nachdem er ihnen eine Zeitlang (ob als Zuhörer des Ori-
genes?) näher gestanden hatte. Seine bitteren Angriffe auf das
Christentum und speziell auf Origenes zu widerlegen, muß dem
Verehrer des Origenes und Cäsareenser Eusebius auch als eine
lokalpatriotische Ehrenpflicht erschienen sein. Noch vor 300 wird
er das Werk geschrieben haben, das ihm aber später selbst nicht
mehr genügte — wie soll man sonst das Schweigen über dasselbe
erkläi-en, während Eusebius so oft (s. die KGesch., die Praeparatio,
auch die Demonstr. III, 7, 1, p. 134) aus Porphyiius zitiert?
9) Praeparatio evangelica {Evcr/yeXixr} UgoTtaga-
cxBvrDy (15 Bücher).
10) Demonstratio evangelica (^vaz/ejl^xry Vijrorffeg^c),
(20 Bücher).
Diese beiden großen Werke — von dem zweiten fehlen uns die
letzten 10 Bücher bis auf ein Fragment des 15. — gehören zu-
sammen und sind dem Bischof Theodotus von Laodicea Syr. ^ ge-
widmet In Praep. X, 9, 11 sind die XqovltcoI xapopeg zitiert; aber
da wir nicht wissen, welche Ausgabe gemeint ist (s. oben), nützt
uns dies Argument nichts für die Zeitbestimmung 2. In Praep. XII,
10, 7 lesen wir: dXXa xal eloixt öevQo ol ysppatoi tov ocor^gog
W^v fiaQTVQsg xad-* okr/g rfjg avb^Qconov olxov/iipfjg ov t6 öoxbIp,
oUi To slpai dlxacol re xal tvotßelg doxovifteg xrX. Diese Worte
können nicht vor 303 und nicht nach 313 geschrieben sein. Aber auch
nach Demonstr. lU, 5, 78 herrscht die bitterste Verfolgung^ Dagegen
öach Demonstr. V, 3, 11 herrscht ein blühender Friedens-
2ö8tand: Tlg ö^ra ovp 6g>d^aXfiolg OQcip kv fiiöaig ralg jcoXeaip,
^^ Tf xcifiaig xal XG>()a£^, xad^^ oXrjg tb rijg olxovfitprjg, dpB^ovöag
^c§ TOV OoT^Qog tfiiciv lxxXi]Olag, rovg xe JtQog avrov xvQtevoiiivovg
hoiiq^ xal (ivglapÖQa jtXrjd^rj xAv avxcp xad-coötionipcov xxX., und
1) Bekannter Arianer; er wurde während der Vertblgunj^ Bischof von
Laodicea (Enseb., b. e. VII, 32) und war es jedenfalls noch im J. 335.
2) Ebensowenig nützt die perplexe Beobachtung, daß in Demonstr. VJl,
3, 18 die Quaestiones ad Stephanum zitiert werden, wJihrend in dieHen (p. 912)
Demonstr. I, 3 zitiert wird. S. daiüber unten.
3) *Y) [seil, die Verfolgungen durch Könige etc.] xal aativ elg Sevgo
^((OQOvvxaq ivsgyoifiEvoVj xatanXayfjvai rrjv ngoggr^oiv. tj yag xov ^rjaov
ovifittzog oßoXoyla rovg ^fiovq ei'wS'ev ixxaUiv xwv aQxovxiav. xav firjösvl
yap fpavXov y nsTtQayfitvov tv) xov Xgiaxbv ofioXoyovvxiy xoXdtl^ovaiv ofiolw^
alxiZofiBvoi dta x6 ovofxa avrov, cSc napx(ov dvooiovoywv x^^Bnwxigovgf xx?,.
120 ^^^ Littenitur des Morgenlandes.
in Demonstr. VI, 20, 17 ist die Katastrophe, die über die Verfolger
der Christen in Ägypten hereingebrochen war, vorausgesetzt: ecti
öh ijtl TOVToig rovg Alyvjtrlovg Jtavxaq rovg elöcuXokaTQag, x6 tc
ireQyovv Iv avrotg rfjg elöcoXoXatQelag xvBviia, öwiöetv xaQaxxo-
liivovg döixi vvv xal jtoZka fihp ßovkevofitpovg xaxa xfjg xov
Xqiöxov öiöaöxaZlag, cog ap oißouv avxfjp xal J§ avd-Qcajccov aq^a-
viootBv, öiaoxtöappvfitpovg 6e vjtb xov ß-sov. Somit ist die Prae-
paratio und die Demonstr. I— III (IV) vord. J.313, Demonstr. V (R^) ff.
aber nach diesem Jahre geschrieben. Es ist auffallend, welch eine
große Zahl gewichtiger Werke von Eusebius während der Ver-
folgung (303—313) verfaßt worden ist. Es läßt sich das nur so
erklären, daß die Vorarbeiten — ein ungeheures, geordnetes Zettel-
material — fertiggestellt waren und daß er diese mit verhältnis-
mäßig leichter Mühe zu Büchern zu verarbeiten vermochte. Das
zeigt aufs neue, daß seine großen Vorarbeiten in die JJ. 285 — 302
fallen müssen und daß man daher bei vielen seiner Bücher gar
nicht sagen kann, wann sie begonnen worden sind^
11) Praeparatio P^cclesiastica (ExxXfjOiaaxixf] üqo-
jcaQaöxavTj), (? Bücher).
12) Demonstratio FjCclesia,sticB,CExx?.r]öiaoxix7] ^Ajto-
öac^ig), (? Bücher).
Über diese verlorenen Werke läßt sich nichts sagen, als dali
sie wohl nach der Praepar. et Demonstr. Evangelica abgefaßt sind.
Dies wäre freilich anders, wenn Lightfoot (I.e. S. 331 f.) recht
haben sollte, daß Praepar. ev. I, 3, 12 die Demonstr. eccl. gemeint
sei und daß demgemäß Theophan. üb. 4 dieser verlorenen Schrift
entspreche.
13) 'EXiyxov xal yljcoXoyiag loyoi ß\
Dies verlorene Werk lag dem Photius in zwei Ausgaben (die
zweite 4 Bücher umfassend) vor, die Zeit ist unbekannt.
14) Gtofpdvsca (5 Bücher).
Dieses in einer wohl gleichzeitigen syrischen Ubei'setzung
erhaltene Werk (viele griechische Fragmente) ist durch die zahl-
reichen Selbstplagiate, die Eusebius auch sonst liebt, besonders
bemerkenswert (s. vor allem die Tricennatsrede [d. h. in erster Linie
den BaaiXixog, der ihr angehängt ist] und die Demonstr. evang.,
1) Zum Text der Praepar. s. lloiki^l, De Praepar. ev. Ensebii edendaie
ratione quacstiones. Helsingforb 1888. Kino neue kritische Ausgabe der Prae-
paratio von Gifford in 4 Bänden mit englischer Übersetzung und Noten ist
soeben in London (1903) erschienen. Die Demonstratio ist bisher von der Kritik
und der geschichtlichen Wissenschaft stark vernachlässigt worden.
Eusebius von Cäsarea. 121
ich die Praep.). Daß das Verhältnis nicht umzukehren ist, hat
ightfoot (1. c. S. 333) in bezug auf Praepar. und Demonstr. ge-
jigt In bezug auf die Tricennatsrede, d. h. den „BaoiXixog'^ —
e eigentliche Tricennatsrede hat nur weniges mit der „Theophanie**
imein, s. Heikel, a. a. 0. S. CVI — wird aber die Priorität der
?heophanie" anzunehmen sein, und es erscheint die Hypothese
ightfoots, beide Werke seien gleichzeitig bez. die Theophanie sei
)ch nicht ediert gewesen, unnötig. Glewiß gehörte die „Theo-
lanie" zu den späteren Werken Eusebs (gegen Lee), wenn man
3 auch nicht mit Sicherheit zu den letzten rechnen darf Der
ille, seit Jahren errungene Sieg des Christentums ist überall
►rausgesetzt; Eusebius zitiert das Werk niemals, und das Bestehen
!S unzüchtigen Kultus in Balbek ist trotz Vita Const. HI, 58 kein
jheres Argument für die Abfassung vor dem Edikt Konstantins
igen jenen Kultus. Die Schrift scheint nicht abgeschlossen zu sein,
id das könnte man als Argument für die Annahme, sie sei das
tzte Werk Eusebs, verwerten. Allein das wäre ein sehr unsicheres
rgument Eine neue Ausgabe von Greßmann ist im Druck.
15) IIsq! rfiq xcip jtaXaiwv dpÖQcop Jtokvjtaiölag.
Dieses verlorene, von Basilius M. (De spiritu s. 29) zitierte
^erk ist in der Demonstr. I, 9 flu. und Praepar. VH, 8, 29 zitiert
id charakterisiert (es handelt nicht von den „Geschlechtsregistern",
ie Preuschen, Teil I dieses Werkes S. 572 in1;ümlich angibt).
5 ist (s. die Abfassungszeit der Praeparatio) entweder am Anfang
r Verfolgungszeit oder schon früher verfaßt worden.
16) Bibel-Handschriften.
Die Bibelhandschriften, denen Pamphilus seine Sorge zuteil
3rden ließ, haben auch die des Eusebius erfahren. Über Ver-
eitnng der Codices ab Origene elaborati durch beide s. Hieron.,
-aefat. in Paralip. Über Eusebius' Sorge für Bibelabschriften
if Geheiß Konstantins) s. Vita Const IV, 36f Preuschen meint,
habe sich a. a. 0. nicht um ganze Bibeln, sondern um Lektionarien
handelte
17) Die Sektionen und Canones zu den Evangelien.
Wann diese, dem Karpianus gewidmete Arbeit (s. dazu G william
den Stud. Bibl. Oxf Vol. H p. 241flF.) von E. gemacht worden
'^ ist gänzlich unbekannt.
1) Für die Zurückfiihrung des Cod. Vatic. (B) nicht auf Eusebius, sondern
f AthanasiuB haben sich Zahn (Gesch. des NTlichen Kanons I S. 73 u. sonst),
jstle (Einführung in d. N. T. 2. AuO. S. 149) u. Rahlfs mit guten Gründen
sgesprochen, s. Athanas., Apol. ad Constant. 4.
122 ^^*' Litteratiir des Morgenlandea.
18a) Übersetzung ethnologischer Termini der h.
Schriften ins Griechische.
18b) Beschreibung des alten Judäa (vielleicht von Ebed-
Jesu mißverstanden und genannt: „d^ figura mundi'')
18c) Plan Jerusalems und des Tempels.
18d) IIbqi xd>v xojcixdtv opofiaxcop xciv Iv xfj f^eia
Nur das 4. Stück ist erhalten, und hier sind in der Von-ede
die drei anderen genannt. Geschrieben waren sie auf Aufforderung
des Pauliu von Tyrus, dem sie auch gewidmet waren. Ob das
Werk, in welchem sie zu einer Einheit zusammengeschlossen stiiudeii.
noch mehr solcher selbständiger Stücke enthielt, ist nicht auszu-
machen. Hieronymus hat das 4. Stück bearbeitet und übersetzt,
cf. Prokop bei Klostermann, Texte u. Unters. Bd. 12 H. 3 S. 10^
und s. vor allem Klosterniann, a. a. 0. Bd. 23 H. 2 (1902). Nach
Hieron. (Praef. z. s. i^bers.) hat Eusebius das Buch über die hebr.
Namen nach der Kirchengeschichte und nach der Chronik verfaßt.
Woher wußte er das? Paulin von Tyrus ist im J. 328 Bischof
von Antiochien geworden und nach 6 Monaten gestorben. Nach
dem J. 328 kann unsere Schrift jedenfalls nicht verfaßt sein.
Klostermann's Ausgabe ist im Druck abgeschlossen.
19) //t(>l X7jg xov ßißXiov r&v jrQ0(prjX(5p opofiaoiai.
Die Zeit dieses übrigens nicht sicher echten Stückes ist unbe-
kannt; die Untersuchungen über sein Verhältnis zu verwandten
Stücken (Epiphanius, Chrysostomus) ist noch nicht abgeschlossen.
s. Nestle, Marginalien und Materialien, 1893. Gehört das kui*ze
Stück vielleicht zu den ^ExXoyal jrQo<p. bez. zur Elcaycoy?]?
20) Elg Tovg y'aXfiovg.
Über den Umfang dieses exegetischen Hauptwerkes Eusebs
und die zweifellos zu ihm gehörigen Stücke muß man sich z. Z.
noch des Urteils enthalten^. Mercati ist seit Jahren mit seiner
Wiederherstellung aus den Katenen beschäftigt und hat auch
mehrere Vorarbeiten zu demselben veniffentlicht, s. „Alcune note
di Lett. Patrist.** (Estrat. dai „Rendiconti" Ser. II Vol. 31, 189S:
„L'ultima parte perduta del comm. d'Eusebio Caes. ai salmi^' p. 4 ff.)
und Studi e Testi T. 5, 1901. Die Abfassungszeit läßt sich einiger-
1) Hier sind H von ihm 4 BH. so betitelt: al xXijgovxlcci — al ^Eßpätxnl
hQfiijveiai — x6 Ttegl tonixäjv ovofjidtwv.
2) Ks ischoint zwei Formen «le.s Werkes j^ej^elKni zu haben (s. CyriU. Alex.
}K'i l'itra, Anal. Saera 111 p. 631). Ori^enes ist in großem Üm&ng abjxe-
sehricb(Mi.
Eusebias von Cäsarea. 123
Müen bestimmen. In dem Kommentar zu Ps. 87, lof. ist die Wieder-
anfOndang des h. Grabes und der Bau der Basilika (doch braucht
sie noch nicht fertig gewesen zu sein; im J. 335 wurde sie einge-
'wdht) Yoransgesetzt Der Kommentar gehört also (s. Vita Con-
stant III, 20 ff. 28 ff. IV, 45 f.) der Zeit nach c. 330 an.
21) ^YjtoiAVTKiaxa slg ^Iloatav (15 [10] Bücher nach
Hieron.).
Mit diesem großen Kommentar steht es ebenso wie mit dem
Psalmen-Kommentar: er muß erst sicher hergestellt werden. Auch
or ist in der definitiven Friedenszeit verfaßt, wie die Bemerkungen
zu c. 44, 5; 49, 23; 23, 17 beweisen (die Berufung auf die Chronik
za c. 13, 17 läßt einen Schluß auf das Datum nicht zu). Die Note
zu 49, 23 {AI 61 tovt(dp aQXOvcai. Ö7]Xaö?j al xad^ %xaOrov td^voq
^ccd xaQ^* bxacxrjv kjtaQxictv aQXc^^ ^«i l^ovoiai rij ävtaraxoD ßaöiXela
^fdcacovüVfiBPai xQoq>Av ölx?]v i^vjtrjQhxovfievoi xolq Ivöeiot x^g ex-
^cArjciag vev/iaxi ßaötXixw xa OixrjQtöia xoQ^yovöcu avxolg) hat die
nächste Parallele zu Vit Constant. IV, 28: xatg öh ixxkTjclaig xov
^£0V Tcad^ vJ€BQOXf)v l^alQkxov jtXelöd^ ooa jtaQslxsv, ojöe fihp
^^7Qovg, aXXaxod-i de öixoöoolag im X^QVYk^ Jttprjxcov ävÖQoJp K
22) Kommentar zu Lukas {??).
Die unter dieser Aufschrift veröffentlichten Bruchstücke — ob
sie aber einem Lukas-Komm. angehören, ist sehr zweifelhaft; ein
Teil ist jedenfalls der Theophanie zuzuweisen, s. Sickenberger,
Xiukaskatene des Nicetas in den Texten u. Unters. Bd. 22 H. 4,
W02 — zeigen, daß die Verfolgungen vorüber waren, als sie nieder-
geschrieben wurden; denn die Stellen, wo im Evangelium von
Verfolgungen die Eede ist, deutet Eusebius nicht mehr auf die
Öegenwart Auch wird p. 542 (Migne T. 24) Maximin so erwähnt,
daß man erkennt, er gehört der Vergangenheit an (s. oben S. 113f.l
Die Bruchstücke verlangen noch eine kritische Sichtung und Unter-
suchung.
23) Kommentar zu I Kor.
Es ist trotz des Zeugnisses des Hieron. (ep. 49, 3) sehr unge-
wiß, ob E. einen Kommentar geschrieben hat; denn an derselben
Stelle legt er auch dem Pierius (s. o. S. 69) einen solchen bei, der
doch sicher keinen verfaßt hat.
1) Die in Katenen oder in der Überlieferung sieh tindendeu Bruchstücke
zu Proverb., Cant. Cant. (s. Zahn, Forsch. 2. Bd. S. 238 ff.), Prophet., Daniel,
Matth., Hebr. übergehe ich, da sie ganz unsicher sind.
124 ^^^ Litteatur des Morgenlandes.
24) IleQi öia^copiag evayytklcov.
Dieses Werk, welches aus zwei selbständigen Werken bestand
[Z^jr/jf/ara xäl Xvotig tlg rijv ytveaXoylav xov aoozfJQog rifiAv XQOc
^Tk(pavov, 2 Bß. und Z//r. x. Xvo, elg rijv ävaOTaOLV xov ocoztJQo;
.tQog MaQivov), ist in einer Epitonie (die von Euseb. selbst her-
rühren kann, vgl. Mart. Pal.) vollständig, sonst in großen Bruch-
stücken erhalten. Das Problem, daß in Demonstr. VlI, 3, 18 die
Quaest. ad Stephanum zitiert werden, während in diesen (p. 912,
Migne T. 22) Demonstr. I, 3 angeführt wird (s. o. S. 119), löst sich am
einfachsten so, daß Demonstr. 1. 1 älter, Demonstr. 1. VII junger ist als
unser Werk *. Hiernach wird man nicht irren, wenn man (s. den An-
satz für die Demonstr.) unser Werk +313 ansetzt Es ist bisher noch
wenig durchforscht und ist doch sowohl eine Fundgrube patristischer
Wissenschaft als auch eine besonders charakteristische Probe der
Wissenschaft des Eusebius, ihrer Vorzüge und ihrer Grenzen.
25a) ^11 xov xad^oXov oxoixticiöfjg slcaycoy?].
25b) [AI jreQi xov Xgtoxov) ^ExXoycu jcQo<pr}xixaL
Die uns erhaltenen 4 Bücher 'ExXoyai (vgl. zu Gaisfords Aus-
gabe Nolte in d. Tüb. Quartalschr. 1861 S. 95 ff.) bilden das
6.-9. Buch eines großen Werkes unter dem Titel Elcayrnyi] (über
das 1.— 5. u. 10. Buch lassen sich, da wir nur wenige Fragmente
und Hinweise besitzen, nur Vermutungen aufstellen). Doch ist es
möglich, daß nur die 5 ersten Bücher den Titel Elaaywy?] getragen
haben. Die 'ExXoyai sind nach I. 8 mitten unter den Schrecken
der Verfolgung geschrieben, also zwischen 303 u. 311 (s.o. S. 111).
Bereits in dem ersten Buch der KGesch. sind sie zitiert (I, 2, 27).
Man wird also nicht irren (s. o. S. 1 1 4), wenn man die ^ExXoyal auf
303—305 ansetzt. Das große Material für sie muß Eusebius früher
gesammelt haben, und die ersten 5 Bücher der Eloaya)y7} sind aller
Wahrscheinlichkeit nach vor der gi-oßen Verfolgung verfaßt
'1^) Kaxa MaQXkXXovxov\\yxvQagi:nLOx6xov{2^ViC)i&[\
Die Zeit dieser augenscheinlich rasch entworfenen Schrift ist
durch 1. H c. 4 p. 114f (ed. Gaisford) gesichert; sie ist nach der
den Marceil verurteilenden Synode von Konstantinopel (335) ver-
faßt zur Rechtfertigung derselben, aber Maixell hatte auch ihn
1) Das rrobleiii durch Hinweis da rauf zu lösen, daß die Epitome das
Zitat aus der Demonstr. bringt, dasselbe also nicht im Original gestanden zu
haben braucht (Lightfoot p. 338), scheint mir minder wahrscheinlich.
2) Hier ist die Textgestalt bei Migne (Nolte) neben der bei Oaisford
nicht zu übersehen.
EusebiuB von Cüsarea. 125
selbst, den Eusebius, sowie den entschlafenen* Freund Paulinus von
Tyrus [Antiochien] und den großen Origenes angegriffen (I, 4). Im
J. 335 oder 336 hat Eusebius geschrieben ; denn die Schrift scheint
der Synode auf dem Fuß gefolgt zu sein.
27) ÜQog MaQxeXXov iksyxoc JtSQi rfjg ixxXrjöiaöTt'
xriq d^BoXoylaq (3 Bücher).
Dieses umfangreiche Werk, dem Bischof Flacillus von Anti-
ochien (333—342) gewidmet (s. das Widmungsschreiben), knüpft I, 1
an das vorige an und ergänzt es durch scharfe Widerlegungen
Marcells (in dem ersten sollte bereits die Darstellung der Lehre
M.S eine Widerlegung derselben sein). Es ist die letzte große
Arbeit Eusebs (337 oder 338 ediert), und er hat in ihm alle seine
Kraft zusammengenommen, um den verhaßten, nach seiner Meinung
in jeder Hinsicht haltlosen und geföhrlichen Lehrtropus Marcells
zu überwinden. Wie Athanasius in Arius, so hat Eusebius in
Marcell den eigentlichen Widersacher und den Zerstörer der kirch-
lichen Theologie gesehen. Dieses Werk mußte notwendig das
kleinere, vorangehende, welches nicht gründlich genug war, ver-
drängen, und so kennt Sokrates (h. e. I, 36; II, 20 f.) nur dieses,
nicht aber das erste, und bezeichnet es als „Bücher gegen Marcell".
Auffallend ist es, daß Hieronymus und Photius über beide Werke
schweigen. Daher ist das erste überhaupt nur handschriftlich be-
zeugt^.
28) IIbqI tov Jtaöxct {fivörcxti dpaxaXvtpig).
Für Konstantin nach Vita IV, 35 f. geschrieben zur Erklärung
des Festes und sofort für ihn ins Lateinische (nicht von Eusebius
selbst) übersetzt Das erhaltene große Fragment macht es nicht
wahrscheinlich, daß in dieser Schrift eine Ostertermin-Berechnung
enthalten war; eine solche aber legt Hieron. dem Eusebius (de vir.
inl. 61) bei: „Hippolytus usque ad primum annum Alexandri imp.
XVI annorum circulum, quem Graeci txxaiötxaexTjQlöa vocant,
repperit et Eusebio, qui super eodem pascha XIX annorum circu-
lum, i. e. ippBaxaiöexaerTjQlöa composuit, occasionem dedit." Ver-
faßt ist die Schrift über das Passah (nach der Erwähnung in der
Vita) im J. c. 334/5.
1) ndXai xexoifii]fjikvov. Paulin war im J. 329 (oder 328 llmlv) j^estorbin.
2) In den pseudoaugustinischen Quaest. in Vetus et. Novum Testam., die
der Zeit des Damasus von Rom angehören, heißt es qu. 125: „Memini me in
f[nodam libello Eusebii, quondam egregii in reliquis, legisse, quia nee spiritus
s. sciat mysterium nativitatis domini nostri Jesu Christi, et admiror tantae
doctrinae vimm hanc maculam spiritui s. inflixisse". Wo steht dios bei Euse-
bius? Praepar. XI, 20 findet es sich nicht.
126 I^iß Litteratiir des Morgenlandes.
29) Über den Stern der Weisen.
Die (Teil I S. 585f., cf. Nestle in Ztschr. f. wissensch. Theol.
Bd. 36, 1893, S. 435ff., Hilgenfeld, a. a. 0. Bd. 38, 1895, S. 447ff.,
Nestle, Materialien u. Marginalien 1893, S. 72) erwähnte, in einer
syrischen Handschrift dem Eusebius beigelegte Abhandlung über
den Stern der Weisen fußt auf der Chronik des Eusebius, ist aber
nach Gutschmid und Nöldeke nicht von ihm. Ich selbst habe
die Abhandlung nicht einsehen können. Sie ist ausgezeichnet durch
eine sehr präzise und in sich harmonische Zeitbestimmung, nach
welcher im J. 430= 119 p. Chr., unter der Begierung Hadrians,
im Konsulat des Severus und FulguS; unter dem Episkopat des
Xystus, Bischofs der Stadt Rom, die Geschichte von den Weisen
aus dem Morgenlande „in [den Gedanken von] Männern, bekannt mit
den h. Büchern sich erhoben hat, und durch die Mühen der großen
Männer von veischiedenen Orten wurde sie vorgesucht und gefunden
und geschrieben in der Zunge derer, welche diese Sorge trugen*'.
Hinter diesen nicht durchsichtigen Worten scheint etwas Haltbares
zu stecken und zwar etwas für die Ausgestaltung des Matthäns-
Ev.s Wichtiges; aber man wird bei dem Abgerissenen der Nachricht
doch Bedenken tragen, auf die Stelle etwas Sicheres zu bauend
30) Rede zum Preise der Märtyrer u. andere Reden.
Die im J. 314 oder 315 gehaltene Rede zur Einweihung der
Kirche in Tyrus ist in h. e. X, 4 auf uns gekommen, die Vicennats-
rede v. J. 325 zu Nicäa (Vita III, 11) fehlt, die Rede über das
h. Grab (Vita IV, 33. 46) ebenfalls, die Tricennatsrede v. J. 335
besitzen wir noch zusammen mit der Rede Baoihxog (s. Vita IV,
4 5 f. u. oben fS. 115ft'.). Desgleichen ist uns im Syrischen die von
Ebed-.Tesu verzeichnete Rede auf die h. Märtyrer erhalten; sie ist
bisher nur im Jonrn. of Sacred Literature N. S. V p. 403 ff. (über-
setzt von Cowper, 1. c. VI p. 129ff.) gedruckt worden. Die in
die unbedeutende Rede eingeflochtene antiochenische Bischofsliste
macht es, wie Lightfoot (p. 344) mit Recht bemerkt, wahrschein-
lich, dal> sie in Antiochien gehalten worden ist Die Zeit ist nicht
zu btstinimen. — Von der Rede über „Regenmangel", von Ebed-
Jesu erwähnt, wissen wir sonst nichts.
31) Briefe^
1) Ein nur in Fragmenten erhaltener Brief an Alexander von
Alexandrien (nacli den Acta Conc. Nie. secundi, Act VI, Mansi
1) In den Quiu^st. :ul Stephan, hat sich Eusebius eingehend mit dem Storn
befaßt.
2) Eint; Briefsammlung des Eusebius lag dem 2. Konzil von Nicäa vor,
f?. Mansi T. XIH p. 316.
Eusebius von Cäsarea. 127
III p. 317 war er nicht der einzige an ihn) ist vor dem nicäni-
hen Konzil um das J. 318 geschrieben. Eine genauere Da-
Tung ist unmöglich, da die Anfänge des arianischen Streites auch
At genauer datiert werden können.
2) An Euphration, Bischof von Balanea Syr., der ein Ortho-
xer im Sinne des späteren Nicänums war. Vor diesem Konzil
. dieser bei den Athanasianern besonders berüchtigte, uns nur in
3nigen Fragmenten erhaltene Brief geschrieben.
3) An die Kaiserin Konstantia, die Schwester Konstantins und
^mahlin des Licinius, eine strenge Arianerin. Der fast voU-
ändig in zahlreichen Fragmenten erhaltene, freimütige Brief,
tssen Echtheit ohne hinreichenden Grund von Lee („Theophanie"
LXXII)nach dem Vorgang desPetavius bezweifelt worden ist
:e schreiben ihn dem Euseb von Nikomedien zu), ist von den
:onoklasten mit vollem Recht ausgebeutet worden. Der Brief ist
die Zeit vor 324 zu setzen, wenn die Aufschrift „Augusta",
iter der er auf dem 2. nicän. Konzil erwähnt ist, richtig ist; denn
kch dem Sturz des Licinius war Konstantia nicht mehr Augusta,
ndem „nobilissima feraina" (s. Seeck in Pauly-Wissowa,
Enzykl. Bd. 4 Kol. 958).
4) An die Gemeinde zu Cäsarea — Eusebius erklärt und be-
honigt hier seine Annahme der Nicänischen Formel. Geschrieben
n Nicäa im J. 325.
5) An Karpianus (s. o. S. 121).
6) An Flacillus (s. o. S. 125).
7) Briefe in Sachen des Arianismus vor dem Nicänum.
Auf die ganz zweifelhaften oder sicher unechten Werke, die
1 1. Teil p. 584 fF. angeführt worden sind, gehe ich nicht ein, ob-
eich die Liste vermehrt werden könntet — Zur „Theophanie" vgl.
ichträglich die die Textüberlieferung und den Text sorgfältig be-
ndelnde Abhandlung von Greßmann in den Texten u. Unters.
1 23 H. 3 (1903). Die Abfassungszeit ist hier (S. 38flF.) wie von
is bestimmt: um das Jahr 333, wahrscheinlich (aber nicht sicher)
►r der ganzen Tricennatsrede.
1) Erwähnt sei nur, daß dem Eusebiurf im Cod. Paris. Graec. 1452 fol. 12S
f Pasöio Onesimi zAigeschrieben wird: ^A&Xtjaig rov ay. x, ivdo^ov dnooxoXov
Tjaifjiov (naS'rirov yevofxevov TlavXov x. dnoar. avyyQaifHaa naga Evoeßlov
V UafiffiXoVf ferner das Fragment über die Märtyrer inl Mdgxov ^Avtovivov
l Aiovxiov BriQoVy ediert von Tri arte, R<^g. Bi>)l. Matrit. Codd. Gr. ms. Ma-
W \ \\ 548—552.
Drittes Kapitel.
Orientalische Schriftsteller, die von den Alexandrinern
unbeeinflusst oder ihre Gegner sind.
1) Bardeganes nnd das Werk iJfQi eifiag/uivtiq (wahrscheinlich
von Philippus, einem Sehfiler des Bardesanes). Prepon«
Bardesanes (in Edessa), der Freund Abgars IX., lebte von 154
(11. Juli) - 222/3 und hat sich bereits unter M. Aurel (s. Euseb^
h. e. IV, 30, Epiphan. haer. 56) bekannt gemacht (s. den 1. Teil
dieses Werkes S. 184 ff. u. den 1. Bd. dieses Teils S. 534). In
welclKT Zeit seines Lebens er die hauptsächlich von Ephraem uns
überlieferten Hymnen gedichtet hat, durch welche er der Schöpfer
der syrischen Kirchengesänge und des Kirchenlied-Metrums über-
haupt geworden ist^ läßt sich nicht ermitteln. Der Konflikt mit
einer katholischen Partei in Edessa scheint unter dem katholischen
Bischof daselbst, Palut, den Serapion von Antiochien geweiht haben
soll (also zwischen 190/1 u. 211 2), ausgebrochen zu sein (Doctrina
Addaei ed. Phillips p. 50). Hippolyt weiß in der Refut (VI, 35
u. Vll. 31), daß Bardesanes zur valentinianischen Häresie gehört-
und daß der assyrische Marcionit Prepon gegen diesen „Armenier"'
geschrieben hat**. Wohl durch Vennittelung Victorins von Pettau
ist die Kunde Hippolyts zu Primasius gekommen, der den B. unter
1) Nach Sozoni. li. t». III, 16 (cf. Thoodoret, h. i\ IV, 20) gebührt ewt dem
Snlnio des nanh'sancs, Jhinnonius, dieses VcnlienBt. Daß dieser auch Griechisch
vt'rutanden (er soll rs in Athim pclcrnt haben), erzählt Theodoret, h. f. I, 22.
Hannoniiis hat wohl die Jlyniiien 8eiii«*s ^'aters j^esammclt, ediert und vielleicht
v»'rnichrt.
•J) Narh Kiis(fbiiiH (h. e. IV, ')0) war or erst Valentinianer, danu entfemt^^
vr sich von Vah'ntin, bekäninfto ihn, bihh»t<» aber auf dem Grunde der valenti-
nianisrhen eil»» citifene Irrlehre aus.
'.\) I*or])hyrius, (I)«» ab.stin(?nt. IV, 17) und llicron.ynius (Adv. Joviu. H, 14 1
ju'nnrn ihn eha'ii IJabylonirr, Kusebius i l'rai'pnr. ev. VI, 9f.) u. a. einen Syrer.
I") Dali Dardrsanos st-incrseits die Marcioniten bekämpft hat, bericht<^t
Fiusebiiis (h. e. IV, 30) nnd Theodon-t, h. f. I, 22 (cf. Moses v. Clioren. FI, 66
p. 185 f. ed. Whistnn). Cber Prepon's Schrift ist sonst nichts })ekannt.
Bardesanes und -«las Werk Ile^l (Ifiapfiivi^g. 129
den häretischen Christologen neben Valentin aufzählt (Komm, zu
^pok. 12, 1, Migne, Ser. Lat T. 68 p. 873). Die syrisch-griechi-
schen Kirchenväter von Eusebius an haben mehr von Bardesanes
gewußt, aber geben uns doch nur eine sehr trümmerhafte Kunde.
Die wenigen durchsichtigen und haltbaren Nachrichten über sein
Leben sind aus den von mir Teil IS. 184—191 zusammengestellten
Testimonien zu abstrahieren. Er war ein reicher Mann in glän-
zender Stellung (s. auch Acta Abercii, Acta SS. Oct. IX p. 512 c. 36).
Von den Werken des Bardesanes^ haben die 150 Psalmen
<Kphraem, serrao adv. haer. 53, Opp. syr. II p. 554) die gröWe
£edeutnng in den folgenden Jahrhunderten erlangt; nur sehr
i?reniges von ihnen ist aber bei Ephraem erhalten^. Derselbe macht
Andeutungen in bezug auf andere Schriften des B., die aber so
unbestimmt sind, daß sie sich nicht fassen lassen. Sicher ist (s. o.\
daß er gegen Häretiker, namentlich gegen Marcioniteri, geschrieben
hat, und zwar in dialogischer Form (s. Euseb.). Obgleich diese
l3ialoge aus dem Syrischen von Schülern ins Griechische übersetzt
'forden sind (1. c)^ hat sich doch in keiner der beiden Sprachen
in primärer Gestalt etwas von ihnen erhalten. Auf Grund von
Aditteilungen einer indischen Gesandtschaft, die zu dem Kaiser
^ Antoninus aus Emesa" geschickt worden war und Kdessa passierte,
liat Bardesanes über indische Dinge geschrieben^. Nach Eusebius
liat er ferner Schriften .,aus Anlaß der damaligen Verfolgung*"
(welcher?) verfaßt Es liegt nahe, an die syrisch geschriebene
pseudomelitonische Apologie hier zu denken, die nicht vor der Zeit
des Septimius Severus (aber auch nur wenig später) verfaßt ist
^nd die wir noch besitzen (s. den 1. Band dieses Teils S. 522 f.):
Aber daß sie von B. stammt, läßt sich leider nicht wirklich be-
1) Kpi]>hun. (p. jG, 1): Xoyov^ ovx oXiyovg ovveyQaiffato.
2) über die Hymnen in den apokryphen Thomasakten s. dort. Kphracui
'i^nnt als Vorgänger de» B. (hymn. 22 p. 485) einen gowirisen Kukus (Ciieiijo):
iiFaratuft ei:t gregem Valentinus ex eccleBia eiimqne vocavit. suo nomine, app(»l-
'Ävit eum nomine suo Cucus, fiiratus est eiim calliduB Bardesanew", und 8])rioht
^^ch sonst (p. 440. 493) von Kuciton. Auch andere erwähnen sie; die Haupt-
^uellc ist Maruta (h. Texte u. i;nt<'rs. Bd. 19 H. 1 J^. lüf.V, nach seinen An-
gaben ißt es wahrscheinlich, daß sie eine judeneliristli<-h-^nost.is«*hp Sekte waren.
3) Nach Kpiphan. h. 50 «oll auch Bardesanes seihet < Jrie('his<'h verstände»
"^H wie e» scheint, geschrieben haben.
4) Sie erschienen dem l'orpliyrins so interes>ant, daß vy si«* •/. T. an.s<je-
«K-hrieben hat (De abstinent. IV, 17 u. De stv*^e^; ilm wiedennn hat Stobäns
«Mgegchrieben (Kclog. i»liys. I, 4, 7ii\]: li'öol ol inl xii^ ßaaiXdaq xov lAvxwvivov
Tov i( ^Efisawv elQ xt^v Zvgiav BaQÖTfadrtj xto tx Mfoonoxafiiaq flq Xoyovq
ttf 1x6 fjLtvoi i^ijy7}aavxo , wq 6 B. rxrtyQaii'ev .... IJegl ob 6 B. xdSe yQüOfirt
\B7iaui yaQ tdxsivov xaza Xt^iv\ Ks folgt ein längeres Fragment.
Harnaek, A1t<;bri8tl. Littcraturgcsel). II, 2. 9
130 ^ic Litteratur des Morgenlandes.
weisen (doch s. untenj. Moses Choren, nennt und benutzt eine
historisciie Arbeit des B. zur armenischen Geschichte. Während
man früher skeptischer war, ist es jetzt wahrecheinlich geworden,
daß Moses eine solche wirklich vor sich gehabt hat^ Georg, der
Araberbischof (s. Ryssel, Georgs des Araberbischofs Gedichte u.
Briefe, 1891, S. 48), nennt in einem Brief vom J. 714 den Barde-
sanes ^den alten und durch die Kenntnisse der Naturereignisse
berühmten Mann" und zitiert aus einer astronomischen Schrift des-
selben „über die gegenseitigen Synoden der Sterne des Himmels".
Unter den Dialogen des B. hebt Eusebius einen besonders
hervor, den jtsqI tliiaQiiivriq an Antoninus; kirchliche Schriftsteller
des Ostens haben ihn später auch noch zitiert^; er war augen-
scheinlich der bekannteste^ Das hartnäckige, aber ganz unbe-
gründete Vorurteil, dieser Dialog müsse identisch sein mit einer
Schrift, aus der Eusebius in der Praepar. ev. (VI, 10, 1 — 48) zwei
große Bruchstücke mitgeteilt hat, hat erst Nau* zerstört Diese
beiden Stücke hat Eusebius (VI, 9) so eingeführt: üagad^aofiai
öi Ooi xäl rmvöe xaq djtoöel^eig l§ ävÖQoq Hvqov fisv xo ytvog.
kjc axQov 6e r^g XaXöaXxfjg ijtiorrjfirjg ikrjXaxoroc. BaQÖr/odpfjs
i) ßardesanes war zeitweilig (während einer Verfolf^np, vielleicht unter
Caraciilla?) in dem eigentlichen Armenien, fand aber dort als Missionar keine
Wirkpamkeit, s. Moses Choren.
2) Nach Kpiphanins ih. 5(1) war er gegen den Astrologen Abidas gerichtt^t.
3' Ob Kusebius unter „Antoninus" einen Privatmann oder — was wahr-
scheinlicher — einen Kaiser diesos Namens verstanden hat, ist zweifelhaft
(Hieron. hat Marcus Antoninus eingesetzt). Aber selbst wenn es ganz sicher
wäre, daß Eusebius einen Kaiser Anton iiuis gemeint hat, wüßten wir doch
nicht, wen Bardesanes selbst ins .Auge gefaßt hat. Moses Choren. II, 00 schreibt:
„Bardesanrs t'tiam ad Antoninum epistolam scribere ausus est". Hilgenfeld
(Ketzergeschichte 8.517) nimmt demgemäß an, B. habe an den Kaiser Kl agabal
ein Schreib«'!! (zugunsten der Cl!ri8ten) gei'iehtet. Allein es liegt nahe, in der
Angabe des Mose^ nur ein Mißvcirstiuidnis der Tatsache zu sehen, daß die
Schrift 7ie()l slfiaQfitvijq an einen Antonin gei'ichtet war. Will man das nicht
ani!ehu!en, so kann man daran denken, daß die pseudomelitonische Apologie,
die sich al.s „Oratio ad Antoninum Caesareni" gibt, geiueint sei, und könnte so
ein freilieh nocli recht unsicheres Aignment für den Ursprung dieser Schrift
von B. gewinnen. Kin ebenfalls unsicheres Argument ist in dem Hinweise auf
die Nu(!lii'icht bei Barhebriius gegeben (s. T. I dieses Werkes S. 190), B. habe
vor seinem Cbeitritt zum Christentum dei- I*i'iest<'rkaste zu Mabug angehört.
Mabug inid seine IVi<^ster aber .»^ind dem Vei*fasser der pseudomelitonischen
Apologie ({'.. f)) ganz besonders gut bekannt, und in einem Atem mit ihnen
nennt i'i- Kdessa. Daß B. sich untei* M, Auiel stan«lhaft gezeigt und beinaht'
Märtyrer geworden wäiv, berichtet Kpi]»han., ha(?r. 50.
4) Nau, Ihie bidgraphie inedite de Ba!'desane l'asti'ologue, tiree de l'hi-
st-oire de Michtd le (Jiand, patria!The d'Antioche. Taris iS97. Derselbe, Bar-
<lesan rastrologue, Le Üvre des lois des pays, Paris ISOO.
Hardesanes und da«) Werk IJegl elßaQfJtivriQ. \^i
ivoiux xA avÖQl, oq iv rolg JtQog rovg ItalQovq diaXoyoiq rads Jirj
pvrifiov&oBxai tpavat. Daß B. der Verfasser der Dialoge ist, ist min-
destens nicht deutlich gesagt; er kann auch nur der Int.erlokutor
in diesen ^Dialogen an die Freunde" sein, ja diese Auffassung ist
^gar die nächstliegende. Daß es sich um Bardesanes' eigenen
Dialog xbqI slfiaQfiiprig handelt, wird lediglich eingetragen. Diese
beiden Bruchstücke nun finden sich (1) wesentlich identisch wieder
in den pseudoclementinischen Rekognitionen (IX, 19 ff.), wie wenn
^ie zu ihnen gehörten, und (2) in einer im J. 1855 uns zugänglich
gemachten syrischen Schrift: „Buch der Gesetze der Länder** ^
^ie zu erwarten, gibt sich dieses dialogische Buch nicht als ein
"Werk des Bardesanes, sondern als ein solches eines seiner Schüler
<8elir wahrscheinlich eines Philippus, der in der ersten Person
redet). Bardesanes selbst wird aber redend eingeführt. Die Mei-
nung, daß das Buch von den Bekognitionen abhängig sei, die
flilgenfeld vertreten hat 2, ist an sich unwahrscheinlich und nicht
bewiesen. Die Rekognitionen sind vielmehr, wie Merx und Nau
gezeigt haben, von dem Buche abhängig. Merkwürdig aber ist,
■daß das Exzerpt bei Eusebius und das Exzerpt in den Rekogni-
tionen sehr verwandt sind und Eigentümlichkeiten gegenüber dem
syrischen Buche gemeinsam haben. Das ist entweder so zu er-
klären, daß die Rekognitionen von Eusebius abhängig sind'^ oder
<Jaß Eusebius und die Rekognitionen eine andere, ältere Rezension
"des Buchs benutzt haben^. Dieses selbst ist schwerlich ursprüng-
üch syrisch geschrieben*; denn griechisch ist das Werk gedacht,
^üd sein Verfasser ist augenscheinlich durch eine griechische Philo-
^phenschule hindurchgegangen. Griechisch ist ja auch das Werk
^on Eusebius und dem Verfasser der Rekognitionen benutzt worden,
ßaß es größtenteils aus Anleihen besteht, welche die Schüler bei
4er Gelehrsamkeit ihres Meisters Bardesanes gemacht haben, ist
^ohl anzunehmen. Aber was dem B. in dem Werke gebührt, läl>t
^ch natürlich nicht sicher ausscheiden. Es ist gewiß nicht vor
i^m Tode des B. niedergeschrieben und gehört demgemäß frühestens
in das 2. Viei-tel des 3. Jahrhunderts.
Ob die Werke des Bardesanes,welche der Fihrist nennt (Flügel,
Mani S. 85): „Das Licht und die Finsternis" — .das geistige Wesen
1) Cure ton, Spie. Syriaciini. Ciiroton hat. auch eine en^lirjch»» Cbcrsetziin«:^
<7t*f^eben, Merx (FWdeHaiios von Edcssa, ISO.')} oine doiit.'-ch»', Nau (a. a. 0.)
^•inf» tenzösischc.
2) Hilgenfcld, HardosanoK, dor let/tt* (Inostikor, lSO-1.
3) So Nau.
4) Nähere« s. unt-er „R<»ko^nitionen des ClonienB".
5) Gegen Morx.
^32 ^*ß Litteratur des Morgenlandes.
der Wahrheit"* — „Das Bewegliche und Feste*', wirklich von ihm
herrühren oder seiner Schule angehöien, wissen wir nicht sicher;
denn es hat sich nichts aus ihnen erhalten (sofern nicht das oben
angenicrktii Zitat des Araberbischofs Georg auf eine dieser Schriften
zurückgeht). Doch ist es wahrscheinlich, daß sie dem Bardesanes
selbst g(:bühren: denn der Fihrist unterscheidet Schriften der späte-
ren Bardesaniten über dieselben Themata von jenen. Auf Schriften
von Schülern des B. spielt auch Philoxenus v. Mabng (bei Cureton,
Spie. p. Vf.) an in einem Briefe an die Mönche: „Hut thou hast not
been niindful of Ihy instructor, Bardesan, whom his disciple cele-
brate in their books for his patience and polite answers to every
man." Hymnen eines Bardesaniten erwähnt Ephraem (Sermo adv.
haer. 54). Daß der Sohn des Bardesanes, Harmonius, die Lehren
seines X'aters noch weiter präzisiert hat, bemerkt Sozoni.
(h. (\ III, 10); wir wissen nicht, welche Quelle er für diese Angabe
benutzt hat, vielleicht eine verlorene Schrift Ephraems. Geschicht-
lich am wichtigsten ist die Angabe Ephraems in seinem Kommentar
zum 3. (falschen) Korintherbrief (s. Zahn, Gesch. d. NTlichen
Kanons II S. 51)8, Vetter, Der apokr. dritte Korintherbrief, 1894.
S. 72), daß die Bardesaniten diesen Brief nicht in ihren Kanon auf-
genommen haben. Ephraem fährt fort: „Von ihnen wurden auch
Praxeis der Apostel geschrieben, um unter den Taten und Zeichen
der Ai)ostel, die sie geschrieben haben, im Namen der Apostel den
Unglauben zu schreiben, den die Apostel vernichteten". Unter den
apokryphen Apostelgeschichten gab es also auch bardesanitische.
und ich habe bereits im 1. Bande dieses Teils S. 548 gefragt: „Wa-
rum sollen die Thomasakten nicht jene Akten aus der Schule des
Bardesanes sein?".
2) Serapion, antiochenischer Bischof.
Serapion war von 190 (191) — 211 (212) antiochenischer Bischof :
s. den 1. Bd. dieser Chronologie y. 213. Eusebius hält es für wahr-
scheinlich, daß nur ein Teil d<?r Schriftstellerei dieses Mannes zu
seiner Kenntnis gelangt ist. Er erwähnt (h. e. VI, 12) eine Schrift
an Domninus, der zum jüdischen Aberglauben z. Z. der Verfolgung
abgefallen war (also z. Z. der \' erfolgung des Septimius), ferner einen
Brief an die kirchlichen Männer Pontius und Karikus — diesen
Brief oder eine andre Schrift hat noch Sokrates (h. e. III, 7) ge-
kannt oder von ihm gehört^ — . weiter Briefe an Verschiedene, end-
lich eine Schrift über das Petrusev. an die Gemeinde von Rhossus
c
1) Kr woiß, (l;iß Serapion die niciiBchliche Scole Jesu bezeuf^t habe.
Serapion. — GeminuB. — Die i)8eudocleinentiii. Briefe De virginitate. 133
Bruchstücke aus letzterer teilt Euseb. 1. c. mit, aus deui Brief an
Pootius usw. (der sich auch gegen den Montanisnius richtete) h. e. V,
19. Zum richtigen Verständnis des Stückes s. Zahn, Forschgn. V
S. 4f.; die zitierten Unterschriften stammen nicht aus dem Schreiben
des Serapion, sondern aus einem Schreiben des ApoUinaris von
Hierapolis, das Serapion in seinen Brief aufgenommen hat. In der
Doctrina Addaei p. 50 (ed. Philipps) ist Serapion samt Palut von
Edessa in die apostolische Zeit versetzt; aber richtig wird sein,
daß S. diesen ersten katholischen Bischof von Kdessa geweiht hat.
Zu Serapion s. auch Acta SS. Oct. T. XIII p. 248 ff.
3) Geminus, antiochenischer Presbyter.
Nichts ist über ihn bekannt, als was Hieronymus berichtet, tr
habe weniges geschrieben und unter Alexander Severus und dem
antiochenischen Bischof Zebinus geblüht, „eo vel maxime tempore
<luo Heraclas Alexandrinae ecclesiae pontifex ordinatus est" (De
vir. inL 64, cf. Chron. ad. Olymp. 251,4, Alex. Sev. 6). Die drei
-Zeitbestimmungen, die miteinander gut verträglich sind, führen auf
^ J. 231 (232), und die Herbeiziehung des Heraklas läßt ver-
'Jiuten, daß in einer der schriftstellerischen Kundgebungen des
<jeminus (oder in der Kundgebung) die Erwählimg des Heraklas
Erwähnt war (vielleicht ein Gratulationsschreiben im Auftrag des
Bischofs Zebinus). Dieses Schriftstück mag zufällig in die Hände
^^ Hieronymus gekommen sein, und er freute sich sein aus Euse-
l>iü8 zusaramengestohlenes Büchlein mit einer Neuigkeit ausstaftieren
zii können. Oder hat er das Schriftstück gar nicht gesehen? wa-
^"^ sagt er „Geminus pauca ingenii sui monumenta conposuit",
^hne einen Titel zu nennen?
4) Die psendoclemeiitinisehen Briefe De virtiriiiitateJ
Daß diese für die Vorgeschichte des Mönclitums wichtigen
Briefe ursprünglich einen einzigen Brief gebildet haben, habe ich
Dachgewiesen, und der Nachweis ist, soviel ich sehe, nirgends bean-
standet, von Bardenhewer (a, a. 0.) ausdrücklich anerkannt
worden. Die ünechtheit steht fest und bedarf keines Beweises
mehr, tauchen doch die Briefe erst nach der Mitte des 4. Jahr-
hunderts auf, sind fast ausschließlich nur in Syrien und Palästina
1) S. Harnack, Sitzungrfber. il. K. IVcuß. Akiid. il. Wissoiirjcli. ISIM
>. .Wltf. und den ai^teu Teil dieses Werkes (18(Ki) S. jlSf. Hardenhewer,
<;erfch. d. altkirchl. Litt. I (10()2) S. ll^ff. Abdruck bei Funk. O]»!). Patr. A]>ost.
Vol. H (1881) p. Jff.
134 ^ic Litt^nitur des Morgculande8.
bekannt und setzen ein vollständiges Neues Testament voraus.
Streit herrscht aber darüber, ob die Briefe unter dem Namen des
Clemens gefälscht sind (Bardenhewer u.a.) oder ob diese Prädi-
zierung erst nachträglich erfolgt ist Ich halte nach wie vor
letzteres für das sehr viel Wahrscheinlichere, da abgesehen von
der Überschrift „Clemens*' schlechterdings nichts in den Briefen
an den römischen Presbyter erinnert oder auf ihn weist und da
die Zertrennung in zwei Briefe so früh begegnet wie die Aufschrift
„Clemens", diese Zertrennung aber unzweifelhaft in Beziehung steht
zu den zwei Korintherbriefen des Clemens, zu denen man ein
Seitenstück schaffen (oder sie ersetzen) wollte. Die Absicht, jene
zwei clementinischen Briefe zu ersetzen, ist in Syrien auch wirk-
lich gelungen K
A\'as die Abfassungszeit betrifft — der Ort ist auf Grund der
Geschichte des Briefes in Palästina oder Syrien zu suchen — , so
ist das zweite Jahrhundert ausgeschlossen; der Verf. schöpfte aus
einem wesentlich vollständigen Neuen Testament (mit Hebr.- und
Jakobusbrief) '^, und die Zustände, die er schildert, lassen sich
im 2. Jahrhundert nicht wohl unterbringen. Andererseits bezeugt
Epiphanius (haer. 30, 15), daß diese „enzyklischen" Briefe Vor-
leseschriften in den h. Kirchen sind^. Diese Wertschätzung
können sie z. Z. des Eusebius in Syrien bez. Palästina schwerlich
schon gehabt haben; denn er würde uns sonst etwas von ihr er-
zählt haben; ihre Ausbildung muß also zwischen 330 und 370 fallen.
Sehr wohl aber kann das Schreiben als einheitliches und ano-
nymes bereits in den Tagen des Eusebius vorhanden gewesen sein,
ja dies ist sogar zu fordern, da nicht abzusehen ist, wie sich sonst
das Ansehen der Briefe in vielen Kirchen Syriens und Palästinas
bis zur Zeit des Epiphanius so mächtig durchsetzen konnte, wie
es sich durchgesetzt hat.
Man gewinnt somit als Abfassungszeit die Periode von c 200 '
bis c. 320. Bardenhewer bleibt bei ihr stehen. Allein ich glaube.
daß man sie einschränken darf. Der Brief zeigt in bezug auf
Charismen , Lehren , Exorzismen , Krankenheilungen, Wander-
Asketen so viel Altertümliches, daß man mit ihm, wenn der Schrift-
gebrauch es nicht verböte, unbedingt in das 2. Jahrh. hinaufgehen
würde. Eben deshalb wird man den \'erfasser, der die Organt-
1) Mau v^\. die (ioscbichte dor l^riofc, die ich a. a. 0. ßkizziort. habe.
2) Also w'w die roscbittho, s. Sitziiiig8])er. S. 360 f.
.">) So sind die Worte al hv taZq iylaiQ ixxXijalaiq dvaytvwoxoficvai zu
vorstehon.
i) JüHcIh'i- (I'anly-Wis80wa, HKuzykl. Bd. IV S. 17) schreibt „:-iCO'*; diU^
ist wohl ciu Druckfehler.
Fabius. — Paul von SamoBata. 135
sieroDg der Christenheit in Charismen und nicht in Ämtern sieht
and der die Existenz der Prophetangabe und der Propheten (als
Stand über den Lehrern) überall voraussetzt, lieber in der ersten
Hälfte des 3. Jahrhunderts bez. am Anfang demselben suchen als
in der zweiten Hälfte. Dazu kommt, daß das Mönchtum noch gar
nicht in seinem Gesichtskreis liegt. Jüngst ist noch eine wert-
volle Bezeugung des Briefes entdeckt worden. Maruta von Mai-
pherkat hat (am Anfang des 5. Jahrh.) in seinem Abriß der Ge-
schichte des Mönchtums ihn verwertet (s. Braun, De S. NicSynodo:
Syrische Texte des Maruta usw., 1898, S. 21 iF. u. Harnack, Theol.
Lit-Ztg. 1899 Kol. 46f.). Folgendes ist dabei wichtig: (1) Maruta
spricht nur von einem Brief des Clemens, bestätigt also unseni
Nachweis, daß die beiden Briefe ursprünglich ein Schreiben ge-
bildet haben, ^2) er hat richtig erkannt, daß in diesem Schreiben
ein Stück Vorgeschichte des Mönchtums steckt, (3) er bezeichnet
den Brief als au Dionysius den Areopagiten geschrieben. Ob
letzteres eine Privatmeinung des Maruta war oder auf einer ihm
zugekommenen Legende beruhte — er spricht auch von Briefen
des Philo an Jakobus—, steht dahin. Die folgende syrische Über-
lieferung kennt diese Adresse ebensowenig wie Epiphanius, und
der Inhalt der Briefe schließt sie aus.
5) Fabias, Bischof von Antiochien.
Mit großer Wahrscheinlichkeit läßt sich ein Brief des nova-
tianisch gesinnten Fabius an Cornelius v. Rom (nach Euseb., h. e.
^ 43) statuieren, vielleicht auch einer an Dionysius von Alexaii-
drien (s. den I. T. dieses Werkes S. 520). Fabius war Bischof von
Antiochien von 250—253 (init.) oder 252 (fin.), s. den 1. Band dieser
^Sironologie 8. 218. Der Brief an ('ornelius fällt unmittelbar nach
d^m Ausbruch des novatianischen Schismas.
S) Paul von Samosata, Bischof von Antiochien, nnd der
Presbyter MalchionJ
Paul von Samosata (s. Chronol. 1 S. 2 13 ff.) wurde Bischof von
Antiochien um d. J. 260, abgesetzt spätestens 268 (offen bleibt 267,
1) S. den ersten Teil dieties Werkes S. o'JOff. ^lalchion heißt (s. a. a. 0.
>'. 521^) bei LeontiuH v. Byz. ngeaßvteQoq /IA/Aüv. Ist \AXxBi(; eine Ortschaft bei
Antiochien? Nach Eusebius (h. e. VII, 20} war «m* dvriQ xd xe aXXa Xoyiog xai
üoipiaz^ xwv in ^AvxioxsiaQ *^Ek?.TjvtXQ}v natöevxijglajv öiaxgißTjg ngofaxwg. Zu
der von mir a. a. 0. f^egebenen Sannnlunj^ des !Mat-erials ii^t zu bemerken, daß
von den 10 syrischen Stücken (S. ;V2i->) drei sieh auch gri«»chifch bei Leontiiis
finden (vgl. Pitra, Anal. IV y. 4J:jf. Nr. 1. 2 u. 0 mit Routh, Rel. SS.2 TU p.Hll.
;^12^. Dies macht die Echtheit alh»r 10 Stücke sehr wahrscheinlich.
136 ^^^ Litt^ratur de« Morgeiilaiulet«.
nicht uiiinöglicL ist auch 266) und removiert im J. 272. Die antio-
chenischen Synoden gegen ihn fallen in die JJ. 263—266 oder
264—268; die Angabe des koptisch-arabischen Synaxaiiums zum
19. Babeh (Wüstf^nfeld I S. 75), dali die entscheidende Synode
45 Jahre vor d(?m Nicänuni stattgefunden habe, ist also nicht zu
halten. Von seinen Beziehungen zu Zenobia sagt Eusebius, der
h. e. VII, 27—30 das Syiiodalschreiben (wohl von Malchion, wie
Hieron., de vir. inl. 71 vernuitet) exzerpiert hat, nichts^. Man
weiß daher nicht, welches die letzte Quelle der Angaben über sie
in ihrem Verhältnis zu Paul ist*-.
Von Paul gab es vjtofin/fiaTa („opuscula") und Xoyoiy von
Malchion kursierte mehrere Jahrhunderte hindurch (außer dem
Synodalschreiben) die groL>e Streitrede {SLwf dem Konzil) gegen Paul,
die stenographisch nachgeschrieben worden war. In ihr waren
auch die Antworten des Paul verzeichnet; denn dialogisch war
der Streit vor der Synode geführt worden. Die unechten Stucke,
die sich neben den echten Fragmenten erhalten haben, habe ich
bereits I S. 52011'. ausgeschieden^. Ein gewisser Zweifel in bezug
1} Aber AlfiiradKcli, Hist. Dynast, p. M , schreibt: „Rofert. Kiisebiuri
chronologus rtUilum liuiic iuliiitum ii .hulaissa (iiiadaiii, quam Gallus C;iesar
Syriao praoft'Ctjiat, «juae .sciiMitiain A sentcntiani ipsiiii« probaiiH in ipsum patri-
arrhatnni Aiitiocbiac rontulit.'*' Wo rsagt Phisebius das?
•/> Athanas.. Hist. Arian. 71 ,1 j». S7Ü): ^lovöala lyv Zrjvoßia xal TlavXov
TioosoTfj xov Safiooaxbwg, aU,^ ov dkdwxe raq ixxXrjaiag ^lovSaiotg slg atvc-
ywydg. I*liilastr.. h. Hl: „l\iulus Saiu. judaizans . . . unde ot Zcnobiam, quan-
dam iv^iiiani in orii'nt^» tunc teniporis, lj>i*t* docuit iiidaizaro." Chrysost. Hom.
VII in Joh. p. r»7: xoixov yvvaixl Zivi /aQt^ofjieyov xr^v awxrjgiav ^aalv dno-
duöO^ai Xf^y tairov. Theodoivt, li. f. II, S: IlavXog o Safi. xtjg fihv 'Awioxito^'
inlaxojiog ?Jv. Ztjvoßlag 6e xax^ ^xelvov xov xaiQov vnaQxovorig — Uegaai yuQ
*'Pu}fiaiovg vtvixrjxoreg xavxy naQtSooav xrjv xtjg ^vglag xal ^oivixijg tjyefxoviav
— dg XTjv l'igxkfiatvog t^cjxeiXev algeoiv, xavxtj vo/uil^^cjv &egan€V€iv ixeivrjv
xa '[ovdaiwv (fQOvoioav. I'hotius, cod. -<u; Nicej^hor. h. e. VI, 27.
M) Zu den echten Stin-kcn darf man vielleicht den Brief der ti Bischöfe
(Hymi'näns von .h'rnsaleni. Theophilus von?, Theoteknus von Cäsarea, Maximut:
von BoKtni, Prokhis von? und Bolanus von?) an Paul rechnen, der j^iechisch
zuerst im J. KUX publiziert und von Houth, 1. c. IIP p. 280 ff. abgedruckt iöt
(HymenäuB war von 2<>i/(>— 297/!) Bischof von Jerusalem, s. Chronologie 1 S. 228).
Bei d»*m Mangel an Bcr/euj^ung des Briefs (ob Theodoret h. f. 11, 8 ihn ge-
kannt hat?) und der blassen und daher verdächtigen Einleitung kann man frei-
lich d»'r Echtheit nicht sicher sein; aber er enthält m. E. nichts, was unzweifel-
haft auf eine Fälschung weist; die umfangreichen christologischen Aussagen
können zur Not als voniicänisch gelten (yevvrjxoVy fiovoysvFj lioVy elxova xov
doQOiXOv d-Bov xvyxdvovxa, tiqwxoxoxov ndarjg xxiaewg, ao<plav xal Xoyov xal
övvafJLiv S^eovj tlqo alwvwv ovra, ov nQoyvdan dXk^ ovoia xal vnoaxdoH 9'b6vj
d^eov vldv . . . . öl* ov o naxrjg ndvxa nenolrjxsv, ovx (og 6i' OQydvov, "ov^ d>g
6i' iTitaxf'ifjtrjg dwnooxdzov. yswf)oavxog fiev xov naxgog xov v\jbv dg ^^aav
Faul von Samosat^i. 137
anf die Echtheit der wichtigsten Stücke bleibt freilich noch, näm-
lich der von Mai zuerst edierten, von Routh, 1. c. III^ p. 329f.
abgedruckten ^ Fragmente IlavXov ^Jafiooaricog ix xciv avxov
3[{lii(; Saßivov Xoycov, Sie tauchen spät auf (in einer Sammlung,
die 662 — 681 angefertigt ist), und Fragmente ,,Kbions" gehen ihnen
vorher. Dies muß notwendig Mißtrauen erwecken. Faßt man aber
den Inhalt scharf ins Auge, so läßt sich nicht verkennen, daß sie
vott einem Theologen herrühren, der die wesenhafte göttliche Natur
Christi leugnet; also können sie nicht von Theodor von Mopsvestia,
an den vieles erinnert und an den man zunächst denken würde,
oder von einem Gesinnungsgenossen desselben sein. Die Einheit
der Erlöserpersönlichkeit, die der Verf. nachweisen will (eine Ein-
heit des Willens, der Gesinnung und der Liebe), ist nicht die Ein-
heit zwischen seinen beiden eigenen Naturen, einer göttlichen und
«iner menschlichen, sondern es ist die Einheit des (mit dem Ci eiste
gesalbten) Menschen Jesus mit Gott, s. das 5. Stück: xa^ i^v
(scU. xara t^j^ xar' ijtav^Tjaiv ovöijroTS Jtavofiii^rjv xlv7]ötr} ro)
^€© ovvafpO^tiq o Ocdt^q ovöijrore ötxsrat fiSQiOuor tlq rovq aidirag.
Jtfan wird also an der Echtheit der Stücke festhalten dürfen.
Der „Sophist" Malchion, ,,der Einzige, der den Paul zu ent-
larven und zu widerlegen vermochte", hat sich hohes Lob bei den
Späteren erworben. Er war ein zum Christentum bekehrter Lehrer
^^r hellenischen Wissenschaften und scheint dieses Amt auch als
^^igyfiav xal ivvnootatov, ivtgyovvra xa navxa iv nämv xov ^fov
^<5>» o).(ov daeßh^ ayyekov vofiiaai xaktlai^ai. o öh ayyeXog xov TiaxQoq 6 v\6q
^^UVf avtog xvgiog xal ^eog wv\ iLt Satz: x6 Ix xijg napO^tvov ocofjta xotQijaav
^uv x6 nlr^goffia xfjq d-soxrjxog ocjfJiaxLXwq xy S^foxr^xt fhpinxwg t]rQ}zni xal
'^^fonoiffCCUi braucht nicht antinestorianisch oder nachiiicänisch zu tyAn, hiuM
*wt?r allcrdingä recht bedenklich». Er mutt zwischen die 1. und '2. oder die 'J.
^^d 3. antiocheuische Synode falhni. Der Schnißnatz: Tutxa unb nXsloxwv
^Uya aijfietwattfievoi ßovXo/isO^a fia&elv, ei xa avxd (fQorsig ij/uiv xal öiSuoxttq,
*cl vnoaTjfjtetwaaa&al oSy fl agioxtj xoXq nQoyeyQafjL[.itvoiq r] ovy f^cheint mir
^Dverf&nplich zu nein. AUerdinj^ö vennißt man im Hriete pfauz den damals
*<^hon üblichen Kurialstil -- (?inem so «großen Hischof wie dem von Antiochien
Ktgenüber. Indessen ist das auch kein diirclisehlajrendes Arj^inuent. Für die
Kchtheit hat sich Kattenbnsrh (Das a|»ost<d. Symbol II S. LMKJf.) ansjjjesp rochen.
I(aximu8 Confessor (Proloj». zu den <^pi>- Dionysii Areo}»., ed. Cordt'r p. !»(»)
behauptet, Kusebins habe in seiner Kirchen*;eschie-hte vieles ansfr(?lassen ; xal
xoXXtäv iöwdfXTjv fjtvrjfiovevaai /jirj xxrj^tvxwv avxip , xal xavxa XTJg aviov
Z^Qttgj (og ^Yfievalov xai Nagxloaov TüJr UgacivfJLtvwv iv ^hQoaoXvfxoig ' iyat
yolv ivhvxov xiat xwv *YfjL€valov. Sollte <lamit unser Brief gemeint sein?
1) Im ersten der f) Fragmente ist noina^ai statt nov kXiaS-ai zu lesen,
im vierten ist nach wansg yag „ri (pvaig" einzuschalten. Kinen zuverlässigen
Text des 1. Fragments bietet Daniel Serruys (Auastasiana p. IS-l in den Mel.
d'ArchM, et d'Hist. publ. par l'Ecole franv- de Home T. XXII, 1002).
)3S l^i<^ Litten! tur det< Morgenlandes.
Christ beibehalten zu haben. Solche gab es seit dem Ausgang des
3. Jahrh. nicht wenige: Lactantius, Flavias, Arnobins, den Ver-
Criäser der .,Laudes domini*" in Gallien, den Rhetor und „gramma-
ticas latinuK^ in den Gesta apud Zenophihm etc., vgl den 100 Jahre
8pät<ir schreibenden Pseudoaugustin, Quaest in. Vet et Nov. Test
nr. IHfin.: ..porro autem quoniam haec veritas est, quotidie omni
hora sine intermissione deserentes Jovem, inter quos sophistae et
nobiles mundi, qui eum deum confessi erant confugiunt ad Christum''.
Für die Zen^üttung, welche die von Paul angeregte Kontro-
verse in 'Syrien hervorrief, s. den Artikel „Lucian'' und die Notiz
bei Euseb., h. e. MI, 32, 5 {alrla avxA [dem alexandrinischen Dia-
kon KusebiusJ xr^q litravaoxaotcoq [von Alexandrien nach Laodicea
Syr.| vjt7iQ3,tv r) xaxa xbv llavXov vJtod^eoig, dt op r^g SvQiaq
lj[t[iag jtQog xojv rrjdt jtsqI tö O^ela iojtovöaxoToov x^g olxadt
jtOQtlag tiQytxai, antQuOrov xi O^eooeßalag XQVf^^ ^^^^ xa^* ly^ac
ytvoiikvog). Hiernach muL> man annehmen, daß Eusebius, die
alexandrinisclie Theologie nach Syrien verpflanzend, besonders viel
für die Niederwerfung des Lehrtropus des Paulus getan hat.
7) Lucian, Presbyter von Antiochien. ^
Die chronologischen und biographischen Angaben über Lucian.
die wir besitzen, sind spärlich: Nach Suidas (der aus guter Quelle,
wohl den Acta Luciani, schöpfte) stammte er aus Samosata von
angesehenen Eltern und erhielt seine Bildung in der Nachbarstadt
Edessa, wo der uns nicht weiter bekannte Makarius^ eine Schule
hielt (s den Metaphrasten zum 7. Januar). Ob er auch in Cäsaren
gebildet worden ist, ist mindestens unsicher. Er siedelte spätestens
z. Z. des Paul von Samosata (c. 265) nach Antiochien über (ob mit
ihm zusammen v\ Wahrscheinlich aber erfolgte die Übersiedelung
und das Auftreten als Lehrer daselbst'^ schon früher; denn es ist
\) S. (l(Mi 1. Tr'il ili«'s<'s Werkes S. VJ«;«'. u. IVotost. HKnzyklop. Bd. IP
2) WtMiii zwischen diesem «MlesscMii-schcii Lehrer und Bardesanes ein Zu-
BiimuKMiliiinf^ ])estiinden liat, so krmnt^» »'s nur ein gegensätzlicher gewesen sein.
CharaktcM'isiert wird er (he'i Suidas) nur in den Worten: AovxiavoQ naga xijy
TiQWTrjv r,)Axlav Maxaplw tivl xovvofxa ovyyevofievoq xrjv "ESeaaav obcovvxi
xal xag le^ag ßlßXovq i^tjyovfiivip näv o xi xdkXiaxov i(p6vg€ nsgl xovxov.
In der alten l^iogniphie Kp]na«'ms (s. Bickell, Consp. roi Syronim literaria^
j>. \11) wird eine zu Kdessa bestehende Schuh» erwähnt.
3} Mit ihm scheint Dorotheus an der Schule gewirkt zu haben. Doch
stand er vielleicht filr sich. Wir wissen von ihm nur aus Euseb., h. e. VB,
32, 2 f.; aber diest^ Nachricht genügt, um zu erk<Mmen, daß dieser Lehrer, der
z. Z. des antiochenischen Bischofs Cyrill arbeitete (also zwischen 279/80 u. 303),
Lacian, Presbyter von Antiochien. 139
doch wohl anznerkenDen, daß der Brief des Dionysius von Älexan-
drien an Dionysius von Rom, der „über Lucian" zwischen Aug.
259 IL 264/5 geschrieben ist (s. o. S. 83), sich auf unseren Lucian
bezieht Die Notiz des Ensebius und seine Voraussetzung, dieser
Lucian sei bekannt, ist sonst nicht leicht zu erklären. Hat aber
Lacian schon nm 260 seine Schultätigkeit in Antiochien begonnen,
so ist er schwerlich nach dem J. 235 geboren. Dieser Ansatz ist
aber auch nicht unmöglich; denn warum soll er nicht c. 77 Jahre
alt geworden sein? Er war also etwa ein Menschenalter älter als
Ensebius.
In Antiochien muß er seinem Landsmann, dem Bischof, nahe
gestanden, d. h. den Lehrtropus desselben wesentlich vertreten
haben; denn nachdem unverwerflichen Zeugnis des Alexander von
Aleiandrien (Rundschreiben v. J. c 321 bei Theodoret, h. e. I, 3)
ist er „Diadoche" des Paul in der Lehre gewesen und hat nach
der Absetzung des Paul (c. 268) während dreier Episkopate außer-
halb der Kirche gestanden {ov ötaöt^aiiEvoq Aovxntvoq ajtoovva-
l^yoq l(iBivB xQiAv lütioxojKDv jioXvexelq xQovovq),^ Unter Domnus
also, Timäus und Cyrillus (sie haben von c. 268 bis 303 in Anti-
ochien regiert) waren er und seine Schüler schismatiscli. Doch
^ die Angabe nicht, daß L. bis zur Gefangensetzung des Cyrill
ini J. 303 in diesem Verhältnis blieb; sie ist schon gedeckt, wenn
er auch nur noch ein oder ein paar Jahre unter Cyrill im Schisma
^erharrte. Das ist aber auch das Wahrscheinliche; denn als Lucian
den großen Zulauf als Lehrer hatte — alle die Männer, die nach-
JDals Führer des Arianismus geworden sind — , stand er wohl wieder
^f Blüte der antiocbenirtchen Schule auch <»twas bei<^<'tr«i^<'n hat, obgloiirh
Nichts Schriftliches für ihn bozcuj^t int. Kuöebius hobt es besonders hervor,
<iaß er des Hebräischen mächtig war. Auch bemerkt er, dal^ Dorotheus von
''<?burt Eunuch war. Auch dadurch erschien er ehi-würdijr, dq xal ßaatXla öia
^oitop olov xt naQttSo^ov avxov otxetwoao^ai xal xifiTfOai yf imxQony xfjg
*ttra IV'pov aXovgyov ßa<pfJQ. Eusebius hat ihn z. Z. des Ib'sehofs Cyrill von
•antiochien persönlich in Antiochien kennen gehont: „Nielit ohne Geschick
'hörten wir ihn die h. Schrift vor der (i<;ni<»ind«.* (daß das di<^ eiisaieensische war
nnd daß Dorotheus rresbyt(»r bei ihr gewesen sei, ist doch wohl ein lapsns
Lightfoots, Dict. of Christ. Hiogr. II p. 'M)^)) auslegen'' (1. c). Ihn mit dem
Dorotheus Euseb., h. e. VllI, 1, 1; (>, 1, T» zu identitizieren, liegt kein Onmd vor.
Der „Dorothens von Tyms", der Kataloge und Vitiu» der l'ropheten und Apostel
fi^eschrieben hat, hat nie existiert, und jene Kataloge und Vitae >ind byzan-
tinische spät-f; Produkte.
1) „Von der Gottlosigkeit dieser Menschen", heilit rs dort weiter, „haben
jene sozusagen die Hefe eingeschlürft , die da .jetzt mit dem Stichwort i^ ovx
ovtmv gegen uns auftreten; sii» sind gewissermaßen dt'ren verborgene Sc^höß-
linge."
I4i| I^-r Lirt^rator i-s M.-kre^rnlandes.
iu der Kirche. Cvrill ist nach der nicht weiter zu kontrollierenden
Angabe der eusehianischen Chronik im J. 279 SO Bischof von Anti-
ochien geworden. Ks i<t demnach wahrscheinlich« daß Lacian in
den achtziger oder neunziger Jahren des 3. Jahrhunderts seinen
Frieden mit d«rr groben Kirche gemacht hat Er machte ihn, in-
dem er ^^ich bequ«:mte, den hy[»ostatischen präexistenten Logos an
Stelle des .Mensclien- Jesus, wie ihn Paul gefaßt hatte, zu setzen,
ohne die Aussagen Pauls über die Erlöserpersönlichkeit sonst
wesentlich zu korrigieren. Divser Lehrti-opus, der der Wissen-
schaft (und dem Polytheismus- entgegenkam und das Christentum
duch zu bejahen schien, fand unter den gebildeten und zu bilden-
den Theologen dt-s Orients groben Beifall, zumal da ihn Lucian
mit einem strengen Biblizismus. eifrigstem Schriftstudium und
asketischem Leben zu verbinden verstand. Lucians Autorität löste
in weiten Kreisen um d. J. 300 geradezu die des Origenes ab, und
die Arianer haben ihn >tets als ihr Haupt, ihren Lehrer, Märtyrer
und Heiligen verehrt ^ Die strengen Orthodoxen, wie Epiphanius
• Ancorat. 33), lehnten ihn ab: di<^ Origenisten, wie Eusebius, ver-
hielten sich kühl und vorsichtig, im Grunde aber zustimmend zu
ihm. Den Märtyrer bat sich schließlich die Kirche angeeignet
(Mart. Hierou. z. 7. Januan: denn sie durfte ihn den Arianern
nicht überlassen. Pseudö-Athanasius iSynops. S. Script fin.) nennt
ihn den heiligen und groben Asketen und Märtyrer, und Chryso-
stomus hat ihm eine uns noch erhaltene Lobrede am 7. Januar
3S7 gehalten (Opp. T. 11 p. 524 ft*.-. Die Philosophie und die exe-
getische Methode der „Äntiochener" des 4. u. 5. Jahrh. geht nicht
nur auf Origenes, sondern auch — vielleicht in höherem Maße —
auf Lucian zurück.
Gestorben ist Lucian als Märtyrer in der Verfolgung des
Maximinus Daza (nach dem Toleranzedikt des Galerius) am 7. Ja-
nuar 312. Er war, wie damals üblich, vorher aus seinem Wohnort
fortgeschleppt worden und zwar nach Nikomedien, wo der Kaiser
in jenem Winter residierte (Euseb., li. e. IX, 6; ' Hieron., de vir.
inl. 77; Rufin zu Euseb., li. e. IX, 0). Seine letzten Tage im Ge-
fängnis und sein Ende hat das Gedächtnis der Folgezeit ausge-
schmückt (s. die Geschichte von seiner Abendmahlsfeier im Ge-
fängnis bei Philostorgius, h. e. II, 13, Chrysostom., L c, Ruinart,
Acta Mart. p. 503 sq.. Kufin.). Unter den 12tägigen [pseudo-
<>rig<*nistisclie arianische Expos, in Job, Orig. Opp. T. XVI p. 163
\) Luciiin im ält^jrtton uns erhaltoneu (ariaiiischen) Kirchenkalender von
iNikoiin'dinii (h. Jon ulton syrischf^n Killender z. 7. Januar), vgl. Philostorgiiis,
h. .'. II, rjii". 111, If).
Lucian, FreHbytor von Antiochien. 14 J
Lomm.] Foltern ist er, nachdeiu er eine apologetische Eede ge-
halten (Euseb. h. e. VIII, 13, 2, IX, 6, 3 und Kufin.) zusannneu-
gebrochen. Seinen Leichnam führten die Christen über die Bucht
der Propontis nach der schräg gegenüberliegenden Stadt Drepanum.
Den Toten ehile Konstantin, indem er mit zu dessen Gedächtnis
die hinfort nach seiner Mutter Helenopolis benannte Stadt neu
aufbaute und ihr Steuerfreiheit gab. Kurz vor seinem Tode soll
er selbst dort in der Märtyrerkirche gebetet haben (s. Chron.
Pasch, ad ann. 327, Ruinart p. 505). Philostorgius (11, 12) dagegen
weiß zu erzählen (s. auch Hieron., Chron. z. J. 33()\ Helena habe
am Busen von Nikomedien eine Stadt, Helenopolis, gebaut, weil
der Leichnam des Lucian von einem Delphin dorthin getragen
worden sei In Antiochien feierte man den 7. Januar als Todes-
tig Lncians.
Was seine litterarische Tätigkeit betrifil. so hat Kusebius
Dicht eine Schrift von ihm genannt. Sokrates schweigt. Sozome-
nu8 (Tl. e. III, 5) berichtet in denselben allgemeinen Ausdrücken,
^e Ensebius, lediglich von ihm: ra rt aXXa tvöoxtfjtoiraTog ymI
ric liQaq elq axQOv jjxQtßfoxfog y^atfag. Etwas ausführlicher sind
Hieronjrmus und nach ihm Suidas und der Metaphrast. Hieronymus
nennt (de vir. inl. 77) 1: seine Rezension der Hibelhandschrifteu
' 8. auch Suidas und den Metaphrasteni; 2: libelli .,de tide*\ 3: non-
^ollae epistolae (s. auch Suidas). Dazu konimt die von Kutin
h. e. IX, 6 mitgeteilte apologi^tische Rede. \ on den Briefen hat
sich m dem Chron. pasch, (pag. 277 edid. Ducange) ein kurzes
Bruchstück eines Schreibens von Nikodemieu aus an die Anti-
*^chener erhalten (s. Routh, Reliq. Sacr. l\ -, p. b\ in welcliem der
^ärtyrertod des Bischofs Anthimus mitgeteilt ist. \'on Brieten im
allgemeinen bemerkt Suidas (p. 450, ed. Küster): Utihro yan xat
^JTWroxac dfdiXti yiwatoraracy i^ mv (foy^aoai rt^ av hv naXa
Vüölcog, ijv 6 avi]Q jtiQi rmv d^slojv too^e yvoji/f/v. Die apologe-
tische Rede (Ruftn., ed. Cacciari I, p. 515; Kouth, 1. c. p. 5IK)
^Slt sich im Rahmen des Üblichen, läl.Nt al)er den christoloyischen
•Standpunkt des Lucian durchblicken („Dens nnns est, per Christum
öoMs adnnnciatus et per S.S. nostris cordihus inspiratus** . .
nDeus sapientiam suani uiisit in hnnc mnndum earn«' vestitani,
?uae nos doceret etc." Die Bedeutunjr Christi wird durchaus auf
^inen Lehrerberuf und auf die (Gesetzgebung durch ihn beschränkt:
selbst dort, wo von seiner wesenhaften Unsterblichkeit geredrt
wird, macht Lucian nicht di(^ Anwendung auf uns. Durch sein
Menschsein und seinen Tod hat Christus uns ein B(?ispirl der Ge-
duld gegeben). Wichtig ist noch die Erwähnung der gefälschten
Hiatusakten, die Bemerkung ,.pars paene mundi jam major huic
142 ^^^ Littcratur des Morgenlandes.
veritati (seil. Christi anae) adstipulatur", und die Erzählung: „Adsti-
pulatur bis ipse in Hierosolyniis (so wird er die Stadt schwerlich
genannt haben) locus, et Golgathana rupes sub patibuli onere
disrupta: antruni quoque illud, quod avulsis inferni januis corpus
denuo reddidit aniniatum, quo puriiis inde ferretur ad coelum'* (die
Echtheit der Rede ist beanstandet von Tillemont und von
Batiffol, La Passion de S. Lucien d'Antioche, in dem Compte
rendu du congres scientifique internat. des Catholiques 1891
Sectio II p. 181 tf. ^; allein in den Grundzügen, in denen mau allein
an die Echtheit solcher Reden denken darf, scheint sie mir nicht
verwerflich; wie die apologetische Rede des Apollonius wird sie
auf eine Nachschrift zurückgehen, die dann redigiert worden ist;
Rufin wird sie dem großen Märtyrerwerk Eusebs entnommen
haben). In den Akten des Lucian (BoUand. I, p. 363), die die Über-
arbeitung alter arianischer Akten sind (s. Batiffol, I.e.), heißt
es, Lucian habe der Kirche von Nikodemien eine Handschrift des
A u. NT, die er selbst geschrieben, hinterlassen (das ist nicht un-
glaublich; es wird das Bibelexeniplar gewesen sein, das er von
Antiochien nach Nikomedien mitgenommen, und bei der Verehrung,
die Lucian sehr bald auch als Märtyrer genoss, kann dieses Exem-
plar von Bedeutung für die Bibeln in jener Gegend und in Kon-
stantinopel geworden sein). Von den libelli de fide ist kaum eine
Spur übrig geblieben. Doch wird es sich vielleicht auf sie beziehen,
wenn Epiplianius (Ancorat. 33) sagt: Lucian und die Lucianisten
leugnen sämtlich, daß der Sohn Gottes eine menschliche Seele an-
genommen habe, und wollen ihm nur einen menschlichen Leib
zuerkennen, um die menschlichen Aflfekte, wie Trauer, Freude
u. dgl, dem Logos selbst zuschreiben und ihn damit für ein ge-
ringeres Wesen als Gott, für ein Geschöpf erklären zu können.
Ein libellus de fide Lucians hätte sich jedoch noch erhalten, wenn
das im Jahre 341 von den in Antiochia versammelten Bischöfen
rezipierte Glaubensbekenntnis wirklich von ihm herrühren sollte.
Dasselbe findet sich mitgeteilt bei Athanasius (Ep. de synod. Arim.
1) Vpl. dazu aiicli tlt^ss(.n)on Studio „I'arthenius de Lampsaque" (Rö\n.
i^uartalschr. 13d. fi [IMO'J] S. ijf)!!'.). dej^ou die Tendenz dieser beiden Studien,
zu zeigen, dali die A rianer se}u- frühe schon Märtyrer- und Heiligengeschichten
für ihre li»'lden ang<*f«'rti<;t haben, um sie und sich zu empfehlen, s. die Bol-
hmdiston in den Acta iJolland. IM Jl (IS'.ri) p. 471 u. IM. 12 (189:^) p. 75. Eine
l)ui)lik von Hat.iffol in d.T Ilinn. Quartalsclir. 13d. 7 (1898) p. 2i)Sff., cf.
Klirhard, Di»« altcliristl. Litteratur {V.m) S. 551, der Batiffol beistimmt. Zu
den arianischen iMärtyn'rakt«'n pcehören wahrscheinlich auch die des h. Georgius
und des Dux Art<'nnus, s.Yt>tt(»r, Der h. (i»»org von Durne, Halle 1806, Fried-
ricli, Der geschichtliche h. <ieorg (Münchener Sitzungsberichte, 1870, 2, S. loOff.).
Luciaoi Presbyter von Antiochicn. |43
et Seleuc. § 23. Opp. ed. Montf I, 2, p. 735), Sokrates (h. e. 11, 10),
lat bei Hilarius (de synod. § 29. Opp. ed. Coust. II, p. 479); s.
Mansi H, p. 1340 sq.; Hahn, Bibliothek der Symbole, 3. Aufl., § 151.
Diese drei Zeugen wissen nichts davon, dalS Lucian der Verf. dieses
Bekenntnisses sein soll; dagegen sagt Sozomenus (h. e. III, 5), die
Bischöfe zu Antiochien hätten es ihm beigelegt (eXtyov da ravzfjv
Ttiv xloTiv oXoygaq^op svQrjxtvai Aovxiavov xt.X.)\ derselbe berich-
tet (VI, 12) auch, eine in Earien 367 versammelte semiariauisclie
Synode habe es als lucianisch anerkannt, das Gleiche haben nach
dem Verf. der sieben Dialoge über die Trinität die Macedoniaiier
getan (Dial III in Theodoreti Opp. V, 2, p. 991 sq. ed. iSchulze
et Noss.). Auch die Seniiarianer scheinen auf der Synode zu
Seleucia im Jahre 359 das Bekenntnis dem Lucian zugeschrieben
ZQ haben (s. Caspari, Alte und neue Quellen zur Gesch. d. Tauf-
symbols, S. 42 f., n. 18). Der lucianische Ursprung wird deshalb
anch von Cave (a.a.O.), Basnage, Baronius, Bull (Defens. fid.
Sic)., Hahn (a. a. 0. S. 184 f.), Dorner (EntNvickel.-(iesch. d. L.
V. i Person Christi, I, S.S021, n. 20) und anderen anerkannt. In-
dessen 1. Sozomenus selbst bezweifelt den lucianischen Ursprunp:
des Symbols (xoxbqov 61 dXrjd^cig ravta hfaoav^ i] xtjv löiav y{ia(pnv
^\ivoxoiovpxBq xm dzicifjtaxi xov /taQTVQog , Xiykiv oi;x lx<o\
1 Der Verf. der obengenannten Dialoge sagt, das »Symbol sei auf
itr Synode von den Bischöfen interpolieit worden, und getraut sicli
JK)ch die Zusätze anzugeben (xartyi'cop xt]g jT{»ool>7jxfi;:, /}c rrnoot-
^«art, xäi ix(o dei^ai, oxl jtQOOtOr^xaxt Iravria avrfj. v/nl^ xf/r
^poö^jjxi/r Im xb doeßhOxtQOV [?J jT{)00ti)7)y.aTt). \S. Mit Keclit
^»cht der Herausgeber der Werke des Hilarius z. d St. darauf
^Dfmerksam, daß Athanasius einige Phrasen aus dem Symbol als
^"n Acacius und Eusebius herrührend kenntlich macht und dals
'^cacius selbst mehreres aus demselben dem Asteiius beilegt. Audi
Hilarius läßt durchblicken, daß die auf der Synode versammelten
Bischöfe die Urheber des Bekenntnisses seien. 4. Kini<,'e Absehnitte
ködern Symbol, namentlich gleich der Einganji; urul der Schluß
von xavxi}v ovx ?x^pxsg xr}v xloxtv ab, verratim sich von selbst
als antiochenische. Der lucianische Ursprung des Symbols ist darum
anch von Routh (L c. p. 1 0 sq.), Ifefele ( Konzil. -(iesch., 2. Aufl.,
/, S. 259. 524), Keim (A. .Lucian" in der ersten Aufl. d. l*rotrst.
REnzykU und anderen bezweifelt wordm. .ledoch wird <'asi)ari
^a. a. 0. S. 42, n. IS), dem Verf. der Dialoge foljrend, n^eht haben.
wenn er in dem Symbol, in welchem er. so wie es vorliegt, zu-
nächst lediglich das der antiochenisehen Bischöfe vom Jahre \\\\
erkennen will, eine lucianiscln* (irundlage von antiochenisehen
Interpolationen unterscheidet. Die Herstellung der lucianischen
144 ^^c Litteratur ileü Morfjcnlandeö.
Vorlage wird im einzelnen nicht mehr möglich sein; doch weist
Caspari auf die teilweise Verwandtschaft des Bekenntnisses mit
der Glaubensforinel des (iregorius Thaumaturgus hin, so daß von
hier aus vielleicht manche Phrasen als lucianische ermittelt werden
können. Kattenbusch (Apostol. Symbol I, S. 266 ff.) ist zu der
Annahme geneigt, daß nicht sowohl die 2. als vielmehr die 4. an-
tiochenische Formel und das Bekenntnis in den Apostolischen Kon-
stitutionen (VII, 41) auf dem Bekenntnis Lucians ruhen, und hat
das — doch läßt sich ausreichende Wahrscheinlichkeit nicht ge-
winnen -- zu erweisen versucht (s. auch a. a. 0. II, S. 202 f.). Eine
andere Hypothese in bezug auf Lucians theologische Tätigkeit
(1, S. 394) hat er 11, S. 2()5 wieder zurückgezogen.
Schließlich ist noch von dem Hauptwerk Lucians, seiner Bibel-
rezension, zu reden. Auch hierüber sind die Berichte spärlich.
Hieronymus erwähnt, abgesehen von der Stelle de vir. inl., das-
selbe noch ein paarmal (ad Damas. praef. in evv.; praef. ad Pa-
ralip.; ad Rufin. II, 26. Epist. 106 ad Sunniam). Von der LXX-
Rezension Lucians sagt er, daß dieselbe von Konstantinopel bis
Antiochien, also in der Westhälfte des Ostreichs, verbreitet sei,
während man in Alexandrien und Ägypten die Rezension des
Hesycliius, in Syrien und Palästina die von Eusebius und Pamphilus
verbreiteten Abschi'iften der Arbeiten des Origenes lese. Er sagt,
der von vielen sog. ^Lucianus*" unterscheide sich bestimmt von der
sogen. xoivT}, deutet also an, daß viele diesen Unterschied über-
sähen. Über die neutestamentl. Textkritik des Ludan spricht er
sich noch mi[Jgünstig<T aus, als über die alttestamentliche: „prae-
termitto eos Codices quos a Luciano et Hesychio nuncupatos pau-
corum hoiiiinum asserit perversa contentio, quibus nee in tote V. T.
post LXX interpretes emendare quid licuit nee in Novo profuit
(Mnendasse, cum multarum gentium Unguis scriptura antea trans-
lata doceat falsa esse, quae addita sunt." Mit Recht sagt Beuß
(Gesch. der hl. Schriften NTs, 5. Aufl., § 367): „Dem Wortlaute
nach könnte man hier auf die Vorstellung kommen, jene Männer
wären darauf ausgegangen, (apokryphische?) Interpolationen aus-
zumerzen oder umgekehrt solche einzuführen". Indessen prunkt
Hieronymus liier augensclieinlicli mit seiner Kenntnis der Versionen
und sucht die Arbeit des doj^matisch verdächtigen Lncian zu dis-
kreditieren. Wahrscheinlich hat es sich lediglich um solche Stellen
gehandelt, die bereits seit dem Anfang des 3. Jahrhunderts in den
griechischen Bibelhandschriften entweder fehlten oder hinzugefügt
waren. Der Tadel des Hieronymus hat übrigens so viel gewirkt,
daß im sog. Decretum Gelasianum, in welchem alles mögliche, was
dem Verf. nur nach H ('»rensagen bekannt war, präskribiert worden
Lucian, Presbyter von Antiochien. 145
H auch ^evangelia quae falsavit Lucianus apocrypha; evangelia
qaae falsavit Isicius (seil. „Hesychius", s. oben S. 83) apo-
crypha" abgewiesen sind (Credner, Geschichte d. Kanon, S. 290;
Eenß a. a. 0. § 866). Daß unter diesem Lucianus nicht der
berüchtigte Leucius zu verstehen ist (Mi 11, Prolegg. in N. T.,
p. XXXVII [1707]), sondern der Märtyrer, ist gewiß (s. auch Zahn,
Acta Joannis, S. LXXI, n. 2). Über die Quellen, Beschaffenheit
und kritischen Grundsätze der Rezension des NTs durch Lucian
wissen wir noch nichts Sicheres und hoffen auf von Sodens Aus-
gäbe. Nach dem Vorgang Alterer hat noch Hug (Kinl. in d. NT,
3. Aufl^ S. 196 f., S. 203—222) versucht, nachzuweisen, daß Lucian
sich eng an die syrische Peschito des NTs angeschlossen hat.
Aber die Peschito ist jünger als Lucian. Weiter haben die Unter-
suchung Westcott und Hort geführt. Vielleicht wird sich die
ideale Grestalt des textus receptus als die Rezension Lucians ent-
puppen! Besser sind wir über die LXX-Rezension Lucians unter-
richtet Außer Hierouvuius berichten über dieselbe Pseudoatha-
uasins, der Metaphrast und nach ihm Suidas. Der letztere sagt:
rOVTo? raq isQag ßlßXovq löcbv JtoXv rb vo&ov doöe^^a^ttvac, rov
7^ XQovov Xvfiijpaf/evov jtoXXa xmv kp avTclc xcu ttjj: övvsyovq
^^ ixiQODV sie ^TBQa (jerad-iötmQ, xal /livroi xal tlvcov aviyQcojrcov
^ovTjQOTarcov [d^eXfioavTcov], oi tov "^EXXtiviotiov jrQoö£Tf]x£aav,
^^QaTQi\pai TOV iv avxat^ vovv jtetQctoaf/ivfov xa) jtoXv to xiß6f]Xoif
^^ ravraig OJteiQavrwv [ivoxevaoafitvcov], avroq: ajractac draXaßmv
«* T^g^EßQätöog kjtaveveojOaTo yX(x>TT7]g, 7]v xcu avtfjv iixnißoyxo)^ lg
''ö HaXiöxa rjv, jtovov tFj tJtavoQd^coOei jtXttOrov elo^vtyxdfievog.
^ach diesen Worten (s. auch Pseudoathanas. Üpp. [Coloniae IGSii]
11,157: „L., cum in praedictas versiones ctHebraeos libros incidisset,
^t diligenter, quae vel veritati deerant, vel superHua aderant,
ingpexisset, ac suis quaeque locis correxisset, versionem hanc
Christianis fratribus edidit, quae sane post ipsius certameu et mar-
tyrium, quod sub Dioclet. et Maxim, tyrannis sustinuit, libro vide-
licet propria ipsius manu scripto comprchensa, Nicomediae sub
Constantino rege magno apud Judaeos in i)ariete armarii calce
circumlito, in quo custodiae gratia posita fucrat. inventa est'*) wird
herkömmlich angenommen, daß Lucian die LXX auch aus dem
hebräischen Texte emendiert habe; indessen ist eingehende Kenntnis
des Hebräischen dem Lucian abgesprochen worden (s. Dictionavy
of Christian Biography IT, p. 859), ob mit Grund, mögen andere
entscheiden. Die Untersuchungen über die LXX-Rezension des
Lucian sind noch nicht zum Abschluß gediehen (Grabe hat be-
hauptet, daß der Hiobtext im Cod. Alex, aus ihr stamme, s. Routh
1. c p. 4). Gefördert sind dieselben worden durch Ceriani (18S6)
Harnack, Altchristi. Litteraturgesch. II, 2. 10
J46 ^^^*^ Littcrahir des Morgenlandes.
und durch Fields Ausgabe der Hexapla des Origenes (s. Nestle
in der Theol. Lit-Ztg. 1S76, Nr. 7); es sind bereits Kriterien ge-
funden, nach welchen di(j lucianische Rezension bestimmt werden
kann, s. Nestle in der Ztschr. d. deutschen raorgenl. Gesellscli.
1878, S. 465—508, 735f., Bickell in der Ztschr. f. kathol. Theol.
III, 2, S. 407f. und Swete, An introduction to the Old Test, in
Oreek, 1900, p, SlflF. 483 ff. und sonst. Für die prophetischen Bücher
sieht Field die lucianische Rezension in der Handschriften-
familie 22, 36, 48, 51, 62 usw., für die historischen in den Codd. 19,
S2, 03, 108, für den Oktateuch und die poetischen Bücher hat
er sie noch nicht sicher aufgefunden. Unter den Kirchenvätern
kommt namentlich Chrysostomus für Lucian in Betracht. Mit
seiner Hilfe und den anderen Hilfsmitteln hat Lagarde den
1. Teil der LXX-Rezension Lucians hergestellt (Libr. V. T. can.
pars prior Graece, 1883; dazu die „Septuagintastudien"). Die
Benutzung der Peschito hat Nestle vermutet (s. ^Marginalien
und Materialien" 1893 und seinen Art. „Bibelübersetzungen"
in der Protest REnzykl. 3. Aufl.); dazu Stockmayer in d.
Ztschr. f. ATliche Wissensch. 1892, S. 208 ff. Die Peschit» ist
nach neueren Untersuchungen aber später als Lucian. Von
exegetischen Arbeiten Lucians ist so gut wie nichts überliefert
worden, selbst die Katenen gewähren keine Ausbeute. Doch ist
es sehr wohl mfiglich, daß L. auch auf dem Felde der Exegese
schriftstellerisch tätig gewesen ist. Sixtus Senensis hat zuerst
darauf aufmerksam gemacht (Bibl. S. IV, p. 281), daß in einer
späten, ins Lateinische übersetzten Expositio libri Jobi (Julian
V. Halikarnass) sich eine Auslegung Lucians zu einigen Versen
des 2. Kap. finde. Routh hat 1. c. p. 7 sq. die Stelle abgedruckt
LB. Luciano quae adscripta est Expos. Jobi c. 11 comm. 9. 10
apud Anonymum in Commcnt in Lib. Jobi Latine tantum excuso,
a Joach. Perionio olim converso"). Von der betreffenden Auslegung
de beati Jobi uxore sagt aber Julian lediglich dies, daß er sie von
hl. Männern erhalten habe, die sie als die des MärtjT^rs Lucian
..cui (Christus carus fuif' bezeichnet hätten. Es handelt sich um
eine nur mündlich gegebene, von den Schülern im Gedächtnis be-
wahrte „intelligentia*" Lucians zu j. St.; denn Julian fahrt fort:
„Dicebant illi, ut b. Lucianus explanans docebat". Ein Zeugnis für
♦ ine exegetische schriftstellerische Arbeit des L. läßt sich der Stelle
nicht entnehmen; durch welche Verniittelungen die Überlieferung
zu Julian gekommen ist. wissen wir nicht.
Methodiutf. 14 7
8) Methodlus. '
Über das Leben des Methodius (o xai Evi^ov/iiog) wissen wir
io gut wie nichts. Dali er Bischof von Olympus in Lycien war
micht in Patara ^ oder in Tyi*us ^j, lernen wir aus Hieron. de vir.
1) S. Teü I S. 4{JHK (dazu Khrhard, Die alt<jhri8tl. Litt. S. m\i\\). Nicht
ffwälmt iät dort die Schrift „über den Leib", die Methodhin nelbst nennt in
seiner Abhandlung „Von dem Fgel" c. 10, 4 (S. ;{S\) Honvvetseh'. Ausgraben
tOQ Jahn (1S05} und — niit vielen neuen Stücken aus dem Slavisehen — Hon-
wet^ich (1891, J. Bd.). Eine knappe dogmengetjch. Würdigung des Methodins
labe ich zuerst gegeben (Lehrb. d. Dogmengesch. I^ S. 740 tl'.^; eine unit'asöend«'
DarsteUung der Theologie dea M. hat jüngst lionwetnch vorgelegt: „Die
Theologe des M. v. 0. unt^'ruucht", IJMKl Saluion im Dict. of Chr. Hiogr. 111
\KmS. Zahn, Ztschr. f. Klieöch. Bd. 8 S. 1 tf . 15tf. Bd. 1» S. L>LMff. (Fest-
i'tellung de* Bistums des M. u. anderes). Bon w et seh, Gber dit^ Schrift Vom
Aoasatz in den Abhandl. Öttingen gewidmet, 181)7, S. 85 fi*. Kalemkiar zeigt»'
<Ue Abhängigkeit des Esnik von ^lethodius (s. Vetter in d. Tüb. (^uartalschr.
l^, S. r>2J)tf.). Ph. Meyer in d. Ztschr. f. KOesch. Bd. 11 S. irni. Krum-
hacher, Gesch. d. byzant. Litt.2 S. ür)3. Holl, SS. Parall. in d. Text^Mi u.
''nters. Bd. 20 H. 2 S. Ifj2if.
2) Dort ist er zum Besuche gewesen, s. d. Einl. z. Schrift Ile(jl dvaoxdafwc.
Öiese St*dt wird erst seit dem 7. Jahrb. als Bistum des M. gtMiannt. Di«« CbiT-
lieferung, er sei Bischof von Philipp! gewesen, hat Zahn ijid. 8 S. IS) aus der
Angabe inlaxonoq q>iX6ao<pOQ erklären wollen. Sie findet sich bei syrischen
^Schriftstellern, in der Cberschrift zur slavischen Cbrrsetzung d«^s Traktats üb^T
'Jen Aussatz und in einem Zitat der SS. Parall. (Holl S. \K\\ Die Zuhnsche
Uklärung ist nicht einleuchtend, auch die Bonwetschsche (Werke 1
^- XXXIIJ), Philippi sei aus Olympus entstanden, ist nicht überzeugen«!. Wir
^■^rmögen zur Zeit das Rätsel nicht zu lösen. Auch die in s}>ät»'rer Überlief«'-
^^ mehrmals vorkommende Bezeichnung Me^odlov ^iöriq ist riltöelliaft. Zahn
^int, daß dies die Oeburtsstadt des M. gewesen ist oder daß er daselbst das
Bürgerrecht besaß.
8) Hieron. schreibt ganz positiv (1. c): „Methodius Olympi Lyeiae et post^'a
Tyri episcopus". Diese Angabe hat gegen yich 1) die n(*gative Tatsaelie, daß
•eine griechische Quelle dies bezeugt, 2} die positive Tatsache, daß der Mär-
^vrer-Bischof von Tyrus in der diokletianischen Vertblgimg (Euseb., h. e. \\\\,
J3, 3) Tyrannio gewesen ist und daß nach Euseb. X, 4 Paulinus gleich nach
dem Sturz des Maximinus Bischof in Tyrus war. Methodius müßte also vor
Tyrannio in Tyrus als Bischof Märtyrer geworden sein, aber Hieron. sagt, er
«•ei „ad extremum novissimae persecutionis" als Märtyrer gestorben (das Mar-
tyrium ist auch durch Theodoret, Dial. 1 Immutabilis bezeuj^t). Di«' hier ent-
stehende Schwierigkeit ist so groß, daß luan an Tyrus als Bistum des Mf'tho-
«lius nicht glauben kann. Die Deutung, die Zahn (Bd. S S. l!»f.) gibt, befriedigt
freilich auch nicht. Er weist darauf hin, daß die Stadt Olympus ebenso wie der
iVrg, an dessen nönUichem Abhang sie lag, auch 4hhvixovi; hieß, und meint.
«laß aus einer Aufschrift wie: Me^odioi; ^O/.vfinov tfjg Avxlaq xov xai ^oirt-
xovvxoq inlaxonoq, Hieron. seinen falsch«^n Bericht ln'rausgesponnen habe. Aber
bei aller Leichtfertigkeit, die wir bei Hieron. konstatieren müssen — daß er
iniri einer solchen Aufschrift Tyi-us in Phönizien zum 2. Bistum des M. ge-
10*
14S ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
inl. 83 (cf. Socrat, h. e. VI, 13; Maximus Conf, Schol. zu Dionj^s.,
hierarch. eccl. 7); derselbe berichtet, daß M. unter Maximin (nicht
unter „Decius und Valerian" in Chalcis, wie eine falsche Über-
lieferung lautete) Märtyrer geworden sei ^ Die Schriften sind nicht
zu datieren \ Aus dem Traktat „Über die Unterscheidung der Spei-
sen" folgt (c. 1, S. 290: Bonwetsch), daß derselbe nach dem Sym-
posion und nach De resurrect. (doch war diese Schrift, wie Meth.
sagt, noch nicht nach den Wünschen ihres Verfassers vollendet)
abgefaßt ist^ Da wir nicht wissen, in welchem Alter Methodius
gestorben ist, kann seine Schriftstellerei — sie war sehr umfang-
reich, aber, wie es scheint, einförmig — schon um 270 begonnen, sie
kann auch sehr wohl bereits um 300 geschlossen haben. Spuren der
großen Verfolgung finden sich in den uns erhaltenen Werken nicht
(etwa in der verlorenen Schrift IIbqI fiaQzvQoov?), Eusebius hat
den großen Gegner des Origenes gekannt, aber fast durchweg
(so in der K Geschichte) ignoriert*. Übrigens war die Gegner-
niacht hat, ist unglaublich. Ich vermute, daß M. in der diokletianischen Ver-
folgung nach TyruB disloziert worden ist, wie zahlreiche andere Bischöfe da-
mals, und daß er dort gestorben ist. Dann erklärt sich der Irrtum leicht, er
sei Bischof von Tyrus gewesen. So wird ja auch Lucian von Antiochien
,,episcopus Nicomediensis" genannt, weil er in Nikomcdien Märtyrer geworden ist.
1) Daß auch über die Zeit des Todes eine doppelte Tradition zu Hieron.
gekommen ist, zeigt, wie unsicher die Überlieferung über M. gewesen ist.
Hicron. hält die, nach welcher M. „ad extremum novissimae persecutionii; [al.«*o
im J. 811 oder noch später] martyrio coronatus est" augenscheinlich fiir die
glaubwürdigere. Die andere („ut alii adfirmant sub Decio et Valeriano iu
Chalcide (iraeciae" — die letzten drei Worte fasse ich mit dieser Zeitbestimmuncr
zusammen) ist bereits durch die unmögliche Verkuppelung „sub Decio et Vale-
riano" verdächtig und schoitert an der Tatsache, daß M. gegen Vorphyrius ge-
schrieben hat. Sie beruht wohl auf einer Verwechselung mit einem ^lärtyrer
^Methodius in Chalcis (Kuböa) z. Z. des Decius oder Valerian.
2) Versuche bei Bonwetsch, Die Theologie des M. S. 7 ff.
?}) „Wie sehr bist du mit mir gewesen bei jeder Sache der Anfechtungen!
W^ie sehr bereitete der Satan nach Beendigung der Abhandlung wegen der
Jungfrauschaft [das ist das Symposion] mir Schmerzen! Wie sehr aber hat er
mir wiederum Beschwernis bereitet, nicht gestatt-end, die Abhandlung über di.-
Auferstehung zu vollenden! Er hat erregt Wellen wie unübersteigliche Berg» .
Luiden sag(» ich, heranwälzend Anfechtungen, so daß wir auch am Leben ver-
zwcifeltt'n, obwohl solche Fälle fi^rderlich sind. Denn mehr lieben die geger.
^\ artigen Menschen Verleumdungen und Absclu'uliches auch gegen Fronjm» .
ni..'}ir das Br>se hörend und nicht das Oute von dt-ni Nächsten". Was das fi:r
Kämpft* waren, wissen wir leider nicht.
4) Jni (). Buch der Apol. pro Orig. hat er ihn bekämpft, s. Hieron. c. Hut.
I, 11, Routh, Keli«]. Sjicr. i\\^ p. 40!l. Kusebius bemerkt, daß M. früher gniistiLi
über Orlg. gourteilt habe. Das ist mit der «'ntgegengesetzten Angilbe di -
Sokrates nicht unvereinbar, ^b'thodius wird zu alh^n Zeiten Tadel und Lo^»
d«'m 0. gj'spendet haben: zeitweilig überwog der Tadel.
Methodius. — Adamantius. 149
Schaft gegen Origenes zwar eine dezidierte, aber keine radikale;
ja nach dem Zeugnis des Sokrates (1. c.) hat Methodius schließlich
die Palinodie gesungen und in seiner Schrift „Xenon'* dem Hart-
bekämpft;en seine Bewunderung gezollt. Die Scheidung der echten
und unechten Schriften ist so einfach, daß neue Untersuchungen
über diese Frage unnötig sind (die echten sind: Uv/utooiov, IIsqI
T(w avTB^ovolov, IIbqX dvaoräösojg, IlaQl Z^jtgag, Ilegl yevrjrciv,
Sivop [Identifizierung mit der vorigen, in der ein CoUocutor Xenon
heißt, ist möglich, obgleich in IIsqI ysptircov Orig. bekämpft wird],
Kara üoQqiVQlov [so gut wie nichts ist von dieser umfangi'eichen
Schrift erhalten], „Über den Leib", IIsQi naQxvQmv [jctQi fiaQrvglag,
80 Holl S. 208], De Pytonissa, Gomm. in Genes., Comm. in Cant.
Cantic. [beide Schriften nur von Hieron. genannt], Comm. in Job
[nor nach Fragmenten, die aus anderen Schriften stammen können,
aber doch so zahlreich sind, daß diese Annalime unwahrscheinlich
ist], „Über das Leben und die vernünftige Handlung", „Über die
Unterscheidung der Speisen u.s.w,", „Vom Igel u.s.w.")^. Außer
den Werken des Plato ^ und Origenes kannte und benutzte Metho-
dios Werke des Justin, des Irenäus, des Athenagoras u. a. Er
ist wohl der älteste litterarische Gegner des Porphyrius unter den
Christen gewesen ^
•
9) Adamantius.*
Fünf — in Wahrheit zwei — Dialoge gegen llarcioniten und
^alentinianer (Bardesaniten), deren ursprünglicher Titel niclit mehr
zu ermitteln ist {Ihgl Ttjg elg d^eoi^ o(>^//i^ jtlöTeog? so nur im vor-
gesetzten unechten Prolog), sind unter dem Namen des Adamantius
fiberliefert und bereits in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts für
ongenistisch gehalten worden (s. die Philokalie und dii» Über-
setzung der Dialoge von Rufin). Daß der unl)ekannte V(^rfasser
•selbst für Origenes gelten wollte, ist ganz unwalirsclieinlich; denn
in diesem Falle hätte er nicht den Gegner desselben, Methodius,
ausschreiben und sich so weit von der Tlieologie des Origenes ent-
1) Die nur slavisch erhalteneu Stücko «ind doshall) niclit ^iiiiz zuv«'rl;Uf?i{X,
weil der Cberstitzt^r gokürzfc hat. Auch wt'i^cn sie Lücken auf.
'2) Für die Abhänp:if^k(?it von diesem ist das jjSymposinni" und die dia-
logische Form vitder Schriften cluirakteri-stisch.
o) Wie unser Metliodius dazu f^ekoiumeu ist, zum Vt'rfasser der so be-
rühmten „Revelationes" orwälilt wordt'n zu sein, ist franz rätselhaft,
4) Der Dialofr des Adamantius, hrsg. v. van de Sande Bakhuyzen
.Berliner Akad. Ausj^iibe', 1!H)1. Zahn, Ztschr. f. Kiiesch. Bd. 0 (ISaS) S. llKJff.,
Gesch. d. NTlich. Kanons, Hd. 2 S. -JOOif.
\^i) DiP Litteratur dorJ Morgenlandes.
fernen können, wie er getlian liat *. Die Personen, die er auftreten
läLst, sind fingerte (oder im günstigsten Falle an die Namen wirk-
licher Personen angelehnte); den katholischen Dispntanten hat er
Adaniantins genannt; die irrige Meinung, dieser Adamantius sei
der X'erfasser und mit Origenes identisch, mußte sieh fast mit Not-
wendigkeit einstellen. Die Kappadozier und Rufin sind ihr bereiti?
Verfallen.
Seit wir die Übersetzung Rufins besitzen, vermögen wir den
Venetianns, die einzige originale griechische Handschrift (alle übri-
gen sind direkt oder indirekt aus ihr abgeschrieben), zu kontrol-
lieren. Die Vergleichung ergibt, daß Rufin in der Hauptsache treu
übersetzt hat — auffallende Züge, die er allein bringt, wie z. B.
die Beziehung auf Manichäer, sind beiseite zu lassen ^ — , daß aber
die griechische Handschrift eine Überarbeitung des Grundtextes
ist. Diese Überarbeitung hat sich nicht auf viele Stellen des
Werkes erstreckt, ist aber eine sehr eingreifende gewesen. Die
ursprüngliche Gestalt des Werkes stammt (Dialog I p. 41) aus der
Verfolgungszeit ^; da aber andererseits Methodius in zwei großen
Partien benutzt ist — was in bezug auf die eine bereits den Ver-
fassern der Philokalia aufgefallen ist^ — so müssen die Dialoge
vor 313 (Mailänder P]dikt, doch kann zur Not auch noch an Lici-
iiiiis gt^dacht werden) und nach 270— 2S0 fallen '\ Aus anderen
Stellen in dem Werk läßt sich nichts für eine noch bestimmtere
Datierung gewinnen. Die Überarbeitung aber hat (p. 40) jene Stelle
von den Verfolgungen in das Gegenteil umgewandelt, indem sie
df^n Adamantius sagen läßt, in früheren Zeiten seien Verfolgungen
vorgekommen, rvv öe toi: ßaaiXtoig ovtoq d^soosßovq t/ q)TJg; der
König kann nur Konstantin sein; denn offenbar ist er der erste,
der Wandel geschaffen hat^ Die Überarbeitung schreibt femer
1) (lO^en Zahn S. 211 f.
*J) (ie^r(>n Zahn S. 20i)ff. 218ff.
'^) tjVo] ex eo (jnod in porsecutionibus siinius semper, manifestum debet
Orfse (?tc.", ü'dcrt dor Marcionit-, und daß er niclit nur Marcionit^in- Verfolguni:
meint., zei<?t daK P'ol^ende: „(der Weltschöpfer) habet in manu sua cor reffi-
et, inclinat. ilhid ad persequendura nos." S. auch das Weitere: die Rede des
Adamantius.
4 ) Sie haben bemerkt (c. 24\ daß das Euseb., Traepar. VII, 22 zitiert^^ Stück
eines „Maximus'* (in Walirheit des Methodius, nepl tov avts^ovalov) sich h\
den Dialo^r(.n findet. Die Verwechshmj:: „Maximus" „Methodius" ist von Zahn
sicher naeh^ewiestm und erledip^t. Das andere Stück st^^ht in der Schrift des
Metliodius nspl dvaataaew;;.
')) Die einzelnen Schriften des Methodius lassen sich nicht genauer datieren,
s. dort. Metliodius kann sclion um d. ,1. 270 geschrieben haben.
<j) S. Zahn S. 200 f.
Adamantins. — Die päeudojustiniöcbe Cobortatio ad Graecoi«. 15]
iV, p. 242): olg[Tolg ijtioxojtoig] ovvaYÜ.a^ovrai ßaoutlg xal jrarrtj
J(i;i[orr£c, während Eufin bietet (p. 24:^): „deum . . . ciii obteiiipe-
rare reges terrae et principes populüniiii atciiie oiiiue convenit
liumanum genus". Man sieht, der Überarbeiter setzt eine Situation
voraus, die im Orient erst nach der völligen Besiegung des Lici-
nius eingetreten ist Endlieh findet sich gegon ScIiIuLn (p. 240) der
Iberarbeitung der Zusatz: oiwovoiog /«(> xal äxcüQiOTOj: 1) fiuxaQic
TQtag. Hieraus ergibt sich, daß die Überarbeitung aus der letzten
Zeit Konstantins stammt; der zuletzt augeführte Satz mag aber
noch später zugesetzt worden sein K
Außer Methodius ist auch eine nut Irenäus gemeinsame (Quelle,
wie es scheint, in den Dialogen benutzt worden, s. Zahn, S. 230 ff.
Die rohe Art, in der das aus Methodius übernommene Stück ein-
gefügt ist, zeigt einen Schriftsteller geringer (Qualität.
Die Bekämpfung der Bardesaniten entscheidet für den Orient
üüd gegen Ägypten in bezug auf den Ort der Abfassung. Die Be-
nutzung des zu Lycien geliörigen Schriftstellers Methodius, der
noch gelebt haben kann, als der Verfasser schrieb — litterarische
Plünderungen kommen auch bei Lebzeiten der (geplünderten vor—,
unterstützt diese Vermutung. Zwischen Lycien und Edessa wer-
den unsere Dialoge entstanden sein -.
10) Die pscudojustiuische Cohortatio ad Graeeos.
Diese in zahlreichen Handschriften unter dem Titel ..Aoyo^
^^{mvtrixoQ jtQoq^'EXhiva;;''^ überlieferte Scljrift kann, wie jüngst
noch Gaul in sorgfältiger Nachprüfung gezeigt hat^ niclit von
Jnstin stammen, obgleich die gesamte Cberliet'erung sie ihm bei-
legt. Stil, Terminologie und Anschauungen protestierten in gleicher
^\'eise gegen diese Vindizierung, die bereits von Hülsemann (1G70)
niidDupin (1690) bezweifelt worden i.st\ In dem letzten Jahr-
1) Dial. 1 (p. 4. 5) bieten Bowohl dor (iriccliL' als difr Lateint-r ),6yo4
Oßoovaiog („verbuin consubBtanfcivum"). Da auch Pamphilud dicseu Toriiiiiui>
'tlejj Origencä) gebraucht hat (trotz der Synode von Antiocliion v. J. *JüS), »o
wird man nicht behaupten dürfen, Adaiuantius könne ihn vor dem Nieänuni
nicht geschrieben haben.
2) Dafür kann man auch anführen, dali Theodor« 't, sovirl wir wisH»»n, der
einzige ißt, der den Verfasser unseres Dialogs, den auch rr Adaniantius nennt,
nicht mit Origenes identifiziert ihaer. fab. pra^f.; 1,-0}.
8) So auch in den Sacra l'arall., vgl. dazu den Anfang der Schrift selbst:
'Aoxo/Ätvog T^s npog v/uäq nagaivtatiug, ävdneg"L?.?.7jvtg
4) Gaul, Die Abfassungsverhältnisse der pst'udojustinisehen Cohort. ad
(ir. (1902) S. 44-ü:}.
5) S. die (teachieht«» der Kritik bei Gaul. a. a. 0. S. 1 ff.
152 ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
hundert hat die Annahme der Echtheit nur noch wenige Vertreter
gefunden; man kann daher der angekündigten neuen Verteidi-
gung^ kein günstiges Prognostikon stellen. Hat doch auch der
Gelehrte, der im J. 1840 sich die größte Mühe gegeben hat, den
justinischen ürspning der Schrift zu erweisen 2, selbst diesen Ver-
such nachträglich für vergeblich erklärte
Für das in Ansehung zeitgeschichtlicher Spuren ziemlich farb-
lose Buch — man vergleiche dagegen die echten Schriften Justins!
— läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit ein terminus ad quem
angeben. Es ist Gauls Verdienst ^ dies gezeigt zu haben. Euse-
bius besaß bekanntlich einen Index Opp. Jnstini und hat ihn seiner
Kirchengeschichte (IV, 18) einverleibt. Hier wird ein Buch Justins
IlQog ^EZXfjvag erwähnt, o xat indyga^ev y^EXBfxpv''- Das Nächste
ist es, einen Doppeltitel anzunehmen; doch kann auch ein Titel
gemeint sein. Aus Photius (Eod. 232) läßt sich nun vermuten, daß
er bez. Stephanus Gobarus unsere Schrift unter dem Namen
,^EXByxo(i'' gelesen hat^ der in der Tat neben dem Titel „Aoyoq
jtaQaivsTixog'' für diese besonders passend ist^. Hat aber Photius
(Stephanus Gobarus) unsere Schrift unter dem Titel j^EXeyxog" ge-
lesen, so ist es wahrscheinlich, daß ebendieselbe auch bei Euse-
bius unter diesem Namen zu vei-stehen ist Zwingend ist dieser
Schluß freilich nicht, aber er liegt sehr nahe. Die Annahme,
unsere Schrift gehöre erst dem 4. Jahrhundert an (Dräseke,
Asmus), bedarf dem gegenüber starker Argumente; sie lassen sich
aber nicht finden ; denn der Versuch, der Cohortatio eine spezielle
Beziehung auf Julians Streitschrift zu geben, ist nicht geglückt
Diesem Versuche lag die richtige Einsicht zugrunde, daß hinter
unserer Schrift bereits Auseinandersetzungen zwischen dem Christen-
tum und der griechischen Philosophie — und zwar von beiden
Seiten — liegen ; allein diese Auseinandersetzungen brauchen nicht
1) Durch Widmann (ß. Ehrbar d, Die altchristl. Litt. u. ihre Erforschuiii?
von 18.S4--190C), I. Abt. [1900] ?. 226f.).
2) w^emisch in seiner Monof^raphie über Justin I S. 105 ff.
8) Semisch in d. Protest. REnzykl. Bd. 7 (1857) S. 185f.
4) A. a. 0. S. 20ff.
5) Photius, 1. c. (zu einer von Stephanus Ciobarus zitierten Stelle): rairr^g
6h Ttjg öo^Tjg XQV^^^ f^^^ nage&tjxev ix xov fiaQXvgoq ^ovaxlvov [nämlich aus
der Cohortatio]. zw öe ngoq zrjv ^EXlijvtx^v fikv öo^av avvi^vexxo fidx^y ^«^
xov nXaxwvog t'Afy;ro5 xax€(JxfvdL,fxo elQtjxoxoq xal 0 fihv fia^xig,
x6 nXaxcjvixov öieXiyytov o6<ptOfxa, inLÖeixvvoi xov nxdzwva xov xe drifiiovQ-
yov sladyovxa xdvavxla X^yovxa eavzo) . . . ., 6 de Fößagoq xdv EkXfjvixov
eleyxov elq dvaxQ07ii,v ixßid'C.txai x()^(j^fa xov (pQOvtjfjiaxog xov ixxXtjata-
CtLXOV.
6) S. den Inhalt der Schrift überhaupt und besonders c. 11. 35. 36.
Die pseudojustinische Cohortatio ad Graecos. 153
die des 4. Jahrhunderts zu sein. Karl Schmidt hat uns ge-
zeigt, wie lebhaft sie bereits in der Mitt€ des 3. Jahrhunderts
waren K
In das 3. Jahrhundert (nicht in das zweite und schwerlich in
die erste Hälfte des dritten) führen uns die inneren Merkmale der
Schrift, soweit solche vorhanden sind — negativ: Erwähnungen
von Verfolgungen fehlen schlechterdings; die ganze Frage zwischen
Heidentum und Christentum ist eine geistige Frage geworden, die
Rivalität zweier Grottes- und Weltanschauungen; positiv: der
Verfasser scheint nur zwei Hemmnisse zu kennen, die der An-
nahme der christlichen Religion seitens des Hellenismus entgegen-
stehen, die Pietät gegen die Religion der Voreltern (c. 1. 14.35.36)
und den Anstoß, den man an dem schmucklosen, schlechten Stil
der wahren Propheten nimmt (c. 35. 36. 38). Darüber hinaus wird
schlechterdings nichts erwähnt. Hat man so im 2. Jahrhundert
und im Anfang des dritten geschrieben oder überhaupt schreiben
können? Dazu kommt, daß Clemens Alex., wie auch Gaul sieht '^,
jedenfalls benutzt ist, daß die Septuaginta-Legende (c. 13) in einer
Gestalt vorliegt, die jünger ist als die bei Irenäus und Clemens
aufgezeichnete, und daß die Sibylle in dem Buch eine Rolle spielt,
die ihrer Rolle bei Lactantius und seinen Zeitgenossen näher steht
als der bei Justin und Theophil us. Diese Merkmale legen die An-
nahme nahe, daß das Buch der großen Friedenszeit in der 2. Hälfte
des 3. Jahrhunderts angehört, und schließen das 2. Jahrhundert
sicher ausl
1) Texte u. Unters. N. F. Bd. 5, H. 4.
2) S. 73 ff. 61 ff.
3) Aus der einzigen Stelle (c. 38), in der von Jesus Cliristus gehandelt
wird, läßt sich leider nichts Sicheres schließen. Interessant ist sie, weil das
Prädikat dxfiQtftoq, welches Hemiiis (Mand. I) von (lott selbst braucht, hier auf
den Logos übertragen ist — ich kenne dafür {xov aioxtjQoq t)fi(j5v ^Iijaov Xgiazovj
oq xov &iov vnaQ'/^iJDV loyog aywQritoq öwccfiei xzX,) aus älterer Zeit nur einen
Beleg, nämlich bei Hippolyt negl xov ndaxcc (Achelis, Hippolyts Werke I, 2
S. 269). — Belanglos für die nähere Bestimmung der Abfassungszeit ist es, daß
der Verf. (c. 13) die Septuaginta als die bei den Juden gebräuchliche Über-
setzung bezeichnet, während Origenes (ep. ad Afrie.) mitteilt, daß die Juden
die des Aquila jetzt bevorzugen. Kaum das 4. Jahrhundert erscheint dadurch
ausgeschlossen (gegen Gaul .S. 03). Befremdlich ist es, wenn (iaul (S. 73)
eine Übersicht über das Verhältnis der Cohortatio zu der übrigen christliehen
Litteratur mit den Worten beschließt: „Hiemach ist klar, daß . . . unsere Schrift
in der Zeit vor 221 verfaßt worden ist, da sie mit der Litteratur vor Abfassung
der Chronographien des Julius Afric. mehr und engere Beruh rangen als mit
der späteren aufweist." Von irgendwelcher „Klarheit" odt^r einem Beweise
kann hier gar nicht die Rede sein; denn das, was <iaul S. ö3 — 73 zusammen-
gestellt hat, beweist nur, daß unser Buch gewisse Stoffe mit den Schriften
154 l^it-* Litt-fi-atur des ^Morgenhindes.
Der letzteren Einsicht hat sich auch Gaul nicht vei-schlossen:
aber er tritt für die Abfassung im ei'sten Fünftel des 3. Jahr-
hunderts ein. Kr vermag das, weil er glaubt, das Hauptargument
für die Abfassung unserer Schrift nach dem ersten Fünftel des
'A, Jahrhunderts entkräften zu können, nämlich die Abhängigkeit
Von der Chronographie des Julius Africanus.
Wir haben bisher von dieser Tatsache geschwiegen — sie
ist das wiclitigste litterargeschichtliche Datum in bezug auf die
f'ohortatio — , um zunächst festzustellen, daß die inneren Merkmale
der Schrift, weit entfernt, jenem Datum zu widerstreben, sich viel-
mehr harmonisch zu ihm fügen. Von vornherein ist übrigens
(laul in einer prekären Lage. Er verweist unsere Schrift ins
dritte Jalirhundert, aber verschließt ihr in demselben alle Jahr-
zehnte bis auf die zwei ersten; denn Africanus soll sie schon be-
nutzt haben. Unmöglicli ist es natürlich nicht, daß wir in die
glückliche Lage versetzt sind, eine herrenlose Schrift so genau
datieren zu können — nach den Stromateis des Clemens und vor
der Chronographie des Africanus, also um 210 — , aber wahrschein-
lich ist es nicht.
Schürer* hat das Verhältnis der Cohortatio zu Africanus
genau untersucht und kam zu dem Ergebnis, daß jene diesen ab-
geschrieben hat. (iaul (S. 73 ff.) sucht das Verhältnis umzukehren.
Beiden gemeinsam ist die Einsicht daß die Annahme einer Quelle,
die sowohl die Cohort. als Africanus benutzt haben, nicht nur un-
nötig ist, sondern sich auch verbietet 2. Diese Einsicht ist richtig;
aber Gaul hat den Beweis Schürers nicht zu entkräften ver-
mocht. ( Jleich an dem ersten Punkt zeigt sich das. In dem 3. Buch
der Chronogr. des Africanus liest man: Mt'xin fihv rcov ^OXvfixiaöwv
ovöiv dxnißi:; lOToQ/jTca, In der Cohort. c. 12 heißt es: Ovöer
EkhiOL jroo rojv '0/,i\usnadojv dxQißii: löT6Qf]Tat. Wie kann man
nur glauben, daß der professionelle Chronograph diesen für seine
Ausführungen grundlegenden Satz aus einer paränetischen Ab-
handlung aufgelesen hat? Gaul selbst muß einräumen (S. 74), er
sei das Eigentum des Africanus, scheint aber anzunehmen — ich
verstehe seint^ Haltung nicht — , daß beide Autoren hier unabhängig
voneinander auf denselben Gedanken und dieselbe Formu-
lierung geraten sind. In dem Folgenden zeigt Gaul richtig, daß
vor .luliuri AtVic. Unit, hImt ilmon gegenüber ganz ßelbßtilndig ist, und daß wir
aus der Zr'it von Julius bis Knsebius nur sehr wenige Schriften besitzen, die
zu einer Vergleii-hung mit der Cohortatio einhiden. übrigens übersieht Gaul
<b'n Laetantins, dessen Art der unseres Verfassers m. E. ähnlich ist.
1) Ztschr. f. Ktieseh. Bd. 'J (1^77,8) S. iJlOtf.
2) S. Gaul S. S'Jf.
Die pseudojustinitiche Cohortatio ad Ciraeco»?. 155
Clemens Alex, den Tatian benutzt hat, selbst aber Quelle des
Africanus und der Cohortatio bez. dieser oder jenes gewesen ist.
Kr behauptet aber, daß Africanus den Clemens niciit selbst, sondern
durch Vermittlung der Cohortatio benutzt habe, weil in der Auf-
zählung der griechischen Historiker sich bei Africanus Herodot
finde, der bei Clemens und in der Cohortatio felilt; die Cohortatio.
die nach hellenischen Quellen fahnde, hätte den Herodot nicht fort-
gelassen, wenn sie ihn vorgefunden hätte; also sei sie vor Africanus
zu setzen; erst dieser habe den Namen des Herodot der Liste hin-
zagefugt. Dies ist an sich möglich; allein drei Beobachtungen
Schürers, die Gaul vergebens zu entkräften versucht, sprechen
dagegen und bestätigen die allein natürliche Annahme, daß Africanus
nicht seine wichtigsten Angaben einer philosophischen Abhandlung
tntnommen hat, sondern daß diese ihren chronogi'aphisclien Exkurs
dem Chronographen verdankt.
(1) Clemens, die Quelle, nennt den Apion (Strom. I,21j ,,o yQctfi/ia-
rixog^ 6 nXsiOToi^ixrjg ijtixhj&tig'' , Africanus schreibt ,' Anicov 6
UoOHÖcDvlov , JtBQiSQfoxaTog YQaft/iarixdii^^ die Cohortatio (c 9):
.U:tl(ov 6 ITooeiöcDplov'', Nach Gaul hat Africanus den Clemens
nur durch Vermittlung der Cohortatio gekannt, d. h. iiicht direkt
benutzt; er hat ihm also zufällig w^esentlich dasselbe
Epitheton ornans gegeben, welches bei Clemens steht
und welches die Cohortatio, seine angebliche Quelle, ge-
strichen hatte! Wer kann das glauben? Offenbar ist das Um-
gekehrte der Fall: die Cohortatio hat den Africanus, der direkt
auf Clemens fußt, ausgeschrieben, aber das Ei)ithct()n ornans ge-
jitrichen.
(2) Africanus schreibt: .MzoXefialog öe o M^i^ö/joioc:, ra Alyv-
ctxiiov avixad^BP Iotoqcjp, uJtaoi rovroig övi^TQiyu'\ die Cohort.
iL c): Kai IlToXB/iatog de o Mti'ö/jOiog, ra Aiyvjir'KDV löTOQcHr.
itxaoi TovToig ovvTQkxti', Daß Africanus das „dptxa&ci^' hinzu-
gefügt hat, wenn er lediglich die Cohortatio exzerpierte, ist ganz
unwahracheinlich; vielmehr ist es (wie oben) das Nächstliegende.
daß der Apologet das ihm gleichgültig scheinende dvtxaihv weg-
gelassen hat. Am schlagendsten aber ist die dritte Stelle:
3) Die Cohortatio (1. c.) schreibt: Ovrco yctQ UokttioiP re Iv r/j
:tQ€oxxi ^^^ ^EXXrjvix&v lOTOQiatv ittuvriTai xai \ijtio}v xtL, bei
Africanus liest man: IloXtfifov (ilv Iv rfi jiqcoth royv 'E?J,r]vixcir
ioxoQicip XiyBL, tJtl "Ajtiöog rov fPoQovimgy /wl^a rov Aiyvjcriaxov
OTQaxov ksi^BOtv Alyvjtrov, oV iv rij IlaXaiOTlvtj xaXovfiLPtj ^vQia.
ov x6qq(d ^AQaßiag a)Xf]öav, avrol drjXovoTi ol fisra Mwoico^.
Axifov 61 xtZ. Dies ist doch entscheidend. Africanus bringt das
Zeugnis des Polemon im Wortlaut, die Cohortatio verweist nur auf
156 ^® Litteratar des Morgenlandes.
dasselbe. Soll man annehmen, Africanus habe den Polemon nach-
geschlagen und seine Worte in den Text der Cohortatio gesetzt?
Das nimmt Gaul alles Ernstes an und sucht diese verzweifelte
Hypothese durch den Nachweis zu decken, daß das Zitat nicht recht
angebracht sei. Allein selbst dies zugestanden, was ich indes
leugne — warum muß das Zeugnis schlagend sein und welche
Vorstellung muß man sich von einem Chronographen machen, der
die wichtigsten und grundlegenden Nachweise aus dem chrono-
graphischen Exzerpt eines Dogmatikers abschreibt, aber dabei so
gewissenhaft ist, die Stellen nachzuschlagen, die dieser im Sinne
gehabt hat? Nein — überall erweist sich die Cohortatio gegen-
über Africanus als das Exzerpt; sie läßt den Herodot weg, sie
läßt die Charakteristik des Apion weg, sie läßt apixad-ep aus, und
sie beschränkt sich darauf, Polemon als Zeugen zu zitieren, ohne
das Zeugnis desselben anzuführen.
Dasselbe Verhältnis läßt sich noch an der gleich folgenden Satz-
gruppe konstatieren (bei Afric. geht sie vorher): Afric: xavra yctQ
ol ra ^Ad^rivalcDV lözoQovvrsg, ^EXXavixoq rs xal ^iZoxoQog ol (6)
rag ^AxMöag, ot tb xa Svgia KaCxfoQ xoü BaXXog xäi xa jtavxcov
AioöcDQog 6 xäg ßißXiod^i^xagj ^AXigapÖQog xe 6 IIoXvtöxtaQ, xai
x&v xad-* rjiiag axgcßsoxegov ifin^od-tjCap xäl x&v *Axxix6iv axav-
xoov^,
Cohort. c. 9: Kai ol xa \id^rivala)v 61 löxoQovvxeg^ ^EXXavixoz
xe xal ^iXoxoQog 6 xag ^AxO^löag, KaoxcoQ xe xal OaXXog xai
'AXi^avÖQog 6 IIoXvioxwQ, exi öe xal ol oogxDxaxoi ^lXa)P xe xai
'l(D07jjtog, ol xa xaxa ^lovöaiovg löxoQfjOavxeg, a>g OfpoÖQct
aQxalov xal JtaXaiov xcov 'lov6ala)P agxopxog MtDvoecoz
fiefivr]vxai [folgt etwas über Josephus], xal 6 kpöo^oxaxog de
jtag* vfitv xmv loxoQLoyQag)a)v Ai6ö(x>Qog, 6 xag ßißXiod^xag
ejeixefKDV xxX.
Die Cohortatio hat das nach ,,xag ^AxMöag'' ganz unerläßliclie
„Tß ^vQia'' gestrichen, und sie hat den Schlußsatz des Africanus
dazu benutzt, den Philo und Josephus einzuschieben. Die umge-
kehrte Annahme führt zu der Absurdität, daß Africanus den Philo
und Josephus, die „christlichen" Chronographen, gestrichen und
daB er in einen unvollkommenen Text mit höchster Feinheit ,.xa
2JvQca'' eingesetzt haben soll!
Schürers Nachweis besteht somit zu Recht Die Cohortatio
hat zweifellos den Africanus ausgeschrieben; also ist sie nach dem
J. 221 verfaßt. Aus der Benutzung des pseudoplutarchischen Aus-
zugs aus den Placita des Aetius in der Cohortatio läßt sich für
1) Ich habe den Text mit den notwendigen Verbesserungen gegeben.
Die pseudojastiniäche Cohortiitio ad Oraecos. 157
ihre Abfassungszeit nichts Sicheres schließen, wenn auch der Xer-
dacht nicht ganz unterdrückt werden kann, daß sie schon die
Praeparatio des Eusebius in den betreffenden parallelen Abschnitten
gekannt hat Indessen ist der Verdacht zu schwach, um ernstlich
iu Betracht kommen zu können, und der oben gegebene Nachweis,
daß Eüsebius in der Aufzählung der Justin-Schriften wahrschein-
lich schon die Cohortatio genannt hat, bleibt in Kraft. Somit läßt
sich die Abfassungszeit der Cohortatio (was den terminus a quo
betrifft, mit Sicherheit, den terminus ad quem anlangend aber nur
mit Wahrscheinlichkeit) auf 221— 302 feststellend Innerhalb dieses
langen Zeitraumes von 80 Jahren wird man aber der zweiten
Hälfte mit Wahrscheinlichkeit den \'orzug geben, (1) um der oben
charakterisierten allgemeinen Haltung der Schrift willen, (2) wegen
ihres Verhältnisses zur Geheim- und Weisheitslitteratur. Das Buch
b^eht sich außer auf anderes Krauses, mit dem es sich zu schaffen
macht, offenbar auf eine reiche christliche Sibyllenlitteratur,
näher auf eine solche, wie sie im 0. u. 8. Buch der Orac. Sibvllina
vorliegt. Diese Litteratur ist aber, wie ich Teil il Bd. 1 dieses
Werkes S. 581 ff. gezeigt habe und gegen Geffcken- festhalte,
höchst wahrscheinlich nicht früher entstanden als in der zweiten
Hälfte des 3. Jahrhunderts. Ferner liegt die Annahme st'hr nahe,
daß der Verfasser sich bereits auf Porphyiiiis IxvJeht. C. 1 1 schreibt
tr (vgl c. 24): 'Egofiivov ydo tivckz, €04 avrol (farf. ro jraQ
vfilv XQfioxriQioVy rlvag ovvtßtj ifeoofßtJ^ ard(ta;: yfyfvTjOO^ai jtotb,
ovTCD t6 xQriorrjQiop tlgr/xtvai g)aTt'
Movicol XaXöaloi öO(pi?jv Xayov, ^S «(/ ^E^Qaloi.
AvToyerr/Tov avaxxa oeßa^o/ievoi iitov ayvcic.
Aus Porphyrius aber teilt uns Euseb (Praepar. IX, 10,3) fol-
gendes Stück mit: ^Eri jtQo^ tovtok: xcu iv irtQO) yx^fjOfno (fi^oiv
0 AjtoXXcDv' Movvoi XaXöaToi .... d-eop ayvfTjji' xcu srdhv tnoj-
trj^ilg xrX. Unser Verfasser zitiiat also nicht nur dassdbe (ge-
fälschte, chiistlich-jüdische) Orakel wie Porj)hyiius, sondern er
konstatiert auch ausdrücklich, daß es von einem Hellenisten als
^kliches Orakel zitiert worden sei. Als wirkliches Orakel hat
es Porphyrius zitiert.
Hiemach hat innerhalb der 80 Jahre (221—302), in die wahr-
scheinlich unsere Schrift fällt ^ jedes späten; Viertel die größeie
Wahrscheinlichkeit in bezug auf die Abfassungszeit für sich. Mag
1) Das von Drilaeko ins Auj^e {^elnßtv Dutmn iMitt»? de> 1. Jahrh.) ist ali^o
nirht schlechthin aui>^o.schlo.ss(Mi.
2) Texto u. UntfM-8. iN. F. Hd. S 11. 1.
3) Wenn sie nicht doch nachiMisobiaiiiscli ist.
158 ^^6 Litteratur des Morgenlandes.
man auch die JJ. 240—260, ja selbst 221—240 offen lassen, so ist
es doch viel geratener, die JJ. 260—302 in Ansprach zu nehmen
und innerhalb derselben bis an das Ende zu gehen. Schriften wie
die des Lactantius, wie die apologetischen Werke des Eusebius,
wie die konstantinische Rede Ad sanctum coetum sind die Geistes-
verwandten unseres Traktats, nicht aber die apologetischen Schriften
des 2. oder anfangenden 3. Jahrhunderts.
Was den Ort der Abfassung betrifft, so ist Alexandrien und
Ägypten durch c. 13, Rom und Italien durch c. 37 ausgeschlossen K
Der Verfasser schrieb also im eigentlichen Griechenland oder in
Kleinasien, schwerlich in Syrien 2.
11) Anthlmus, BIsehof von Nikomedien und Märtyrer,
Mercati hat in den „Studi e Testi" 5 (1901) p. 87—98 unter
dem Titel: \4vk>i(Jov ijricxojrov Ntxofitjölag xal fiaQrvQog Ix Tc5r
.TQog OeoöcoQov jt^qI rfjg ctyiag IxxXrjCiag ein drei Seiten um-
fassendes, bisher unbekanntes Stück aus zwei, stark voneinander
abweichenden Mss. (Anibros. H 257 inf. saec. XIII. und Scorial.
Y.— /7.— 7 saec. XIV.) veröffentlicht, welches in mehr als einer Hin-
sicht — hauptsächlich durch seine Zitate aus einem unbekannten
Werk Valentins IleQl rcov TQidir (pvostDV, aus Hermes Trismegistus
und Plato, sowie durcli die Mitteilung eines unzweifelhaft echten
Wortes des Apelles — interessant ist^.
Anthimus, Bischof v. Nikomedien, ist nach Euseb. h. e. VIII, 6
und 13 als erster bischöflicher Märtyrer in der diokletianischen
Verfolgung im J. 303 enthauptet worden (cf. den Brief des Pam-
philus an die Antiochener im Chron. pasch, p. 277). Sonst war
1) Einem römischen od(T großj^riechischen Publikum brauchte? man di»-
Lape von Cumae nicht, so zu beschreiben, wie der Verfasser es tut.
•J) Die angekündipjte Schrift Widmanns „Die Echtheit der Mahnred»-
.Tustins (1. M. an die Heiden" (Mainz 1902) ist nach Abschluß vorstehender Aus-
f;ihnin^»'n erschienen. Sie nötigt mich nicht, an ihnen etwas zu verändern
(«. Theol. Lit.-Ztg. l(K).-> Nr. lO: Anzeige von Gaul). Die sprachlichen Über-
einstimmungen, die zwischen der Apologie Justins und der Cohortatio bestehen,
fiillen angesichts d<'r (i<'samthaltung der letzteren nicht ins Gewicht. — Dir
übrigen pseudojustiTiischen Schriften müssen sämtlich außer Betracht bleiben;
denn teils steht es f.'sfr, daß sie der nachkonstantinischen Zeit angehören, teil>
ist — wie bei der Epistola ad Zenam et Serenum — die Abfassung vor Kon-
stantin oder z. Z. Konstantins eine bloße Möglichkeit. Über die „Oratio ad
(iraecos" e. Teil II Hd. 1 S. 51:1 ff.
.■>) Schon in den Rendiconti HA Ist. Lomb. Serie 11, Vol. XXXI Juni 18f6
hatte Mercati nach dem Cod. Ambros. über das Stück berichtet, s. dazu Textf
u. Unters. Bd. '2^) H. .'] S. 94f.
Anthmus, Bischof von Nikomedion und Märtyrer, ü^bg Seodwgov, ]59
Msher nichts über ihn bekannt, außer daß in den Märtyrer-Akten
der Domna und Inda (Migne, Gr. T. 116 p. 1073 cf. 1076 A) über
einen Brief von ihm voll Güte und Trost bericlitet wird, d(»n er,
als er in einem Dorfe sich verbarg, geschrieben haben soll {xai
jQafifiara filv rov Hqov 'Avd^ifiov ijttfiJttTo jtQog avrovc, tr xcofi?}
fiiv rivi avxov XQVjtro/itrov lytyQajrro 6e... yaQuvra xai oo}-
rfjQia xtX)'
Das Stück ist sicher unecht und zwar in seinem ganzen Um-
fang; denn (1) werden Eusebius von Cäsarea und Asterius zitiert,
i'2) werden die Manichäer genannt und auf Cerdo, Marcion und
Lucian zurückgeführt \ (3) gipfelt die Ketzerliste in den Arianern.
und sie werden „Ariomaniten'* genannt, wie von Epiphanius,
Ämbrositts und Hieronymus, (4) ist die Ketzerliste nicht unab-
hängig von der des Epiphanius oder (richtiger) der des Philastrius,
da die Namen „Hermes und Seleukus" sich zusanmienfinden, was
nur mit Philastr. 55 belegt werden kann, (5) sind die Ausführungen
über die Kirche im Eingang bei einem Morgenländer um 300
unerhört (bei einem Abendländer wären sie nicht auffallend^.
Hieraus folgt, daß das Stück frühestens aus dem Ende des 4. Jahr-
handerts stammt^. Es ist aber auch schwerlicli viel später ge-
schrieben; denn die Arianer sind dem Verfasser die Erzketzer,
obgleich ihre Herrschaft vorüber ist und sie im Absterben sind
ivie die Ausdrucksweise in § S beweist). Daß der Verfasser noch
ein Werk des Valentin und ein solches des Apelles kennt, dazu
den Asterius zitiert, rät auch, die Zeit um 400 nicht zu ver-
lassen.
Wer aber ist der Verfasser und wie ist das Stück zu dem
Titel ^Avd^ifiov ijt. Nixofirjdiag xai fiaQTVQoc gekommen, während
doch Anthimus nirgendwo als Schriftsteller genannt wird? Ver-
gebens habe ich geforscht und mir den Kopf zerbrochen. Die
Aufschrift 'JFx rcop jcQog StoöcQQov jrsgi ttjc äylac txxh/oiaQ wird
^cht sein. Die Schrift führte also wohl nicht den Titel TJ^qI t^c
^'/laq ixxXrjolacy sondern in einer Schrift (einem Brief)'* an Theo-
1) Der Satz steht nur im Scorial., aber an seinor Zujrohörijjkcit zum (ianzen
liann nicht gezweifelt werden.
2) Der Versuch, die v?§ 8 — 18 als spätere Interpolation zu streichen und
flnr g§ 1 — 7. 10 zu behalten und dem Anthimus zuzuweisen, scheitert aucli.
<iii «ich zwar § 8 nicht gut zu § 7 fügt (jedoch ist di»» Verbindung nicht un-
•i'rträglich}, aber die Manichäer und die Definitionen der Kirche sich in ij 1 — 7
änden.
8) Vgl. § 8: fV clöhvaL ex^*^i ^'^' ^^^' Dieses i'^otg fügt sich zu der Auf-
j^chrift ix twv ngdq Ssoöwqov (es ist die einzige Stelle dieser Art im Frag-
ment" nnd protestiert also dagegen, ^ Sff. als Interi)olation auszuscheiden.
150 ^6 Litteratur des Morgenlandes.
dorus war von der h. Kirche gehandelt. Da es Theodori wie
Sand am Meer gibt, so hilft uns der Name auch nicht zu einer
näheren Bestimmung. Auch das bringt uns nicht weiter, daß, wie
Mercati entdeckt hat, je ein bedeutungsvoller Satz in § 2 und § 3
sich auch in den pseudoathanas. Quaest. in Nov. Test (Migne
Gr. Bd. 28 Kol. 724) findet. Die Zitate zeigen nur, daß unsere
Schrift noch in recht später Zeit (direkt oder indirekt) gelesen
worden ist. Ich muß daher meine Bemühungen um das wert-
volle Fragment in positiver Hinsicht mit einem „Non liquet"
schließen. Das unechte Stück macht es indes gewiß, daß Anthimus
im 4. Jahrhundert angesehener und bekannter war, als wir bisher
gedacht haben.
12) Die Canones der Synode von Aneyra.^
Nach der alten Einleitung zu diesen Canones sind sie jcqo-
yevioTBQOL rcov kv Nixaia kxrid-ivroDv 7cav6v(ov, Das bestätigt
sich durch den Inhalt; sie ordnen die Fragen, die sich über die in
der großen Verfolgung Gefallenen erheben mußten. Das geschah
selbstverständlich möglichst bald nach Erlösclien der Verfolgung
(bez. schon während derselben, aber die Canones setzen die Be-
endigung voraus). Das Jahr 313 ist somit der terminus a quo —
denn die diokletianische Verfolgung ist gemeint — , das Jahr 325
der terminus ad quem. Ist es aber ratsam, dem J. 313 bez. Ostern 314
(im Sommer 313 starb Maximinus; nach Kanon 6 ist unsere Synode
zwisclien Ostern und Pfingsten gehalten worden; also ist Ostern
314 der früheste Termin) möglichst nahe zu bleiben, so wird diese
Erwägung durch die beiden Tatsachen vollends gerechtfertigt, erst-
lich, daß Vitalis von Antiochien auf der Synode anwesend war, wie
die uns erhaltenen Unterschriften erweisen (Vitalis folgte aber
dem Tyrannus als Bischof von Antiochien im J. 312 oder 313 und
war 6 Jahre Bischof, d. h. er ist im J. 318 oder 319 gestorben),
zweitens, daß an der Synode nicht Eusebius, sondern Agapius, sein
Vorgänger, teilgenommen hat (Eusebius ist, s. o. S. 108, nicht nach
d. J. 315 Bischof geworden). Also stammen unsere Canones aus
der Zeit Ostern 314 bis Ostern 318 oder vielmehr aus der Zeit
Ostern 314 bez. spätestens Ostern 315-.
1) Rout-h, Reliq. Sucr. Vol. IV^ p. 114ff. Maaßen, Gesch. d. Quellen des
kanonischen Rechts, J. Teil, 1870. Hefele, Konzil.-Gesch. P S. 219ff.
2) Ausgeschlossen ist es also, daß die Canones erst aus der Zeit nach der
Verfolgung des Licinius stammen.
Die Canones von Neo-Cäsarea. — Actji Edessena. \ß{
13) Die €anones Ton Neo-Cüsarea. ^
Die alte Überschrift zu diesen Canones sagt, daß sie später
als die von Ancjrra, früher aber als die von Nicäa sind. Der Inhalt
der Canones widerspricht dem nicht (die Canones von Nicäa sind
nicht berücksichtigt; nach 325 konnte man sie aber bei Bestimmungen
über die Disziplin nicht mehr beiseite lassen). Die Unterschriften
würden das Datum bestätigen und noch genauer präzisieren — es
sind größtenteils dieselben Bischöfe wie zu Ancyra — , wenn sie
echt wären; aber die Echtheit (mindestens die Unversehrtheit)
unterliegt schweren Bedenken. Somit läßt sich die Zeit der Synode
zunächst nur in den Grenzen von 10 Jahren bestimmen: 314/5—324
(inkl!. Allein die Beobachtung, daß die Gefallenen-Frage erledigt
var, als die Synode gehalten wurde — kein einziger Kanon be-
schäftigt sich mit ihr — , macht es ratsam, die Synode nicht un-
mittelbar nach 314/5 anzusetzen; denn es ist unwahrscheinlich, daß
damals Canones über die Disziplin aufgestellt worden sind, ohne
der Gefallenen zu gedenken. In die Zeit der Verfolgung des
Licinius kann die Synode aber auch nicht fallen; zwischen dem
Sturz und dem Tode des Licinius ist ebenfalls kein Eaum für sie.
Man wird daher schwerlich irren, wenn man sie um d. JJ. 318—320
ansetzt
14) Acta Edessena.^
Es gab in Edessa ein königliches Archiv i erst aus heidnisclier,
danu aus christlicher Zeit), welches hocli hinaufreichte, und ein
kirchliches Archiv (s. Hai Her a. a. 0.). Aus jenem schöpfte Julius
Africanus (a Moses v. ('hör. II, 10) und später (um 550) das Chroni-
cum Edessenum. In diesem stammen die Eintragungen über die
-Zerstörung des Heiligtums der christlichen Kirche" im J. 201 durch
die große Flut (noch aus heidnischer Feder), über das Geburtsjahr
Christi, die Ausscheidung Marcions aus der großen Kirche im
1) Roiith, 1. V, Vol. IV2 p. ISUV. Hof.'hs ii. a. 0. I2 S, iMJtr.
-) LipsiuR, Die edossenische Abprnrsa«^»», 18S0 11. Ai»okr. Apostel jrosch. II, 2
>. irsff. 11. 1. c. Suppl. S. lOnff. Zahn, Forsclmn<r,.n I, IKSl, S. IJ.")«»«". Mat-
theit, Die edeBB. Abgarsaj]fe, Leij>zi^ 1SS2. Tix<^ront, Les orij?iiu's d«.» l'e^lisi.'
»Vllthi^se etc. 1S88. Duval, Hist. pol., ivl. vt litt. »VKdoss.s ISO'J. Halli«'r,
rntow. üb. d. edeBB. Chronik (Texte u. 1-nterri. 15d. 9 H. 1, 1802). Carriere.
Li Irjfende d'Abj^ar dann Thistoire d'Annt'^nie de Moise de Khoren, Paris 1S!»5.
von DobBchüt/., ChristnöbUder (Texte u. Unters, i^d. 18, 1^99 n. Ztnehr. f.
wiVs. Theol. Bd. 4:j, 19(K), S. 4'J2ft'.i; Hardenhewer. (ieseh. d. altkirchl.
Litt. I (1902) 8. 453ff.; s. den 1. TA\ dieses Werkes S. 5:nff.
Harnack, Altchristl. Litteraturgesch. II, 2. 11
152 ^^6 Litteratur des Morgenlandes.
J. 137/8, das Geburtsjahr Bardesanes' im J. 154, das Geburtsjahr
Manis im J. 239/40, das Gründuugsjahr des großen Eirchengebäudes
(Bischof Koinos) im J. 31 2/3 aus jenem. Aus ihm ist auch der
Bericht über den Briefwechsel zwischen Abgar (V.) und Jesus und
die Predigt des von Judas (= Thomas) nach Edessa gesandten
Thaddäus geschöpft (Bekehrungsgeschichte von Edessa), den Euse-
bius h. e. 1, 13 (cf. I, 12, 3 f. II, 1) gegeben hat (übersetzt aus dem
Syrischen): J^x^ig xal xovrcov avayQastxov ztiP fiaQzvglap ix tcov
xarä "Eöeoöav ro rriPixaöe ßaaikevofiivfjp jtoXiv YQaiiiiatoipvXaxel(Dv
Xrjq)&etoap. ip yovp xolq avToQ-i drifioaloig X«P^«^5^ '^olg za JtaXaia
xal Tcc dfitpl TOP "'AßyaQOP xgaxd-ipxa jtsQiixovci xäi xavxa elöiri
xcd PVP i§ Ixelpov jte^vXay/iipa evQfjzai. ovöhp öh olop xäi avrwp
kjcaxovoat tcop ijtiOToXäp cbto twp dgxslop tjulp äpaXrj^d-siocop
xal TOPOS avtotg Qtniaötp Ix xriq Hvqcop ^copfjg fiszaßXfjd'SicSp
TOP TQOJtop. Die Briefe und die Predigt sind zusammengehörige
Fälschungen ^ die in das 3. Jahrhundert gehören; d^n erst bald
nach 201 (s. o.) ist Abgar IX. bar Ma*nu (179—214) Christ geworden
und hat sein Königreich christianisierte Africanus weiß noch nichts
von diesen Legenden; hätte Eusebius etwas dergleichen bei ihm
gefunden, so hätte er es angemerkte Eine nähere Bestimmung
der Abfassungszeit ist nicht möglich; doch liegt es auf der Hand,
daß an die erste Hälfte des 3. Jahrh. nicht leicht gedacht werden
kann*.
Der weiteren Geschichte der Sage, in der auch der Apostel
Thomas eine große Rolle spielt^ ist v. Dobschütz nachgegangen.
Eines der ältesten Stücke ist die vor 27 Jahren zum erstenmal
vollständig publizierte syrische Doctrina Addaei (ed. Phillips,
London 1876) ^ die Zahn sogar mit der Quelle des Eusebius für
wesentlich identisch erklärt hat. Allein vieles in ihr, namentlich
die Verquickung mit dem wunderwirkenden Bilde Christi in Edessa,
1) Nach I, 13, 20 gestellt auf das 340. Jahr der seleucidischen Ära =
20 p. Chr.
2) Der Beweis von (lOmperz (Archäol.-epigr. Mitt. v. Österreich-Ungarn
Bd. 10, 1890, S. 154 ff.), Abgar sei Jude geworden, ist nicht geglückt.
3) (legen v. Gutschtnid, Lipsius u. a. mit v. Dobschütz, a. a. 0.^
Belege S. 103 f.
4) Die auf eine Vermutung Nöldekes sieh gründende Annahme, daß das
J. 232 als das Jahr der Translation der Gebeine des Thomas von Indien nach
Edessa hier von Bedeutung sein könne, ist nicht von Gewicht. — Daß Abgar
nicht „König", sondern „Toparch" genannt ist, zeigt auch die späte Zeit.
f)) Dazu die Thomasakten. Über Thomas-Judas s. die anregenden Unter-
suchungen von Harris, The Dioscuri in the Christian legends, London UK»:»
(v. Dobschütz in der ITieol. Lit.-Ztg. 1903 Nr. 20).
0) Bruchstücke früher schon bei Cure ton in den Ancient Syr. Doc. 18<U.
Archdai episcopi liber disputationis adveräum Manichaeum. 163
das die Sylvia um 385 noch nicht gekannt hat^ zeigt, daß sie
frühestens der Zeit um das J. 400 angehört. Einiges in ihr (wenn
aach nur weniges), was sie Aber Eusebius hinaus bringt, mag auf
die alte Legendengestalt zurückgehen. Dazu rechne ich das, was
über den ersten Bischof Palut und seine Beziehungen zu Serapion
von Antiochien gesagt ist^.
15) Arehelai episcopi liber disputationis adyersnm Manichaeam.
Über dieses, nach Heraclianus Chalc. saec. V/VI. (bei Photins,
Bibl. 85) einem Hegemonius gebührende Werk, welches uns in einer
alten lateinischen Übersetzung und griechischen Bruchstücken vor-
liegt, hat Hieronymus (De vir. inl. 72) lauter falsche Nachrichten
in Kurs gesetzt Er behauptet, das Werk sei von Archelaus, sei
ursprünglich syrisch geschrieben, und sein Verfasser habe unter
dem Kaiser Probus gelebt. Allein Archelaus ist nur der Inter-
lokutor, nicht der Verfasser der erdichteten, von geographischen
Verstößen wimmelnden, aber z. T. auf sehr gutem, echtem Material
fußenden Akten; die Annahme eines syrischen Originals wird von
Beausobre (Manich6isme I p. 129), Zittwitz (Ztschr. f. d. bist
TheoL 1873 S. 467 f.), Nöldeke (Ztschr. d. Deutschen Morgenl. Ge-
sellsch. Bd. 43, 1889, S. 537ff.) und Rahlfs (Gott. Anz. 1889 S. 927 f.)
mit starken Gründen bestritten ^ und unter Probus kann das Buch,
welches den entwickelten, dem Christentum gefährlichen Manichäis-
raus voraussetzt, nicht entstanden sein^ Der terminus ad quem
sind die Katechesen des Cyrill (s. cat. 6) \ also das Jahr c. 347;
der terminus a quo ist das Jahr c. 300. Das Werk^ stammt also
aus der ersten Hälfte des 4. Jahrh. Man wird aber schwerlich
irren, wenn man es innerhalb dieses Zeitraumes lieber nach dem
1) Das „Original" des Briefs ist ihr gezeigt worden; iiueh kennt sie die
Ij^nde, daß die Stadt durch seinen Besitz uneinnehm!)iir sei; s. p. 02 f. der
^Viener Ausgabe.
2) Aus Bardenhewer, a. a. 0. S. 459, ersehe ich, daß noch in jüngster
ZeitNirschl („Katholik" 1890 Bd. 2 S. 17tf.) die Echtheit des Briefwechsels
Jeso mit Abgar verteidigt hat,
3) Keßler (Mani Bd. 1, 1889, S. 87ff.) ist allerdings der Meinung des
Hieronymus.
4) Den „Probus" hat Hieron. wahrscheinlich aus c. 27 der Acta.
5) Aber dem Cyrill muß das Werk in einer anderen Gestalt vorgelegen
haben als uns. Epiphanius (haer. 00, 0—8. 10. 11. 21. 25. H\ u. De mens, et
}>ond. 20) scheint das Werk in der uns erhaltenen Rezension gebraucht zu liaben.
6) Beste Ausgabe bei Routh, R^iliq. Sacr. V^ p. 1 — 206 auf Zacagnis Aus-
gabe fußend, 8. auch Text« u. Unters. T, H. 3, S. 137 ff.
11*
1()4 Die Litteratur des Morgenlandes.
J. 325 als vor demselben ansetzt^. Daß die arianiscben Streitig-
keiten nicht erwähnt sind, ist kein Grund, für die vornicänische
Zeit einzutreten; denn diese Streitigkeiten gehörten nicht hierher 2.
Dagegen ist es, wie schon Beausobre sah, wichtig, daß der Verf.
c. 27 sagt, wenn Mani recht habe, so sei der Pai*aklet erst mehr
als 300 Jahre nach Christus erschienen. Pie Annahme liegt nahe,
daß der Verf. hier gedankenlos seine eigene Zeit ins Auge gefaßt
hat, obgleich er (1. c.) weiß, daß Mani unter Probus zu stellen ist^
Die Angabe führt auf 330—340. Dieser Zeitraum ist aber auch
deshalb zu bevorzugen, weil das Verhältnis zwischen Christen und
Heiden keine Spannung mehr zeigt; werden doch bei der Dispu-
tation Heiden als Schiedsrichter eingesetzt Jedenfalls ist ein Grund,
das Werk in die vornicänische Zeit zu rücken, nicht vorhanden.
Zwischen 310 u. 325 schrieben die Christen im Orient auch schwer-
lich solche, der eigenen Lage sicheren Werke wie unsere Akten.
In eine Sammlung der vornicänischen christlichen Litteratur würde
ich dies Werk nicht aufnehmen. Jacobi (a.a.O.) hat den Ver-
fasser in Ägypten gesucht; aber seine Gründe sind sehr schwach.
Kennt auch der Verfasser die östlichen (babylonisch-persischen)
Landstriche nicht, über die er redet, so hat man ihn doch, wie
auch die älteste Bezeugung wahrscheinlich macht, in Syrien oder
Palästina zu suchen. Nach Syrien weist die merkwürdige Christo-
logie des Verfassers, die der des Paul von Samosata sehr nahe
kommt und bei einem ägyptischen Verfasser hohes Befremden er-
regen müßte.
Anhang.
16) Syiumachus und die Symmachianer.^
Tch trage hier den Symniachus nach, wie ich Bd. I S. 701 an-
gekündigt habe.
Symniachus' sachkundige und sehr wertvolle Bibelübersetzung
ist nach Eusebius (h. e. VI, 16) zu der Zeit, als Origenes sie in
seine Hexapla aufnahm, allgemein bekannt gewesen. Da Origenes
seine hexaplarische Arbeit früh begonnen hat, so spricht diese Tat-
sache nicht dafür, daß Synimachus, wie man nach Epiphan., de
1) Jacobi, /tschr. f. KOosch. Bd. T S. 40(3 f., entscheidet sich für ±325.
2) Cbri^^ens sagt der Verf. einmal (c. 'i]2): „Quid deo potest ex istis crea-
turis esse homousion".
3) Jacobi (a. a. 0.) hält den Verfasser einer solchen Gedankenlosigkeit
nicht für HUiig.
4) S. den 1. Teil dieses Werkes S. 209—212. 886—838.
Symmachus und die Syiumiichiauer. 165
mens, et pond. 16 — 18 angenommen, unter Sept Severus geschrieben
hat*. Auch die Geschichte, die uns Eusebius (h. e. VI, 17) erzählt
(c£ Pallad., bist Laus. 147), daß Origenes bei einer gewissen Juliana
(in Cäsarea in Eappadozien) um das J. 234 Bücher des Symmachus
gefunden habe, die sie von Symmachus geerbt habe, läßt ihn als
längst verstorben erscheinen. Nun aber hat Lagarde (Vet Test,
ab Orig. rec fragm., 1880 p. 25. 28) darauf aufmerksam gemacht,
daß die syrischen Handschriften des Epiphanius auf die LA ,, Verus"
statt „Severus** führen. Unter diesem Kaiser wird Symmachus
geschrieben haben^. Mercati (Letä di Simmaco Vlnterprete e
& Epifianio, Modena u. Freiburg, 1892) kommt zu derselben An-
sicht, glaubt aber auf Grund einer unsicheren Inschrift nachweisen
zu können, daß Mai-cus auch den Namen „Severus" geführt habe^.
Daß Symmachus noch die Zeit des Septimius Severus erlebt hat,
ist natürlich sehr wohl möglich, aber es läßt sich nichts darüber
sagen.
Die Nachricht des Epiphanius, Symmachus sei ein zum Juden-
tum abgefallener Samaritaner gewesen (rcov jtctQ avrotg oogxxtv
lifj TifiTjd-eig vjtb xov olxtlov iO^vovg, voorjOac, (ftXaQxlav xal aya-
vttxx^öag xaxa rijg Idlag q)vX7Jg) und er habe seine Übersetzung
QUtemommen jtgog dtaoxQocpriv xwv jtaQct UafiaQslxaig tQft7]veiwv
kM^Bvoag, steht im Widerspruch mit Eusebius (Origenes), Victori-
nu8 Rhetor, Ambrosiaster und Faustus Manicliäus (Augustin), die
voneinander unabhängig sind und einstimmig berichten, er sei Christ,
aber Ebionit gewesen^. Die Lateiner wissen aber aucli von einer
Sekte der „Symmachianer"* innerhalb der Ebioniten — sie müssen
also spätestens im 4. Jahrhundert in das Abendland gekommen
sein — , und Victorinus Rhetor (ad Gal. 1, 19; 2, 26, Migne, Lat. VIII
C0L1155. 1162) beschreibt sie so, daß die Verwandtschaft der-
selben mit dem Kreise, aus dem die Pseudoclementinen
stammen, unverkennbar ist: „Nam Jacohum apostolum Sym-
1) Das Chron. pasch. 1 p. 490 nennt das 9. Jahr des .Severuß.
2) Daß ihn Irenäun nicht nennt, während er des Aquila und Theodotion
J?edenkt, ist kein Gegenargument. War die Cberuetzung des Symmachus eini«?e
Jahre bevor Irenäus sein großes Werk verfaßte, im Orient eröcliitmcn, so brauchte
sie nicht bereits zur Kenntnis des Bischofs von Lyon gekommen zu sein.
3) S. dazu Nestle in d. Theol. Lit.-Ztg. 1898 Nr. 18.
4) Das Gerede des Philastnus (haer. G3) hisse ich beiseite. An d<'s Epi-
^fhanius Mitteilung wird glaubwürdig sein , daß Symmachus aus SamariiMi
f^tammie. — In der Demonstr. ev. 1. VII c. 1 (Migne Ser. Gr. Bd. 22 p. 497 —
5Ul) dfhreibt Eusebius über Symmachus und di<; Ebioniten : liyexai 6\ 6 Ä/i-
fitcxo^ *EßiwvaLoq elvai ' algeatg d^ ijv [!] ovrcj xalov/ih'wv ttvwv *Iovöal(oi' elg
Ä^^iorov niaxtvuv XeyofiivwVj i^ wv 6 Stfifiaxog »/r.
156 ^^^ Litt-eratur des Morgenlandes.
machiani faciunt quasi duodecimum et hunc secuntur^ qui ad domi-
num nostrum Jesum Christum adiungunt Judaismi observationem,
quamquam etiam Jesum Christum fatentur; dicunt enim eum ipsum
Adam esse et esse animam generalem^, et aliae huiusmodi blasphe-
miae". Ambrosiaster in prol. in ep. ad GaL: „Sicut et Symmachiani,
qui ex Pharisaeis originem trahunt, qui servata omni lege Christi-
anos se dicunt, more Photini Christum non deum et hominem, sed
hominem tantummodo definientes". Philastrius, haer. 63: „Sj^m-
machiani". Faustus Man. bei Augustin, c. Faust XIX, 4: „Hoc si
mihi Nazaraeorum obiceret quisquam, quos alii Symmachianos
appellant, quod Jesus dixerit se non venisse solvere legem*^.
Augustin, 1. c. 17: „li sunt, quos Faustus Symmachianorum vel
Nazaraeorum nomine commemoravit, qui usque ad nostra tempora
iam quidem in exigua, sed adhuc tarnen vel in ipsa paucitate per-
durant". Augustin c. Cresconium I, 31: „Et nunc sunt quidam
haeretici, qui se Nazarenos vocant, a nonnuUis autem Symmachiani
appellantur et circnmcisionem habent Jndaeoinim et baptismum
Christianorum^. Aus dem Orient, aus dem sie doch stammen
müssen, hören wir nichts von diesen Symmachianem.
Von 'Vjtofivi^fiaTa des S. weiß Eusebius (h. e. VI, 17), die noch
jetzt erhalten sind; in ihnen „befestigte er die Häresie der Ebioniten,
indem er sich an das Matth.-Ev. wendet*' {jtQog ro xara Maxd^alov
djtoTsiPOfispog evayyihop). Die Worte sind nicht deutlich — von
einem Kommentar zum Matth. ist natürlich keine Rede — ; wahr-
scheinlich zog S. das Matth.-Ev. polemisch bei seiner Verteidigung
des Ebionitismus und des Ebioniten-Evangeliums heran (s. zu ajro-
rdveo&ai jtQoq riva Euseb. h. e. IV, 18, 7; VII, 11, 1). Eben diese
Schriften iiexa xal aXXmv elg rag ygatpag (jedenfalls ATlichen)
tQfirjvsicip hat Origenes, wie Eusebius in einer Bemerkung desselben
gelesen hat, bei Juliana in Cäsarea Kapp, gefunden. Näheres über
diese Auslegungen ist nicht bekannt; aber noch Ebed Jesu hat
einige Schriften des S. in syrischer Übersetzung in Händen gehabt
und den Titel einer derselben angegeben: „De distinctione prae-
ceptorum" (Assemani, BibL Orient III p. 17). Vielleicht ist dieses
Werk mit jenen Hypomnematen identisch, die Eusebius kurz be-
schrieben hat.
Wo S. gelebt hat, wissen wir nicht (über die Herkunft s. oben).
Für Kappadozien spricht, daß dort Juliana Bücher von ihm er-
1) 8. das Hebrilerev., in welchem die erste Erscheinung des Auferstandenen
vor Jakobus geschieht, und vgl. die Schätzung des Jakobus in den Pseudo-
clementinen.
2) Dies ist eine Hauptlehre in den Pseudoclementinen.
Die Elkesaiten. 167
/lalten hat Durch Symmachus, den einzigen Christen, der im Alter-
tnm das ganze A. T. ins Griechische übersetzt hat, erhielten grie-
chisch redende, gnostische Judenchristen ihr eigenes A. T.
17) Die Elkesaiten.
Das Material über sie ist im 1. Teil dieses Werkes S. 207 ff.
-zusammengestellt. Über ihr Auftauchen ist kein Streit. In Alci-
't)iades aus Apamea (Syr.) erscheinen sie für uns zuerst, und zwar
in Bom (ffippoL, Refut IX, 13) zur Zeit des Kallistus (218—222)
oder unmittelbar nach dem J. 222 (Hippolyt ist ihrer Propaganda
nach seinem Selbstzeugnis entgegengetreten). Origenes meint
liöchst wahrscheinlich diesen Alcibiades, wenn er hom. in Ps. 82 bei
Eüseb. VI, 38 schreibt: ^EXr^lvd^i xiq^ ixl xov jtaQOvroq fitya g)Qo-
vAv ijd TW övvaod-ai jtQtoßsveiv yvcifU]g aO^iov xal aöeßeCrarf/Q,
xaiovfidpfig ^EXxeoalxöiv, vecoöxl ijcavicraiiivtjq xaJq ixxXi]alaig.
tber ihren Ursprung und ihre spätere Geschichte s. Epiphan.
baer. 19 U. 53: ägiirivrai (19, 1) ovroi, cog elg rmag iX&ovöa jteQi-
iiu xagadoOig, äjtb rijg Naßanx^c x^Q^Q ^^^ ^IrovQalagj Mcoaßi-
tiiog TB xal *AQr{tXlxtöog, rwv kjtixBtva zfjg xoiXaöog t^c \4Xvx7jg
o?Tö§ iv ry d-ela YQa9>y xaXovfiivrig vjtSQxeifitPfjg x^Q^^' ^^ sie
immer entstanden sein mögen — daß sie nicht von Hom in die
eben genannten Landstriche gekommen sind, sondern in diesen vor
dem J. 222 schon zu finden waren, ist gewiß. Nun sagt Epiplia-
nios L c^ daß „Elkesai" unter Trajan aufgetreten sei, und dies
1)estätigt der viel ältere Hippolyt (von dem Epiphanius nicht ab-
hängig ist), indem er 1. c. 13 mitteilt, Alcibiades habe auf ein altes
Offenbarungsbuch verwiesen, welches für das 3. Jahr des Trajan eine
neue Sündenvergebung angekündigt habe. Hiernach steht fest,
daß das Buch selbst diese Angabe enthalten hat'^; denn bequem
war die Lage für Alcibiades nicht, auf ein Buch verweisen zu
mflssen, welches durch eben diese Angabe veraltet schien. Alci-
biades hat also das Buch samt der Angabe nicht erschwindelte
Daß das Buch nun wirklich so alt war (und damit auch die Sekte),
1) Nicephoniß Call. (h. o. V, 24), wo er diese Worte des Origenes wieder-
gibt, schiebt ein: UXxißidÖTj^ tf ^Ana/xelaQ xij^ SvQiag und zeigt damit (wie
auch sonst), daß er die von Hippolyt stiimniende Cl)erlieferiing kennt und
richtig untergebracht hat.
2) Die Hypothese, die ich Chronologie I S. 2<)l) not. 2 als möglich erwogen
habe, habe ich als sehr starken Bedenken unterliegend selbst bezeichnet.
3) Gegen Bardenhewer, Oesch. der altkirehl. Litt. 1 S. :J51: „Es drangt
sich die Vermutung auf, daß der Pseudopro))het Alcibiades, welcher das Buch
produzierte, zugleich auch deijenige gewesen sei, welcher das Buch verfaßte".
168 ^^6 Litteratar des Morgenlandes.
ist das allein Wahrscheinliche; denn wer kündig eine Sündenver-
gebung für einen verflossenen Termin an? Es heißt' ja nicht, vom
3. Jahr des Ti*ajan an stehe diese Vergebung offen, sondern in
diesem Jahre werde sie gespendet. Der Sektenstifter — wie
immer er geheißen haben mag (Elkesai? Alexius?) — lebte also um d.
J. 100; aber seine judaistisch-gnostische Schöpfung taucht für uns
erst ca. 120 Jahre später aus dem Dunkel auf. Was Hippolyt (IX, 14)
und Epiphanius inhaltlich über die Sekte mitgeteilt haben, zeigt,
daß sie mit den Symmachianem und dem Kreise, aus denen die
Pseudoclementinen stammen, blutsverwandt war. Besonders charak-
teristisch ist daifir das Adam-Christns-Dogma (Christus der immer
wieder aufs neue auftauchende Prophet: Tov Xgiozov Xiyu avd^Qco-
jtop ocoLvmg JtaCt ysyovivai, rovxop Sh ov vvv XQcircog bc jtaQ&b-
pov yeyevv^oO^ai, dXXa xät jtQoreQOV xaL avd-ig JtoXXaxtq yarvt}-
^ivxa xal ysppcifievov Jt€q)r]pipai xal gwecd-cu, äXXaOOoPza yepsöecg
xal fjttrepOcofiaTovfiSPOp).
Viertes Kapitel.
Varia.
1) Zu den apokryphen Apostelgeschichten.
Wenigstens in Kürze muß ich hier auf die apokryphen Apostel-
geschichten (s. Chronologie Bd. I S. 491fr. die Acta Pauli, S. 493 ff.
die Acta Pauli et Theclae, S. 506 ff. der gefälschte Briefwechsel der
Korinther und des Paulus, S. 541 ff. die Johannes-, Andreas- und
Thomasakten, S. 549 ff. die Petrusakten) zurückkommen, teils weil
a. a. 0. auf weitere Untersuchungen verwiesen worden, teils weil
seit dem J. 1896/7 besonders viel Wichtiges auf diesem Gebiete
erschienen ist^ Doch lasse ich die Acta Pauli beiseite, weil sie
1) Für die Akten des Paulus ist die Situation durch Karl Schmidts
Kntdeckung ganz neu geworden. Kr konnte aus koptischen Papyrusfniginentou
4er Heidelberger Bibliothek (Neue Heidelb. Jahrbb. Bd. 7, 1897, k 117 ff.) nach-
weisen, daß die Acta Pauli et Tlieclae, die falschen Korinth erbriefe und da^?
Martyrium des Paulus Bestandteile der Acta Pauli gewesen sind, und ich ver-
mochte diesen Nachweis aus der „Caena" Pseudocyprians zu bestütigen (Text».«
u. Unters. Bd. 10 H. lib, 1891); Bd. 20 H. H, 1900 S. l(K)tf., cf. Theol. Lit.-Zt^'.
15^7 Kol. 20i3ff., 1898 Kol. 810f Zahn, Neue kirchl. Ztschr. Bd. 8, 1897, 8. 93:iff
Khrhard, Die altkirchl. Litt. I, 1900, S. lö^ff. Bardenhewer, riesch. der
altkirchl. Litt. 1, 1902, S. 418ff. Corssen, Die Urgestalt der Paulus-Akt^n
'ZWhr. f. NTliche Wissensch. Bd. 4, 190:^, S. 22ff.). Die groIJe Publikation von
•''chmidt über die Paulus- Akttm, das Werk eines fiinQiihrigen Fleißes, wird
Anfang 1904 erscheinen.
Zu den Johannesakten s. James, Apocr. anecdota Ser. II, Cambridge 1897,
P- IX fF. Iff. 144 ff. in d. Texts and Stud. Vol. V, 1 (ein umfangreiches, neues
Fragment). Bonnet, Acta apost. apocr. Pars 11, 1, 189S, p. XXVI ff". 151 ff'.
idie erste kritische Ausgabe der Fragmente; auch neues Material). Zahn in
H. Neuen Kirchl. Ztschr. Bd. 10, 1899, S. 191 ff*, (eine Würdigung der durch
Bonnets Ausgabe neugestellten Frage) u. in den „Forschungen" Bd. <3, \UQi\
S. 194ff. Hilgenfeld in d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 42, 1899, S. 624ft'.
IL Bd. 43, 1900, S. Iff-. Hennecke, Theol. Lit.-Ztg. 19(K) Kol. 272ft'. Ehr-
hard, a. a. 0. S. 158ff'. K. Schmidt in d. Texten u. Unters. Bd. 24, H. 1,
19(0, S. 2Cff. 77ft'. lllff Bardenhewer, (^esch. der altkirchl. Litt. I, 1902.
S. 437 ff.
170 ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
sicher dem 2. Jahrhundert angehören. Ich habe a. a. 0. S. 493 die
JJ. 120—170 als Abfassungszeit offen lassen müssen. Schmidt
getraut sich zu beweisen, daß sie erst bald nach dem J. 170 ent-
standen sind.
Ich beginne mit den Petrusakten, d. h. mit der zwar nicht
primären, aber doch im ganzen zuverlässigen Gestalt, in der sie
uns in den Acta Vercell. und in griechischen Bruchstücken (auch
einem koptischen) bekannt sind. Hier liegt die ausgezeichnete Unter-
suchung von K. Schmidt vor. Sie hat meinen Nachweis bestätigt,
daß die Akten nicht von dem Verfasser der Johannesakten her-
rühren und daß sie nicht gnostisch, sondern vulgär-christ-
lich (fast wehrlos gegen Doketismus) sind^ Sie hat femer be-
wiesen, daß die Johannesakten in ihnen benutzt sind, desgleichen
das Kerygma Petri, Justins Apologie und — wie auch ich gezeigt
habe, aber Schmidt fährt den Beweis z. T. mit anderen Mitteln —
die Acta Pauli 2. Ich glaube, daß diese Ergebnisse nicht mehr um-
gestoßen werden können. Sicher sind die Acta Petri benutzt von
Commodian (aber das nützt nichts in Hinsicht der Zeitbestimmung,
daCommodian selbst nicht zuverlässig datiert werden kann; s. unten
im 4. Buch) und von Porphyrius (Schmidt S. 167 ff.). Um das J. 270
waren sie also zweifellos vorhanden. Schmidt sucht es nun
Zu den Andreasakten 8. die neue Ausgabe von Bonnet, a. a. 0. p. XliF.
p. Iff. mit neuem Material. Derselbe, La Passion de Tapötre Andr^ en quelle
langue a-t-elle 6crite? in der Byzant. Ztschr. Bd. 3 (1804) S. 458 if. James,
1. c. p. XXlXff. Ehrhard, a. a. 0. S. 161ff. Bardenhewer, a. a. 0. S. 432ff.
Zu den Thomasakten s. Bonnet, Acta apost. apocr. Pars II, 2, 1903 (zus,
mit den Philippus- und Barnabasakten ; erste vollständige Ausgabe; doch s. das
frühere „Supplementum" desselben Editors, 1883). L^vy, Notes sur les Indo-
Sc.ythes ;}. St. Thomas etc. im Journ. Asiat. 9, 9, 1897, p. 27 ff. Burkitt in
d. Stud. Sinait. Nr. 9, 1900, p. 23ff. (Bruchstücke der syr. Rez.). Bevan, The
hymn of the soul, contained in the Syriac acts of St. Thomas, 1897, in d. Texts
and Studies Vol. V, 3. Anal. Bolland. Bd. 18, 1899, p. 27r)ff. Burkitt im Journ.
of theol. studies Bd. 1, 1900, p. 280ff. (über die Originalsprache.) Bonnet,
Act. de S. Thom. Le poeme de l'äme etc. in d. Anal. Bolland. Bd. 20, liX)l,
p. löOff. Khrhard, a. a. 0. S. 163ff. Bardenhewer, a. a. 0. p. 442ff.
Zu den Petnisakten s. James, 1. c, 1897, p. XXIV ff. Harnack in d.
Texten u. Unters. Bd. 20 H. 8 S. lOOff. Erbes in d. Ztschr. f. KGeschichte
Bd. 22, 1901, S. Iff. lOlff. Ehrhard, a. a. 0. S. 156ff. Karl Schmidt, Die
alten Petrusakten in den Texten u. Unters. Bd. 24 H. 1, 1903. Ficker, Die
Petnisakten, 1903; dazu K. Schmidt in d. Gott. Gel. Anz. 1903 Nr. 5. Hilgen-
feld in d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 46, 1903, S. 321ff. Bardenhewer,
a. a. 0. S. 414 ff.
1) Mit Zahn und anderen hält Bardenhewer am h&retisch-gnostischen
Charakter der Akten fest. Ehrhard ist geneigt, mir beizustimmen.
2) Über den Umfang desBen, wa« den Paulus- Akten entlehnt ist, bin ich
nicht ganz der Meinung Schmidts.
Zu den ai>okryphen AposMgOHchitrhtfiu 171
wahi*scheinlich zu machen, daß Origenes (im GeDesis-Komm.). Hippo-
]yt (in den Philos.) und das Murator. Fragment die Akten gekannt
haben K In Bezug auf die beiden letzten ist er selbst nicht ganz
sicher (S. 125). Das Muratorische Fragment (s. u. im 4. Buch) darf
m. E. hier nicht angerufen werden; denn daß sein Verfasser aus einem
Buch die ihm sichere Nachricht von dem Martyrium des Petrus
und der Heise des Paulus nach Spanien geschöpft hat, ist min-
destens nicht das Nächstliegende. Von einem solchen Bueli liätte
er doch sonst etwas gesagt'^. Auch die Nachrichten bei Origenes
i3. Buch des Gcnesis-Komm. bei Euseb. h. e. III, 1) und Hippolyt
(Philos. VI, 20), daß Petrus auf seinen Wunsch mit dem Kopf nach
unten anfgepfälüt worden sei, bez. die Simon Magus-Geschichte
brauchen keineswegs notwendig den Acta Petri zu entstammen;
denn so gewiß Schmidt recht hat, in diesen Akten einen ganz
UDglaubwflrdigen Boman und Fabeleien zu sehen, so gewiß hat ihr
Verfasser nicht alles als erster über Petrus gefabelt. Gerade
Schmidt hat ja gezeigt, daß das Werk sich auch als Kompi-
lation älterer Stoffe darstellte Somit scheint das Urteil in Kraft
zu bleiben, das ich (Chronologie I S. 559) also fornmliert habe:
-Diese Akten gehören höchst wahrscheinlich erst der Mitte des
3. Jahrhunderts an. Kaum eine Möglichkeit besteht, sie noch in
1) Benutzunji^ in den Actii Archeliii weist Fi c kor nach. Für die /cit-
^Kütimmung ist das gleichgültig. Wichtig über ist, daß die Acta Archelai d'w
iVtrosakten nugenBcheinlich als eine katliolischo Schrift betrachten.
2) Hält man die Petnisakten besonders deshalb für die (>uelle des Fra^jf-
iiicniB, weil auch sie nicht vom Martyrium des l*aulus handeln, so macht man
.Mfh eine sonderbare Vorstellung von der Art, wie sich der Verf. des Frag-
n:«?nt(i zu den Akten gestellt hat. In ihnen ist — ganz natürlich — das Mar-
tyrium des Paulus nicht erwähnt, weil sie eben l*etrus -Akten sind. Soll nun
<W Verf. des Fnigments das notorische Martyrium des Taulus beiseite g»-
liiüäen haben, nur weil es in den Petrusakten fehlte? Das setzt doch eine merk-
würdige Devotion vor diesen Akttju voraus! Aber warum erwähnt er den Mär-
tyrertod de» Paulus nicht, sondern nur dessen spanische IteiseV Wir wi^sen e.>
nicht. Vielleicht weil er in den NTlichen Schriften zwar die spanische Heisi*
'i»'S Paulus und den Märtyrertod des l*etrus «»rwähnt fand, nicht aber den des
I'iiuloB.
3) Daß aber der Kreuzestod des J'etrus und der Aufenthalt des Simon
MagQg in Rom auf älterer Überlieferung beruht^»n, steht fest — wanim also nicht
auch der Kreuzestod mit dem Kopf nach unten? warum nicht die Simon-Legende,
''ie Bie Hip|>olyt in den Philos. erzählt? Daß der Verfasser der Petrusakten auch
*^mst Cherlieferungen hatte, deren Quelle wir nicht kennen, geht aus Clem. Alex..
Adumbrat. (in Petr. I p. 1(K)7 Potter) hervor, wo es heißt: „Marcus Petri
•K'T-tator praedicante Petro evangelium palam Komae cor am quibusdam
Caesareanis equitibus etc." Ähnliches erfllhrt man aus den Petrusakten;
a'>er deshalb wird man doch nicht annehmen, in den Adumbr. (llypotyposen^
fe Clemens seien sie benutzt worden!
172 ^i^ Litteratur des Morgenlandes.
dem letzten Dezennium des 2. Jahrhunderts unterzubringen"^. Daß
der terminus a quo die Zeit des Septimius Severus ist, sieht auch
Schmidt ein; denn die Akten setzen eine solche Verbreitung des
Christentums in Eom — - auch unter den vornehmen Ständen —
und eine solche WeltfÖrmigkeit desselben voraus, daß man über
die Zeit um 200 nicht hinaufgehen kann (gegen Erbes, der die
Akten unter Commodus ansetzt). Schmidt will aber auch nicht
über c. 210 heruntergehen. Nicht dafür, wohl aber für den Ansatz:
nicht später als c. 220 gibt es allerdings ein starkes Argument,
das ich früher nicht gewürdigt habe und an welches Schmidt
mit Recht (S. 130) erinnert. Die Regeste aus dem 3. Buch des
Genesis-Kommentars des Origenes^ bei Euseb., h. e. III, 1 legt
(kombiniert mit dem Urteile, das Eusebius selbst über diese apokr.
Apostelgeschichten gefallt hat) in der Tat die Annahme sehr nahe,
daß Origenes Apostelgeschichten unter den Namen des Thomas,
Andreas, Johannes, Petrus und Paulus (und nur unter diesen Namen)
gekannt hat. Unter diesen Namen allein aber hat es wirk-
lich alte Apostelgeschichten gegeben. Man wird sich daher
entschließen müssen, die Jahrzehnte 200—220 (die ich offen ge-
lassen, aber nicht für die wahrscheinlichen erklärt habe) doch als
diejenigen zu nennen, in welchen unsere Akten voraussichtlich
geschrieben worden sind'^. Sie bilden in diesem Falle vielleicht eine
Illustration zu den Klagen über den inneren Zustand der römischen
Kirche unter Zephyrin, namentlich aber unter Kailist, die wir vun
Hippolyt hören (laxe Behandlung grober Sünder). Über den Ort
weiLs ich auch nach dem, was Ficker ausgeführt hat (unter nach-
träglicher Zustimmung Schmidts), nichts ganz Bestimmtes zu
sagen. Chronol. I S. 559 schrieb ich: „Nach Rom möchte man
sie, der gi-oben Unkenntnis des Verfassers und des Mangels
jeder intimeren Lokalkenntnis wegen, nicht gern versetzen. Doch
ist Rom nicht absolut auszuschließen". Ich bin jetzt geneigt, zu-
gunsten Roms noch etwas weiter zu gehen \ Auf andere Fragen,
1) Die eröteii acht Bücher dieses Kommentara sind noch in Cäsaren go-
-chrieben (s. oben 8. 31), also wird das dritte Buch 220 — 280 anzusetzen beiii.
2) Glaubt man auf Origenes in diesem Falle nichts bauen zu dürfen, so
bleibt die Zeit von 2(X) bis kurz nach der Mitte des 8. Jahrhunderts ottVn,
Daß auch für den Ansatz um 250 nach unserer Kenntnis der Dinge manches
spricht, ji^laul)e ich ^ezei^t zu haben.
!)) Schmidt in seiner Monographie dachte in erster Linie an Rom; Fickor
trat für Kleinasieii (Bithynien) ein auf Grund einer Entdeckung bez. Kombi-
nation, die richtig sein mag (der Petrusschüler MarceUus = Granius Marcelhi-,
Tacit., Annal. 1, 7-1), die aber auch anders gedeutet werden kann, als Ficker ^ic
deutet. Das Christentum wird wohl um d. J. 200 in die Familie, det Marcel]»^r
eingedrungen gewesen sein, und so griff man für die Anfange naeh einer b«-
Zu den apokryphen ApostelpfoschichttMi. 173
die durch Ficker* und Hilgenfeld^ angeregt sind, gehe ich
Uer nicht ein.
In Bezug auf die Johannesakten, die wir durch James und
Bonnet nnn besser kennen, sind die Erkenntnisse die wichtigsten,
die wir Schmidt verdanken: (1) daß die Johannesakten in den
Petrasakten benutzt sind, (2) daß sie nicht gnostisch sind, sondern
Tolgär-christlich ^ aber von außerordentlich starker modalistischer
lad doketischer Färbung S (3) daß der Name des Leucius Chariuus
irsprünglich nur an ihnen — nicht auch an den Andreas-, Thomas-
buuiten Methode auf einen Ahnen zurück, den man Kchon im apostolischen
Zeitalter bekehrt sein ließ. Rom ist trotz aller Fabeleien doch der Boden, für
fei rieh der Verfasser allein interessiert. Die Abfassung daselbst wird, wie
Dobschütz (Theol. Lit.-Ztg. 1903 Nr. 21) richtig gesehen hat, noch wahr-
>beiiilicher, wenn Ficker mit der Hypothese recht haben sollt-e, daß der Mon-
uchianer Theodot (der Lederarbeiter) in der Maske dey Simon Magiis stecke.
1) Ficker hat manches Neue zur (Jeschichte und dem Verständnis der
Akten beigebracht, aber im ganzen bedeutet seine Abhandlung einen Rück-
iKihritt hinter Schmidt; denn er hat sichere Erkenntnisse, die bereits gewonnen
waren, ohne haltbare Gründe wieder unsicher gemacht oder verdunkelt. Die
Tbese, die Akten seien als Fortsetzung der lukanischen geschrieben (so auch
Hilgenfeld), ist nicht nur unerweislich, sondern entstellt auch die wahren
Ahgichten des Verfassers.
2) Mit Hilgenfeld kann ich mich in Kürze nicht auseinandersetzen, da
er die pseudoclementinische Frage einflicht, die man ohne Schaden von «len
Akten femhalt>en kann (s. unter Pseudoclem. im Anhang dieses Werks). Daß
ertrotz meiner Nachweisungen an dem früheren Ansatz tur die Akten (s. Zahn
^Lipsins: c. KX)— 170) festhält, ist mir verwunderlich.
3) Bei den heute noch herrschenden Vorstellungen darü})pr, was gno-
»ti^ch-häretisch im 2. Jahrh. gewesen ist und was zum Vulgär-christlichen g»«-
rwhnet werden muß, wird Schmidt wahrscheinlich zur Zeit nur wenige An-
"^er für seine These finden; aber sie wird sich, da sie auch aus der Geschieht«'
<lw Bachs von ihm erwiesen ist, allmählich dun.'hsetzen. Auch ich habe früher
•fie.lkt^n für gnostisch -häretisch gehalten, habe mich aber von Schmidt über-
^iigen lassen, daß wir das Vulgar-christllche hn -. Jahrh. noch viel elastischer
^I« bisher fassen müssen. Wir müssen selbst zugeben, daß ein solcher Satz
^i*^ der: ol vno dvoiiov öffsojg vofAoBetovfxevot *Iov6aioi, sich in den K^^pfen
^Ji;ht-häretischer Christen mit der .Vnerkennnni; dos \. T.s vereinigen ließ,
""'atürlich liegen die Akten auf der (irenze des Vulgär-christliclu'n und des
^»lostischen; man kann sich aber diesen Streifen nicht })reit genug denken.
"^lir so wird auch die eindi'ucksvolle Kraft der häretischen (Jnosis verständlich,
^urdenhewer (S. 441) nennt das Buch „nicht selten stark blasphemisch und
^^'•"»tiscli gefärbt". Das erste re ist positiv falscli, das letztere richtig — für
^*"i<eren (leschmack.
4) Besonders schlagend hat Schmidt S. 127 lY. er^viesen, daß die bisher
^^J* valentinianisch gehaltene Stelle in den Joh.-Akten mit Valentinianisnms
^^ihts zu tun hat. — In den Petnisakten ist das modalistisch-doketische Ele-
"^^ *?nt nur ein Einschlag, der eben aus den Job.- Akten stammt, in diesen ist
^ aber ein wesentliches Element.
174 I^iß Litteratur des Morgenlandes.
und Petrusakten — gehaftet hat, daß sich die Akten als von
diesem Leucius (einem angeblichen Johannesschüler) verfaßt aus-
gegeben haben, daß sie aber samt dem Verfassemamen eine pure
Erfindung sind, (4) daß die Akten die kanonisch-johanneischen
Schriften voraussetzen K Diese Erkenntnisse vereinfachen die Pro-
bleme, welche diese Akten bieten, ungemein; allerdings besteht
noch ein schweres Hindernis: eine sichere Abgrenzung dessen, was
in die ursprünglichen Akten gehört, ist trotz der Verdienste von
James und Bonn et noch immer nicht überall möglich 2. Aber
die Zeitfi-age kann in Bezug auf den term. ad quem gelöst werden.
Die Benutzung in den Petrusakten, in den monarchianischen
Prologen 3 — die letzteren gehören in die Zeit des Zephyrin,
spätestens des Kailist — und wahrscheinlich bei Origenes^ stellt
+ 200 als den terminus ad quem sichert Denselben noch weiter
herabzurücken, sehe ich keinen genügenden Grund. Schmidt be-
hauptet zwar, die Paulusakten seien jünger als die unsrigen (Petrus-
akten S. 99), aber ich weiß nicht, worauf er diese Meinung stützt.
Ferner wird immer wieder behauptet (s. auch Schmidt, a. a. 0.
S. 120 f.), in den Adumbrat (Hypotyp.) seien unsere Akten benutzt
und deshalb müßten sie vor das J. 180 gesetzt werden; allein daß
„traditiones" — so nennt der Übersetzer des Clemens die Quelle —
die Johannesakten sind, ist nicht wahrscheinlich (dabei ist nocli
nicht in Anschlag gebracht, daß die Übersetzung unzuverlässig ist
und ihr auch Fremdes beigemengt sein kann). Wie vieles über
,,Johannes" war am Ende des 2. Jahrhunderts im Umlauf — das
hat doch nicht alles in den Akten gestanden !<^ Und was in den
Akten gestanden hat, das war gewiß z. T. auch anderswo zu lesen
oder wurde mündlich erzählt. Diese Fabulanten rafften doch auch
zusammen, was sie fanden. Es ist also nur eine Möglichkeit,
daß Clemens unsere Akten gekannt hat Wie weit man mit ihnen
hinaufgehen muß, läßt sich schwer sagen. Was ich Chronol. 1
S. 542 ausgesprochen habe, kann ich nur wiederholen: Angaben
über den term. a quo, wenn sie über den Ansatz für die kanonisch-
johanneischen Schriften beträchtlich hinausgehen, schweben in
der Luft. Man muß sich begnügen, die Zeit 130—200 (180) zu
1) S. auch JameH und Zahn gegen Corssen.
2) Die Metastase des Johannes gehörte sicher zu den alt<in Akten.
3) S. über diese im 4. Buch.
4) 8. oben S. 172.
5) Schon Chronol. l S. 542 hatte ich geschrieben: „Immerhin sehe ich in
den Fragmenten keinen sicheren (inmd, vom 2. Jahrh. abzusehen".
0) Man denke an die (leschichte mit. dem Jüngling, an die Legenden über
den Ursprung des Kvangeliums, an das Ölniartyrium in Rom.
Zu den apokryjihen Apostelgeschichten. I75
nennen. Natfirlich sind (in Ansehung des Inhaltes des Buches)
innerhalb dieses Zeitraumes die ersten Dezennien minder wahr-
scheinlich, zumal wenn das Buch, was das Nächstliegende ist, nach
Asien gehört
Der karge Bestand an Fragmenten aus den alten Andreas-
akten ist durch neue Funde nicht bereichert worden*. Aus den
späteren Akten das zu entwickeln, was in ihnen den alten ange-
liört hat, halte ich f&r ein unausführbares Unternehmen (abgesehen
Ton der Bezeichnung der Stoffe, wie sie schon Bonnet bietet).
Sei der so kleinen Anzahl und dem geringen Umfang der Fragmente
ist es nnmöglich, sicher zu entscheiden, ob auch die alten Akten
Tulgär-christlich und nicht, wie bisher allgemein angenommen wird,
^ostisch-häretisch waren. Allein nach der Geschichte auch
dieser Akten, wie sie uns Schmidt im Zusammenhang mit der
der übrigen alten Akten vorgeführt und vei-ständlich gemacht hat,
ist es wahrscheinlich, daß auch sie vulgär-christlich waren. Der
Inhalt der Fragmente setzt dieser Annahme kein entschiedenes
^eto entgegen. Das Alter läßt sich nur ungefähr darnach be-
stimmen, daß sie — wahrscheinlich schon von Origenes an, s. 0.
S. 172 — mit den Johannes- und Thomasakten zusammen stehen
Cs. Chronol. I S. 544 f.) und denselben „Geist" (nach den Fragmenten)
^tmen wie die Johannesakten. Daß sie aber von dem Verfasser
dieser stammen, ist eine nicht zu begründende Annahme.
Die Paulus-, Johannes- und Petrusakten (wahrscheinlich auch
^e Andreasakten) gehören derselben Gattung von novellistischen
I'abelbüchern an, haben auch sonst eine gewisse Verwandtschaft
(alle stellen den Verzicht auf den Geschlechtsverkehr als Ideal auf),
^ber ein jedes Werk ist doch ein eigenartiges litterarisches Pro-
dukt für sich. Dasselbe gilt von den Thoraasakten, die zwar im
Grundtext nicht mehr vorhanden sind, die aber in zwei Bear-
beitnngen vorliegen, welche nach Fassung und Zeit augenscheinlich
dem Originale ganz nahe stehen und uns vollständig überliefert
^ind. Was ich S. 545f. der Ghronolog. Bd. I gegen Lipsius aus-
S'eführt habe, man könne aus den „katholischen'' Bearbeitungen
nirgendwo das „gnostische" Original sicher ausscheiden, modifiziere
ich nun so — es ist eigentlich nur ein Punkt, der noch auf den Buch-
5itaben zu setzen ist, aber ihn ändert — , daß sich auch in den
1) Doch gebe ich Biirdenhewcr (S. 433 not. 5) recht, «laß das Fraguient
•^^i Pseudo- Augustin doch wohl zu den alten Akten gehört. Der vulgär-katho-
2^ *3che Charakter desselben hinderte mich unter Anderem früher, es für das
original in Anspruch zu nehmen. Da man aber jetzt eben diesen Charakter
^^m Original selbst vindizieren darf, fällt dieser (irund fort.
176 ^^6 Litteratur des MorgenlandeB.
^.katholischen" Partien (besonders in der griechischen Rezen-
sion) das Original selbst in leichter Umformung darstellt
Anders ausgedrückt: der Standpunkt des Verfassers dieser Akten
war wesentlich ein vulgär-christlicher, aber in diesem Falle wirk-
lich mit einem häretischen Einschlag. Das Suchen nach einer ganz
verschiedenen, rein gnostischen Vorlage ist vergeblich. Man braucht
also auch nicht die vier hervorragenden und besonders gnostisch
anmutenden Stücke, nämlich die zwei Weihegebete, eine Ode auf
die Sophia und einen Hymnus auf die Seele \ von dem Ganzen zu
trennen. Sind aber diese Stücke mit Recht als ursprünglich syrisch
bezeichnet worden und gehören sie zum Ganzen ^ so ist ein sjrrisches
Original für das Ganze anzunehmen, oder aber es sind der syrische
und der griechische Text als zwei von Anfang an nebeneinander
gehende Ausgaben anzuerkennen. Beide Annahmen legen es nahe,
ja gebieten es fast, die Thomasakten nach Edessa zu verlegen
und zu der Gruppe von Apostelgeschichten zu rechnen, welche die
Bardesaniten nach dem Zeugnis des Ephraem verfaßt und in Um-
lauf gesetzt haben. Von ihnen wissen wir, daß sie sowohl syrisch
als auch griechisch schrieben und daß sie geistliche Poesie gepflegt
liaben. Zu ihnen, die der großen Kirche nahe standen, paßt auch
der dogmatische Charakter der Akten. Endlich stimmt auch die
Zeit Nach Epiphanius (haer. 47,1; 61,1) haben die Enkratiten
und Apostoliker diese Akten gelesen; Origenes hat sie (s. o. S. 172)
wahrscheinlich gekannt. Am Anfang des 3. Jahrhunderts werden
sie demnach entstanden sein. Ihr Verfasser wußte um einiges
Indische Bescheid, was in Edessa nicht auffallend ist Will man
diese Akten nicht mit den Bardesaniten in Verbindung bringen,
hält man sie für rein griechischen Ui'sprunges und trennt man
demgemäß die poetischen Stücke, weil ursprünglich syrisch, vom
Ganzen ab, so muß man doch aus der Orientierung des Buches
auf einen Christen im Osten schließen und wird in Bezug auf den
Ursprung auch nicht über den Anfang des 3. Jahrh. hinuntersteigen
dürfen. Der terrainus a quo könnte dann allerdings etwas höher
hinaufgesetzt werden.
Die sogenannten katholischen Petrus- und Paulusakten in ver-
schiedenen Rezensionen'^ (Lipsius, Acta apost apocr. I p. 118 — 234)
sind hier nicht zu erörtern; denn es gibt keine Beweise dafür,
daß sie schon in das 3. Jahrhundert gehören. Sie setzen vielmehr
1) Auch or ist jetzt <(rie('.hi8ch vorhanden.
2) Damit ist nidit von jedem dieser Stücke gesagt, daß der Verfasser des
(»anzen sie selbst gedichtet hat (das ist in Bezug auf den Hymnus auf die Seele
sogar unwahrscheinlich); nur aufgenommen hat schon er sie.
H) IJQf'^etg Tüiv ay. an, fltrgov xal TlavXov (Passio ss. app. P. et VX
Zu den apokryphen Evangelien. 177
die gesamte ältere paalinische und petrioische Legenden-Litteratar
sowie die Pilatus-Legende voraus ^ Namentlich die alten Petrus-
akten sind stark benutzt Zitate, die Lipsius bei Vätern des
4. Jahrhunderts (ja schon bei Hippolyt) gefunden haben will, sind
ganz unsicher. Ebensowenig kommen für uns die Philippus-'^
Matthäus- und die anderen Akten in Betracht, die Lipsius in
seinem großen Werk über die apokryphen Apostelgeschichten be-
sprochen hat. Ob die „QuaestionesBartholoniaei*', die sich gi*iechisch
und altslawisch finden, eine ältere gnostische Grundlage besitzen
imd ob diese in das 3. Jahrh. gehört, läßt sich nicht ausmachen \
2) Zu den apokryphen Eyangelien.
Chronologie I 8. 589 ff. habe ich von 20 Büchern gehandelt und
sie zu datieren versucht, die sich unter dem Namen . Evangelium "^
darbieten, nämlich
(1) — (4) Die kanonischen Evangelien.
(5) Das Hebräerevangelium.
(6) Das Evangelium der 12 Apostel.
(7) Das Petrusevangelium.
(8) Das Ägypterevangelium.
(9) Das Matthiasevangelium.
(10) Das Philippusevangelium.
(11) Das Thomasevangelium.
(12) Das Protevangelium Jacobi.
(13) Die Pilatusakten (Evangelium des Nikodemus).
(14)— (16) Das Evangelium des Basilides, des Valentin und
des Marcion.
(17) Das Evangelium der Eva.
(18) Das Evangelium des Judas.
(19) Die Schrift Hwa MaQlag (s. auch die . großen und
kleinen Fragen der Maria"*).
(20) Das Evangelium reXeiciotwc*,
1) Ober den Brief dei> Pilatus an Kaiser Claudius, der in den Akten steht,
*• Chronologie I S. (X)4ff. Er ist vielleicht aus der Zeit des Maximinus Dnza
und lag dem Redaktor vielleicht bereits vor.
2) Zu diesen s. jetzt die neue Ausfjabo von Bonnet (zus. mit den Thomas-
akten), 1908.
3) S. Bonwetsch, Die apokr. Fragen des Barthol. (Nachrichten d. Gott. Ges.
d. WiKS. 1897, 8. lif.), dazu Brinkmann im Rhein. Mus. Bd. 54, 1809, S. 93 ft'.
4) Abgesehen ist dabei von dem Evangelium des Bamabas (s. T. 1 Bd. 1
S. 18), da es ein altes Zeugnis nicht besitzt, ebenso von dem angeblichen
si'inonianischen Evangelium. Die Fragment«» apokrypher Evangelien sind neuer-
dings von Preuschen (Antilegomena, 1901) zusammengestellt.
Harnack, Altchristi. Littcratnrgesch. II, 9. 12
178 ^^^ Litteratar des Morgenlandes.
Zu diesen Stücken ist das Fragment einer Spruchsammlung
Jesu auf Papyrus saec. II vel III getreten, welches G renfeil und
Hunt entdeckt und publiziert haben (Aoyia ^Itjoovy London 1897).
welches man aber mit Wahrscheinlichkeit dem Ägypterevangelium
zuweisen darf ^. Neue Fragmente (einer anderen Handschiift) haben
die Entdecker jüngst angekündigt. Ferner sind jene koptischen
Bruchstücke eines apokryphen Evangeliums hier zu erwähnen, die
Jacoby publiziert hat (s. S. 182). Sie gehören vielleicht zu Nr. 6,
vielleicht aber einem unbekannten Evangelium an.
Von den 20 oben genannten Evangelien gehören, wie a. a. 0.
S. 591 ff. gezeigt worden ist, der Zeit vor dem Ausgang des 2. Jahr-
hunderts sicher die Nrn. 1—5. 7. 8. 11. 14—16. 18. 19 an. Nr. 6
(S. 625 ff.), dem Origenes bekannt, kann sehr wohl erst um das
J. 200 abgefaßt sein, ja ist schwerlich früher entstanden. Von Nr. 9
gilt (S. 595 ff.), daß es sein ältestes Zeugnis ebenfalls bei Origenes
hat, also möglicherweise nicht dem 2., sondern dem Anfang des
3. Jahrhunderts angehört. Nr. 10 (S. 592 f.) kann sowohl noch in
dem 2. Jahrh. als in der ersten Hälfte des 3. geschrieben sein.
Für Nr. 12 (S. 598 ff.), bez. dessen Quellen, muß die 2. Hälfte des
2. Jahrb., aber auch der erste Anfang des 3. offen bleiben*-^. Wieder
ist Origenes der älteste Zeuge. Nr. 13 (S. 603—612) gehört weder
ins 2. noch ins 3. Jahrhundert, sondern ist nacheusebianisch. Nr. 17
(S. 539) und 20 (S. 536) können zur Not bis in den Anfang des
3. Jahrh. heruntergesetzt werden.
Von jenen 20 Schriften kommen also für das 3. Jahrhundert
(und zwar für den Anfang desselben) nur 6 in Frage, nämlich:
Das Evangelium der 12 Apostel *.
Das Matthiasevangelium.
Das Philippusevangeliuni K
Das Protevangelium Jacobi.
1) S. Hiirnack, Über die jüu^^st enWeckten Sprüche Jesu, 1807. D'w
Litteratur zu diesen Sprüchen ist inaBaenhiift.
2) Die „Zeugnisse" bei Clemens Alex, und Justin sind unsicher. Der selt-
same Versuch Conradys (Die Quelle der kanon. Kindheitsgesch. , irKX), und
schon früher in den Stud. u. Krit. Bd. (>2, 1889, S. 728ff.), dies Protevang. Ja-
cobi zur Quelle der kanonischen Kindheitsgeschichten zu machen, ist m. W.
allgemein zurückgewiesen worden, s. Berendts, Studien über Zacharias- Apo-
kryphen ISOo, S. 50ff., V. Dobschütz im Litt. Zentral-Bl. 19(X) Nr. 51/52 et<i.,
Holtzmann in d. Theol. Litt.-Ztg. 1901 Kol. l^>5ff. Sonst vgl. noch Kl oster-
mann, Theol. Litt.-Blatt 1807 Kol. 504.
H) Das von R. Harris im J. lOO) (Cambridge) veröffentlichte „Go8i)el of
the Xll apostles" ist ein ganz spätes Produkt, welches mit dem alten Ev. gleichen
Namens nichts gemein hat.
4) S. auch Zahn, Forsch. Bd. G, 1900, S. 24 ff.
PapynißblÄtter aus christlichen Werken usw. 179
Das Evangelium der Eva.
Das Evangelinm rsXsioiosmg,
Sicherheit, daß auch nur eine derselben dem 3. und nicht dem
2. Jahrhundert angehöi-t, besitzen wir nicht *.
3) Papymsblätter aus christlichen Werken des 3. nnd an-
fangenden 4. Jahrhunderts.
Papyrusblätter aus christlichen Werken des 1. und 2. Jahr-
hunderts sind in griechischer und koptischer Sprache zahlreich auf
uns gekommen (Sprüche Christi, Fragmente NTlicher Schriften,
Fragmente des Hirten des Hermas, der Acta Pauli, der Ascensio des
Jesajas, mehrerer anderer Apokalypsen, gnostischer Schriften usw.),
und fort und fort werden wir mit neuen beschenkt. Auch von
Schriften des folgenden Jahrhundeii;s hat sich einiges auf Papyrus
erhalten, nämlich
(1) Zwei Original-Libelli von libellatici aus dem J. 250; der
eine, jetzt in Berlin befindliche, ist datiert auf Decius und den
2. Epiphi, also = 26. Juni 250 (s. Krebs in den Sitzungsber. der
Berliner Akademie 1893, 30. Nov., Harnack in der Tlieol. Lit-Ztg.
1894 Nr. 2); der andere, in Wien befindliche, ist nicht datiert., aber
gehört um seiner Gleicliartigkeit mit dem erstgenannten willen
ebenfalls der decianischen Zeit an (s. Wessely, Publik, aus den
Papyri Erzherzog Rainer 1873, Separatabzug).
(2) Ein Tauflied (25 Zeilen erhalten) aus der Zeit c. 250-330
'The Amherst Papyri ed. Grenfell und Hunt, Part I, 1900). Der
terminus ad quem ergibt sich daraus, daß die Handschrift aus der
2. Hälfte des 4. Jahrli. stammt, das uns vorliegende Blatt aber
-is removed by one or two stages froin the arcbetype". Der ter-
^ninus a quo (s. Harnack, Sitzungsber. der Berliner Akademie,
1900, 1. Nov. S. 986 f.) bestimmt sich nach folgenden Beobachtungen:
^1) Evangelischer Steif ist vermischt mit dem Stoif Didache c. 1 — 5
(die jüngeren Rezensionen der Didache zeigen bereits eine Tendenz
auf solche Vermischung); (2) die Bezeichnung a^araroc Ccojj ist
technisch; (3) in der Taufermahnung wird vor Irrlehrern gewarnt;
(4) die Bezeichnungen V^yöot'c und {htoc; wecliseln; (5) der Jacobus-
brief ist vielleicht benutzt (v. 18: ov fhiov ^mrcov tva XaßxjQ,
^' Jacob. 1. 17); (6) das Ganze hat eine gewisse konventionelle
Haltung.
1) Aus den Stofton, w«»lchc Beroiults (a. a. 0.) znsamnien<jetraji;eii hat,
laßt sich Material, welches mit einiger Sicherheit dem iJ. Jalirh. zugewiesen
werden kann, nicht {gewinnen. — Der falsche (lateinische) Laodicenerbrief des
PaaluH (Chronologie I S. 70'J) kann dem ?>. Jahrh. angehören.
130 ^^ Litteratur des Morgenlandes.
(3) Ein leider stark verstümmelter, aber teilweise doch gut
lesbarer Brief, der von Rom an Christen im arsinoitischen Gau
(bez. an ihren Bischof Apollonius) geschrieben ist — vielleicht znr
Zeit einer Hungersnot [?]; als Bischof von Alexandrien ist Maximus
genannt. Der Brief stammt also ans der Zeit 264 (265)— 282 (281).
Die Herausgeber (Grenfell und Hunt, The Amherst Papyri etc. I)
haben aus paläographischen Beobachtungen und aus der Unter-
schrift geschlossen, daß das Schreiben zwischen 250 und 285 ab-
gefaßt sein müsse (ohne die durch die Zeit des Maximus gebotene
Datierung zu kennen). Sie haben sich also nicht geirrt Verfasser
ist wohl nicht einer der drei zwischen 264 und 282 regiert habenden
römischen Bischöfe, sondern ein zeitweilig in Rom weilender ägy))-
tischer Christ (s. Harnack, Sitzungsber. d. Berliner Akad. 1900,
1. Nov. S. 987 flF.).
(4) Ein Brief des Presbyters Psenosiris an den Presbyter Apollo
(Grenfell und Hunt, Greek Papyri, Ser. II, 1897, p. 115f.), der
aus paläographischen Gründen dem Ausgang des 3. oder dem An-
fang des 4. Jahrh. zuzuweisen ist, s. über ihn Deißmann« Ein
Originaldokument aus der dioklet. Christenverfolgung, 1902 und
Theol. Lit-Ztg. 1902 Nr. 12; Harnack in der TheoL Lit-Ztg. 1902
Nr. 7. Der Brief lautet: „Psenosiris der Presbyter an Apollo den
Presbyter, seinen geliebten Bruder, im Herrn Heil! Vor allem
grüße ich Dich vielmals und alle bei Dir befindlichen Brüder in
Gott. Wissen lassen möchte ich Dich, Bruder, daß die Toten-
gräber hierher in das Innere die Politika gebracht haben, die in
die Oase gesandt war von der Regierung. Und ich habe sie den
Treft'lichen und Zuverlässigen unter eben diesen Totengräbern in
Obhut übergeben bis zur Ankunft ihres Sohnes Nilus; und wenn
er mit Gott gekommen ist, wird er Dir von allem Zeugnis geben,
was sie an ihr getan haben. Tue mir aber auch Deinerseits kund,
was Du hier getan haben möchtest; ich tue es gern. Ich wünsch«.^
Dir Wohlergehen im Herrn Gott." Aus inneren Gründen läßt sich
das aus dem Archiv der Todtengräbergilde in Kysis stammende
Schreiben nicht datieren. Dieterich hat jüngst (Gott. Gel. Anz.
1903 Nr. 7) die Interpretation (und dadurch die Situation) des
Briefes zu vereinfachen versucht, indem er behauptet hat, die
„Politika '* sei als Leichnam der Politika zu verstehen. Vgl. jedoch
gegen diese verlockende Annahme die sehr beachtenswerten Be-
merkungen von Deissniann in der Ztschr. „Die Studierstube"
I, I9ii3 Dezember.
(5) Ein Stück liturgischen Inhaltes, gefunden zu Fajjum, wahr-
scheinlich aus dem Anfang des 4. Jahrhunderts, jetzt in der Samm-
lung Erzherzog Kainer, s. die Mitt. aus dieser Sammlung ISST.
Papyrusbl&tter aus christlichen Werken usw. \g\
II. 0. IILBd. S. If. (Bickell) u. Österr. Monatsschr. f. d. Orient 1884
S. 152 (Wessely), auch den ersten Teil dieses Werkes S. 467,
wo der unbedentende Inhalt des Bruchstückes abgedruckt ist
(6) In „The Oxyrhynchus Papyri*' Part I, 1898 haben G ren-
feil und Hunt (Nr. IV p. 7f.) ein, wie es scheint, gnostisches Frag-
ment aus einem um das J. 300 geschriebenen Papyrus mitgeteilt
Das Stück lautet in Übersetzung ungefähr: „. . . so wäre der Tod
nichts anderes für Gott als Strafe, was unmöglich ist^ Diese
[Lehren] werden bei [von] der niederen Seele leeres Geschwätz
genannt Die höhere Seele aber erkennt das ihr Eigene: der Un-
gerechte und der nicht Ungerechte sind in dem Gewahrsam [der
Unterwelt] gleich [iaot\ und dem Ge[richt] . . ." Der gnostische
(Yalentinianische?) Lehrer, der das geschrieben hat, läßt sich nicht
ermitteln (s. Harnack in den Sitzungsber. d. Berliner Akad. 1898,
14. Juli).
(7) An demselben Ort haben dieselben Gelehrten ein zweites
Fragment (Nr. Y p. 8 f.) ediert, welches über die Prophetie handelt
und in welchem Herm. Mand. XI, 9. 10 und Matth. 22, 43 zitiert
sind. Der darüber hinaus lesbare Satz lautet: ro yao jrQofpjtixov
xpsvfia TO ccofiarelov loriv TTJg JtQotp/jrixrjg ra^toyg, o löriv t6
oAna T^q cagxog ^I/]Oov Xqiotov ro fiiyev rfj dvO^Qco:r6T7jTi öia
MaQiag' oTi 61 öoxfj öaxxixoif Ion .... Zu diesem schwierigen Satz
s. Sitzungsber., a. a. 0. S. 517 fF. und die dort übersehene Stelle aus
dem Brief des Serapion an Caricus und Pontius (Euseb., li. e. \\ 19, 2):
'/ ii^tQysia rf]q tpevöovc ravtTjg Ta^eoyg rJjg ijtiXeyofitvrjg viag
^Qo^r^relagy sowie TertuU. de pudic. 13 fin. 21. Das Stück kann
aus der verlorenen Schrift des Melito UsqI jiQoq)7jTtiag stammen
(Euseb., h. e. IV, 26); sehr viel jünger ist es schwerlich, da der Ge-
danke, daß der prophetische Geist sich real in dem Kollegium der
Propheten (des Propheten-Standes) darstellt, sehr altertümlich ist.
(8) Ein bisher noch nicht publizierter, von K. Schmidt in den
Sitzungsber. der Berliner Akad. 1895, 20. Juni S. 705 ff. signalisierter,
ans Achmim stammender, in Kairo befindlicher Papyrus saec. IV.
vel V. enthält Gespräche Jesu mit seinen Jüngern und einen aus-
führlichen Auferstehungsbericht eigentümlicher Art; Cerinth und
Simon sind als Häretiker genannt; die Schrift (in der Petrus her-
vortritt) ist also großkirchlich , was auch die Lehre von der Auf-
erstehung des Fleisches beweist. Das Gleichnis von den klugen
und törichten Jungfrauen wird allegorisch erklärt. „Gnostisches**
1) Der Sinn derWort<*: ovöev aXXo rjv o O^avatoq xo) B^ewt rj ^rjfna otibq
a&vvaioVf mag sein: „Wäre Gott der, welcher den Tod verhängt, so wäre er
fin tstrafender Oott, was unmöglich ist."
182 I^ie Litteratur des Morgenlandes.
findet sieb freilieh genügt aber es kann nicbt gegen die Kirebe
gemünzt gewesen sein. Ob die Sebrift wirklieb, wie Sebmidt
meint, vor c. 160 verfaßt sein muß, ist noeb nicbt auszumacben.
Merkwürdig ist, daß Jesus in einem Gespräcb dem Petrus seine
Gefangennahme ankündigt, aber nicbt die letzte, sondern, wie es
scheint, die in Jerusalem (Act 12) und noch eine zweite. Auch
über das „jtoti^qiop** Christi und die Abendmablsfeier findet sich
ganz Eigentümliches 2.
(9) Auf Papyrusfetzen (kopt) der Straßburger Bibliothek saec. IV.
vel. V. finden sich Fragmente eines unbekannten Evangeliums, aber
nicbt des Ägypter-Evangeliums, wie Jacob y (Ein neues Evangelien-
fragment, Straßburg 1900) wollte, sondern eines späteren Evan-
geliums. Zahn (Koptische Fragmente eines apokr. Evangeliums
in der Neuen Kirchl. Ztschr. Bd. 11, 1900, S. 361fl^.) und Karl Schmidt
(Gott. Gel. Anz. 1900, Nr. 6) haben gute Gründe dafür beigebracht,
daß sie dem Evangelium der 12 Apostel angehören [die 12 Apostel
sind redend eingeführt]; s. den 1. Bd. dieses Teiles S. 625 fll Allein
die Identifizierung ist nicht sicher zu erweisen. Dieses nEvangeliunr
kann auch noch später sein. Der griechische Papyrusstreifen saec. H'.
vel V. in dem Museum zu Gizeh, den Jacoby nach einer Abschrift
Reitzensteins mitveröflFentlicht (eine christliche Gebets- und
Zauberformel), dessen Text er ins 2. Jahrb. versetzt und über den
er wilde Phantasien gesponnen bat, ist ein wertloses Produkt des
4. oder 5. Jahrhunderts. Leider ist auch aus Jacobys neuester
Publikation: „Ein bisher unbeachteter apokrypher Bericht über
die Taufe Jesu" (Straßburg 1902) — sie stützt sich auf koptische
Fragmente — , in geschichtlicher Hinsicht nicht viel zu lernen. Der
apokryphe Bericht, den er konstruiert, hat weder im 2. noch im
3. Jahrhundert existiert (s. v. Dobschütz in der Theol. Litt-Ztg.
1902 Nr. 24).
4) Ein auouyiiies exegetisches Stflck zur Kindheitsgeschichte
Jesu.
Eusebius schreibt in den Quaest. ad Stephanum (s. das Frag-
ment derselben in einem vatic. Kodex, abgedruckt bei Migne
1) Z. B. sagt Jetiiis: „Ich wurde in dem All, in einem jeden". Jesuu, beißt
es, lial»o sich der Maria in der (iestalt des Gabriel f»eoftenbart und sei in ihren
Leib einf?e«;janj<en.
•_*) Über den Papyrus Brucianus s. unten S. 19H. Das in einem Papyni.s
Berol. copt. (saec. V) enthalt^Mie gnostische, noch nicht publizierte Original-
werk, über welchfjs Schmidt ( Sitzungsber. 180(5, 0. Juli S. S^Ofl'.) berichtet hat.
ist vorirenäisch und gehört daher nicht hierher.
Die Aberciu8-lii8chrift. Ig3
Ser. Gr. Bd. 22 Kol. 973): ^Evixvxov 6h tQiu^vda ave^iiyga^cp XayovöUy
«n Ol (itv <paOL avyyeplöa rijp ^EXiOaßtr rfjg jtag&ivov jtaQa rov
ayyiXov wvoßaod-aiy ovx (d<; ix rr^g avr^g (pvjLfjg, dXXa öia rb kx
xAv avxciv jtQoyovcop xai rov avrov xoivmc rmv ^lovöaloDv ytvovg
anfoziQag (DQfiijoO^ai, dg 6 djtoöroXog' ^EßovXo^iqv. Xiytov, dvaO-Sfda
tlvai v^\q rcov aösXtpmv fiov xäv övyyevmv (lov xata oagxa, WaDn
dieser anonyme Exeget gelebt hat, weiß man nicht.
5) Die Abercius-Inschrift ^
Über diese rätselhafte Inschrift des Abercius von Hieropolis
weiß ich anch jetzt noch nichts Besseres zu sagen, als was ich
Texte u. Unters. Bd. 12 H. 4 im J. 1895 niedergeschrieben habe —
zur Zeit einer Kontroverse, in der die Theologen den vulgär-
christlichen Charakter dieser Inschrift verteidigten, als handle es
sich um ein Heiligtum der Kirche. Ich halte nach wie vor die In-
schrift nicht für katholisch-christlich, sondern sehe mich zu der
Annahme gedrängt, daß sie aus einem Kultvereine (s. auch Z. 15:
9PÜo£: das ist kein katholischer term. technicus, vgl. meine Gesch.
der Mission S. 300 if.) stammt, in welchem Heidnisches und Christ-
liches gemischt war-. Solche Mischungen waren in Kleinasien
häufig. Die intimsten Sätze der Inschrift sind übrigens teils zer-
stört (auch schon z. Z. des ersten Abschreibers), teils nicht sicher
zu erklären. Daß Abercius identisch ist nut dem bei Euseb-
(h. e. V, 16, 3) genannten Kleinasiaten Avircius Marcellus, ist, ob-
gleich die Zeit die Gleichung erlauben würde, doch nur eine nicht
zu erhärtende Möglichkeit.
Die Inschrift (22 Verse) ist spätestens am Anfang des 3. Jahrh.
gesetzt; denn eine in derselben Gegend (um Hieropolis > entdeckte
1) Ramsay hat den (Jlrabstein im J. 1S8.*» eiitdeckt (Joiirii. (»f Hell, rftud.
ISS;^ p. 424), auf welchem «üe Inschrift st<*ht, die durch die „Vita Abercii" seit
ÖoiöBonade (Anecd. (Ir. V, 1S!>S, p. 40*2) wieder bekannt war; denn in diese
^ita hatte sie der Verfasser aufj^enommen. Die Inschrift ist jetzt im Lateran;
Faksimile in der K<3m. Quartalschr. IS!)4 Tafel 0 und bei Marucchi, Nuovo
Kuli, di Archeol. Christ. I, 1 n. 1' p. 17—41 (ISDr».
2) Zahn (Protest. REnzykl.3 Bd. 1 S. rJlO) wendet ein: „Ks handelt sich
'ini eine Reli^onsgemeinde, welche überall, von Rom bis Nisibis, des gleichen
^ilanbenß lebt und den gleichen Kultus hat". Davon kann i(jh in der Inschrift
nirhts finden; diese Meinung gehört vielmehr selbst schon der Interpretation
^»ez. der Auffassung au. — Auf der Inschrift ist die Tltaxiq personifiziert, wie
^»♦?i Valentin und im Heidentum (s. D (tubner, Personifikationen abstrakter
FJepifFe, in d. Lex. der griech. u. röm. Mythologie Bd. III Kol. iW.S. 2^M.
'J(}92. 2098. 2124. 2140); in der großen Kirche findet sich eine soh-he Personi-
Ükation kaum.
1S4 ^i^ Litteratur des Morgenlandes.
Inschrift eines Alexander, die auf das J. 216 datiert ist, muß als
Nachbildung der des Abercius beurteilt werdend
Die Vita des Abercius (vgl. auch Acta SS. Oct IX p. 493 ff.
u. Migne Ser. Gr. Bd. 115 Kol. 1211ff.; Lightfoot, Apost. Fathei-s-
11, 1 p. 726, cf. Class. Review 1894 p. 64) kann verhältnismäßig früh
(etwa um 400) entstanden sein. Sie läßt den Abercius unt^r
M. Aurel nach Rom reisen, bringt Bardesanes (Barcha^anes) mit
ihm zusammen, bezeichnet den A. als Bischof von Hieropolis, spricht
von einem sehr nützlichen Lehrbuch, das A. dem Klerus seiner
Gemeinde hinterlassen habe, bringt in extenso ein Schreiben
M. Aureis, welches Abercius betrifft, usw. Zahn (a. a. 0.) meint
hier nicht nur freie Dichtung, sondern eine neben der Grabschrift
bestehende Lokaltradition über A. annehmen zu müssen. Das mag
sein ; aber was in dieser Fabel auf Lokaltradition beruht, ist nicht
zu ermitteln. Erdichtet ist jedenfalls die Behauptung, A. sei Bischof
gewesen, erdichtet das Schreiben M. Aureis, erdichtet die ßißjLog
öidaöxaUaQ. Und als „Lokaltradition" kann man es doch auch
nicht in Anspruch nehmen, daß der Verfasser Statthalter mit Namen
kennt, die wirklich in Kleinasien fungiert haben — nur nicht, wie
der Schwindler fabelt, zur Zeit M. Aureis, sondern zu der Ciceros.
6) Die sibyllinischen Orakel.
In dem 1. Bande der Chronologie S. 581—589 habe ich die Zeit
der christlichen sibyllinischen Orakel untersucht und bin zu dem
Ergebnis gelangt, es lasse sich nicht nachweisen, daß in der großen
Sammlung dieser Orakel auch nur ein einziger zusammenhängender
Abschnitt von einem Christen des l. oder 2. Jahrhunderts herrührt-:
erst im 3. Jahrhundei-t — wenn nicht alles trügt, sogar erst im
letzten Drittel desselben — haben Christen sibyllinische Orakel
fabriziert, und zwar stammen dieselben wahrscheinlich aus einer
Schmiede bez. einem Kreise^. Seit dieser Untersuchung ist die
1) Auch (lie gegenteilige Meinung hat natürlich V^ertreter.
2) An kleine christlicht; Interpolationen, die sich überall linden mögen,
ist daVjei nicht, gedacht; s. Celsus bei Origenes c. Geis. Vll, 53: vvv Sh naQsy-
YQd<peiv fihv elg ta txeivrjQ [seil, der Sibylle] TioAAa xal ßXdagtrjfia elx^ 6vvaa&e,
8. auch V, ^n.
H) Vgl. hierzu Khrhard, Die alt<*hri8tl. Litt, und ihre Erforschung (llKH»i
S. ISO f.: „Diese Meinung stimmt mit der Tatsache, daß noch Clemens Alex,
nur die BB. .'j — 3 kennt. Sehr ansprechend ist auch Harnacks Hypothoso,
daß sämtliche christliche Bestandteile aus einem einzigen Kreise von Fälschern
stammen, der wenige Dezennien vor Lactantius, der ja zuerst auf die Orakel
großen Wert legt, sein unerfreuliches Werk getrieben habe."
Die »*i})yllinisclien Orakel. Ig5
neue Ausgabe der Orakel von Geffcken (Berliner Akad. Aus-
gabe, 1902) und eine Abhandlung von demselben „Komposition und
Entstehungszeit der Oracula Sibyllina" (Texte u. Unters. Bd. 23,
H. 1, 1902) erschienen. Ich werde im folgenden an diesen Publi-
kationen meine These kontrollieren.
In Bezug auf Buch III, IV und V nimmt auch Geffcken
nicht an, daß in ihnen ein größerer christlicher Abschnitt aus den
beiden ersten Jahrhunderten steckt Das wenige Christliche, was
diese Bücher in ein paar Zeilen enthalten ^ ist farblos. Von dem
deutlichsten Stück V, 256—259 meint auch Geffcken, daß es eine
späte christliche Interpolation sei. Ob die anderen späten Ein-
schiebsel (V, 62— 71; 228—246) sämtlich christlich sind, läßt sich
nicht ausmachen.
Buch VI und VII sind christlich; nach Alexandre, Mendels-
sohn und Geffcken soll Buch VI ein häretischer Hymnus sein.
Es kommt darauf an, was man unter „häretisch" versteht Im
strengen Sinne des Wortes steht schlechterdings nichts Häretisches
in dem Buch. Zitiert wird es in älterer Zeit, d. h. vor Lactantius,
nicht; der also hat die Beweislast, der es ins 2. Jahrhundert schiebt
Geffcken tut das und beruft sich darauf, daß im 6. Buch auf
2S Verse immerhin noch zwölf mit trochäischer Cäsur kommen, die
Barbarei des 3. Jahrhunderts also noch nicht eingerissen sei. Ich
gestehe, daß ein solches Argument auf mich nicht den geringsten
Kindnick macht; denn beim Einbrechen der Barbarei werden
schwerlich alle so barbarisch geworden sein, daß sie Verse mit
trochäischer Cäsur im Verhältnis von 12 : 28 nicht mehr zustande
brachten. Es bleibt also dabei, daß die Zeit der Verse nur durch
die Angabe zu bestimmen ist, daß sie zuerst bei Lactantius be-
zeugt sind 2. Ebensowenig läßt sich der Ursprung des 7. Buches
aus dem 2. Jahrh. beweisen =\ Geffcken, der „etwa die Mitte des
2. Jahrh." fiir das Buch in Anspruch nimmt, erklärt selbst (S. 35 f.):
-Alles jedoch, was wir sonst [in dem Buch] lesen [nämlich das
meiste], ist so absolut neutral, so unpersönlich, möchte ich sagen,
1 ) Eb ist noch wenijjjer, als ich angenommen habe ; denn die LA evofßimv
in V, 3<i muß nach Geffcken gehalten werden, und dann hat auch dieses Stück
»V. 1—31) kein Christ, sondern ein Jude geschrieben.
-) Auf das Argument, daß die Worte xoßaxa net^evaei (VI, 13) sich auch
in I, ilöG finden und in I (welches dem 8. Jahrh. angehört) aus VI entlehnt
i«ein können, scheint Geffcken selbst mit Recht keinen Wert zu legen.
3) Über den angeblichen , Judenchristlichen" Charakter des Buches, der
, /entscheidend" aus v. 135 hervorgehen soll, scliweige ich. Der Verfasser spricht
an dieser Stelle den Juden das Recht ab, sich Hebräer zu nennen. Auch mit
d^ra „Gnostischen" des Buches ist es nichts.
Igß Die Litteratur des Morgenlandes.
SO allgemein gehalten, daß wir uns gestehen müssen: derartiges
konnte jeder prophezeien. Jeder Stadt, jedem Lande wird in den
farblosesten Ausdrücken mit irgendeinem Unheil gedroht . . .
Darum möchten wir jedem raten, der später einmal die griechischen
Orakel sammeln wird, an Buch VII vorüberzugehen: da findet er
nichts als Mache". Ganz meine Meinung, aber warum dann davS
2. Jahrhundert? Das dritte liegt in Bezug auf diese Schriftstellerei
viel näher; denn die verwandten christlichen sibyllinischen Orakel
gehören sicher in dieses Jahrhundert Jedenfalls ist auch nicht
die Spur eines Beweises für das 2. Jahrhundert zu finden. Ich
vermute, daß das „Judenchristentum" Geffcken veranlaßt hat,
dieses Jahrhundert zu bevorzugen, aber judenchristlich sind die
Verse nicht.
In Buch I und II sieht Geffcken eine jüdische Grundschrift
und christliche Bearbeitung, wie viele vor ihm mit Recht unter-
schieden haben. Jene verlegt er in das erste Drittel des 3. Jahr-
hundei-ts, die Bearbeitung will er nicht sehr viel später setzen, also
doch wohl nach der Mitte des Jahrhunderts. Wir sind hier ganz
einig.
Buch XII läßt Geffcken von einem „regierungstreuen, ganz
und gar nicht mehr orthodoxen, sondern recht reichsbürgerlichen,
in der Zeit nach Alexander Severus dichtenden Juden" geschrieben
sein*; ein Christ habe es interpoliert: „es mag der christliche Dichter
vom Buch XIII hinter ihm stecken*, der geschrieben hat, bevor
sein Glaube Staatsreligion wurde. Ob man wirklich eine jüdische
Grundschrift sicher unterscheiden kann, lasse ich dahingestellt; es
genügt mir hier, daß wir auch mit der Arbeit dieses Christen in
der Nähe des Lactantius Halt zu machen haben und nicht viel
weiter hinaufsteigen dürfen. Den Verfasser des XIII. Buches
(einen Christen) — es ist nicht unwahrscheinlich, daß er mit dem
des XII. oder mit dem Interpolator desselben identisch ist — setzt
Geffcken mit Recht unmittelbar vor Aurelian; denn Decius und
sein Untergang ist deutlich bezeichnet (XIII, 85 if.), ferner ist Gallus
(v. 103) genannt und Odänath ins Auge gefaßt (v. 147flF.), endlich
sind Valerian und Gallienus bezeichnet (v. 156flF.) sowie die Kämpfe
nach dem J. 260. Dieses Buch stammt aus der Zeit um das J. 265 -.
1) Vgl. tiuch die Abhandlung deBBclben Verfassers in d. Nachrichten d. K.
Gesellsch. der Wissensch. in Göttingen 1901, S. Iff.
2) Odänath, dessen Parteigänger der Verfasser war, scheint noch am Leben
gewesen 7a\ sein; er, nicht Aurelian, ist, wie schon Alexandre sah, gemeint.
Sonstige Anspielungen auf Cäsarea und Ereignisse der Zeit zwischen 241 — 2C».">
.s. bei Geffcken S." (X)— (>:-5.
Die ßibylHiiiöchen Orakel. 187
Die Bücher XI und XIV liaben jedenfalls mit einem Christen
des 2. Jahrh. nichts zu tun. Nach Geffcken ist das XI. von einem
Juden nach dem Sturz des Partherreichs (226) geschrieben — der
Jude ist mir trotz XI, 307 flF. sehr zweifelhaft; denn im 3. Jahrh.
empfand mancher Christ die alttestamentliche Geschichte des Juden-
tams als seine Geschichte — , das XIV. frühestens im 4. Jahr-
hundert Ich halte dem gegenüber die Hypothese, daß Buch XI I — XIV
Ton einem Verfasser herrühren^ und eine Art von fortlaufender
Geschichte mit angehängter Fabel- Weissagung darstellen, noch
immer für die wahrscheinlichste und bin auch geneigt, Buch XI
Mnzuzunehmen.
Jedenfalls hat sich ergeben, daß irgendeine auch nur halb-
wegs sichere Spur christlicher Sibyllen-Orakel vor der Mitte
bez. dem letzten Drittel des 3. Jahrh. sich in der Sammlung der
Orakel — vom VIII. Buche noch abgesehen — nicht findet Was
ach mit einiger oder mit vollkommener Sicherheit datieren läßt,
fillt in das letzte Drittel des 3. Jahrhunderts, also unmittelbar
Tor Lactantius '^. Christliche Sibyllistik läßt sich für das 2. und
die erste Hälfte des 3. Jahrh. nicht nachweisen, so begierig die
Christen die jüdischen Sibyllenorakel aufgenommen und auch be-
leits schon an einigen Stellen christlich interpoliert und akzentuieit
laben.
Aber wie steht es mit Buch VIII? Ich habe (a. a. 0. S. 586 <f.)
2U zeigen versucht daß v. 1—216 jüdisch und kurz vor 180 p. Chr.
^erfaßt sind, v. 217—501 aber christlich sind, jedoch nicht von
«inem Christen des 2., sondern des 3. Jahrhunderts^ Auch Geffcken
nimmt 50—72, 139—150, 169—216 (dazu 337—358) zusammen und
läßt sie von einem Juden kurz vor 180 p. Chr. geschrieben sein.
1) Geffcken sieht auch in dem Verfasser des 14. Buchs wegen v. HJjO
einen Juden, was mir nicht nötig scheint. — Die Annahme, daß noch in so
«päter Zeit die Juden Sibyllisten gewesen sein sollen^ ist an sich schwierig.
?^ie hatten damals den Hellenismus schon wesentlich ausgestoßen.
2) Der Versuch von Goffcken (S. Olift".), die bei Theophilus ad Autol. 11,
'^ sich findenden drei Bruchstücke von Sibyllen -Orakel (sie stehen bekanntlich
nicht in der uns überlieferten Sammlung, sind aber dem Proöm. zu Buch III
l>arallel) als künstliche christliche Nachäflungen („Trugschrift", „Fälschung")
sog. wirklicher Sibyllen-Orakel darzust^'llen, scheint mir völlig mißglückt. Diese
von Theophilus zitierten Stücke sollen christlich sein, weil sich in ihnen der
Aagdmck }^(a^v xltiQOvoßovai ündet, der ans dem N. T. stammen müsse. Warum
«oll ein ägyptischer oder ein Diasjiora-Jnde im 'J. oder 1. Jahrh. so nicht haben
'Schreiben können? Di»» Stücke (enthalten sonst absolut nichts Christliches, son-
<Iem einfach den Monotheismus. Auch was (leff'cken sonst über die Stücke
ausfährt, wird wenige üb<?r/eugi'n.
3) V. 5 ist aucli schon dem Theophilus fad Autol. II, 'M) bekannt.
JSS ^^6 Litterator des Morgenlandes.
Dagegen will er 1—49, 73—130 einem Chiisten des ausgehenden
zweiten Jahrhunderts zuweisen K Allein die Verse haben schlechter-
dings nichts Christliches. Daß aber bei Gerichtsschilderungen dieser
Art ein Christ des 2. Jahrhunderts sein Christentum durch nichts
angedeutet habe, ist ganz unwahrscheinlich. Es liegt überhaupt
kein Grund vor, in den w. 1—216 größere Partien auszuscheiden
und sie einem anderen Verfasser beizulegen. Mit v. 217 erst be-
ginnt ein neues großes Stück, und es wird eröffnet durch die
Akrostichis IHCOyC XfeiCTOC OGOy Y^OC CCJüTHf
CrAYPOC. Geffcken nennt sie, wahrscheinlich mitBecht, „die
erste absolut sichere, bewußte christliche Fälschung" (innerhalb
der Sibyllistik). Aber daß sie und das meiste, was in den w. 217 —
501 steht, aus der Zeit der Apologeten vor 180 herrühren soll, ist
ganz unwahrscheinlich. Wer kann glauben, daß Theophilus, der
VIII, 5 kennt, daß ferner die christlichen Schriftsteller vor Lac-
tantius, Eusebius und dem Verfasser der konstantinischen Bede
ad S. Coetum an dieser Akrostichis vorübergezogen wären, wenn
sie in ihre Hände gekommen wäre! Ich finde auch nicht, daß
G e f f c k e n irgendwelche beachtenswerte Beobachtungen beige-
bracht hat, um seine frühe Zeitbestimmung zu erweisen. Er weist
die christlichen Stücke verschiedenen Verfassern zu — das ist eine
Kunst, bei der man alles immer anders machen kann — , aber sie
sollen doch wesentlich gleichzeitig sein. „Die Denkweise weist auf
die Epoche der Apologeten hin, die chronologischen Spuren führen
auf die Zeit vor 180"; aber nach letzteren habe ich vergeblich
gesucht — soll die willkürliche Kombination mit Celsus eine solche
sein? — , und die apologetische Denkweise ist der des Lactantius
verwandter als der des Justin. Die Stücke samt der Akrostichis
sind also, wie ich S. 586 f. getan habe, in das 3. Jahrhundert ein-
zustellen: die Christologie und das Wertlegen auf die Logoslehre
sind ein Zeichen, daß selbst in diese Litteratur die christliche
Theologie eingebrochen ist, was schwerlich vor den monarchia-
nischen Kämpfen geschehen ist.
1) Er bemerkt dazu etwas phautasievoll (S. 4*2 f.): „So blicken wir durch
dns 8. Bucli in ein»' Welt des Kampfes hinein. Das giftige Hetzen der Juden
^ej^cn Rom im T). Huch (v. öO— 7l?, ];]0 — 150 nsw.) verstummt vor dieser Fanfiin'
d»> jungen Christentums (v. 1— Ül, 7o — 130 [aber diese Fanfare bringt auch
nicht einen christlichen Toni). Aber die Oegner sind auf der Hut. Wjr ^T.söeu,
wie bitter Celsus die Christen verliöhnt-e, daß sie die Sibyllensprüche inter-
polierten. Darauf mußte geantwortet werden. Nun war die Akrostichis seit
alter Zeit das Kennzeichen sibyllinischer Kchtheit. Aus dem Bedürfnis nun.
dem heidnischen Vorwurfe zu begegnen, fabrizierte man die große Akrostichis
VIII, 217— -JoO."
Die sibyllinischen Orakel. 189
Das Eesultat dieser erneuten Untersuchung ist in Bezug auf
die Zeit bis über 250 negativ: man kann nicht nachweisen, daß
es christliche Sibyllen-Orakel vor dieser Zeit gegeben hat. Das
Ergebnis ist nichts weniger als befremdlich: wären seit der Mitte
des 2. Jahrhunderts solche Weissagungen mit spezifisch christ-
lichem Inhalt vorhanden gewesen, so müßten sie uns in dem Jahr-
hundert zwischen Justin und Cyprian irgendwo, ja an mehreren
Stellen begegnen; wir finden sie aber nirgends. Da nun das große
christliche, bestimmt zu datierende Sibyllenstück der Zeit um 265
angehört, und da Lactantius, Eusebius und ihre Zeitgenossen die
ersten Zeugen einer spezifisch christlichen Sibyllen-Litteratur sind,
so wird das Urteil kein vorschnelles sein: diese Litteratur gehört
der Zeit c. 265 fr. an und lag dem Lactantius schon in einer
Sammlung (und Mischung mit jüdischen Orakeln) vor. Geffcken
hatte seine Untersuchungen sicherer und eindrucksvoller gestaltet,
wenn er — meinen Andeutungen, die er beiseite gelassen hat,
folgend — zunächst das jüdische und das sicher-christliche Gut
bestimmt hätte. Er hätte dann bald eingesehen, daß das sicher-
christliche Gut dem letzten Drittel des 3. Jahrhunderts angehört,
und diese Einsicht hätte ihn angeleitet, die vorschnellen Datie-
rungen christlicher Stücke auf das 2. Jahrhundert zu revidieren.
Das VI., VII., XIIL, die Bearbeitung des I. u. II., das VIII.
Buch (v. 217 — 501) und wahrscheinlich auch das XI., Xll. u. XIV.
Buch sind christlich ^ Es ist nicht unwahrscheinlich, daß nicht
mehr als vier christliche Verfasser anzunehmen und daß sie ziem-
lich gleichzeitig sind. Sie schreiben in der Periode, in der die
Kirche an Schriftstellern am ärmsten gewesen ist, und sie charak-
terisieren an ihrem Teile diese dürftige Periode in der Richtung
ihrer Schwäche und Unwahrhaftigkeit. Ortsbestimmungen für die
Verfasser wage ich nicht zu geben. Sie schreiben im Orient (nicht
im Abendland und nicht in Ägypten); aber wo, bleibt dunkel.
Will man eine Hypothese aufstellen, so kann man vermuten in
einem Lande, in welchem sich das Interesse für Kleinasien mit
syrisch-palmyrensischem kreuzte. Die stürmischen und entsetz-
lichen Bewegungen der JJ. 240 -265 im Orient bilden den Hinter-
grand der Dichtungen.
1) Celsiifcj hat bereits f.s. o. S. 184) IiitiTpolatioiK'n (Ut Sibyllüii-Onikol den
Christen vorgeworfen. hv\ Liictant. , Inst. IV, 15 heißt es: „llis t^^stimoniis
.'seil, der wibyll. Orakel] quidiim revieti solent eo confu»(«>n', ut aiant non esse
illii camiina Sibyllina, sed a nostris iicta atque eomposita." Kr benift si<*h
«lern gegenüber auf Cicero, Varro usw., welche die Krythraische Sibylle und
<lie anderen gelesen und zitiert hätten, bevor Jesus jjjebort'u worden sei.
.190 ^^^' Litteratur des Morgenlandes.
7) Sextus [Xystus] Sprache.
Nachdem Elter den griechischen Grandtext der Sprüche
wiederentdeckt und publiziert ^ ßysseP die syrischen Über-
setzungen noch gründlicher als Gildemeister ^ untersucht, mit
dem Grundtext und ßufln verglichen und in deutscher Übersetzung
ediert und Wendland ^ Nachweisungeu über den Charakter und
die Zeit der Sammlung gegeben hat, ist es möglich, viel sicherer
als früher über sie zu urteilen und die Fehler zu vermeiden, in
die Gwynn in seinem noch immer wertvollen Artikel über die
Sprüche* geraten ist.
Es steht jetzt fest, daß Rufin in der Hauptsache treu übersetzt
hat, ferner daß die Sammlung, die er übersetzt hat, ganz wesent-
lich in derselben Gestalt als „Gnomen des Sextus** bereits dem
Origenes vorlag, weiter daß — wie die beiden von Origenes
zitierten Sprüche beweisen — sie den christlichen Charakter schon
vor Origenes besessen hat^, endlich daß sie auf eine heidnische
Spruchsammlung zurückgeht^ die christlich bearbeitet worden ist.
Ferner kann nicht bezweifelt werden, daß die Sammlung schon
vor Rufin den Autornamen des römischen Bischofs und Mäiiiyrers
getragen hat und daß damit Xystus II. gemeint war. Da aber
dieser ausgeschlossen ist (denn Origenes, s. o., bezeugt, daß die
Samnilang älter ist, und nennt den Verfasser Sextus"^), so darf
1) Eiter, (inomicii I: Soxti Pythapforici et-i'. Sententiiie , 1892. Dazu
Moybooiii, De sproukon van Sextus in d. Theol. Tijdsch. Bd. 32, ISIKS, S. 45;") ff.
•J) Uyssel in d. ZtHchr. f. wisseusch. Theol. 1805 S. (ilTtf., ISfKi S. 508«'.,
1897 S. i;-iiff.
H) (lildenieis^ter, Sexti Senteutiaruiu recensioncö, 1873.
1) Wendland, Herl. Thilol. Wochenschr. 18(K] 8. 23, Theol. Litt.-Ztjr. 1S9:;
Kol. .I9-Jtf.
5) (^wynn, Diction. of Christ. Biogr. Vol. IV j). 1199ff. 8. auch Pren-
hchen in diesem Werke 1. Teil 8. 705ti'., Ott, Charakter u. Urt>])nint? d.
Spräche des l'hil. SextiuH, drei Rottweiler Propframnie, ISGl — 1803. Die frühere
Litterntnr ist antiquiert.
Tu in Matth. comni. XV, !> z. Matth. 19, l'J; c. Cels. VIII, 30: „.\uö diesen
StelLn ^eht deutlich hervor, daß Ori^^enes diese 8])nichsammlang als eine
heidnische <^ekannt hat", schreibt Preuschen, (iwynn aber hat den entpogen-
geset/ten Eindruck. Zum (iliick kommt nicht viel auf die Frage an; aber ich
möchte P reu sehen reclit geben: Origenes scheint die Christlichkeit der Samm-
lung niciit anzunelimen. Man l)iirdet ihm damit allerdings eine starke Kurz-
sichtigkeit auf, ab.>r ich v(»nnag ihn nicht anders zu verstehen.
7) Wir h;iben hier einen der seltenen Fälle, in denen die Überlieferung
eine Schrift jünger gemacht hat; man tausehte aber dafür einen Bißchof und
Märtyrer als Verfiisser ein.
St»xtu8 [Xystus] Sprüche. 191
natürlicli an den römischen Bischof Xystus I. (so Ewald) nicht
gedacht werden, weil ihn keine Überlieferung nennt und es metho-
disch unerlaubt ist, einer Überlieferung, wenn sie sich als unrichtig
erwiesen hat, durch Halbierung zu helfen: der Märtyrerbischof
Xystus wird als Verfasser genannt, aber er kann es nicht gewesen
sein. Nicht ausgeschlossen dagegen ist, daß der nackte Name
Xystus (Sixtus, Sextus) mit Recht an der Sammlung haftet^ sei es
nun au der christlichen Bearbeitung, sei es an der Grundschrift.
Letzteres ist an sich das Wahrscheinlichere und wird von Hiero-
nymus ausdrücklich bezeugt: er nennt als Verfasser einen Pytha-
goreer Sextus ^
Wie es nun mit diesem nicht-christlichen Philosophen Sextus
steht und zu welcher Zeit er die Grundschrift kompiliert hat, diese
Fragen zu behandeln müssen wir anderen überlassen. Uns inter-
essiert nur die Zeit, in welcher der namenlose christliche Inter-
polator gearbeitet hat. Die Beantwortung der Frage wird durch
die Unmöglichkeit erechwert, reinlich auszustmdern, was in der
Sammlung heidnisch und was christlich (d. h. von einem Philo-
sophen christlichen Bekenntnisses formuliert oder verändert) ist.
Sprüche stark asketischer und rein monotheistischer Tendenz
können sowohl von einem heidnischen als auch von einem christ-
lichen Philosophen geprägt worden sein. Jedenfalls muß bereits
der Heide zahlreiche solche Gnomen geboten haben, sonst wäre es
überhaupt keinem Christen eingefallen, die Sammliinp: sowohl durch
Umformung gegebener Sprüche als auch durch neue (lUomen zu
interpolieren *-*. Unter solchen Umstünden huiLn man sich für die
Altersbestimmung strikt an solche Sprüche halten, die in der vor-
liegenden Forn) unzweideutig christlich sind. Den terminus ad
quem bieten die Zeugnisse des Origenes. Da er zweimal bezeugt,
daß diese Sprüche bei „vielen" Christen im Gebrauche sind, so
dai'f man unbedenklich annehmen (obsehon die Stellen aus seinen
spätesten Schriften stammen), dal> der cliristliche Interpolator nicht
nach c. 220 gearbeitet hat. Der terminus a (juo erjribt sich aus
der Erwägung, daß das ganze Unternehmen, heidnische Philosophen
zu Kronzeugen für die christliche Kthik und Frömmigkeit zu
stempeln, bei den Christen'* vor der Zeit des Aristides und Justin
nicht wohl denkbar, jedenfalls niclit nachweisbar ist. Der christ-
1) S. die St«»llon im 1. T«'il ^li»'^^'^ Wi'ikos S. TüOf. — Die nicht int«Ti»oliert«'
SextuB-Sammlunpf war doni INniihyrius lu-kannt.
2) Solche Jnt-erpohitioiion sind dann, wie zu <M'warton, in {\ov riK-rlij'fonin}!
noch vennehrt worden.
3) iSie folg:t<»n damit der Method«* der jüdischen Apolop'tik.
192 Die Litteratur des Morgenlandes.
liehe Interpolator ist also zwischen c. 150 und c. 220 anzusetzen.
Nun aber hat bereits Wendland (Eol. 493) darauf aufmerksam
gemacht, daß er ein Christ von ausgeprägter asketischer Haltung
war und daß sich am meisten Berührungen zwischen ihm und
Clemens Alex, finden. Beides ist richtig und von Wendland
ausreichend bewiesen, aber es ist hinzuzufügen, daß der Interpolator
noch asketischer zu sein scheint als Clemens, ja daß er an der
Grenze der „Enkratiten"" steht, die Clemens bekämpft hat Nicht
nur beurteilt er die Ehe abschätzig (Spmch 230a, 230b), sondern
er dringt auf Enthaltung in der Ehe (239), und in Nr. 13. 273 kommt
er der Empfehlung der Selbstentmannung ganz nahe. Da der
Interpolator sicher kein Gnostiker gewesen ist und da seine
Religionsphilosophie in der Ethik stoisch, in der Gotteslehre pla-
tonisch ist, da endlich, abgesehen von der leichten Steigerung der
Askese jeder Zug mit den Zügen, welche die Bildung des Clemens
trägt, übereinstimmt, so muß man ihn mit Wendland zeitlich
neben Clemens stellen^. Mir scheint aber, daß man noch einen
Schritt weiter gehen darf: die glatte, leichte Spruchform, in der
hier die religiöse Ethik (auch in den sicher christlichen Gnomen
und Wendungen) gegeben ist, macht die Annahme notwendig, daß
hinter den Sprüchen bereits eine theologische Arbeit liegt, die es
ermöglichte, solche runde Gnomen zu bilden und ältere heidnisch-
philosophische Sprüche umzubilden. Wer anders aber kann diese
Arbeit geleistet haben als eben Clemens Alexandrinus? Dazu fügt
es sich, daß er die Sprüche nirgends erwähnt. Schwerlich wären
sie ihm entgangen, wenn sie schon vorhanden gewesen wären.
Schwerlich wären sie entstanden, wenn er nicht vorgearbeitet
hätte. Also ist es wahrscheinlich, daß sie unter seinem geistigen
Einfluß entstanden sind. Dann hj^t man sie auf das erste oder
zweite Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts zu datieren.
Wo schrieb der Interpolator? In Cäsarea Pal. hat Origenes
sie kennen gelernt; in Alexandrien scheint er sie noch nicht gekannt
zu liaben. Dann folgen Kufin und Hieronymus als Zeugen; auch sie
sind in Palästina gewesen. Die Grundschrift hat Porphyrius der
Tyrier (der zeitweilig auch in Cäsarea gewohnt hat) gekannt.
Weist das nicht auf Palästina, bez. Phönizien? Ist vielleicht jeuer
AlcxaniU^r der A'erfasser, der Freund des Clemens und Bischof von
Jerusalem, der daselbst die Bibliothek angelegt hat? Darüber ist
nichts l)ekaunt, aber ein Mann wie er (und sein Zeitgenosse) nnUv
es gewesen sein.
1) Es itit jo«l»Mifalls ein Driickfelilcr, worin es l)ei Wendland (a. a. O.
Kol. 404) lieißt: „Jins Knde des ersten Jahrhunderts" (lies „zweiten").
Die Pistiis Sojjhitt und der Papyrus Brucianus. 193
8) Die Pistis Sophia und die im Papyrus Brucianus saec. Y
Tel yi enthaltenen gnostisehen Schriften.
Über die Zeit und Herkunft des gnostisehen Buches „Pistis
Sophia« habe ich in den „Texten u. Unters." Bd. 7 H. 2 (1891)
S. 94— 114 aasfiihrlich gehandelt ^ Ich fasse hier die Beobachtungen,
die eine ziemlich genaue Datierung ermöglichen, kurz zusammen \
(1) Terminus ad quem: die Verfolgungszeit (p. 277 ed. Seh wartze
and Petermann), aber der Verf. schreibt in einer ruhigen Zeit;
das Bach ist also vor 302/3 entstanden.
(2) Terminus a quo: die vier Evangelien und die Paulusbriefe
sind heilige Schriften („verbum domini per os Pauli"); Kapitulation
dieser Gnosis mit dem Vier-Evv.-Kanon der großen Kirche; Kapi-
tulation dieser Gnosis mit dem A. T. (devote Unterordnung unter
dasselbe); A. T. und Ew. als Stufen; also ist das Buch nicht vor
saec III initium geschrieben.
(3) Greisenhafter Gnostizismus, sofern bei den ausschweifendsten
gnostisehen Lehren und Geschichtsvorstellungen (die Apostel die
Weltheilande; sie haben präexistiert; sie haben zwei Naturen) einci
Bflckendeckang an dem kirchlichen Kanon und den echten Sprüchen
Jesu gesucht wird; also künstliche Symphonie der neuen Offen-
barung (in den 11 Jahren, die Christus nach seiner Auferstehung
für die höhere Unterweisung seiner Jünger verwendet hat) mit
der alten.
(4) Der Grundcharakter des Buches weist ins dritte Jahr-
hundert: der Sakramentismus (der viel ausgebildeter ist als der
auch schon stark ausgebildete des 1. und 2. Jahrb.), die Frage
nach dem Schicksal der Getauften, wenn sie sündigen, usw.
Prophetie und Glossalie erscheinen versteinert bez. verwildert
(5) Die fünf Oden Salomos, die das Buch neben den ATlicheii
Psalmen zitiert, sind selbst gnostisehen Ursprungs und werden doch
wie alte Urkunden behandelt. Wir haben hier also rinen Gnosti-
zismus, der über einem älteren auferbaut ist. Jene Oden sind dem
1) Vgl. auch Liechtpnhan in d. Ztschr. f. wiKsensch. Thool. Bd. 44 (1901)
*S. 236 ff., der eine neue Scheidunj^ des Buches in drei Hauptfceile (S. 1 — 116;
116 — 223; 22.Sff.) und eine Redaktion versucht.
2) Die 5 salomonischen Oden in Buch I u. II gehören schon einer älteren
Zfr^it an und dürfen für das 2. Jahrh. in Anspruch genommen werden, s. mein«»
Abhandlung, a. a. 0. S. 85 fl'. — Die ersk'n ;] Bücher des Werkes bilden zu-
]?amnien ein Werk, das 4. steht ffir sich, ist aber dem großen Werk sehr ver-
wündt und kann von demselben Verfasser herrühren (jedenfalls aus demselben
Kreis). Es scheint dem großen Werk zeitlich voranzugehen, s. Köstlin, Theol.
Jahrbb. Bd. 13 (1854) S. Uff.
Harnack. Altcbiistl. Litt^raturgosch. 11,2. i:-{
194 Die Litteratar des Morgenlandes.
Verf so fremd, wie das A. T., und er erklärt sie ebenso willkürlich
wie dieses.
(6) Man ist daher geneigt, die 2. Hälfte des 3. Jahrh. vor der
ersten zu bevorzugen, und dafür spricht, daß man p. 311 liest:
„Rex hodiernus ... remittit g>opevoiv et concubitantibus cum
masculis et reliquis peccatis gravissimis, dignis molte^ Hier-
nach ist die Unzucht zwischen Männern als ein durch das Gesetz
verurteiltes Kapitalverbrechen im römischen Reich bezeichnet, auf
das die Todesstrafe steht (von der natürlich der Kaiser zu be-
gnadigen vermag). Vor Philippus Arabs konnte so nicht geredet
werden; denn erst von diesem Kaiser heißt es: „usum virilis scorti
removendum honestissime consultavit" (Aurel. Victor, de Caesar. 28 ;
vgl. dazu Lampridius, Alex. Sev. 24. 39, wo deutlich gesagt ist, daß
Alexander ein solches Verbot zwar geben wollte, aber nicht gegeben
hat). Näheres s. in meiner Abhandlung, a. a. 0. S. lOOf. Für die
Abfassungszeit des Buches ergibt sich somit die Spanne von Philippas
Arabs bis Diokletian, d. h. die 2. Hälfte des 3. Jahrh. ^
(7) Der Ort der Abfassung ist in Ägypten zu suchen (s. „den
15. Tybi"" im Eingang des Buches als Datum einer großen Trans-
tiguration Jesu); auch schon die 5 pseudosalomonischen Oden sind
höchst wahrscheinlich ägyptischen Ursprungs (meine Abhandlung
S. 46: Nilüberschwemmung).
(8) Daß das Buch valeutinianisch sei, braucht nicht mehr wider-
legt zu werden: schlechterdings nichts spricht dafür. Dagegen
liegt die Verwandtschaft mit den ophitischen Systemen am Tage;
freilich auch hier zeigt die Vergleichung mit der Schilderung der-
selben bei Irenäus eine Komplizierung und Verwilderung. Ophi-
tismus ist von Haus aus syrischer Gnostizismus. Über die
syrisch-gnostische Propaganda — überall und so auch in Ägypten —
s. meine Abhandlung S. 104£ Am nächsten kommt der Pistis
Sophia eine Reihe von Angaben über Häretiker bei Epiphan.
(namentlich haer. 26, auch 37— 40)^. Schon allein der Satz haer.
26, 6 ist sehr wichtig: XQ^Pzac xal jtaXaia xal xaiv^ öiad^'^xxi '
anayoQtvovöL 61 xov Xakrjöapza kv rf] JcaXaia öiad^xxj. Es lieg^.
deshalb sehr nahe, die „Kleinen Fragen der Maria", die P^pipha-
iiius haer. 26, 8 nennt, mit unserem Buch zu identifizieren^; denn
1) EinfluIJ dt'8 Manichfiismuß ist möglich, aber zweifelhaft (b. in ein o Ab-
handl. S. lOÜ).
2) Epiphaniuö liat nach ßcincm eigenen Zeugnis Häretiker in Ägypt«'n
selbst kennen gelernt {haer. ':)0, 1).
3) So schon Kenan, Marc Aurele p. 120 not. 3; ich bin, ohne Renajis
Hypothek«? zu kennen, zu derHclbeu Annahme gelangt. Bedenken gegen die
Identifizierung hat Liechtenhan, a. a. 0. S. 240fll erhoben. Er halt es für
Die Pistifi Sophia und der Papyrus Brucianui«. 195
als „Fragen der Maria" stellt sich die Pistis Sophia resp. der
Hauptteil des Buches dar (s. das Nähere a. a. 0. S. 107 ff., wo
oanientlich auch darauf hingewiesen ist, daß p. 3S6f. der Pistis
Sophia die schlagendste Parallele zu dem obscönen Teil der Be-
richte des Epiphanius [hacr. 26, 3 ff.] hat; vgl. auch Epiphan. haer.
26, 3 mit Pistis Sophia p. 231. 2t)6f.). Als ophitiscli-sethitisch (mit
dieser Häresie sind die Archontiker nah verwandt) im Unter-
schied vom wüsten Ophitismus haben wir die asketisch gerichteten
Häretiker unseres Buches zu bezeichnen (s. a. a. 0. S. 110 ff.).
Die gnostischen Schriften, die im Cod. Brucianus enthalten
sind, lassen sich in zwei ineinander geschobene Bücher differen-
zieren, von denen eines wiederum aus zwei Teilen besteht Das
hat Karl Schmidt, der sie als erster zuverlässig ediert, aus dem
Koptischen übersetzt und bearbeitet hat (Texte u. Unters. Bd. 8
H. 1. 2, 1892), sicher erwiesen. Erwiesen hat er ferner, daß sie
der Pistis Sophia sehr nahe stehen, d. h. aus demselben Kreise
stammen. Endlich ist es ihm gelungen, diesen Beweis noch da-
durch zu erhärten und zu determinieren, daß er zwei in der zweiten
Schrift genannte Namen, den des gnostischen Propheten Marsanes
nnd den des Nikotheus, identifiziert hat. Der erste findet sich bei
den Archontikern ( Kpiphan., haer. 40, 7) — damit ist das Siegel
auf das gedrückt, was oben ausgeführt wurde — , der zweite war
auch eine Autorität für die Gnostiker, die Plotin in Kom bekämpft
hat (Porphyr., Vita Plotin. 16). Der letzteren i^eobachtung ist
Schmidt in seiner gehaltvollen Abliandlung über Plotins Stellung
zum Gnostizismus u. kirchl. Christentum (Texte u. unters. Bd. 20
H. 4, 1900) weiter nachgegangen. Dagegen sind gegen den Ver-
such Schmidts, die erste der beiden im Brucianus enthaltenen
Schriften (in zwei Büchern) mit den von der lUstis Sophia ge-
tuOglk'h, (laß ein Toil (lt?r V. S. „Fnij^ou «l«'r Marin" «^fhcißcii liat; nWr pr
meint, daß „die kleinen Fragen" auch obszön «x<*we!?f'n fc^oin niüft!.son. Liechten-
li an entfernt sich übrigens doch im Sr.hlußurti'il nicht weit, von nioinor An-
sicht (S. 1*42): „Kine gnostische Sekt<^ in Ajxypton >)esaß eine reiche Otten-
barungslitt-eratnr, worunter sieli (?in Kvanj^eliuni des rhilip])us nnd Fraffen der
Maria befanden. Diene Sekte sj»altete sieh in einen asketischen und einen
irbertiniHtisehen Zweijr; jede (Jmpjie bearbi'it^'te die überlii-ferte li. Litteratnr
der ^ekt<5 in ihrem Sinne. Die libertinistische Redaktion l)ekam Fipijdianius
zu Gesicht, die asketisclie ist uns im 1. n. 2. T. der IMstis Sophia erhalt<3n.
Vielleicht unterdrückte der Kedaktor unserer P. S. mit Absicht jene durcli die
obscönen BearbeitungiMi kompromittierten Titel. Der ;>. Teil der P. S. läßt
wich mit keinem der von Kjiiphanius h. 20 p^nannten Hücher in Znsammenhang
bringen".
196 ^^^ Litterafcur des Morgenlandes.
naDnten beiden Büchern Jeu zu identifizieren, von Preuscben*
und Liechtenhan^ so bedeutende Einwendungen gemacht worden,
daß er als gescheitert anzusehen ist Es kommt auch wenig auf
diese Identifizierung an. da die Verwandtschaft der Ideen in beiden
Werken auch von den Gegnern Schmidts nicht in Zweifel ge-
zogen wird. Was die Zeit anlangt, so gehört die erste größere
Schrift in zwei Büchern in die Zeitnähe der P. S., die zweite,
kleinere, scheint erheblich älter zu sein. Ein Datum für sie zu
geben, wie Schmidt es getan hat, wage ich nicht
9) Hermlas, Verspottung der nlcht-chrlstlicheii Philosophen.
Dem, was ich S. 782 des ersten Teiles dieses Werkes ausgeführt habe —
nämlich, daß die Annahme grundlos sei, Hermias sei in die vorkonstantinische
Zeit zu setzen — , habe ich nichts hinzuzufügen. Krüger^ und Barden hewer*
treten, wenn auch nicht mit voller Sicherheit, für das 2. bez. 3. Jahrh. ein.
Bei letzterem findeich aber nur folgendes Argument: „Der Boden, auf welchem
das Werkchen entsproßte, muß doch wohl eine Zeit heftiger Reibung gewesen
sein, welche Funken sprühen machte. Nun ist freilich auch um die Wende
des f). Jahrh. namentlich vonseiten der christlichen Sophisten des syrischen
(laza ein lebhafter Kampf gegen den letzt-en Ausläufer der antiken Philosophie,
den Neuplatonismus, geführt worden. Hermias aber scheint den Neuplatonisraus
noch nicht zu kennen. Kr schwingt seine Waffe gegen Platoniker, Peripatetiker,
Stoikt>r, Pythagoreer, Epikureer usw.; einen Neuplatoniker, Plotin oder Por-
phyriufi oder Proklus, nennt er nicht. Selbstverständlich hat er für seine Zeit
geschrieben, also diejenigen Systeme verspottet, von welchen er wußte, daß
sie in den öftentlichen Schulen vorgetragen und vertreten wurden. Und damit
dürft<*n wir in das rJ. Jahrhundert verwiesen werden". Hiergegen ist zu sagen,
daß, wenn die Arpfumentation richtig wäre, sie vielmehr ins 2. Jahrhundert
führen würde. Sie ist aber ohne Beweiskraft, da auch noch in den spätesten
Zeiten Wert oder Unwert der griechischen Philosophie lediglich an den älteren
Philosophenschulen nachgewiesen worden ist (daher mit Ausschluß der nen-
])1 atonischen) und eine Fülle kleiner Handbücher, die man benutzte, nicht über
die Placita der Stoiker und Kpiknreer hinausgingen.
Krüger beruft sich für den Ansatz „Zweites Jahrhundert" auf die Be-
rührungen mit der apologetischnn Litteratur dieser Zeit und speziell auf die
Berühning mit der Cohortatio Pseudojustini, die im ersten Fünftel des 8. Jahrh.
geschrieben sei und in den mit der „Irrisio" gemeinsamen Partien als die ab-
hängige erscheine. Allein die Ven^'andtschaft mit der apologetischen Litteratur
des 2. Jahrh. geht über die gemeinsamen Züge, die die gesamte apologetische
Litteratur der alten Kirche aufweist, nicht hinaus, die Cohortatio ist nicht im
ersten Fünftel des 3. Jahrhs. geschrieben (s. o. S. 151 ff.), und Krüger räumt
überdies selbst ein, die Abhängigkeit der Irrisio von ihr sei zweifelhaft, denn
1) Theol. Lit..Ztg. lSO-1 Kol. lS4f. Ihm antwortete Schmidt in der
Ztschr. f. wissensch. Theol. 1804 S. 555 ff.
2) A. a. 0. S. 2r)()ff.
■5) Protest. REnzyklop.s Bd. 7 S. 756.
4) Gesch. d. altkirchl. Litt. 1 (11)02) S. 200 ff.
Die ptseudoiiolykarpianincheu Stücke. 197
etf könne auch eine gemeinname Quellte zii^ninde lit'pMi. Die Behauptung
aber, der all^J^eiueine Charakter der „Irrisio" weise eher in dad *J. als in ein
(Späteres Jahrhundert, ist liöclist auffallend. Welche für Heiden bestimmte
christliche Schrifb deB 2. Jahriiundcrtri hat einen ähnlichen Anfang wie die
uni»nge? Die uusrige beginnt mit den Wörtern: IlavXo^ b fjLaxcLQtoq dnoaxoXo^
toi^ TjJjV *E?J.d6a T^v AaxtüvixTjv naifOtxovai KoQiv^lotq •/{fniptov^ cJ dyanr/tol,
dntiff]yaxo, JLtytav *// ooifia tov xoauov rovtov fiwQia naga xio ^eio (ovx
daxontag itnwv * doxel ydg /ioi tiiv dgyj^v tlXrjtph-ai dno xF^g X(5v dyy^kav
dHoaxaalag), 6i i/v aitlav ovdh av/itpwva ovöh ofidloya ol ipiXoootfOi ngog
dlX^Xovg Xiyovisg ^xti&fvzai xu ödy/iaia. Fiel man im wirklichen christlicheu
Altertum so plump mit dm- Tür ind Haus hinein, mit dem »eligen Aposttd
1'auluti und dem Engelfall? Dit'S(> Stelle ir«t die einzige, die iuiKt>rer farblosen
Schrift etwas Farbe gibt. Diesi» Färbt» aber erinnert nicht an die Apologetik
iler vorkonntantinitichen Zeit.
10) Die psendopolykarpianischeu Stücke.
Die fünf päeudopolykarpianiriclHMi Stücke, die im ernten Teil dieses
Werke« S. 7H besprochen worden sintl (exegetisch-historisch«' Bemerkungen zu
Matth. 10,5; 'JÜ, 1*3; Mark. 1, 1; Luk. M, l'Jf.; Joh. 17, -1), können dem .{. Jahr-
hundert angehören, aber beweis(>n UKit t'S sich nicht. In das '2. Jahrhundert
l^ehören sie schon deshalb nicht, w«m1 sicli in ihnen der Satz befindet: „L»'gitur
et in dolio ferventis olei i»ro nomine Christi beatus loannes fuisse deuHTsus"
«Verweisung auf die Acta Joh.V), man mülJte sie denn in das letzte Knde des-
selben setzen wollen'. Die Keihenfolge der 4 Kvv. (Matth., Job., Luk., Mark.),
wie ßie das 3. Stück bietet, gibt leider keinen Aufschluß über den Ort der
Herkunft, da diese Keihenfolg** (s. Zahn, (tesch. d. NTlicheii Kanons li S. 370 f)
sich 8])oradisch in verschiedtmen (iebit»ten tindet; doch ist sie für Italien am
l>esten bezeugt, und auf Italien weist auch die stark»! Cbereinstimmung mit
•lern Murat. -Fragment im 3. Fragment („evangelistae principiis diversis utuntur,
quamvis una eademque evangelizandi probetur intentio"). /ahn, der früher
(a. a. 0. I S. 7S:if) die Kelitheit ziemlich zuversichtlieh luOuiuptet hat, scheint
jetzt (Forschungen VI S. 103) skeptiächer gewonlen zu sein.
Auch das von Conybeure aus dem AniienlMlien verötfentlicht<' .^tüek
über den Woclientag der (Jeburt Christi („(luanlian" ISJM, is. Juli; deuttrch
bei Zahn, Forsch, a. a. 0.) ist zu spät bezeugt und in sich zu fragwürdig, um
ernstlich als ein Fragment Folykarps in Ans]»rucli genoninu?!! werden zu dürfen.
Dazu kommt, dali es die perpetiia virginitas Mariae zur Aussage bringt. Wie
alt es ist, läßt sieh nicht ^agen; doch nniß man sieh ClennMis, Strom. I, 21
••rinnern: flal de ol nt(jieQy6tfQ0v xfj ytvaaei tov owiffito^ tf/Awv ov fiovov
xo izog d)jM xal xtfV tj/iitQav nitoottO-ivtt^, )\v tfcoiv tiov^ xtf Avyovazov ^v
:it(ini^ llaxdtv xal elxdöi.
11) Die Kede des ErzbisclH^fs vou Alexaudrieii Athauasius an
den jüdischen Gesetzeslehrer Zakehiius.
über ditfsen Dialog könnte man schweigend hinweggehen, hatte ihn nicht
der erste Herausgeber, Con yheare'-^, in merkwürdiger Verblendung als vor-
1) Johannes-Traditionen liegen auch dem Satz: „(Quamvis [Johannes] et af-
flictiones plurimas et exsilia- tiderarit", zugrunde.
2) Aneedota ()xonien>ia. Chi>s. S.M-ies, V. VIII, ISUS, vt\ Theol. Lit.-Ztg.
jsIK». Nr. *2(i.
198 ^^^ Litteratur des Morgenlandes.
koustantinisch (um d. J. 300) und aus der Schule Lucians stammend prokla-
miort. Nichts spricht dafür, alles spricht vielmehr dagegen — erstlich die
Überlieferung, die, nicht ungeschickt, den Athanasius nennt, zweitens die Tat-
sache, daß die origenistische Ghristologie in der Fassung, die sie auf dem
rechten Flügel der Origenisten des 4. Jahrhunderts empfangen hat, die Lehre
beherrscht 1, drittens die weitere Tatsache, daß Jerusalem als eine christliche,
von Mönchen bewohnte Stadt erwähnt wird, in der die Auferstehungskirche
sich erhebt^. Da diese Züge schlechterdings nicht als Interpolationen ausge-
schieden werden können, so ist die vorkonstantinische Entstehung unseres Dia-
logs ausgeschlossen. Aber auch zu der Annahme liegt kein Grund vor, daß
ein älterer Dialog zugrunde liegt: der Verf. benutzt einfach den längst ge-
sammelten ai)ologetisch-antijädischen Sto£ Die Abfassungszeit der in Ägypten
entst-andenen Schrift' genauer zu bestimmen, liegt außerhalb unseres Interesses^.
1) Die änagaXXaxrog ovaia bez. {dTtagdXXaxtog) etxwv {td cLTiagdkkaxtov
X. yvwfdrjQj T. S'iX^fiatoq, r. ovaiaq) ist das entscheidende Stichwort-, s. p. 15 f.
49 f. Gegen eine tQonij des Logos wird p. 20 polemisiert: ovx itganTj, dkkd
Xaßdfv aoiQxa xtA., cf. p. 31: ov tganclg ttfv ipvoiv.
2] S. 40f.: Odxiti ydg i<ntv'IeQOvaa/.yfi ^lovöaiiov ndXiQ, dXXa Xgiariavwv
nöXiqt xoi xatvib ovofjLaxi xalovfiivri * dneX^v ixetas otpsi A'giatov tr^v noXiv
tavzrjv ovaav xal tiova%6vx<ov olxtjxf)QiOv, xal xov Xgiaxov xyv *Avdaxaoiv,
xal ndvxaq xovg ßaaiXsTg xtjv öo^av avxwv tpegovxaq . . . xaxsaxQdfftj xal
7Jxifida&fj ^lovöaloig^ (jixodofni&ii dh xal ido^da^jj XQiaxiavoXq.
3) S. p. 32 f.
4) Auf den von Conybearea.a. 0. ebenfalls abgedruckten Dialog zwischen
Timothcus und Aquila einzugehen, haben wir womöglich noch weniger Ver-
anlassung, da er zugestandenermaßen jung und die Annahme einer ält^?ren
Vorlage gmndlos ist.
VIERTES BUCH.
DIE LITTERATÜR DES ABENDLANDES
VOM
AUSGANG DES ZWEITEN BIS ZUM ANFANG DES
VIERTEN JAHRHUNDERTS.
Erstes Kapitel.
Die Schriftsteller bis zur Zeit des Decius.
1) Zephyrinus, Römischer Bischof (198/9- >17;8).
Daß er, wie Tertullian und Victorin, die Ketzer „überwunden"
habe, behauptet Optatus (I, 9). Eine ketzerbestreitende Schrift des
Zephyrin deshalb anzunehmen, ist jedoch sehr prekär, da eine
solche sonst niemand bezeugt und Z. von Hippolyt (Philos. IX, 11)
als aifTjQ löicirrjg xal äyQafifdarog xal ajttiQog rtJjv ixxXrjOiaOTtxojp
oQcop bezeichnet wird. Eine sehr späte Nachricht, dali er über
den Tod der Apostelfürsten geschrieben habe (?. 1. Teil dieser
Litt-Gesch. S. 597), erklärt sich aus einem Mißverständnis von
Euseb., h. e. IT, 25, 6. Dagegen ist es nach TertiiU. De virg. vel.
1—3 wahrscheinlich, daß unter ihm ein Schreiben der Kölner nach
Karthago ergangen ist in Sachen des Schleierstreites (s. später).
2) Theodot der Lederarbeiter und seine Sehiiler.
Die Zeit des Theodotus ergibt sicli daraus, daß er vom Bischof
Victor von Koni (Euseb., h. e. V, 28, 6) exkommuniziert worden ist.
Er ist also unter diesem oder schon unter Kleutherus nach Rom
gekommen und zwar aus Byzanz, wo er (nach Hippolj'ts Syntagma)
in der Verfolgung verleugnet haben soll. Schriftbeweise für seine
Lehre müssen aufgezeichnet existiert haben, sei es von ihm selber,
sei es von einem oder mehreren seiner mimischen Schüler; im Syn-
tagma hat Hippolyt einiges davon mitgeteilt, was uns Epiphanius
aufbewahrt hat (haer. 55, 8). Wann er gestorben ist, wissen wir
nicht
«^) Theodot der Wechsler^ Asblepiodotns, Hermophilus,
ApoUonides.
Schüler des Vorigen, die zwischen 190 und 220 in Kom eine
Rolle gespielt haben. Der fehlgeschlagene Versuch einer eigenen
Kirchenstiftung in Rom (Euseb., h. e. V, 28) fällt unter den Epi-
skopat des Zephyrin. Schriftliches ist auch von ihnen zur Kennt-
202 I^ie Litteratur des Abendlandes.
nis des Hippoljt und des Verfassers des Stückes Euseb., h. e. V, 28
gekommen, sowohl kritische Untersuchungen des Bibeltextes als Be-
gründungen ihres adoptianischen Lehrbegriffs (Epiphan., haer. 55, 8).
4) Artemon (Artemas), adoptianlseher Lehrer in Rom.
Dieser Lehrer in Rom, der eine gewisse Rolle gespielt haben
muß, ist ganz dunkel. Er fehlt bei Hippolyt (im Syntagma u. in
der Refut), bei TertuUian und bei Novatian. Dagegen ist die von
Euseb., h. e. V, 28 exzerpierte römische Streitschrift (höchst wahr-
scheinlich Hippolyt, s. dort, und nicht Cajus) gegen ihn gerichtet
gewesen {Ujtovöaofia xaza rrjq ^jQzsfiSvog algioecog, Euseb. hat
ihr aber nichts entnommen, was sich auf die Person des Artemon
bezieht); er wird in dem Schreiben der antiochenischen Synode
gegen Paul v. Samosata als ein hervorragender, wie es scheint
noch lebender adoptianischer Häretiker erwähnt (Euseb., h. e.
VU, 30: „Paulus mag an Artemas Briefe schreiben, und die An-
hänger des Artemas sollen mit ihm Gemeinschaft halten'')) und
Epiphan., haer. 65, 1 will wissen, daß Paul v. Samosata die schon
erloschene Häresie des viele Jahre früher aufgetretenen Artemon
erneuert habe. Diese Angaben lassen vielleicht den Schluß zu, daß
Artemon etwa um 225—230 — nicht früher, da er in der Refiit.
des Hippolyt noch fehlt — eine der Lehre des Theodotus ähnliche
Lehre aufgestellt (sie kann mit ihr nicht identisch gewesen sein;
s. meinen Art.: „Monarchianismus" in der Protest REnzy kl. ^ Bd. 13
S. 317) und sich einen kleinen Anhang erworben hat Novatian
hat wohl, ohne ihn zu nennen, in dem Werke De trinitate auf ihn
Rücksicht genommen. P^.r scheint lange gelebt zu haben.
«j) Praxeasy Epigonus, Kleomenes und Sabellins. Der Verfasser
der monarchianlschen Prologe zn den Evangelien.
Über die Zeit des Praxeas s. Teil I Bd. I dieses Werkes
S. 375 f. Er kam entweder unter Victor oder wahrscheinlicher
unter Eleutherus nach Rom; sicher hat der ei*stere die Lehre des
Praxeas zu bestärken sich angelegen sein lassen (s. adv. omn. haer.
fin.). Praxeas ging dann nach Karthago; aber es gelang Je-
mandem*', wahrscheinlich TertuUian selbst, den von ihm gesäeten
L'rtum wieder auszurotten, ja den Praxeas zu schriftlichen Er-
klärungen zu veranlassen („chirographum"), die als Zurücknahme
des Irrtums aufgefalU wurden. Diese Erklärungen wurden im
Kirchenarcliiv deponiert Es geschah dies vor TertuUians Bruch
mit der großen Kirche (also vor 207/8 bez. 206/7), wie TertuUian
(Adv. Prax. D ausdrücklich bemerkt Weiteres ist nicht bekannt.
Prazeas, Epig^nus, Kleomenes und Sabellius. 203
Tertullian aber hatte mehrere Jahre später doch Grund, auf die
Foo Praxeas ausgestreuten Irrlehren zurückzukommen und seinen
Traktat Adv. Prazean zu schreiben (s. später).
Nach Hippel, Philos. IX, 7 kam Epigonus , ein Schüler des
SiDyrnenser Modalisten Noetus, nach Rom (nach Abfassung des
hippolytischen Syntagmas oder kurz vorher, also unter Zephyrin)
and lehrte selbst den Modalismus. Er brachte es aber noch nicht
zu größerer Wirkung; erst seinem Schüler Kleomenes gelang dies
nnter der Konnivenz des römischen Bischofs Zephyrin, og rra
xigdei JtQO0ipBQ0[iip(p jtH&ofiSPOg ovpsxdQSc xolq jtqoOiovöi rm
KleoiiivH fiad^fjTBveod-ai (also ein öidaCxaXtlop), xal avzbg vjzoövqo-
fi€ifOc tA XQ^^9^ ^^^ '^^ avra Sgfifjro, övfißovkov xal owaycovi-
OTov xAv xaxAv ovrog avxA KaXXlaxov, . . . xovtcjv xaxa diaöox^^
ÖUfi€iV£ xb öiöaöxaXelop xQaxvpofievov xal ijrav^ov öia xb ovpalQt-
ad^cu avxolg xbv Ze<pvQtpop xal xbv KaXXiorov. Ob Epigonus und
Kleomenes etwas Schriftliches hinterlassen haben, wissen wir nicht;
aber daß modalistische Äußerungen auch schriftlich vorlagen, er-
kennt man aus Hipp. c. Noet und Tert. adv. Prax.
Die Zeit des Sabellius ist zu bestimmen, sonst ist fast alles,
was ihn angeht, dunkel. Hippolyt (Philos. IX, 11) fühlt ihn so ein,
als hätte er ihn vorher schon genannt. Da er das nicht getan
bat^ so muß man schließen, daß er den ersten Lesern ganz bekannt
war, d, h. noch unter ihnen lebte (bei Epigonus und Kleomenes
ist Hippolyt anders verfahren; sie waren daher wahrscheinlich
nicht mehr am Leben, als er die Philosoph, schrieb). Aus den
Worten Hippolyts folgt, daß Sabellius in der letzten Zeit des
Zephyrin das Haupt der modalistisch Gesinnten in Rom gewesen
ist^ Hippolyt bringt ihn nicht mit Kleomenes in Zusammenhang,
sondern deutet in dunklen Worten an, daß Kailist selbst ihn ur-
sprünglich zur Irrlehre verführt habe (ov xal avrbv i^torf/oa övvd-
fitiHiP xaxoQd-ovv). Sabellius blieb ein konsequenter Modalist, und
Kallist, der andere Wege einschlug, sah sich daher genötigt, ihn
zii exkommunizieren, obgleich er ihm dogmatisch nahe stand
(Philos. IX, 12: xbv SaßiXXiop djrtwötp cjg ///) g^QorovvTic oQd^cbg,
ÖBÖotxcbg ifis xal rofiucop orrco övpaöO-ac djTox()iil'ao&ai xfjv JtQbg
xag ixxXtjoiag [also waren auch andere Kirchen schon beteiligt]
xaxT/yoQlav, mg firj dXXox{ncog (pQOvAv), Dies geschah um d. J. 220;
denn Kallist war 217/8— 222 3 Bischof in Rom. Sabellius hat gegen
Kallist nun die Anklage erhoben (ovvBymg xarfjyoQjjöaxo), er habe
den ei-sten Glauben verlassen (Philos., 1. c). Für uns verschwindet
nun Sabellius von der Bühne. Mehrere Väter des 4. Jahrhunderts,
zuerst Basilius, nennen ihn einen Afrikaner, bez. Libyer (aus der
Pentapolis), und wir haben keinen sicheren Grund, dies zu be-
204 1^^6 Litteratur des Abendlandes.
zweifeln. Doch ist es wohl möglich, daß die Nachricht daher
stammt, daß seine Lehre in der Mitte des 3. Jahrh. in der Penta-
polis besonders Wurzel gefaßt hat Daß Sabellius Rom nach seiner
Exkommunikation verlassen hat, hören wir nicht. Da er aber zum
Heros eponymos des Modalismus geworden ist, muß er entweder
in anderen Landeskirchen persönlich gewirkt oder eindrucksvolle
Schriften geschrieben haben L Leider aber ist uns nichts Näheres
bekannt, nicht einmal die Titel seiner Werke. Wir vermögen da-
her nur unsicher zu entscheiden, ob die Lehrformulierungen, die
unter seinem Namen zitiert werden (s. besonders Athanas. c. Arian.
IV, 9—29), ihm oder seinen Schülern angehören und ob sie dem
3. oder 4. Jahrh. zuzuweisen sind. Aus inneren Gründen kann
mau aber doch mit einiger Wahrscheinlichkeit einiges ihm vindi-
zieren (s. meinen Art. Monarchianismua in der Protest. REnzyklop.^
Bd. 13). Da das fast ausschließlich „Gedanken" sind, die wörtliche
Fassung aber unsicher ist, müssen wir hier von dem Versuche ab-
stehen, echt Sabellianisches auszuscheiden.
Über die alten monarchianischen Prologe zu den lateinischen
Evangelien besitzen wir eine eindringende Untersuchung von
Corssen, der auch die Texte rezensiert hat 2. Daß die Prologe
nicht zur Vulgata gehören, sondern aus viel älterer Zeit stammen,
daß sie aus einer Feder sind^ und von vornherein für eine Aus-
gabe der Evangelien bestimmt waren**, läßt sich nicht bezweifeln.
Dann aber können sie nur aus einer Zeit stammen, in welcher in
der römischen Kirche die modalistisch-monarcliianische Doktrin die
offizielle gewesen ist; denn diese Doktrin spricht sich unzweideutig
und stark in den Prolocjen aus. Aus Rom aber stammen sie.
„Sicher ist, daß sie niclit allmählich und von verschiedenen Seiten
1) Diili luiin im Ori(Mit von seiner Person nichts wußte, zeigt P^piph.
haer. 0*J, 1 sehr deutlioli. In der ^lystagogia des Petrus, die in der Ep. Justiniani
adMennam enthalten ist (Koutli, Reliq. Hacr.^ iV p. 81), ist von Sabellius so
die Rede, als habe er noch zur Zeit des Dionysius des Großen gelebt und ihm
persönlich Schwierigkeiten gemacht. Allein man braucht letzteres nach dem
Wortlaut nicht notwendig anzunehmen.
2} Texte u. Unters. XV H. 1; s. die Texte auch in Wordsworths u.
W h i t e s A usgaben d(;r Vulgata, 1 SSI) ii'. Dazu Jülich e r in den Uött. (icl. Anz.
ISIM) S. S41H'. u. Holtzmann in der Tlieol. Lit.-Ztg. 1897 Kol. 331ff.
i>) Wi(lers})rüche fehlen allerdings nicht, aber sie gehen auf die Quellen
zurück, di«? benutzt sind. Den monarchianischen Charakt-er scheint Ehrbar«!
(Die altehristl. Litteratur, 1!HK\ S. 415 f.) zu beanstanden, hat aber bisher noch
keine (J runde ang<*gj'l)eii, sondern zieht sich auf die prekäre Unterscheidun;^
von (Tlaubensv«Tkün(ligung und Tlieologie zurück.
A) (U^<r,.n Dol, schütz, Studien z. Textkritik d. Vulgata (1805) S. 80.
Praxcasy Epigonus, Kleomenes und Siibellius ubw. 205
in die Vnlgata eiiigedruDgen sind; denn dann wäre der Prolog zu
Johannes gewiß auf verschiedene Weise der Vulgata angepaßt
worden. Da dieser aber nur eine Grundform der Bearbeitung zeigte
80 müssen wir annehmen, daß zu einer bestimmten Zeit an einem
maßgebenden Orte eine einheitliche Redaktion der Prologe statt-
gefanden hat. Das kann kaum anderswo als in Eom p^ewesen sein,
ein Umstand, der für die Geschichte der Vulgata von Bedeutung
ist Wenn man sich aber hier entschloß, diese Prologe in die
Valgata aufzunehmen, so kann man damit nur der Macht alter
Gewohnheit nachgegeben haben, die diese vor Hieronymus mit don
EvaDgelienhandschriften verbunden wußte und sie trotz ihm nicht
entbehren mochte* K
Die Zeit, in der die modalistische Doktrin in Kom die offizielle
gewesen ist, ist die Zeit des Victor und Zephyrin (c. 190 — 217).
Damals also — schwerlich erst unter Kaliist, zu dessen Zeit der
strenge Modalismus an offizieller Stelle ins Wanken geriet — sind
die Prologe verfaßt worden, bez. ist die lateinische Evangelien-
edition (es braucht nicht die erste lateinische gewesen zu sein),
zu der sie gehören, erschienen. Man wird aber lieber an die Zeit
Zephjrins denken als an die Victors. Denn dt?r Modalisnius der
Prologe ist kein naiver mehr (wie wir das für die Zeit Victors
vermuten können, den Hippolyt nicht als einen Gegner betrachtet
hat), sondern ein bewußter, und es spiegeln sich in dem Materiale,
welches die Prologe benutzt haben, die inneren nimischen Ver-
hältnisse aus dem ersten Anfang des 3. Jahrh., wenn aucli nicht
mit wünschenswerter Deutlichkeit, wieder. Auch das Verhältnis
zum Muratorischen Fragment (Co rssen, a.a 0. S. OGf. i:ir>ir.) sja-icht
1) Co rssen, a. a. 0. S. 21. I)in?kt <^rw'«'is<"n lälJt sich «Icr rnmisclu» Ur-
bprong nicht; fiir ein Bolches Werk Jibcr wie das einer hitf-iniseheii FMition der
Kvanjifplien mit Vorreden läßt sich nberhaii])t nnr Hom oder Karthaj^o als Ort
«ie8 Urspriinpfs denken. Aher Karthafj;o ist anHj^<'sehlosH»'n — er«tlieh wril in den
♦Tst^n Dezennien des 3. .Tahrhunderts die offizi«?lle Kirche dort nirht niodalistisch
gedacht haben kann (hjlt.t<i sie das, so liätte uns das Tertnllian in fulminanten
?*chriften mitgeteilt; aber nur von der röuiischen Kirehe sagt er, <hi(i dort „der
Vat<;r gekreuzigt worden s»'i"), zw<»itens weil die S])ra(:he der rn)loge die
>praehe eines Mannes ist, d«T sich mühsam im l/ateinischen ausdrückt, da er
augenscheinlich ans (!rlechi.sche gewöhnt ist. „(.)fters erseheint der Ausdruck
jreradezn durch das (iriechische grbimdrn, und rinig»«s ist mir aus diesem ver-
ständlich. Dennoch ist es wahrs(?heinlich (?), daß nicht sowohl eine Cben3(»tzung
al.=j vielmehr eine Cberarb«*itimg versehieden«'r griechischer Quellen vorliegt.
So wenigstens würde di«» fomuile (tleichheit bei den vorhandenen mat^rialen
Widersprüchen am leichtesten zu erklaren sein" (Corssrn, a. a. 0. S. 0.'{\ So-
mit bleibt nur Rom übrig; von Rom aber wissen wir, daß die offizielle christo-
lo^sche Lehre um das Jahr JfKJ diejenige war, welche die Prologe atmen.
206 I^ie Litteratar des Abendlandes.
für die angegebene Zeit und für Rom. Daß in dem Prologe zum
Joh.-Evangelium die Leucius-Johannesakten benutzt sind, ist unver-
kennbar (aber nicht in bezug auf die Entstehung des Evangeliums,
s. Karl Schmidt, Texte u. Unters. Bd. 24 H. 1 S. 123f.).
6) Proculus (Proclos).
Die Schrift dieses Hauptes der römischen Kataphryger für
den Montanismus und die kirchengeschichtliche Bedeutung Klein-
asiens — der Titel ist unbekannt — , deren Existenz aus dem Dialog
des Cajus gewiß ist (Kuseb., h.e. III, 31,4), ist zur Zeit des römischen
Bischofs Zephyrin (schwerlich schon in der letzten Zeit des Victor)
entstanden (Euseb., h. e. II, 25, 6; VI, 20, 3). Entweder hat er in
dieser Schrift in einem Exkurs auch die Valentinianer bekämpft
oder — was wahrscheinlicher ist — eine besondere Abhandlung
gegen sie (vielleicht auch zugleich gegen andere Gnostiker) ge-
schrieben. Da sie von TertuUian in dem Traktat Adv. Valent.
(c. 5) an letzter Stelle nach den Schriften des Justin, Miltiades
und Irenäus erwähnt wird, so folgt, daß sie nicht später als z. Z.
Zephyrins (unter diesem ist TertuUians Traktat Adv. Valent.
erschienen, s. später) und schwerlich früher als z. Z. Victors
entstanden ist. TertuUian hat ihr nichts oder so gut wie nichts
entnommen; denn er ist in dem Traktat Adv. Valent. fast durchweg
von Irenäus abhängig. Neben TertuUian in Karthago ist Proculus
in Rom der litterarische Vertreter des Montanismus im Abendland
gewesen. Daß er identisch ist mit dem Tert. ad Scapul. 4 genannten
Proculus, kann mindestens nicht bewiesen werden.
7) Cajus, römischer Christ.
Seine Zeit steht fest; nach dem Zeugnis des Eusebius (h. e.
II, 25, 6; VI, 20, 3j hat er unter Zephyrin einen Dialog gegen den
Montanisten Proclus verfaßt. Zu diesem Datum fügt sich auch,
was wir sonst von diesem Cajus wissen. Er war ein konsequenter
Gegner der Apokalyptik und der Apokalypse; als solchen liat ihn
Hippolyt angegriffen (s. dort) K Als Presbyter wird Cajus erst von
Photins Cod. 48 bezeichnet (doch beruht das auf einer Verwechslung
mit Hippolyt; Eusebius hat den Cajus nur einen kirchlichen und
1) Als Hii)po]yt. D(; antichristo und den Daniel-Kommentar schrieb, kann
er den Dialof^: deö Cajus noch nicht frokannt haben, also war dieser auch nocli
nicht erschienen (d«'nn beide Männer sind römische Christen). Nun aber sind
jene Schriften Hij)j)olyts wahrscheinlich um das J. 202 bez. noch etwas später
ediert; also werden wir nicht irren, wimn wir den Dialog des Cajus gegen
Proclus auf c. 205—217 datieren und nach dem Syntagma Hippolyts (s. dort).
Römische Bischöfe von Kollist bis Fabian. 207
sehr beredten Mann genannt), der ihn unter Victor und Zepliyrin
wirken l&ßt^ Was man sonst in älterer oder neuerer Zeit dem
CaJQs beigelegt oder ttber ihn vermutet hat, entbehrt der sicheren
Gnudlage. Auch zu den Alogern darf er nicht gerechnet werden,
da er nicht, wie diese, das Joh.-Ev. vei-worfen hat. Die Sätze von
ihm, die Hippolyt in seinen „Capita adv. Cajum" zitiert und wider-
\^ hat, brauchen nicht in einer anderen Schrift als in dem Dialog
gegen Proclus gestanden zu haben.
8) Römische Bischöfe von Kaliist bis Fabian.
Dem römischen Bischof Kailist (2l7/8-222;3) gehört ein Buß-
^t an, das wahrscheinlich — doch läßt sicli Siclierheit nicht
gewinnen — von einer Abhandlung über die Buße begleitet war
(Tertall, De pudic. Iff.), die auch Hippolyt in den Pliilosoph. vor
•Aogen gehabt hat, s. Preuschen, Terts Schriften De Poenit.
|]. De pudic, 189ü, Rolffs, in den Texten u. Unters. Bd. 11 H. 3
iL Bd. 12, H. 4. Da aber nur eine Herstellung der (iedanken jeuer
^Abhandlung, nicht aber des Wortlautes gelingt — denn TertuUian
lischt wirkliche Behauptungen der Gegner und von ihm selbst
ihnen untergeschobene Gedanken und Beweise durcheinander, so
ist von einer Rekonstruktion im einzelnen abzusehen^. Dasselbe
gilt von einer Abhandlung über das Fasten. Daß der Schrift Ter-
tullians De ieiunio eine römische Abhandlung dieses Inhalts zugrunde
liegt, hat Rolffs (1. c. Bd. 12, H. 4) wahrscheinlich gemacht, auch
daß sie von Kaliist herrührt, ist plausibel, w(»nn auch minder ein-
leuchtend (doch kann man sich auf spätere Nacliricliten, Kaliist
habe ein Fastenedikt erlassen, berufen, s. u.). Allein eine Rekon-
struktion der Schrift ist hier noch aussichtsloser als bei der Ab-
handlung über die Buße. Eine christologische Lehrformel des
Kaliist hat dem Hippolyt schriftlich vorgelegen (Philos. IX, 12
p. 458). Ebenderselbe erhebt gegen Kallist folgende Vorwüi-fe:
(1) er sei der erste gewesen, welcher durch \ erkiindigung der
Sündenvergebung Fleischessünden Raum gegeben habe; so habe er
auch den Angehörigen anderer Denominationen für ilire Sünden
1) Da in dem Ahschiiitt Cod. IS Cujus von IMiotiu.s diirrhwcj^ mit Hippolyt
verwechaelt worden ist, ho ist dio Mitteilunjx, Cujus sei -/.wm Kisvhof twv tl^vwy
geweiht worden, von Hippolyt zu verst^'ln'n. Jn hezu«^ auf Hijjpolyt aber liefert
wahnscheinlich eine zweite Verwechslung mit Beryll von Bostra vor, der von
Kusebius und HieronymuB in einem Atvm mit Hijjpolyt genannt wird imd den
man als inlaxonoQ xwv iO-vwv bezeichnen konnte, weil sein Sprengel nomadi-
sierende Stämme umfaßte. Cbrigens ist Photius* Bericht ganz wertlos, da er
aus uns bekanntem Quellen (Kuseb. und Hieron., de vir. inl. (ir.) geflossen ist.
L>) Vgl. Achelis in der Theol. Lit.-Ztg. 1S05 Kol. 2:rJft".
208 ^ie Litteratur des Abendlandes.
Vergebung verkündigt, wenn sie sich seiner Sekte anschlössen, und
es en-eicht, daß der Auswurf vieler Häresien und auch der hippo-
lytischen Kirche zu ihm gekommen sei, (2) er habe bestimmt, daB
man einen Bischof nicht absetzen dürfe, auch wenn er eine Tod-
sünde begangen hätte; unter ihm wären Bischöfe, Presbyter und
Diakonen, die in zweiter und dritter Ehe lebten, ordiniert worden,
und wenn ein Kleriker heiratete, so bliebe dieser im Klerus, als
ob er nicht gesündigt hätte, (3) er habe (vornehmen) Frauen ge-
stattet, dem römischen Gesetze zuwider nach eigener Wahl einen
Sklaven oder einen Freien zum Manne zu wählen und darum den
gröbsten Verbrechen (Fruchtabtreibung) Voi-schub geleistet, (4) unter
ihm zuerst habe man es gewagt, eine zweite Taufe zu erteilen.
Diese Vorwürfe müssen sich mindestens zum Teil auf schriftliche
Erlasse des Kailist beziehen; denn nicht nur kennt Origenes etliche
derselben (s. die Stellen im 1. Teil dieses Werks S. 604 und dazu
Comm. Ser. in Matth. 61—69 Lommatzsch IV p. 344ff.), sondern
auch die pseudoisidorischen Briefe des Kailist behandeln eben
jene Themata, die in den Vorwürfen des Hippolyt vorliegen (dazu
Anordnungen über das Fasten). Das hat nach früheren Hinweisen
Ficker (Studien z. Hippolytfrage, 1893, S. 109ff.) scharf und richtig
hervorgehoben (vgl auch Bonizo, Decret 1. IV [Katal. der röm.
Bischöfe] bei Mai, Nova Patr. Bibl. VII, III p. 34 sq.). Die Sache, ob
sie schon für Kailist nicht gleichgültig ist, ist doch für Pseudo-
isidor sehr viel wichtiger und fordert aufs nachdrücklichste dazu
auf, die Quellen Isidors gründlicher aufzuspüren, als dies bisher
geschehen ist: Isidor muß noch direkt oder indirekt Edikte des
Kailist benutzt haben! Hat er nicht auch wirklich an die Bischöfe
Galliens geschrieben? Briefe Hippolyts nach auswärts in Sachen
dos christologisclien Streites mit Kaliist folgen mit Sicherheit aus
Hipp., Refut. IX, 12, p. 456, 73. Das sich im Abendland über diesen
Streit eine verdunkelte Kunde bis ins frühe Mittelalter hinein er-
halten hat, darüber s. den I. Teil dieses Werks S. 604 u. Achelis,
Texte u. Unters. N. F. Bd. 1, Hft. 4, S. 32 ff.
Pontian. Da dieser Bischof am 28. Sept. 235 resignierte, so
fällt das Schreiben einer unter ihm gehaltenen römischen Synode,
welche den Origenes verurteilte \ zwischen 230 und 235.
Anter OS. Daß er eine Sammlung von Märtyrerakten (der
Maximinschen Verfolgung) befohlen hat, darf man dem Papstbiich
vielleicht glauben^. Diese Sammlung fällt zwischen den 21. Nov.
235 und den 3. Jan. 236; denn dieser Papst hat nur in diesen
Wochen regiert.
1) S. Teil I dieses Werkes S. 048. 2) S. TeU 1 S. 648.
ffippolyt. 209
Fabian (Bischof v. 10. Jan. 236 bis 20. Jan. 250). Sicher ist
ein Brief von ihm in Sachen des lanibesitanischen Häretikers
Privatus (Cypr. ep. 59, 10). Origenes hat ein seine Lehre ent-
scholdigendes Schreiben an ihn gerichtet, und wahrscheinlich ist
ein Schreiben des Fabian an Origenes (Enseb., h. e. VI, 86, 4;
Hieron., ep. 84, 10 cf. Baflh, Invect I, 44). Auch Verkehr mit Edessa
laBt sich vermuten (s. den Schluß der Akten des Märtyrerbischofs
Barsamya von Edessa).
9) Hippolyt.
(t) ^AjtoÖH^ig JtsQl Xqiöxov xal ^AvxiXQioxov.
(2) IlBQi d^tov xal oaQxog avaoxaOBGx;.
De resurrectione.
Sermo de resurrectione ad Mammaeam.
ÜQoq ßaöiXlöa kjtiaxoXri.
IIsqI aPaoxaotcDg xal dg>ß'aQOlag.
(3) UQoxQSJixtxbg JtQog ^eßsQSlPav.
(4) IIbqI d^soXoylag.
(5) IleQl xäyad^ov xal Jtod^sp xo xaxov,
(6) Elg xa ayia {^eotpapsia.
(7) nQooofiiXla de laude doinini salvatoris.
(8) IleQl olxopofilag? De regiraine? De providentiti ?
(9) *AjroÖ£ixTix?j JtQog %vdalovg,
(10) üegl xrjg xov navxog ovoiag.
ÜQog ^'EXXrivag xal jtQog ÜXaxoyva // jreQi tot jravTo^,
IleQl xov Jtavxoq,
IltQl XTJg xov Jtavxog alxlai:,
(11) (JSvvxayfia) ÜQog ajtaoag xa^; aiQtotig.
^OfiiXla elg X7]v a?Qeoiv No/jxov.
(12) Kaxa x^g ^AQxi^(Dvog aiQtoecog,
*0 OfiixQog AaßvQivd-og.
(13) Ilgog MaQxiwva.
(14) ÜQog fidyovg,
(15) ^VjteQ xov xaxa ^kodvvrjv evayyeXlov xcX d:jroxaXvi}:ho)g.
(16) Capita contra Cajum.
[(16*) Eine Schrift gegen den Montanismus].
(17) Kaxa Jtaöojp xg)P aiQeoewv eXeyxog-
*0 AaßvQLviyog,
(17*) Die SchluBkapitel des Briefs an den Diognet.
(18) IleQl xov dyiov Jtdoxa.
(19) ^Ajtoöei^ig xQovojv xov ^«öx«-
(20) Der Canon paschalis auf der Statue.
(21) Xqovixwp (ßlßXog).
Harnack, Altchristi. Litteratar{;esch. II, 2. 14
Die Litteratur des Abendlandes.
2) Elg X7IV e^aijfisQOV.
3) Elg xa fisra rriv i^arniBQov,
4) (In Genesin).
5) (In Exodum).
Auslegungen des Segens Isaaks, Jakobs und Moses' {Elg
Tfjv €pdfiv TTjv fisyaZtip).
6) Eig rag BvXoylag rov Baiadfi,
6*) 'EQfifjPsla 'Pov».
7) Mg iyyaöTQlfivd^ov.
8) Elg xov ^EXxaväv xoü r^v "Apvav.
8*) Auslegung über David und Goliath.
8**) Abhandlung vom Glauben.
8***) Abhandlung: Die Gestalt (Weise) des (Jelübdes.
9) Elg Tovg tpaXfiovg.
0) IleQl jtaQOifuäv (ßg rag JtoQOifi. 2!o2J).
1) De ecclesiaste.
2) Elg To g^öfia.
3) In Esaiam.
4) In Jeremiam].
5) Elg fiigt] rov *fs^sxc^X.
Über den Tempel.
6) Elg TOP AavifiX.
7) In Zachariam.
8) In Matthaeum.
9*) Aoyog elg ttjv xcöv xaXapxoDv öcavofifjp.
9^) Aoyog elg xovg ovo X^öxag,
0) Kommentar zum Evangelium des Johannes und zui' Auf-
erweckung des Lazarus.
1) De apocalypsi.
2) Oden.
3) IleQl x^Q^^l^d'^^^ ^AjtoöToZixf] jtaQaöoötg,
Unechtes.
j über die Lebensumstände des Hippolyt in den Haupt-
festgestellt werden kann, ist durch Döllinger^ Volk-
eumann^ Ficker^ Achelis^ und Bonwetsch^ (gegen
ippolyt 11. Kallist, 1853.
ippolytus u. d. röm. ZeitgenosBen, 1855.
Br römische Staat u. die allg. Kirche, 1. Bd., 1890, und Hippol. v. Roni
Sfcellg. z. Staat u. Welt, 1902.
udien zur Hippolytfrage, 1898.
3xte und Unters. N. F. Bd. 1 H. 4.
3xte und l^nters. N. F. Bd. 1 H. J und d. Art. „Hippol." in der Prot^^st.
x3 Bd. S S. 120 ff.
ffippolyt. 211
de Bossi, Lightfoot\ Salmon, Erbes, Grisar, Mommsen,
Allard iL a.) so gesichert worden, daß es übei-flüssig ist, den
Kampf mit den alten und neuen Legenden wieder aufzunehmen.
Direkte chronologische Zeugnisse sind nur wenige vorhanden.
(1) Aus der Befutatio (den sog. Philos.) erfahren wir 2, daß Hippolyt
1) Doch hat sich Lightfoot (Clement of Roiue, 2. Bd., 1890, p. 817—477)
^roße Verdienste um Hippolyt erworben; aber seine These, er sei Bischof von
Tortiis gewesen, ist fsüsch.
2) Der hippolytische Ursprung dieses Werkes bedarf keines Nachweises
mehr. Daß es auch in den Anschauungen, in der Sprache und im Stil mannig-
faltige und frappante Obereinstimmungen mit den übrigen, niemals bezweifelten
Werken desselben Autors aufweist (vgl. besonders die Homilie gegen Noetus),
*»ei ausdrücklich hervorgehoben. Vgl. Funk in den „Kirchengesch. Abhandl. u.
Unters.", 2. Bd. (1809) S. 161—197, der die falschen Hypothesen über den Ver-
fasser eingehend widerlegt. Zweifel hat noch Batiffol, Ancienncs litt^rat.
Chr§t., La Littörat. Grecque (1897) p. 156 f. ausgesprochen, bez. die Zweifel
(leRossis, Duchesnes und Denis* (La philosophie d'Origöne, 1884, p. 665 ff.)
adoptiert: (1) Syntagma und Refutatio seien zu verschieden, es sei ein«.»
,.diff6rence d'un esprit k un esprit**; aber der höchst bunte Stoff, den die Gnostiker
boten, konnte nach 20 Jahren einen und denselben Autor zu einer sehr ver-
schiedenen Methode der Bekämpfung veranlassen. In den Hauptpunkten sind
zudem der Schluß der Refutatio und der Schluß des Syntagmas (die „Homilie"
^egen Noöt.) keineswegs verschieden, sondern sehr ähnlich. (2) Der Osterzyklus
Hippolyts war im Gebrauch der römischen Katholiken; aber er erwies sich
bereits vom J. 237 ab notwendig als falsch; er muß alfio von den Katholiken
damals, als er aufgestellt wurde, adoptiert worden sein, im J. 224 oder später,
,,8avoir au moment du pr6tendu schisme". Warum nicht? Warum soll man
die Berechnung eines Schismatikers nicht angenommen haben, wenn man sie
für richtig hielt? Auch wissen wir nicht, ob Hippolyt allein in Rom diese
• falsche) Berechnung angestellt hat. (H) „Nous pouvons ajouter que, non seule-
ment les textes dörives de la Chronique d'Hippolyte ne mentionnent pas de
Kchisme sous Calliste, mais t^moignent que, en 285, sous Pontien, Hippolyte
etait pr^tre: tont souvenir de sa pretendue r^volte 6tait-il donc k ce point
effac^? et, a sa reconciliation avec l'eglise, on l'avait donc r6int6gr6 dans Tordre
presby t^ral ?" Daß man vom Schisma später geschwiegen hat, ist wohl ver-
Htändlich, und warum ist denn Hippolyt allein mit Pontian verbannt worden
und kein anderer römischer Presbyter? Die Wiedereinsetzung in das Presbyter-
jimt ist doch nichts Auffallendes; den Novatianem gegenüber ist dies später
fort und fort geschehen. (4) Die Berufung auf die Selbstzitate des Verfassers
der Refutatio sei haltlos, denn die frühere Ketzerbestreitung brauche nicht das
hippolytische Syntagma zu sein, sondern könne irgendeine andere ketzer-
bestreitende Schrift sein, der Verfasser der Refutatio habe Ilegl xrjq xov navxöq
o'iaiaq geschrieben. Hipp, aber IJegl xov navxoq^ der Verfasser der Refutatio
»•ndlich habe eine Schrift Begi fidywv verfaßt, die bisher unter den Werken
des Hipp, nicht nachgewiesen sei. Diese Gegengründe sind schwach. Niemand
hat sich im Sinne eines zwingenden Beweises darauf berufen, daß das Syntagma
im Proöm. der Refiitatio angeführt sei. Andererseits wird die Zahl großer ketzer-
Wstreitender Schriften, die in Rom um 2(K) entstanden sind, nicht bedeutend
14*
212 ^ie Litteratur des Abendlandes.
Gegenbiscliof * des Kailist in Rom gewesen ist^ daß er unter
Zephyrin zum Klerus der römischen Kirche gehörte ^ daß er die
Zeit Victors als Augen- und Ohrenzeuge erlebt^ und daß er anderer-
seits den Tod des Kallist noch überlebt hat\
(2) Wir hören (s. u.), daß Hipp, eine Schrift an die Kaiserin
Julia Mammaea gerichtet hat, also z. Z. des Alexander Severus; erst
er hat seine Mutter zur Augusta ernannt. Daß Hipp, unter Alexander
schrieb, beweist auch sein Osterkanon, der mit dem 1. Jahr
Alexanders beginnt, also damals verfaßt ist (s. die Statue u. Euseb.
h. e. VI,22), sowie seine Chronik, die i. J. 234/5 geschrieben ist (s. u.).
(3) Im CatÄlog. Liberian. heißt es (die Notiz stammt ans
der Mitte des 3. Jahrb.): „Eo tempore Pontianus episcopus et
Yppolitus Presbyter exoles sunt deportati in Sardinia in insula
nociva, Severo et Quintiano coss.** [235 ann.]. In eadem insula
discinctus est (Pontianus) IV KL Octobr. et loco eins ordinatus est
Antheros XI Kl. Dec. cons. ss." [235 ann,]. Die Verbannung ist
natürlich nicht von Alexander Severus, dem Christenfreunde (er-
mordet Anfang März 235), sondern von Maximinus Thrax angeordnet
worden, von dem wir wissen, daß er gegen die Kleriker einge-
schritten ist. Die Bezeichnung des Hippolyt als Presbyter, ver-
bunden mit dem allerdings unklaren und konfusen (ob absichtlich)
Epitaph des Damasus auf Hippolyt (s. Teil I dieses Werks S. 612.
vgl. auch deji späten Nachhall des Schismas S. 618) und seiner
^'^erehrung als Märtyrer in der römischen Kirche macht es deut-
^ewesen sein; wir keinuni nur (miic, eben das Syutagniu. Die Tit-el Uegl xov
navxoQ und Uegl Tfjq xov narzog ovaiag stehen sich doch selir nahe; 8. außer-
dem, was wir unten zu Nr. 10 bemerkt haben. Endlich — Hipp, hat außer-
ordentlich viel geschrieben; es ist nicht auffallend, daß die Schrift i7f()2 ^aywv
bisher nicht nachgewiesen ist; viel auffallender ist, daß in der Refiitatio nicht^
noch mehr SchriftcTi vom Autor als die seinigen zitiert sind, die wir nicht
nachweisen köimen.
1) S. Refut. Prooem. (p. 4, ."iOtf. ed. Duncker).
2] Das Schisma })nich sofort nach der Wahl des Kallist aus. Die Dar-
stellung in d(?r Refut. IX, 12 (j). 4;">(), TOff.) ist so zu verstehen, daß Hippolyt
sich nach der Wahl des Kallist sofort protestierend und die christologisclu»
Irrlehre «les Kallist aufdeckend an die? Kirchen gewendet hat. Kallist sucht«'
durch Kxkommunikation des Säbel Hus den Vorwurf abzuwälzen und behauptete
sich durch dit'son gf'sehickten Cou]) in der Tat gegen Hii)polyt.
.1) Dies folgt aus llcfut. IX, 11 und ergibt sich ferner aus der Tatsach»-,
daß (Jrigenrs, d«'r unter Caracalla und Zeidiyrin in Rom war, genauer zwischiMi
lill u. LMf) <) (Kuseb., h. e. VI, 14), dort den Hipi)olyt ])redigen hörte (Hieroii.
De vir. inl. Ol).
4) Die Darstellung in der Refut. IX, 11 u. 12 macht das ganz deutlich.
5) Das besagen die Worte Refut. IX, 12 (p. 4(;2, 41 f.): o'v [KallioTovl
SiafXivsi xo SiöaaxaXeTov y.ik.
Hippolyt. 213
lieh, daß Hippolyt zuletzt seinen Frieden mit der Kirche geschlossen
hat. Andererseits aber ist er noch als Bischof verbannt worden;
denn wäre er bereits Presbyter gewesen, so ist nicht abzusehen,
warum er allein aus dem Presbyterkollegium herausgegi-iffen und
mit dem Bischof zusammen verbannt worden ist. Das gemeinsame
Geschick hat ihn mit Pontian versöhnt, und damit war das Schisma
erloschen. Für den Ausgang seines Lebens interessierte sich der
Papstkatalog nicht mehr (vgl. dagegen die Notiz über Pontian).
Hippolyt ist entweder auf Sardinien gestorben oder bald darauf
in Rom*. Jedenfalls ist er nicht als Märtyrer gestorben, sondern
sein Martyrium war eben das Exil. Bestattet wurde er (Depos.
Mart Catalogi Liber.) am 13. August [236?] „in Tiburtina", wo
noch seine Statue gefunden worden ist. Alles, was über seinen
Märtyrertod von Prudentius ab erzählt worden ist, ist pure Fabel,
wie zuletzt noch Ficker und Achelis erwiesen haben. Ganz
willkürlich ist es, auf den bloßen Namen hin einen alexanclrinischen
Dionysius mit ihm zu identifizieren (Euseb., h. e. VI, 46, 5).
Die Zeit der schriftstellerischen Tätigkeit des Hippolyt begi-eift
also die JJ. c. 200—235. Ob er schon vor dem J. 200 z. Z. des
römischen Bischofs Victor tätig war, läßt sich nicht entscheiden;
der Bericht in der Refut. über die Vorgänge unter Victor lautet
nicht so, daß die Annahme, Hippolyt sei damals schon römischer
Presbyter gewesen, nahe liegt. Als Schüler des Irenäus bezeichnet
Photius (ßibl. 121) den Hipp, auf Grund der eigenen Aussage des-
selben in einer seiner Schriften (dem Syntaguia), und wirklich steht
Hipp, keinem anderen Lehrer so nahe wie dem irenäus'-^. Man
nmß an persönliche Schülerschaft denken (s. u.), und die Annahme
ist daher schwer zu vermeiden, daß Hippolyt, etwa um 190, zeit-
weilig in Lyon gewesen ist. (An Kleinasien ist nicht zu denken,
und daß Hipp, des Irenäus Schüler in Rom gewesen ist, ist ebenso
unwahrscheinlich). Will man ihm nicht ein exorbitant hohes Alter
beilegen, so darf man mit dem Ansatz für seine Geburt nicht über
160 — 170 hinaufgehen; aber der Presbyter z. Z. Zephyrins wird
auch schwerlich später als c. 160 — 170 geboren sein; das Datum
seiner Geburt wird ungefähr in die Mitte zwischen der des Ter-
tullian und des Origenes fallen.
1) Daß Hi])polyt bald nacih dem .1. -H5 gestorben ist, ergibt sich auch aus
folgender Erwil^ung mit Wahrscheinlichkeit: die Ostertabellen, die auf der
Statue eingemeißelt sind, haben sich schon seit dem J. 237 als falsch erwiesen
(und zwar wiesen sie einen Fehler von 3 Tagen auf). Also ist die Statue vor
dem J. 238 errichtet worden. Da sie nun schwerlich bei Lebzeiten Hippolyts
♦ mchtet worden ist, so ist Hippolyt vor dem J. 238 gestorben.
2) S. 0 verbeck, Quaest. Hipp, speciraen, 18135 u. vgl. die Refiitatio.
214 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
Im folgenden soll (1) bestimmt werden, was Hippolyt wirk-
lich gehört, und (2) die Abfassungszeit der einzelnen Schriften, so-
weit möglich, ermittelt werden. In der Besprechung der Schriften
folge ich der Anordnung, wie ich sie im 1. Teil dieses Werkes
S. 605 ff. gegeben habe^
(1) ^AjioÖBL^iq jtBQi Xqiotov xal ^AvxixqIotov\
Über diese Schrift, deren Echtheit nie bezweifelt worden und
unzweifelhaft ist, haben Overbeck,^ Achelis^ und Neumann'*
die gründlichsten Studien angestellt. Die Schrift ist veranlaßt
durch „xsipdXaca'' (c. 1), welche der Freund des Hipp., Theophilus.
vorgelegt hatte ^. Dieselben müssen Frageform gehabt und sich
auf die Zeichen der Zeit und die Eschatologie bezogen haben.
Direkte Zeitangaben fehlen in dem Buch; aber die indirekten sind
so stark, daß sowohl die drei oben genannten Forscher, als auch
viele andere (z.B. Zahn^ Bardenhewer® und Bonwetsch^) in
dem Ansatz zusammentreffen, unsere Schrift sei nicht lange vor
d. J. 202 geschrieben. Ich kenne überhaupt keinen Gelehrten außer
Salmon^^ der dieses Datum in Zweifel gezogen hätte; Salmons
1) Wir besitzen drei — oder wenn man die spärlichen Angaben des Photiii»*
und Ebed Jesu mitzählen will (T. 1 dieses Werkes S. 615f. G18) fünf — Schriften-
verzeichnisse des Hippolyt. Von diesen kommen die des Eusebius und Hiero-
nyraus über den Wert hinaus, den die Einzelangaben besitzen, nicht in li»-
tracht; denn von einer chronologischen Reihenfolge kann nicht die R^de sein.
und die gebotene Auswahl wird teils parteiisch, teils zufällig sein. Das Schriften-
verzeichnis auf der Statue, welches bald nach dem Tode Hippolyts angefertigt
sein muß — denn wer hatte in Rom später noch ein Interesse, den Hippolyt
zu verherrlichen? — , kann eine Auswahl nach bestimmten Gesichtspunkten
sein, aber wir vermögen das Prinzip oder die l^rinzipien nicht mehr zu ent-
decken (zumal da wir das Verzeichnis nicht mehr vollständig besitzen). Schriften,
die bedenklich schienen oder von dem Schisma Zeugnis ablegten, ließ man
natürlich fort. Chronologisch ist die Reihenfolge der Schriften jedenfalls nicht,
denn die 'AnoSsi^ig ;i^()oVct>v rov ndaya, die früher geschrieben ist als die Chronik
(s. u.), steht hier nach derselben.
2) Der Titel ist nicht sicher, s. die Ausgabe von Achelis (1897). AußiT
im Slawischen ist die Schrift auch im (hnisinischen vorhanden, aber noch nicht
veröffentlicht.
3j a. a. 0.
-l) Texte u. Unters. N. F. lid. 1 11. 1.
5) Hipp. v. Rom (1902) S. 11 ff .
G) 7'a n^oati^hta vno oov rjuTVy nicht oot Itt* i/jiov, ht die richtige LA.
7) (iesch. des NTlich. Kanons H S. 081 ff lO'JOft'.
8) Patrologie, 2. Aufl. S. 188.
0) Protest. RKuzyklop.3 Bd. 8 S. 129 f.
10) Hennathena lid. 8 (1892) p. 101 ff".
Hippolyt. 215
AnfstelloDgen aber sind ganz unhaltbar ^ Der Beweis stützt sich
<t) auf die Beobachtung, daß unsere Schrift dem Daniel-Kommentar
Yorhergeht — sie ist öfters in ihm erwähnt — , daß aber dieser Kom-
mentar anter dem Eindruck der VerfolgUDg von 202/3 geschrieben
ist (au.); er stützt sich (2) auf die Wahrnehmung, daß die Zweifel
an der Offenbarung Johannis dem Hippolyt noch nicht entgegen-
getreten sind und sich überhaupt die innerkirchlichen Kämpfe, die
Hipp, unter Zephyrin beschäftigt haben, in der Schrift noch
nirgends widerspiegeln ''. Anderseits ist das Hauptwerk des Ire-
näos in dem Traktat benutzt und die Friedenszeit unter Commodus
vorbei; aber auch die Stürme, welche das römische Reich in der
ersten Hälfte der neunziger Jahre an den Rand des Abgrunds
brachten, sind vorüber und lassen sich nicht mehr erkennen
(anders im Apolog. Tertullians); das Reich erscheint vielmehr
wieder geschlossen und fest Die Lage der Christen ist sonst die-
selbe wie im Apolog. TeiluUians: Verfolgungen sind an der Tages-
ordnung, aber keine akute Verfolgung^. Der Gegensatz gegen das
Reich hat sich gesteigert; das sieht man deutlich, wenn man die
einschlagenden parallelen Abschnitte des Irenäus, die dem Hippolyt
vorlagen, vergleicht Unser Traktat ist also zwischen 197 und 202
geschrieben; „näher steht sie dem späteren Datum" (Neumann).
Man wird der Wahrheit sehr nahe kommen, wenn man mit Over-
beck (p. 100) den Ansatz macht: ^circa anmim 200".
(2) IleQl d-eov xal OaQxog avaoxaoecoq.
De resurrectione.
Sermo de resurrectione ad Mammaeam.
ÜQoq ßaOiXlöa ijtiOToX?],
IIbqI avaöxaöBcoq xal a<p^aQOlaj:,
Daß diese Titel sämtlich auf eine Schrift gehen, ist über-
wiegend wahrsclieinlich. Der erste Titel wird auf dem Schriften-
verzeichnis der Statue im Nachtrag angeführt, der zweite von
1) Salmon avtzt den Danielkommcntar in die letzte Zeit des Severus
Alexander bez. läßt ihn noch später und nach Hi])p.8 Tode von einem Schüler
«*diert sein. Diese Annahme scheitert bereits an der Tatsache, daß der Daniel -
kommentar z. Z. einer Verfol^ing, bez. unter ihren Nachwehen verfaßt ist,
während unter Scverus Alexander Frieden herrschte, die düstre Beurteilung des
römischen Reiches, welche der Kommentar aufweist, daher imerklärlich würe.
Aber auch sonst stehen sehr starke Argumente diesem ganz singulären Ansatz
entgegen, s. Zahn, a. a. 0. 8. 102<Jff.
2) Gegen die Annahme, Origenes sei in der Schrift, benutzt, s. Overbeck,
a. a. 0. S. 90flf.
'S) S. Neu mann, a. a. 0. S. 0<X
216 ^^^ Littcratur des Abendlandes.
Hieronymus, der dritte von sjnrischen Exzerpten, der vierte von
Theodoret, der fünfte von Anastasius Sinaita. Der Inhalt der
spärlichen Fragmente bietet kein Hindernis, sie auf eine Schrift
zurückzufuhren, sondern ist dieser Annahme sehr günstig ^ Die
Schrift ist in der Regierungszeit des Alexander, also zwischen
222—235 geschrieben. Interessant ist es, daß selbst in einer Schrift
an die Kaiserin sich Hippolyt mit den Gnostikern zu schaffen
macht Die Verwirrung, welche sie anrichteten, war also augen-
scheinlich keine bloß innerkirchliche, was man übrigens auch aus
Justin, Celsus und wiederum aus Plotin lernen kann 2.
(3) UQOTQSJiTcxog JtQoq SeßBQBlvav.
Diese Schrift, welche Döllinger mit der IstioroXf^ jiqoq ßaci-
klöa (s. 0.) identifizieren und als an eine Kaiserin Severina gerichtet
auffassen wollte, ist spurlos verschwunden; nur das Schritten Ver-
zeichnis auf der Statue nennt sie. Eine Kaiserin Severina hat es
in der Lebenszeit Hippolyts nicht gegeben, und selbst wenn Seve-
rina =^ Severa genommen werden dürfte, so ist an Julia Aquilia
Severa, die zweite Gemahlin Elagabals, doch nicht zu denken, da
das Schriftenverzeichnis eine Kaiserin schwerlich einfach „Severa"
genannt hätte. Vom Inhalte der Schrift wissen wir nichts.
(4) IIeqI d^eoloylag.
Nur durcli ein Zitat in den Akten des Laterankonzils v. 649
kennen wir eine hippolytische Schrift dieses Namens und erhalten
ein kurzes Zitat aus ihr. Die Bezeugung ist zu schwach, um die
Schrift für echt zu nehmen, und der Inhalt des Zitats lautet nicht
liippolytisch, sondern schmeckt nach einer späteren Zeit (To d^iXsiv
iX^C 6 ß-BOQ, OV TO fit] d^iXsiP' TQfJtTOV yciQ TOVTO Xül JtQOaiQBTOV'
dtöicp yag {^ekfjfiarc d^eov tjcerai rä yii^ofispa, w xal yevofieva ftevu
owCofisifa)^. Das Rätsel löst sich leicht. Dem Hippolyt ist eine
Schrift Karä BriQcovoq xaVlllixog rcop alganxciv Jtsgl &soXoylag
xal öaQxcQöecog untergeschoben worden, aus der uns 8 große Bruch-
stücke überliefert sind. Zu diesen Bruchstücken ffigt sich unser
1) Abdnick der Fraj^iionte bei Achelis f, 2 p. 240 — -54, der indessen die
Schrift TteQl dvaoxdoewq xal d^S-agoiag mit der anderen zu identifizieren Be-
denken trägt; Hipj). könne dasselbe Thema zweimal behandelt haben.
2) über die Hypothese Marrs, die Schrift Uegl S^sov xal aagxbq dra-
otdaewg mit einer im Gnisinischen unter dem Namen Hippolyts erhnltt^non
Schrift zu identifizieren, r. n.
3) Lagarde, Hippel. Opp. p. 80.
Hippolyt. 217
Zitat ausgezeichnet (s. bes. das 1. ii. 2. Bruchstück), und da auch
der Titel stimmt, ist wohl ein Zweifel nicht mehr möglich'.
(5) Hege rayad^ov xal Jtod^ev ro xccxop.
Von dieser Schrift, die nui* der Nachtrag in dem Schrifteu-
vei-zeichnis der Statue nennt, ist schlechterdings nichts erhalten.
Sie handelte von der berühmten Doktorfrage der Gnostiker und
Marcioniten.
(6) J'Jlg Ter ayia ß^so^apsia.
Die Echtheit ist nicht zweifellos, hatte ich Teil 1 dieses Werkes
S. 621 geschrieben. Von Achelis 2 und BatiffoP habe ich vollends
gelernt, daß sich die Echtheit der von Zahn\ Salmon^ Kleinert^
und Lightfoot' verteidigten Schrift kaum halten läßt^. Schon
die Art der Rhetorik eiTegt Bedenken^ noch größere Bedenken
erregt die Erwähnung der Dattelpalme, des Baptisteriums, der Ver-
gleich des Sternenhimmels mit einem Mosaik — solche Mosaiken gab
«s schwerlich im 3.Jahrh.in den Kirchen — und die Formel 01; j^raööe-
-xai T^ XQioxrp bei der Taufe, die morgenländisch ist; besonders
«instößig ist der Satz'^^: vjtb oov rov öov/Lov ßaJtrlCoticu (so spricht
Jesus zu Johannes), im /iTjöatg ßaaUicov // vjteQfjot^'^cQ^ öiajtrvo^
-vjto xsvixQov iBQtcog ßajtriöd^TJpaL Das scheint die nachkonstan-
tinische Zeit sicher anzudeuten: die Rede ist wohl bei der Taufe
eines sehr vornehmen Mannes gehalten. Den Bedenken von
Achelis haben sich auch Ehrhard^^ Bardenhewer ^-, Neu-
niann^^ und aufs bestimmteste Bonwetsch^* angeschlossen. Ab-
1) S. Achelis, Texte ii. Unters. N. F. 1,4 S. iMOf.
2) a. a. 0. S. 104 ff.
3) Hippolytea in der Rev. biblique T. 7 (189S) S. 119 ff.
4) Ztschr. f. kirchl. Wiss. u. kiixhl. Leben, Bd. 0 (188.')) S. 33 f.
5) Bei Smith und Wace T. 111 p. 102.
()) Z. Christi. Kultus- u. Kulturgesch. (iaS9) S. 22 ff. 2<>7ff.
7) Clement of Rorae^, T. 11 p. 309.
8) Der Titel ist übrigens auch unpassend; es ist eine Taufn?do, keine
Predigt zum Epiphanienfest.
0) Der Reim ist ausgiebig von beiden benutzt, und schwungvoll ist auch
der echte Hippolyt öfters; allein zu den besonderen Bildern und der rhetori-
Bchen Art des Verfassers dieser Homilie finde ich bei jenem keine sicheren
rarallelen.
10) Hipp.8 Werke hrsg. v. Achelis S. 2(50, 9 ff.
11) Die altchristl. Litt, und ihre Erforschung (19(^0 S. :;9(jf.
12) Patrologie 2 S. 191.
1.3) Hippolytus S. 138.
14) Protest. REnzyklop.^ Hd. 8 S. 13(».
218 ^i^ Litteratur des Abendlandes.
solute Gewißheit in bezug auf die Unechtheit vermag ich indes
nicht zu gewinnen. Selbst das zuletzt angef&hrte Argument könnte
durch den Hinweis entkräftet werden, daß der Prediger ein kühnes
Wort sprechen wollte und daß Könige in Edessa schon getauft
worden waren.
(7) nQoaofiiZla de laude domini salvatoris.
Nur Hieronymus (De vir. inl. 61) erwähnt diese Schrift, und
ein Bruchstück hat sich nicht erhalten. Da Hieron. (mitten im
lateinischen Text) das griechische Wort IlQoöofiiXla zur Bezeich-
nung des Stückes benutzt und dann fortfiOirt, Jn qua praesente
Origene se loqui in ecclesia significat", darf maii vielleicht an-
nehmeU; daß das Stück keine solenne Predigt gewesen ist, sondern
eine freiere biblische Ansprache. Das „se loqui significat" schließt
es aus, daß die Anwesenheit des Origenes nui' auf dem Titel be-
merkt war (gegen Ach elis), vielmehr hat Hipp, auf den berühmten
Gast als Zuhörer hingewiesen, wie später Chrysostomus in ähn-
lichen Fällen in seinen Predigten oft getan hat Die Predigt
stammt aus der Zeit Zephyrins, denn (s. o.) unter ihm machte Ori-
genes seine Reise nach Rom. Doch muß man. an die letzte Zeit
Zephyrins denken; denn vorher war Origenes noch kein berühmter
Mann. Er hat damals in Rom für den Standpunkt des Hippolyt
und gegen die Politik und Haltung Zephyrins und seines Ratgebers
Kailist Interesse gewonnen, wie aus seinen späteren Schriften deut-
lich hervorgeht. Dagegen läßt sich in Hippolyts Schriften keine
Teilnahme für Origenes und keine Beeinflussung durch ihn wahr-
nehmen.
(8) HsqI ülxorofilag":! De regimine? De Providentia?
Ebed Jesu (Catal. 7) führt eine Schrift Hipp.s unter dem Titel
jÄnn:nmtt b:p icanD an; man streitet sich darüber, wie das zu über-
setzen ist. Die drei oben gegebenen Übersetzungen scheinen mög-
lich. Daher sind Vermutungen über ihren Inhalt ausgeschlossen.
(9) \4jtoöeLxrixij jtQog ^lovöalovg.
Das aus der willkürlichen Verbindung, in die es Simon de
Magistris mit Pseudocyprian adv. Jud. gebracht hat, befreite
Stück * bietet bei seiner Kürze leider, soviel ich sehe, nicht An-
haltspunkte genug, um seine P^chtheit oder Unechtheit zu beweisen.
1) S. DrUsck«' in d. Jahrbb. f. prot. Thool. Bd. 12 (188G) S. 456 ff. Text
kritisches bei Ficker, a. a. 0. 8. 105.
Hippolyt. 219
Dafi niemand sonst dem Hipp, eine Rede gegen die Juden beigelegt
hat» ist kein zwingendes Argament für die Unechtheit. Dasselbe
durfte von der Formel c. 4 gelten {xavra jtavxa Xgcoroq olxovo-
juxäq dg avd'Qmxoq ^v^^ro, d-eoc, a)v aXrid-ivoq), In der Regeste
des Photios (Cod. 48) aus der hippoly tischen Schrift nsgl rov
xapTog findet sich sogar derselbe Ausdruck für Christus. Aber
wenn es c 7 heißt: avrog yag ioxtv 6 r& jcargl ovvätöiog, so
gewinnt doch das d-eog äZfjd^cpog eine Färbung, die nicht hippo-
lytisch sein kann. Andererseits wird kein Kenner der Exe-
gese und Art Uippolyts verkennen können, daß das Stück an
mehreren Stellen echt hippolytisches Gepräge hat (so auch Bon-
wetsch, Protest REnzykl.» Bd. 8 S. 131). Man wird daher wohl
der Wahrheit am nächsten kommen, wenn man ein monophysitisch
(das Fragment stammt aus einer monophysitischen Quelle) über-
arbeitetes hippolytisches Stück in dem Fragment sieht — ein Frag-
ment ist es, denn mit ovxovv kann die Schrift nicht begonnen
haben, und der Schluß fehlt auch.
(10) üegl Tfjg rov jtavxog ovölag.
ÜQog EXZfjvag xal JtQog IlXaxcova // jibqX toC jtavxog.
üegl xov Jtavxog.
Iltgl x^g xov xapxog alxloQ.
Eine Schrift mit Titel (1) legt sich Hippolyt (Refut. X, 32)
selbst bei; sie ist also älter als die Refutatio. Der Titel (2) findet
sich auf der Statue. Daß Titel (1), (3) und (4) in den Handschriften
einer und derselben Schrift des ,, Josephus" wechseln, sagt Photius
(Cod. 48). Auch Philoponus (de niundi creat. III, 16) zitiert aus
einer Schrift des „Josephus" unter Titel (4). Daß die Schrift nicht
Von Josephus, sondern von Cajus ist, hat Photius Scholien ent-
nommen, die übrigens auch andere Verfassernamen enthielten.
Aber Cajus ist auch nur eine Verwechslung mit Hippolyt, wie
das Selbstzitat in der Refut. und der Kontext der Mitteilungen des
Photius beweisen. Daß wir es mit einer Schrift unter verschie-
denen Titeln zu tun haben, ist höchst wahrscheinlich. Diese Schrift
bestand nach Photius (I. c.) aus zwei Büchern. Was uns aus ihr
erhalten ist, verdanken wir den SS. Parallela (mit Ausnahme des
Stückes bei Philoponus); denn der erste Druck des Hoeschelius
geht indirekt auf sie zurück. Das große Fragment ist jetzt von
HolP rezensiert vorgelegt worden, ohne die Zusätze aus Clemens
Alex., die sich in den SS. Parall. gar nicht finden und schon von
Overbeck (Quaest p. 5) als solche erkannt waren.
1) Texte u. Unters. N. F. Bd. 5 H. L> S. 137 ff.
220 ^^^ Littemtur des Abendlandes.
Die Echtheit des Fragments kann deshalb zweifelhaft er-
scheinen, weil ein Stück desselben in den Mss. der SS. ParalL CHR
das Lemma Eigrjpalov trägt, ein zweites in CR das Lemma t. ay.
MbXbtIov ijtiox. \4vTioxelag, Allein die Stücke stehen mit den
Teilen des Fragments, die die ausführliche Aufschrift: 'icooijtxov
Ix xov Xoyov Tov ijtiysyQafi/iePov {xarä) nXavmvoq jtSQl rijg rov
jtavTog ahlaq xai xaxa 'ElXi]va)v tragen, in bestem Zusammenhang,
so daß die Identität der Verfasser nicht bezweifelt zu werden
braucht Dann aber hat die ausführliche Aufschrift den A'orzug;
sie rechtfertigt sich auch durch den Inhalt des Fragments; denn
p. 139, 50flF. werden die "EXX^^vBq ausdrücklich angeredet (cf. p. 141.
81), und p. 139, 52fiF.; 141, 80ff. wird gegen Plato polemisiert.
Damit ist die Echtheit erwiesen; denn das Schriftenverzeichnis
auf der Statue sagt ja ausdrücklich, daß die Schrift jibqi xov xav
xog sich schon im Titel als eine Schrift gegen die Griechen und
Plato angekündigt hat. Nicht-Hippolytisches habe ich in dem Frag-
ment, das die Petrus- Apokalypse voraussetzt, nicht gefunden, wohl
aber eine Stelle, die sehr entschieden für Hippolyt spricht P. 141,
soff, schreibt der Verfasser: ovöl Mipcog xal ^Päödfjav&og xqlxA
ol xad^ vfiäg, "EXXf]V6g, dXX* 6p 6 d^sog xal jtaxi}Q ido^aös, jtSQi ov
Iv IxtQoig XsjtxofiSQbOxsQOV öieXfiXvd^afisp jtQog xovg ijri^tjxovt^'
rag xfjp dXtjO^eiav, Also haben wir hier einen Autor vor uns, d^'V
schon mehreres geschrieben hat und auf eine seiner Schriften zurück"
weist Das fügt sich sehr gut zu Hippolyt', aber auch die Au^"
drucksweise ist hippoly tisch, s. Refut Prooem. p. 2 (ed. Dunckex'^j
(')v [der Häretiker] xal jrdXai iitxQiwg r« öoyfiaxn i§e^efit(ha, o^
xaxa XtJtxov ijnöcUapTSQ.
(11) {2^vvxayfia) lluog djtdoag xag aigeoeiq.
yjfiiXla slg ryv al'Qsoip Norjxov.
Daß diese von Hippolyt selbst in der Refutatio (L c.) zitierte,
von Eusebius, Hieronymus u. a. genannte bez. angedeutete, von
Photius beschriebene, im Chron. paschale und von Gelasius benutzte
Schrift, welche die Darstellung und Widerlegung von 32 Häresien
(Dositheus bis Noetus und die Noetianer) umfaßte, von Epiphanias
und Philastrius ausgeschrieben, von PseudotertuUian (Adv. omnes
haereses) exzerpiert und übersetzt worden ist, hat Lipsius be-
wiesen (Z. Quellenkritik des Epiphanios, 1865) und die Nach-
prüfung zahlreicher Gelehrter- bestätigt In bezug auf den Umfang
1) Wolclio Schrift j:^emoint ist, Hißt sich leider nicht sageu.
J) S. u. a. Hiirnack in d. Ztschr. f. d. hist. Theol. 1874 S. 143 ff., Kunzv.
])«' hi^it. (Jiiosticisnii fontibnt^, 1894, Faye in d. Rev. d'hist. des relig. 1002,
Hippolyt. 221
der Schrift ^ hat man sicli durch die Bezeichnung „ßißhöaQiop'^ bei
Photius täuschen lassen. Um dieses Ausdi'ucks willen hat man es
(auch ich früher) für unwahrscheinlich erklärt, daß die in geson-
derter Überlieferung und (zur Hälfte) bei Epiphanius erhaltene
.Homilie" gegen die Häresie Noets den Schluß des Syntagmas ge-
bildet habe. Allein diese „Homilie" ist der Schluß des Syntagmas^;
denn (a) dieses schloß mit Noet und den Noetianeru; (b) in der
«Homilie" wird (c. 11) nicht nur auf Valentin, Marcion, Cerinth
und (c. 3) auf Theodot, sondern auch auf jräoai xooavxai algioeu
(c 8) zurückgeblickt, denen sich die noetianische Häresie als letzte
angeschlossen habe und denen gegenüber die Wahrheit nun dar-
zulegen sei; (c) Gelasius hat ein Stück der Homilie lateinisch
wiedergegeben mit der Zitationsformel: „in memoria haeresium*",
und damit bezeugt, daß die Homilie Bestandteil eines Werkes gegen
die Häresien ist; (d) ein großes Werk Hippolyts speziell gegen
die monarchianischen Häresien — der Schluß eines solchen müßte
die „Homilie" sein, wenn sie nicht der Schluß des Syntagmas ist —
ist unbezeugt^. Aber auch wenn es ein solches Werk gegeben
hätte, könnte die „Homilie" nicht seinen Schluß gebildet haben;
denn die Bekämpfung des relativ frühen Noet müßte mitten im
Werk, nicht aber am Ende gestanden haben.
Ist aber die „Homilie" der Schluß des Syntagmas^, so ist das-
selbe ein ziemlich umfangreiches Werk gewesen; denn allein die
Bekämpfung des Noet und die Darlegung der Wahrheit hat
April — Sept. Man vgl. auch die Arbeiten von Iwanzov-Platonov (Die Hö-
reeien und Schismen der 3 ersten Jahrh. [russisch], 1877), Hilgenfeld (Ketzer-
gesch., 18S4), Voigt (Eine verschollene Urkunde des antimontan. Streits, 18!U),
Rolffs (Texte u. Unters. Bd. 12, H. 4), Kattenbusch (Apost. Symbol Bd. I,
18i*4, S. 351 ff.). Rolffs' eigentümliche Ansichten liabcn sich mir niclit be-
währt, und ich lasse sie beiseite.
1) Der Titel Dqoq andaaq taq algiaeiq steht fest; aber auch ,yaiyTay/ia"
wird durch das Chron. pasch, und Photius bezeugt.
2) Daß der Ausdruck pißliöagiov nicht ein unüberwindliches Hindernis
gegen die Annahme einer umfangreicheren Schnft sei, hat Dräseke (Ztschr.
f. wißs. Theol. 1903 S. 58 ff. 72ff.) gezeigt (vgl. auch Rolffs, Texte u. Unters.
Bd. 12, H. 4, S. 156); übrigens fragt es sich auch noch, ob Photius das ganze
Werk oder nur die Epitome in Händen gehabt hat. Drüse ke hat in dem
obigen Aufsatz die Zugehörigkeit der „Homilie" zum Syntagma mit guten
Gründen bewiesen und mich überzeugt.
3) Die Annahme eines solchen Werks fußte darauf, daß der Kardinal
Sirlet ein Werk Hippolyts gegen Monarchianer (unter ihnen freilich auch Paul
V. Samosata!) gesehen haben wollti». Die Hoffnung auf dasselbe aber, die mich
einst nach Rossano geführt hat, zerrann, s. Batiffol, L'abbaye de Rossano
(1S91) p. 75 ff.
4; Die Homilie ist übrigens dogmatisch durchkorrigiert, s. Dräseke S. GSf.
222 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
18 Kapp. (14 Druckseiten in der Ausgabe Lagardes p. 43—57)
umfaßt. Auf ein umfangreicheres Werk fährt auch das Zitat,
welches das Chron. paschale in bezug auf die Quartadecimaner
bietet (p. 12 f.); denn dieses Zitat zeigt klärlich, daß es einem
breiten Kontext entnommen ist. Daß das Syntagma, trotz der
eigenen Bemerkung Hippolyts {fievQlcog ra doy/iara i§€d-ifud-a, ov
xarä Xbjixov hjtiöel^avxeq, aXXa äÖQOfiBQcig iXiy^avrsgjj namentlich
in Hinsicht der Widerlegungen nicht ganz knapp gestaltet war»
erkennt man auch; wenn man die Exzerptoren Epiphanius, Phila-
strius und PseudotertuUian eingehend untersucht Denkt man sich,
wie Lipsius das getan hat, das Syntagma als eine ganz kurze
Schrift, so sieht man sich zn der Annahme genötigt, daß Epiphanias
neben dem Syntagma mehrere Spezialschriften Hippolyts gegen
einzelne Häretiker benutzt hat^ Er bietet nämlich in den be-
treffenden Partien im Vergleich mit Philastrius und Pseudo-
tertuUian einen sehr großen Überschuß in bezug auf Darstellnng
und Widerlegung von Häretikern, der augenscheinlich nicht sein
geistiges Eigentum ist, der vielmehr aus derselben Zeit und von
demselben Verfasser herrührt wie seine übrigen Mitteilungen.
Statt nun der prekären Hypothese zu folgen, dieser ÜberschuU
stamme aus unbekannten Spezialwerken Hippolyts, hat man der
einfachen Annahme recht zu geben, der Überschuß habe im Syn-
tagma selbst gestanden. Aber auch bei dieser Annahme kann man
nicht stehen bleiben. Studiert man PseudotertuUian genau und
vergleicht ihn mit Philastrius (der außer dem Syntagma nachweis-
bar auch das Panarion des Epiphanius benutzt hat), so fällt auf,
wie nahe sich beide in ihren Angaben nach Inhalt und Umfang
stehen und wie anders der Text des Epiphanius auch in den
parallelen Stücken stilisiert ist. Philastrius aber hat den Pseudo-
tertuUian nicht gekannt. Man bemerkt aber ferner, daß dieser bei
aller Kürze nicht sowohl den Eindruck macht, ein Exzerpt zu
bieten, als vielmehr die Übersetzung eines gegebenen Textes. Diese
Beobachtungen — vor allem das Rätsel der Gleichartigkeit dessen,
was Philastrius und PseudotertuUian auf Grund eines weitschich-
tigen Textes bieten — führen auf die einzige Annahme, die alle
Schwierigkeiten löst, daß nämlich PseudotertuUian eine Epitome
1) Hippolyt hat. nachweisbar, wie Tertulliaii, auch Spezialwerke gegen
Häretiker pfoschrieben (so gegen Marciou, die Aloger, wahrscheinlich gegen
Ai-temon), und Epiphanius hat neben dem Syntagma eines dieser SpeziaJwerke
(das gegen die Aloger) höchst wahrscheinlich gekannt und benutzt, vielleicht
auch zwei (s. u.). Aber es ist nicht gestattet, die Zahl dieser von Hippolyt
verfaßt<»n, von Epiphanius exzer]>ierten Werke ohne Not und ohne ein Zeugnis
<lor Überlieferung zu vermehren.
Hippolyt. 223
des Syntagmas und nur sie benutzt, daß Epipbanius dagegen das
Werk selbst exzerpiert, und daß Philastrius auch nur die Epitome,
aber dazu das Werk des Epipbanius ausgeschrieben hat. Die
Epitome wird wohl von Hippolyt selbst herrühren, der ja auch
seinem zweiten großen ketzerbestreitenden Werke, der Refutatio,
in dem 10. Buch eine solche beigegeben hat. Je länger ich mich
mit den einschlagenden Problemen beschäftigt habe, um so sicherer
ist mir diese Lösung geworden.
Was nun die einzelnen der 32 Häresien anlagt, so lassen sie
sich alle bis auf eine nach Pseudotertullian, Philastrias und Epi-
phanias sicher bestimmen. Nur darüber kann ein Schwanken be-
stehen, ob Hippolyt zwei montanistische Parteien (wie Pseudo-
tertullian) unterschieden hat. Wahrscheinlich ist es nicht; in diesem
Fafle aber ist es unsicher, welche Häresie statt der zweiten mon-
tanistischen im Syntagma behandelt war^
Die Zeit und der Ort des Syntagmas lassen sich mit wünschens-
werter Sicherheit feststellen. Lipsius hatte (a. a. 0.) die JJ. 190
bis 195 empfohlen und als Ort der Abfassung Kleinasien. Allein
diese Annahmen sind von mir (a. a. 0.) widerlegt worden. Von Rom
als Abfassungsort abzugehen, liegt kein Grund vor; die Abfassangs-
zeit aber ergibt sich aus folgenden Erwägungen: (a) Hippolyt
sagt in der Refutatio (Prooem.), die nach dem J. 222 verfaßt ist,
daß sein früheres ketzerbestreitendes Werk „jiaXai" geschrieben
sei^ (b) Proculus, der römische Montanistenführer, war in diesem
Werke noch nicht erwähnt, auch nicht sein Gegner Cajus, (c) die
beiden Theodoti waren bereits behandelt, aber Epigoniis, Kleomenes
und Sabellius waren noch nicht genannt, (d) der uns erhaltene
Schluß des Werkes (die sog. Homilie gegen Noöt) lehrt, daß der
neueste Streit zwischen Hippolyt und dem römischen Modalismus
noch nicht ausgebrochen, aber schon im Anzug war. Hieraus folgt
mit Evidenz, daß das Syntagma in die ersten Jahre Zephyrins fällt,
d. h. in das 1. Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts und vor die Gegenschrift
gegen Cajus^. In bezug auf die Entstehung des Werks gibt Photius
(Cod. 121) einen merkwürdigen Fingerzeig. Er schreibt: ^Avtyvwod^
ßißXiöoLQLov ^JjtjtoXvTov* fiaO'i]T^g Ö6 ElQYjvalov 6 ^ IjtJtoXvxoq. rjv
1) Die 32 Häretiker sind: (1) Dositheus, (2) die Saddiiciier, (3) die Phari-
säer, (4) die Herodianer, (5) Simon M., (6) Menander, (7) Satomil, (8) Basilides,
(9) Nikolaus, (10) die Ophiten, (11) die Kainiten, (12) die Sethiauer, (13) Karpo-
krates, (H) Cerinth, (15) Ebion, (IG) Valentin, (17) Ptolemäu8, (18) Secundus,
(19) Herakleon, (20) Marcus, (21) Kolarbasus, (22) Cerdo, (23) Marcion, (24) Lu-
canus, (25) Apelles, (20) Tatian, (27) Montanisten, (28) [Aloprer], (20) Quarta -
dezimaner, (30) Theodotus, (31) Melchisedekianer, (32) Noet.
2) Näheres s. imU^r Nr. 15. 10.
224 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
de TO ovvxayiia xarit aiQböecov Xß\ olqX^^ jcoiovfitvov /loaiO-eavovj:
xal liixQi NofjTov xal Norjriavcov diaXafißapop. ravtag 6i q)fiGiv
iXiyxoig vJtoßXfid-fjvai ofiijLovvzog ÜQijpaiov, wv xal ovvotpiv o
^IjtJtoXvTog Jtoiovfiepog roös rb ßißZlov g)i/öl avpTsraxspai. Dali
Photius hier aus dem Prooemiam des Werks geschöpft hat und
Hippolyt sich in demselben über sein Verhältnis zu Irenäus ge-
äußert haben muß, ist offenbar. Leider leidet die Angabe des
Photius darüber hinaus nicht an übermäßiger Klarheit Photius
scheint, wie das doppelte q>riai dartut, die Worte des Hippolyt
selbst anzuführen, aber so dunkel wird sich Hippolyt schwerlich
ausgedrückt haben. Daher kann man auch nicht zuversichtlich be-
haupten, der Ausdruck opuXovvrog Etgi/palov stamme von ihm.
Soll mau ofiiXovvTog ElQijpalov durch ^indem Irenäus Vorträge
hielt" übersetzen? Ist Irenäus logisches Subjekt zu iXiyxoigvxo'
ßX7]{>rivai oder Hippolyt? Ersteres ist viel wahrscheinlicher, aber
warum heißt es nicht einfach vjt* Etgtivalov? Was soll das „xa/''
nach „coi^" und in welchem Verhältnis steht die cvvotpig zu den
l^e/xoi? Sind diese schriftlich fixiert gewesen? Ist das große
ketzerbestreitende Werk des Irenäus gemeint? Hat Photius nur
die Epitome des Syntagmas vor sich gehabt? Auf alle diese Fragen
läßt sich verschieden antworten, und es ist daher m. E. auf ein
gesichertes Verständnis der Worte zu verzichtend
(12) Kara TTJg \Iqt ificovog aiQeöscog
(Das kleine Labyrinth).
Einen besonderen ,,/oyog" gegen die Häresie des Artemon legt
l*hotius (Cod. 48) dem römischen Antimontanisten Cajus bei. Da
Photius in diesem Kapitel durchweg von Cajus aussagt, was dem
Hippolyt gebührt, so muß man sein Zeugnis so auffassen, dalN
Hippolyt eine Schrift gegen Artemon verfaßt hat. Eine Schrift
gegen die Theodotianer erwähnt Theodoret (haer. fab. II, 5) und
sagt, daß sie den Titel „o ciiixQog AaßvQcvd^og'' führe und von einigen
1) Aus dein Armenißcheii hat Pitra (Anal. IV p. 08 f. 385 f.) ein StiUk
veröffeiitliclit., welchem er Jen Titel gegeben hat: „Uippolyti in Valentiniaiio>
exceq)tum". Es besteht au8 sieben unter sich zusammenhängenden Satzgruppen.
Daß es aus einer Schrift gegen die Valentinianer stammt, ist eine unnötig«-
Annahme, wenn auch die BokUmj»fung valentinianischer Thesen stark hervor-
tritt. Von Hippolyt rührt das Stück brachst wahrscheinlich nicht her. Denn
der Verfasser steht bereits einer exegetischen Tradition gegenüber und bezieht
sich auf „Qiiidani ex patribus", die gelehrt haben, der Mensch sei unsterblicli
geschatiVn. Abg<'selien davon enthält das Stück, soweit ich sehe, allerdings
nichts, was Hippolyt nicht geschrieben haben könnte.
Hippolyt. 225
iiTtüuilich dem Origenes beigelegt werde K Theodoret gesteht, daß
er den Namen des Autors nicht wisse; schon dies führt an sich
bei einer römischen Schrift aus dem Anfang des 3. Jahrhunderts
auf Hippolyt; der Name aber „das kleine Labyrinth" ist auch eine
Stütze für die Annahme des hippolytischen Ursprungs des Werkes,
denn die „Refutatio" Hippolyts führte den Titel „das Labyrinth"
(s. u. u. Refut. X, 5). Theodoret bringt nun ein Stück aus dem In-
halt dieses „Kleinen Labyrinths" bei, und dieses Stück ist identisch
mit einem Teil eines größeren Fragments, welches Eusebius (h. e.
V, 28) zitiert und als aus einem ^jtovöaoiia xara TTJg ^Agreficf)-
voj: cdQiöeor^ stammend bezeichnet hat. Eusebius hat den Verfasser
nicht angegeben, aber das Werk ist offenbar identisch mit dem
von Photius und Theodoret genannten^; es stammt somit sehr
wahrscheinlich von Hippolyt. Der Inhalt des uns bei Euseb er-
haltenen Fragments ist dieser Annahme günstig: wir finden hier
dieselbe Art, stadtnimische Kirchengeschichte samt Kirchenklatsch
polemisch auszubeuten, die wir in der „Refutatio" konstatieren. Daß
Theodoret das Buch als gegen Theodotus gerichtet bezeichnet hat,
ist verständlich; denn er hatte es nicht selbst in der Hand, sondern
kannte nur Zeugnisse über das Buch sowie das von Eusebius aufbe-
wahrte Fragment, das sich gegen die Theodotianer richtet.
In bezug auf die Zeit dieses Werkes, dessen Name „Kleines
Labyrinth*' für uns undurchsichtig ist^ läßt sich nur so viel sagen,
daß es nach der „Refutatio" verfaßt sein muß; denn Artemon selbst
kann erst nach der Zeit, in der Hippolyt die Refutatio schrieb,
aufgetreten sein; sonst wäre er in ihr erwähnt. Das Werk gegen
ihn mag daher um d. J. 230 entstanden sein, gewiß nicht früher;
es muß zu den letzten Schriften Hippolyts gehören. Daß nach dem
bei Eusebius erhaltenen Fragment in dem Buch Victor und Zephyrin
als rechtmäßige römische Bischöfe anerkannt erscheinen und Victor
in Schutz genommen wird, spricht nicht gegen Hippolyt als Ver-
fasser; denn Hippolyt hat die Rechtmäßigkeit dieser Bischöfe nicht
beanstandet und den Bischof Victor auch in der Refutatio freund-
1) Man boaebtc, daß l*liotiu:> a. a. 0. sagt, daß «lic Schrift lUgl xov nai'-
Toq i Hippolyts) von t'inigon di^ni Origenes zugedchriebeu werde.
2) Die Quelle des letzteren kann ni<'-bt Eusebius allein gewesen sein; wo-
ber kämen sonst die „Einigen" und der Name „Kleines Labyrintb".
ii) Daß außer Artemon aneb die beiden Tbeodoti und ihr (ieneralntab
in dem Werk bestritten "waren, zeigt das Fnigment bei Eusebius. Aber an
alle Monurcbianer — also aucb di»' patripassianiscben wie Noet, l^raxeas, E}»i-
gonus, Kleomenes, Sabellius usw. — ist nicht zu denken. Möglieh, daß die
A liweichungen der römischen dynamistischen Monarc-hianer unt<*reinander
Hi])]>olyt zu der Charakteristik, sie stellten ein Labyrinth dar, gebracht hat.
Harnack, Altchristi. Litteratnrge8('h. IT. 2. \')
226 ^^^ Litteratur des Abeudlandes.
lieh behandelt. Daß zu Victor der Zusatz gemacht ist: og t/r
TQiöTcaiöixaToq ccjto IlkTQov iv Pcifi^ ^ ijtlöxojtog, zeigt daß der
Episkopat desselben schon ziemlich weit zurücklagt.
(13) ÜQog MagxlcDva.
Von dieser Schrift — Eusebius und seine Ausschreiber er-
wähnen sie — ist nichts erhalten; daher läßt sich über ihre Ab-
fassungszeit nichts sagen.
(14) ÜQoq (layovq.
Diese Schrift zitiert nur Hippolyt selbst (Refiit VI, 39. 40);
man kann daher nur feststellen, daß sie vor der Kef utatio geschrieben
war. Bardenhewer (Gesch. der altkirchl. Litt 2. Bd. S. 512)
meint, ein früheres Buch der Refut., und zwar das 4., sei gemeint.
(15) YjtBQ Tov xaxa ^I(Davvr}v tvayyeXlov xal ajto-
xaXvipecog.
(16) Capita contra Cajum.
Beide Schriften werden von Ebed Jesu unzweideutig unter-
schieden; die erstere findet sich auch auf der Statue verzeichnet,
von der letzteren haben sich Bruchstücke erhalten in sjTischen
Exzerpten aus den Kommentaren des Dionysius Bar Salibi (Gwynn.
Hermathena VI, p. 397 flf., Zahn, Gesch. d. NTlichen Kanons II.
S. 973 ff., 1020ff.)l Sie zeigen. dal.i Hippolyt gegen Cajus (d.h.
1) Das iv Pwfiy ist iiuffalleiid; abtT Hippolyt seh ri«'l) nicht mii* für Röiujm".
ja nicht einmal in erster Linie.
2) Auch darauf ist aufiuerksam zu machen, daß in der Schrift (s. Knseh..
h. e. V, 28, 4 f.) die kirchlichen Schriftsteller Justin, Miltiade8, Tatian, Ch'mens
[die Keiheufol^e zeipft, daß damit der Alexan riner "femeint sein muß], Irenäus
nn<l Melito genannt und die letzten beiden »Is besonders verbreitete — d. h.
iiucli als besonders wertvolle — hervor<j:(;hoben werden. Das entspricht dem Vor -
liilltnis des Hippolyt zu Irenäus. Wenn aber alle diese sechs Schriftsteller al>
solche bezeichnet w^erden, die bereits vor Victor, d. h. vor 189/191 geschrieben
haben, so deutet das auf einen Mann als Verfasser unseres Traktats, dessen
<'ig<'n(^ Ennuemng bis zu den Zeiten Victors zurückreichte und der die frühere
christliche Litteratur übersc^haute. Der Verfasser nuiß also ein kenntnisreicher
Mann gewesen sein.
;:{) Achelis (Texte u. Unters. N. F. Bd. 1 H. I S. ISfjff.) rechnet auch ein
weiteres Stück von Hippolyt, welches (i wynn in der Hennathena Bd. 7 p. 1'->7Ö".
veröÜentlicht hat, zu den aus den „Capita c. Oajum" exzerpierten Fragmenten.
Da es mitten unter den anderen st(;ht, so ist das sehr wohl möglich; aber
andererseits ft^hlt hier die l*olemik gegen Cajus. Entscheiden läßt sich nicht:
i<h werde das Stück unten bei der Matth.-Schrift Hippolyts (Nr. 88) behandeln.
Hippolyt 227
gegenüber seinen Ausführungen im Dialog mit Proclus) die Joh.-
Apokalypse verteidigt hat Das war der Zweck des Buchs. Daß
Cajus auch das Joh.-Ev. verworfen hat, ist undenkbar. Eusebius,
der seinen Dialog gelesen und exzerpiert hat, hätte ihn nicht einen
-kirchlichen Mann" nennen können, wenn er den Evangelienkanon
zerstört hätte. Dann aber ist es auch aus sachlichen Gründen
gewiß, daß die beiden obenstehenden Schriften nicht identifi-
ziert werden dürfen; denn der Kampf gegen Gegner, welche
das Evangelium und die Johannes- Apokalypse verwarfen, mußte
sich total anders gestalten als der Kampf gegen solche, die nur
das letztere Buch nicht gelten ließen. DasBuch für beide johanneische
Schriften und nur für sie kann aber gegen niemand anders als
gegen die Aloger gerichtet gewesen sein, die ja auch der Lehrer
des Hippolyt, Irenäus, bekämi)ft hat. Nur diese beiden haben, so-
viel wir wissen, in vorkoustantinischer Zeit die Aloger widerlegt.
Nun finden wir aber bei Epiphanius (haer. 51) einen Abschnitt
gegen die Aloger von solchem Umfang, daß er ein eigenes Büchlein
darstellt ; zugleich erkennen wir, daß ein großer Teil dieses Buchs
auf eine alte vorzügliche Quelle wörtlich zurückgeht Daß diese
Quelle auch hier das Syntagma Hippolyts ist, ist ganz unwahr-
scheinlich, ja unmöglich; denn so umfangreich kann es nicht ge-
wesen sein. Vielmehr ist au diesem Punkte die Vermutung ge-
fordert, daß Epiphanius außer dem Syntagma, welches eine kurze
Widerlegung der Aloger enthalten haben mag. nocli eine andere
Schrift (und zwar Hippolyts) benutzt hat, nämlich eben die Schrift
rJtBQ Tov X. ^Icoavvriv fvayyeXiov xal djroxcdvii'toog. Welche andere
Quelle läßt sich d(»nn sonst erdenken, der er hier gefolgt sein
könnte?*
Was die Zeit der Abfassung beider Schriften betriift, so lassen
sich folgende Erwägungen anstellen. Die Capita contra Cajum
werden naturgemäß dem Dialog des Cajus mit Proclus auf dem
Fuß gefolgt sein, da sie aus derselben Stadt und Kirche stammen.
Dieser Dialog ist aber nach dem Zeugnis des Eusebius unter
Zephyrin geschrieben (s. o. S. 206). in der Abhandlung über den
Antichrist und dem Danielkommentar hat es Hippolyt mit Zweifeln
an den Johanneischen Schriften schlechterdings noch nicht zu tun;
1) Auch H|»nicblich 1iis.sjmi sich l^'ohachtimj^jMi j^vltcTul macheu, die fiir
«h^n hippolytisch«;!! Urifpriint^ dor QiK'lh« von Epiphan. haor. öl sprochtJii. Allein
»-:* ist nicht nötijif, <li«'St'n Bt»ol)a<;htunj^on nachzupjehcn. Wie die Schrift
Hippolyts lautete: vtisq tov xaia ^Iwdvvrjv svayyeliov xal dnoxalitpstD^, so
hüt auch die Quelh* d«'s Epiphanius ehru diese These v(»rt<?idif»t. Im Unter-
kiohicd von andenni Ketzerhestn'itun<^en tret(Mi die Tersonon dort und hier
^anz zurück und erhalten nicht einmal einen Namen ; denn den Namen „Aloger"
hat ihnen erst Epi])hanins .Lr<'jJ:«'ln'n.
228 I^ic Littcratur des Abendlandc».
also sind die Capita adv. Cajum sowohl wie die Schrift für das
Joh.-Ev. und die -Apokalypse nach ihnen, d. h. nach c 202,:^,
verfaßt. Die Capita adv. Cajum sind aber auch nach dem Syn-
tagma geschrieben; denn Cajus (und Proclus) fehlt in demselben.
Das Syntagma kann aber nicht (s. o.) über das Ende des ersten
Jahrzehnts des 3. Jahrhunderts heruntergerückt werden. Die Capita
adv. Cajum werden demnach in die zweite Hälfte oder in das letzte
Drittel der Regierung Zephyrins zu setzen sein^ Daß ihnen die
Abhandlung für die Johanneischen Schriften vorangegangen ist, ist
a priori wahrscheinlich ; denn die Aloger sind eine verhältnismäßig
alte Erscheinung, hat sie doch Irenäus bekämpft! Man wundert
sich, daß eine Verteidigung gegen sie am Anfang des 3. Jahr-
hunderts überhaupt noch notwendig war. Der Ansatz nun: „Nach
De Antichristo und dem Daniel-Kommentar, vor den Capita adv.
Caium" (also c. 21)4—210), erhält eine gewisse Bestätigung durch
die chronologische Stelle Epiphan. haer. 55 c 33, die aus der Quelle
des Epiphanius, d. h. eben aus unserer Schrift stammt Ich habe
in dem ersten Bande dieses Teils S. 376 ff. diese Stelle ausführlich
behandelt. Läßt man die überlieferten Zahlen bestehen und addiert
man sie, wie der Verf. es verlangt, so kommt man auf das Jahr 93
(Abfassungszeit der Apokalypse) + 112 = 204/5 p. Chr. als das
Jahr, in welchem er geschrieben hat. Eine Textkorrektur ist
freilich dabei nöti^^ man muB statt //tr« t7jv ava}.7]\pLv vielmehr
liBra T/)v yivvtioiv (Xqiotov) lesen; aber es ist die leichteste Kor-
rektur, um die Stelle verständlich zu machen und den 93 Jahren
einen Sinn zu jreben-. Petavius hat sie vorgeschlagen, und Din-
dorf, liipsius und Kolffs haben ihm zugestimmt Man sieht,
wie vorzüglich diese Berechnung zu unserem oben aus anderen
Erwägungen gewonnenen Ansatz stimmt^. Aber man darf doch
nicht vergessen, dals das Jahr auf Grund einer Textkorrektur ge-
wonnen ist. Ob die Abhaiidliing für die johanneischen Schriften älter
oder jünger als das Syntagma ist, läßt sich nicht entscheiden.
1) So iuicli Zahn, a. a. O. Jl. S. U^b.
l'i Dali die A[>okalY|)^(* Johaimis im J. 0:> vorfalit ist, hat j»>tzt auch oin»'
int«'n--;nit«' Xaohwoisuujx H«^inachs bestilti«^-, s. Kcv. archeol. Serie III,
Tom. ;:'.!, Kinl, Nov.— Dez. ].. :r>Oir., Thool. Litt.-Ztg. liXrJ Kol. 501 f.
H) Audi Zahn liat a. a. 0. die Schrift Hip]>olyts ^egon die Aloj^er auf
<". 2<i.'»— "JIM an<^esetzt. Will man die ohen jreii^ebcne Boreehnnnor nicht gelt«'n
lassen, \\-«'il sie ein«' Tcxtkorrcktiir nötitj hat, so muß man die St^^lle als
chronolo<ri8r']i«'s Zf'ujjnis vcrabschioden. Die hlendende Herechnunjj, der zulctzi
noch Salnion (HermathtMia, 1S9J j>. ISO f.) «erfolgt ist und die auf das J. 'JIM
liihrt. h'ißt sicli nicht h;iltcn, weil das ,). iT) :;o -}- dem Jahr IKi schl echte rdin<r>
auf kein Datum führt, wch-hcs wic)iti<( wäre und von Hip|»olyt im? Aujxe *r»'-
faOt sein krmntc.
Hippolyt. 229
(16*) Eine Scbrift gegen den Montanismus (V?).
Nach dem Vorgang von Bonwetsch (Montenismus S. 36ff.) hat
Voigt (Eine verschollene Urkunde usw., 1891, S. 27if.) zu zeigen
versucht, daß Epiphan., haer. 48, 2—13 eine Schrift gegen den
Montanismus ausgeschrieben habe, die römischen Ursprungs sei und
dem Anfang des 3. Jahrb. angehöre. Rolffs hat diese Nach-
weisnngen in sehr breiter, die Grenzen des Beweisbaren häutig
überschreitender Weise weiter ausgeführt (Texte u. Unters. 12. Bd.
H. 4, S. 57—167) und hat die Hypothese von Bonwetsch, Hippo-
lyt sei der Verfasser dieser Schrift, sicherzustellen unternommen.
In der Tat haben es Voigt und Rolffs durch Vergleichung der
Quelle mit Tertullian-Schriften wahrscheinlich gemacht, daß die
Quelle römisch ist, daß sie das Werk Tertulliaiis De ecstasi voraus-
setzt und umgekehrt von der Abhandlung Tertullians De monogamia
bekämpft wird. Aber über starke Wahrscheinlichkeiten kommt
man nicht heraus. Die Hypothese, Hippolyt sei der Verfasser, liegt
freilich an sich nahe — denn Epiphanius ist ja im Panarion (neben
dem Irenäus) dem Hippolyt als seiner Hauptquelle gefolgt — und
wird durch Einzelbeobachtungen in bezug auf den Inhalt und Zweck
der Quelle nicht verboten. Nur das könnte man, soviel ich sehe,
gegen den hippolytischen Ursprung einwenden, daß Proclus, das
Haupt der römischen Montanisten, in ihr nicht genannt ist ^ Allein
dieses Argument wird hinfällig, wenn die betreffende Quelle ein
Bestandteil des Syntaginas gewesen ist (denn z. Z. des Syntaginas
war Proclus noch nicht entscheidend hervorgetreten;. Diese An-
nahme ist an sich die nächstliegende, und sie verbietet sich auch
nicht durch die Beobachtung?, daß Tertullians Werk De ecstasi be-
nutzt ist; denn dieses Werk (s. später) war höchst wahrschein-
lich 202/3—204/5 abgefaßt; in bezug auf das Syntagma aber ließ
sich nur feststellen, daß es in das erste Jahrzehnt des 3. Jahr-
hunderts und vor die „Capita c. Cajurn" fällt. P]s kann sehr wohl
c. 206—208 abgefaßt sein; denn die „Capita c. Cajum" gehören (s.
o. S.228) in die zweite Hälfte odta* in das letzte Drittel der Regierung
des ZephjTin. Auch Rolffs' Meinung ist, daß die antimontanistische,
von Hippolyt verfaßte Ausführung in Epiph. haer. 48 ein Bestand-
teil des Syntagmas gewesen ist; er verknüpft aber die Annahme
mit einigen fragwürdigen Spekulationen und schiebt das Syntagma
bis in die JJ. 215—217 herunter. Dieser Ansatz ist nicht nur des-
1) In der „UL-futatio" ist t?r freilich inu'li nicht f^eminnt, aber (licBc ist in
'iner Zeit geschrieben, in der die Bedeutunj? de« Mannes dahin war.
230 ^^® Litteratur des Abendlandes.
halb unmöglich, weil Proclus nicht erwähnt ist, sondern auch aus
anderen Gründen (s. o. S. 223).
Jedenfalls ist es überflüssig, eine besondere Schrift Hippolyts
gegen die Montanisten anzunehmen (St^phanus Gobarus' Mitteilung
bei Photius, Cod. 232 : r/rac VJtoX?J^'>ttg tlxev "^IjcnoXvxoq oniii
Tfjg x&v MovxavLQT&v algiösog, braucht keineswegs auf eine be-
sondere Schrift Hippolyts gegen sie gedeutet zu werden), und in
bezug auf Epiphan., haer. 48, 2—13 steht es, recht betrachtet, so,
daß der die Beweislast hat, welcher in Abrede stellt, daß Epiphanius
hier dem Syntagma Hippoylts folgte
(17) Kaza jtaocop rcov alQbOtcov tXeyx^^ (Refutatio om-
nium haeresium).
*0 AaßvQipd^og (Philosophumena).
Den Titel, den Hippolyt seinem Werke gegeben hat, kennen
wir nicht. Wahrscheinlich hat er es *0 AaßvQiv^og oder „da^
große Labyrinth" genannt, s. Refut X, 5 im Vergleich mit dem
Zeugnis des Photius (Cod. 48) und mit der Tatsache, daß eine
andere Schrift Hippolyts (s. o. S. 224 f) den Titel „das kleine Laby-
rinth" trug. Der hippolytische Ursprung folgt (abgesehen von der
Polemik gegen Kaliist und dem Anspruch des Verfassers im Pro-
oemium, Bischof zu sein) aus der Tatsache, daß der Verfasser sich
die Schrift „Über das Wesen des Alls" beilegt. (X, 32), die von
Hippolyt (s. 0.) stammt Außerdem bezieht sich der Verf. im
Prooemiuiii auf eine ^jtaXai'' von ihm geschriebene Schrift gegen
die Ketzer (vgl. das Syntagma). Endlich erinnert er (X, 30) an
früher von ihm verfaßte chronographische Arbeiten, und auch solche
sind von Hippolyt überliefert (s. u.).
Nach IX, 12 (p. 462, 41) ist das Werk nach dem Tode des
Kallist verfaßt — wie lange nachher, läßt sich nicht sagen \ Doch
findet sich nichts in dem Buche, was auf die Zeit nach dem J. 23n
führt. Ein Vergleich der Refutatio mit dem Syntagma lehrt, in
welchem Maße Hippolyt seine früheren Darstellungen der Häresien
modifizieii; hat, und kann als Warnung gegen die beliebte Methode
dienen, einem Autor deshalb eine Schrift abzusprechen, weil sie
V] Auch Neumunu hat Kolffs in der Hauptsache z\igei?fcimmt, s. Hipj»o-
lytus V. Rom, 1002, 8. 110: „In der von Epiphanius haer. 48 benutzten anti-
montaninti sehen Schrift hat man kaum mit Unrecht eine Schrift des Hippolytus
»erblickt .... Auf jeden Fall lehrt der Antimontanist hei Kpiphauius genau
dasselbe wie Hippolyt us".
2) Die Versuche, durch die Zeitbestimmung des Ketzers Alcibiades di«'
Abfassungszeit der Refutatio zu fixieren bez. herabzurücken, sind gescheitert;
8. Funk, Kirchcngesch. Abhandl. II S. 108 ft'.
Hippolyt. 231
von einer anderen Schrift desselben Autors in dei-selben Materie
stark abweicht Allerdings liegen zwischen beiden Schriften Hippo-
lyts c. 20 Jähret
Berechtigtes Aufsehen machte i. J. 1885 die Abhandlung Sal-
mons (The cross-references in the „Philosophumena", Hermathena,
p. 389 fiF.)» in der er nachzuweisen unternahm, daß ein großer Teil
der gnostischen Quellen Hippolyts, da sie in einem allzu nahen
Verwandtschaftsverhältnis stehen, Schwindelfabrikate aus einer
Fabrik seien und daß der gute Hippolyt sich habe düpieren lassen.
Stähelins Nachprüfung in den „Texten u. Unters." Bd. 6, Heft 3
bestätigte, wenn auch unter Modifikationen und Einscliränkungen,
das Ergebnis. Allein Stähelin selbst urteilte (S. 107): „Wii- be-
haupten nun zwar nicht, daß die Hypothese von der teil weisen
Erfindung dieser Schriftstücke zwingend sei; wir verhehlen uns
nicht, wie vieles zu ihren Ungunsten gesagt werden kann — er-
weckt es doch z. B. ein gutes Voruii;eil für diese gnostischen
Schriften, daß in ihnen weder die Apostelgeschichte noch die
Pastoralbriefe verwertet sind — , aber sie scheint uns trotzdem
besser als andere die nicht wegzuleugnenden Schwierigkeiten zu
heben, welche uns die Eelationen über die Naassener, Peraten,
Sethianer, über Justin, Simon und Monoimus, über Basilides und die
Doketen bieten. Jedenfalls aber, ob nun diese Hypothese richtig
ist oder nicht, sind die von uns behandelten Stücke aus den Philo-
sophumenem zuletzt, bevor sie Hippolyt erhielt, in einer Hand
vereinigt gewesen und durchaus als sekundäre Quellen zu betrachten;
und daß die Weiterentwicklung der betreifenden von den Vor-
gängern Hippolyts beschriebenen Häresien in den Philosoph umenen
richtig gezeichnet ist, darf nach all dem, was hier darüber gesagt
worden ist, mit Fug und Recht sehr zweifelhaft genannt werden/
Hier ist m. E. die Grenze, bis zu welcher man in dieser schwierigen
Materie kommen kann, richtig gezogen. Sicherheit, daß es sich
1) Diiß iindorersoits auch ciip^ I3eziehiinj^t»n zwirtcheu dfin Synta^inu uinl
4Ut Kofiitatio l)<>stoh»Mi, darauf ist. obon S. iM 1 hingewiesen worden. Auch da»
Verhältnis zu Irenilus kommt hier in Betracht. Da« Syntagma steht nach dem
Zeupnis des Photius in sehr en<^en Beziehungen zu Irenäus (s. o. S. 223 f.); in
<lerKefiitatio ist Irenäus aber nicht nur seitenweise ausgeschneben, sondern VI, 42
v»Trät der Verfasser auch. <lal) er mehr von ihm weiß, als in dem großen Werk
des lyoneser Bischofs zu lesen stand. Kr weiß, daß sich die Marcianer über die
T>ar«tellung ihrer Lehre und rie])räuche, wie sie Irenäus gegeben hat, als eine
IVilsche beklagt, haben: Kai yccQ xal o (xaxuQioq 7tQ6oßvxeQog EigTjvaioq
TtaggrjoiaixBQOv toi i^^ty/^cp npoasvexMg tu xoiavza /.ova/nata xal dnoXv-
rpwaeiQ i^i&ero^ aÖQOfxeQiöXBQov einm' a ngdcooiaiv, oig ivxvyovxsg Tivlq
ai'Twv rjnrrjvrai ovxcog TtaQfilTjfphvai. del dgveZa&ai /iavBdvoiTeg.
232 ^^ Litteratur des Abendlandes.
nm pure Fälschungen bandelt, läßt sich nicht gewinnen. Auch
läßt sich ein durchschlagender Zweck für solche Fälschungen nicht
leicht ermitteln.
(17*) Die Schlußkapitel des Briefs an Diognet.
Jüngst hat Dräseke (Ztschr. f. wissensch. Theol^ 1902, S.273ff.)
die Hypothese Bunsenszu erneuern versucht, die unechten Schluß-
kapitel des Diognetbriefes (c. 11. 12) seien der verlorene Schluß
der Refutatio. Diese Annahme scheitert m. E. schon daran, daß
der überlieferte Schluß der Refutatio in Ordnung ist und einer
Ergänzung, zumal einer so ausführlichen, nicht bedarf. Aber
Bunsen und Dräseke haben einige Beobachtungen geltend ge-
macht, die allerdings dafür sprechen, daß jene beiden Kapitel dem
Hippolyt gehören. Ich hebe die wichtigste hervor: ^
De Antichr. (fin.). Ep. ad Diogn. (fin.).
iv 7j (iXjziöi) dpaOT7]öag rovg öiödoxcop dyiovg 6 koyoq tv-
dylovg afia ovv avxolg tvtpQav- (pQaivsrai, 6i ov JtavfjQ 6o§dCe'
^i]oexai öo^a^cov jtartQa, q> tj xai, o) ?) öo^a elg rovg aiwrag.
do^a dg rovg alcövag, dfii^p. dfii^p.
Unabhängig von Dräseke ist Bonwetsch (Nachrichten d.
Gesellsch. d. Wissensch. z. Göttingen, 1902, H. 5) zu demselben
Ergebnis gelangt, daß Hippolyt der Autor der Schlußkapp, des
Diognetbriefes sei. Er stützt sich vor allem dai*auf, daß der Reim
(und Rhythmus) in den Schlußkapp, ebenso angewendet sei wie in
den Schriften Hippolyts, und gibt reichliche Belege für diese Be-
obachtung aus mehreren Schriften desselben. Auch er findet, dal>
zwischen den Schlußkapp, und Refut. (Prooem. u. X, 31) enge sach-
liche Beziehungen bestehen (doch ist er nicht gewillt, die SchlulN-
k.ipp. an die Refut. anzuhängen). Sodann gibt er eine Fülle von
Parallelstellen, um zu zeigen, daß die Gedanken der Schlußkapp.
im einzelnen sich überall mit hippolytischen decken. Diese Fülle
scheint auch mir entscheidend. Soweit innere Beobachtungen einen
sicheren Schluß zulassen, ist er hier gegeben: Diese Schlußkapitel
rühren von Hippolj^t her. Ans welcher Schrift sie stammen, wissen
wir niclit. „Ich möchte — so schließt Bonwetsch — an solche
Schriften denken, in denen Hipp, wohl noch unmittelbar(er)en Anlaß
(als in der Refut.) zu haben glaubte, sich gegen das Verrücken der
von den Vätern festgesetzten Grenzen zu erklären (Epilog 11, 5). in
1) Ihm Ben hat nocli andere aus der Schrift De antiehristo (.'rho^en;
Dräseke glaubt eine Bezi(;hung zwischen Refut. Prooeiu. und den Schlul^-
kapiteln feststellen zu können.
Hippolyt. 233
denen es sich um bestiiiimte Zeiten gehandelt zu haben scheint
(II, 5 dtayyiXXovöa xaiQovg, 12, 9 xaiQol [?J ovvayovrat) und in
denen auch das Passah einen Gegenstand der Eröi1;erung bildete
(12, 9 Tu xvqIov Jtaöxa xQoiQxercciy'
Sind aber die Schlußkapitel des Briefs an den Diognet höchst
wahrscheinlich von Hippolyt geschrieben, so entsteht die Vermutung,
dali auch der Brief selbst von ihm herrührt. Gewiß bilden Brief
und Schlußkapitel keine Einheit; aber ist es nicht derselbe Autor,
der in beiden spricht? Zur Wahrscheinlichkeit läßt sich diese
Vermutung nicht erheben, ja es spricht im Stile beider Schriftstücke
manches gegen sie.
(18) UtQi xov (ayiov) xaoxcc.
Diese Schrift wird von Eusebins (und seinen Ausschreibern)
erwähnt. Die erhaltenen Zitate (Zur Überlieferung s. Sicken-
b erger, Die Lucascatene des Nicetas v. Heraklea, 1902, in den
Texten u. Unters. Bd. 22 H. 4) hat Achelis in der Ausgabe S. 267 ft*.
gesammelt'. Das Fragment aus dem Chron. paschale hatte ich
früher der folgenden Schrift (Nr. 19) zugewiesen, Achelis leitet
es aus der vorstehenden ab. Sicher läßt sich nicht entschc^iden.
Gehört es dieser an, so gehth-t ihr auch das Fragment \ I bei
Achelis; denn es berülirt sich aufs genaueste mit dem Fragment
aus dem Chron. pasch. P^^ner folgt aus letzterem Stück, daß unsere
Schrift mindestens zwei „Logoi" umfaßte; denn zitiert, wird hier
der jtQcÖTog koyog r. Ui^^qI r. ay, jraoxa ocyyQafifiarog, Die Stücke
aus der Nicetas-C.'atene zu Lucas hat ^Mcetas schwerlich unserer
Schrift direkt entnommen-, sondern sie bereits in einer Sammel-
schrift vorgefunden.
Die Echtheit der Stücke, die sich z. T. go^rt^nseitig stützen.
ist m. E. nicht zu beanstanden. Sie sind sehr schwungvoll und
tragen das Gepräge der poetischen Rhetorik Hippolyts, berühren
sich auch mit Gedanken des Melito und Irenäus. Wer sind die
Sykophanten, von denen es (Nicetas, Fragm. 2) heißt: orr^: o Xoyog
vTtixtiTO TO) v6/W7, xaOaJtiQ ot ovyAKfarxai do^aCovotVj arrog cov
6 ro//oc? Die Juden? die Judenchristen? Das aus den Akten
des Lateran- Konzils gewonnene Stück erinnert in seinem Anfang
an einen der jüngst entdeckten apokryphen Sprüche Jesu; der An-
1) Vgl. T.^\tr u. riit.Ts. IM. 10 II. 4 S. 'livl. Die« Sdirift wird in <'inem sy-
ri.-cben Fnifjpn^'iit mit drm Tit4?l: „Ibin* das Tjissah" zititM-t, in (Ilmi Akt-on
i1«*s Laterunkonzils v. tili»: jAx rt]g fl;; to :tdoxa i^riyi]aewq^\ im Chron. ^lascli.:
,.T(tQl XOV ayiov naaya^\
-) S. Sicl<(Mil>er<(or in «l. 'IVxton n. Unters. S. S-1.
234 ^i^ Littcratur des Abendlandes.
fang lautet (in bezog auf Christus): oXog riv iv Jtäci xcu xavxaxov,
yefiloaq ob xo jtav jrQog Jtaoag rag dsQlovg aQxdgK Aber auch in
einem der Fragmente bei Nicetas (aus derselben Schrift) heißt es
von Christus, er sei „Alles durch Alles".
Ob die Schrift eine Homilie (so Achelis) oder eine Abhand-
lung war, läßt sich nicht sicher entscheiden. Daß sie mehrere
^.jLoyoi'' umfaßte, spricht nicht für eine Homilie, auch sehen die
Fragmente 5 und 6 nicht wie einer Homilie entnommen aus. Wann
Hippolyt diese Schrift verfaßt hat, wissen wir nicht.
(19) ^Ajtoöbi^ig XQovmv rov jtaöxa [xcu (xard?) ra tv
Tc5 jtivaxi].
(20) Der Canon paschalis auf der Statue.
Die Schrift Nr. 19 wird im Verzeichnis auf der Statue und
von Eusebius (Hieronymus, Syncellus) erwähnt; der Canon paschalis
(die Ostertabellen) auf den Seitenflächen der Statue ist ihr tabel-
larischer Teil^. Die Schrift ist verloren gegangen; aber aus der
Tabelle ersehen wir, daß sie auf das 1. Jahr des Alexander Severus
gestellt war^. (Damals muß also die Schrift verfaßt worden sein;
schon seit dem J. 237 mußte sich die Unrichtigkeit der Berech-
nung — Zyklus von 16x7 Jahren — herausstellen \ und zwar
ein Fehler von 3 Tagen).
Obgleicli wir die Schrift nicht mehr besitzen ^ können wir uns
1 1 An(L*n'r.seit.s wird hier der Si>nicli: „Der (Jeist ist willig, aber das Fleisch
ist .seil wach", auf Christus selbst hezoj^en.
'J) Die Worte, die auf der Statue hei dem Titel: ^AnoSei^iq xpdrcüv xov
Tidaxci steheu (xal [xava] xä iv tio 7iivaxi)y gehören schwerlich zu dem Titel
selbst, sondern sind ein«' Verweisung auf die Ostertabellen, die auf der Stiitu»'
eingemeißelt sind.
:^>) S. auch Euseb., h. e. VI, l*J: . . . xal rö Uegl xov ndaxa nenoir^xac
ovyygafiua , iv o) X(ov xQovwv dvayQa<p7]v ixS^ifievog xai xiva xarova hxxai-
öexaszijQlöog tibqI xov ndoxcc UQoO^flg inl xo ngwxov etog 'Ake^dvSQOV avxo-
xgdxoQoq xovg ;f()o>'oi;? nsgiyQdipei. — Salmons Behauptung (Herraathena.
ISO-?, ]». 1(>8), der Kanon sei erst 2-4 veröttentlicht, scheint mir grundlos, noch
viel grundloser aber die abenteuerliche Meinung Lagardes („Mitteil." Bd. I,
1H!)1. S. 24ltf.), der l'inax sei erst nachträglich — um 31)7, als seine Xu-
braiichi»arkeit langst erwiesen war — eingemeißelt worden.
4) Also ist die Statue vor 'J;JS gesetzt; denn vuw. fehlerhafte Tabelle wird
mau doch nicht eingemeißelt haben (s. o.).
.">) Ein umfangreiches Fragment, in welchem Hii>i>olyts Name zweimal
genannt wird, findet sich in der C4n'onik des Elias von Nisibis (s. Pitra,
Analerta IV ].. :)0 f. :;24 f.i.
Hippolyt. 235
^Wh ein Bild von ihr macheu*; denn Hufmayr- hat gezeigt, daß
^ie pseudocyprianische Schrift De pascha computus v. J. 242/3 (s. u.)
unserem Traktat sehr nahe steht, ja sie kann geradezu als eine
neue lateinische Bearbeitung desselben erscheinen, so enge ist das
Verhältnis, welches sie mit Hippolyts Werken (s. Hufmayr
S. 28 — 33) verbindet Der Komputist hat die Fehlerhaftigkeit der
Berechnung des Hippolyt erkannt^ die freilich seit dem J. 237 alle
Welt erkennen mußte ; er hat sie zu korrigieren versucht — diesem
Zweck dient die ganze Arbeit — ; aber da er bei der rohen
Oktaeteris verharrte und auch sonst mit willkürlichen Ansätzen
operierte, vermochte er nicht viel an dem Computus des Hippolyt
zu verbessern, und sehr bald mußte sich auch seine Berechnung
als falsch erweisen.
Sicher auszuscheiden aus der Schrift De pascha computus, was
der Verfasser dem Traktat Hippolyts entnommen hat, vermögen
wir nicht; wir können nur von einer ganzen Beihe von Wendungen
und von Teilen dos Materials behaupten, daß sie von Hippolyt her-
rühren. Daß der Verfasser den Namen desselben ganz verschwiegen
hat ist auflFallend. In c. 4 schreibt er: „Qui nunc comprehenditur
esse Vni Kl. April., a quo die computantes aliqui ex nobis qui
priores voluerunt hunc mensem novum ostendere et ipso XlVluna
inventa dies Paschae secundum ludaeos demonstrare", und in c. G
spricht er von ,,nostri antecessores'*. (^emeint ist außer Hippolyt
wohl Julius Africanus. Nicht deshalb hat er Hippolyt nicht mit
Namen genannt, weil er den Schismatiker nicht erwähnen wollte
— er spricht ja von aliqui ex nobis — , sondern vielleicht aus
Höflichkeit weil er ihn korrigieren mußte. Doch ist solches Ver-
schweigen von Namen ja auch sonst in der Zeit frebräuchlich «:e-
wesen.
1 1 Dil' knrzr Hcschroibung bei Kiiöobiiis ffcwillirt rin tiolcbes Hild lüclit
Auf <iniiHl (lorsolbiMi babou öop^ar Idcler (Chronolojijii* II S. 1*25) mul Biinscii
fHippolytiis I S. 1*0:;) diese unsere Schrift mit der „Chronik" identifiziert, ob-
j?b»ich doch das SchriftiMivorzeichnis auf der Statue beide Büelier bestimmt
unterscheidet. — Frick (Chronica minora, 1SJ)2, Vol. I \k XXVI IJ f.) weist das
Stück im Liber jjjenerat., wel<'hes zeij:^-, daß dieses Buch d«'m 13. Jalir d»'s
Ab»xander anf;(eh()rt (abg« 'druckt in Frick s Ausj^abr ]». r»l, 17 — ."iO, 22, cf. das
jiaralleb' Stück p. 1)6, •>— 21), unserom Ihu'he zu. Ks hän^t das mit Fricks
»•it^entünil icher Ansit-lit zusannufMi, dali d«T Liber p»n<Tationis nicht von
Hi]>polyt st'lbst sei, sondern ««ine Kompilation, für die die Chronik Hijipolyts
verwertet ist; s. darüber unten Nr. 21.
2) Di<' [»seudocyj>rianische Schrift De ]»asclia comi>utiis, Augsburg ISJKi,
\V!:\. die älter«' Untersuchung von De Rossi, Inscr. Christ. 1 p. LXXIXtl'.: „D»»
Hippolytei cycli inventionc «Mus<pie usu".
!>) Auch anderes hat er anders behandelt als Hii>polyt (die 7() Jahr-
woi'hen, Bestimmung des .Tahres und Tages des Todes Chri.4i).
236 ^^^ Littcratiir des Abendlandes.
Hippolyt hat seine Osterberechnung als schismatischer Biscliof
publiziert; das hinderte natürlich nicht, daß sie auch die Katho-
liken akzeptierten, wenn sie sie für richtig hielten.
(21) XQOPCxäv {ßlßXoq),
Dieses Werk ist auf der Statue verzeichnet, und in der Eefü-
tatio scheint Hippolyt auf dasselbe anzuspielen, wenn er nach einer
Berechnung betreflFend die Urgeschichte und die Urväter schreibt
(X, 30): (ov xal ra ovofiaxa ixrsd^elfitd^a iv irtQOig ßißXoig, fn/öi
xovto jraQctXcjeoPteg xara tojcop, ßov/LoftsPoi rotg ipiXofia&toiv
IjtiÖBtxvvvat Tjp ixofisp orogyfjp üttQi xo d^slov ttjv rt döioraxrov
ypiSocv, 7]p hv jtovocg xexT7]fisB-ct jtsQl t?jv d/Li^d-ecav. Da aber Hipp,
von mehreren Büchern spricht, in denen er von diesem Thema ge-
handelt und er nachweisbar chronologische und urgeschichtliche
Fragen öfters besprochen hat (z. B. in der Schrift über das Passah
und im Üanielkommentar), so ist es keineswegs sicher, dalS er an
unserer Stelle die Chronik gemeint hat. Man kann dies sogar un-
wahrscheinlich finden ; denn hätte dieses Werk bereits vorgelegen,
so wäre es wohl statt aller anderen von ihm bezeichnet worden.
Im Original ist das Werk verloren gegangen; aber ein großes
Fragment {ix xmv Xqopixcov ^fjtjeoXvrov Ijriox. 'Pcifi.) hat sich im
Chronographeion syntomon (Euseb., Ohron. I App. p. 65 ed. Schoene)
erhalten '. Nachweisbar oder höchst wahrscheinlicli haben mehrere
griechische Chronographen der späteren Zeit das Werk benutzt-,
aber zur Zeit läLst sich Genaueres darüber noch nicht sageu'^ Ei-st
wenn die griechischen Chronographien sj^stematisch durchge-
arbeitet sind, wird man hoffen dürfen, Sichereres festzustellen^.
1) Dieses Fraioiit'iit lälU vcniiutiMi, dalJ das Werk ivcbt lunfaujüjroich |^«'-
wesen ist und daß die fjU'ii.'h zu ncuuiMiden Lateiner wirklieli niu- Exzerpt»-
l)rin<;en.
J) S. (iutschniid im lüieiu. Museum Bd. l.i (ISöS) S. 877 f. und Gel'/i-r.
.lulius Afrikanus Bd. 2 (1885) S. 1— J:].
.'>) Man beachte wohl, daß Frick, Chronica minora I (1892) p. A'.il iY.
nicht jjfricchischc Fraj^niente der (.'hronik llippolyts, sondern griecbißche „Fraij-
nienta chronolopca" dieses Autors zusammengestellt hat. Bei Vitra, Aua-
Iccta II p. 1*71 ir. lie«rt nur ein Anfang zur Fragnicntcnsammhmg der Chronik
(<iraocc) vor.
1) So hat sich aucli Monimscn ausgcspr(»chen (Chronica minora 1» Ism*.
p. S()f.). Ucclit wahrscheinlich ist die Hypothese (lelzers (a. a. 0. Jl 8. llltl'.
in!) f.), daß der „lihellus sine auctoris nomine**, wtdcher Sulpicius Severus in
<lie Hände li(»l und in welchem er die Zeiten der bal)} Ionischen Könige ver-
zeichnet fand (Chron. 11, S, 2), eben die Chronik Hii^iolyts oder doch ein Aus-
zug aus ihr fbez. die kihzere Gestalt, s. u.} gewesen ist. Auch das Fehlen des
Namens des Autors spricht dafür, sowie; die fast vollk(.mmene Cbereinstimmung
Hippolyt. 237
Ein bedeutender Teil des Werkes hat sich im Lateinischen in
zwei Büchern bez. drei Übersetzungen erhaltend Daß sie wirk-
lich die Arbeit Hippolyts darstellen, ist außer von Frick^ (und von
Lagarde?) von niemandem bestritten worden. Fr ick nimmt an,
daß das, was uns bei den Lateinern vorliegt, eine Bearbeitung des
Hippolyt ist. Da aber das im Lateinischen vorliegende Werk sicher
in das letzte Jahr des Severus Alexander f&llt^ so müßte das
Plagiat an Hippolyt bez. die Bearbeitung seines Werkes* durch
einen Fremden unter seinen Augen geschehen sein; ferner müßte
der Plagiator die Vorrede Hippolyts einfach übernommen haben;
denn daß diese hippoljiiisch ist, liegt für jeden Kenner der Aus-
drucksweise dieses Autors am Tage^ Somit erscheint die ganze
der Aiiöätze des Siilyncius fiir Nabuchodonosor, Evilmerodacb, Balthasar, Da-
rius ^Icdus mit denen Hippolyts („Nabuchodonosor regnasse tniditur annos VI
et XX, quamquani id non in sacra historia scriptum invenerim, sed forte acci-
dit, ut dum multa evolverem, annotationem hanc iam intcri)olato ])er aetatem
libello sine auctoris nomine reperii'em, in quo regum Babyloniorum tempora
continebantur'*).
1) S. den ersten Teil dieses Werks S. G26 f. und den Abdruck der Lateiner
bei Mommsen und Fr ick.
2) a. a. 0. Vraef. p. V ff.
•{) S. Alommsen, a, a. 0. l 30*J. 314. Xil. :-J!)7. Aiicb Frick sieht sich
gezwungen, dies anzunehmen.
4) Nicht um die Cbersetzuug handelt es sich; Frick nimmt an, daß eine
Bearbeitung in griecliischor Sprache gemacht und später erst ins Lateinische
übersetzt worden ist.
5) Die Vorrede bei Mommsen p. 90, Frick p. 4. 82. Sie laut<;t (nach
dem Liber generat.): „Quoniam (piidem oportet instructum esse veritatis dia-
coiium, necessarium existimavi, frater carissime, hos in brevi de sanctis scri]»-
turis facere sermone« ad eorroborandam doctrinam tuam, ut ]>er paucas enarra-
ti'iues non sine causa inqiiisitas virtutes veritatis citiiis agnoscamus, absci-
dfMites ])rius indoctonnu generatam contentionem, quae obumbrant sensum,
huiuscemodi indoctum edoceat. Summa autem cum industria pnievidere cu-
pientes iuxta veritatem cognoscimus gentium divisiones et parentum dinume-
ratam generationem, intrabitationis quoque tempora et bellonmi commissiones
et iudicum temi>(»ra. dispensationes et regum annos et prophetarum tempora,
qui et quibus regibus nati sunt, quales captivitates ]>opuli quibus regibus et
quibus iudicibus coiitigerint quique sacerdotes quibus temporibus fuerint et
quae divisio, (jua«* i»i»rditio facta sit, quo autem modo generatio seminis Is-
rahel de ])atribus in Christo conpleta sit et quot quantique per quanta tempora
dinumerentur anni a creatura siieculi usque in hunc diem. Existimavimus
aut<'m incipientes a (Jenesi iuxta verbum ostensionem siciit expetit declarare,
non ex nostra (juadam })arte, sed ex ipsis sanctis scripturis testificari. hinc
ergo occui-siouem arripientes iuxta ordinem de Oenesi sermonem faciemus." S.
die Rückübersetzung bei Frick (a. a. 0. p. 5. 7), welche den hippolytischeu
U'rsi>ning dieser Sätze noch deutlicher ans Licht st-ellt, vgl. den Kinj^aug der
Sehrift De antiehristo uiul der Befutatio.
238 ^^^ Littenitur des Abendlande«.
Hypothese höchst prekär ^ Eine Stütze erhält sie auch nicht durclu
den dankenswerten Nachweis Fricks, daß Clemens Alexandriniis-
außerordentlich stark benutzt ist; denn warum soll ihn nicht
Hippolyt selbst benutzt haben? Daß er zu Origenes Beziehungen
gehabt hat. steht ja fest (s. o. S. 218); daher ist es nicht verwun-
derlich, daß er auch die Stromateis des Clemens gekannt hat; das
Gleiche gilt von der Beziehung zu Julius Africanus. Gutschmid,
Geizer, Mommsen und Frick haben diese Beziehungen behauptet
bez. nachgewiesen, und ich habe sie in bezug auf die römische
Bischofsliste bestätigt gefunden 2. Daraus ergibt sich, daß Hippolyt
seine Chronik nach dem 3. Jahre Klagabals geschrieben hat; denn
aus diesem Jahre stammt die Chronik des Julius, die er be-
nutzt hat
Was den terminus ad quem der Chronik bez. das Jahr der
Abfassung selbst anlangt, so scheint von hier aus ein wirkliches
Argument für die Fricksche Hypothese gewonnen werden zu
können. Der Lateiner reicht bis zum letzten Jahre des Severiis
Alexander. Ist Hippolyt mit der Vorlage des Lateiners identisch,
so hat er in diesem Jahre bez. im ersten Jahre des Maximinus Thrax
geschrieben. Man kann nun so folgern: unser Werk ist in der
,,K^*futatio" von Hippolyt selbst ausgeschrieben, die Refutatio kann
aber nicht erst aus dem 1. Jahre Maximins stammen — denn da-
mals ist Hippolyt verbannt worden; daß er aber unmittelbar vor
seiner Verbannung in ein und demselben Jahre das große Werk
der Chronik und das umfangreiche Werk der Refutatio hat er-
scheinen lassen, ist ganz unwahrscheinlich — ; also ist die Chronik
einige Zeit vor dem 1. Jahre Maximins (bez. vor dem letzten de>
Alexander) vtafaßt. Da aber der Lateiner dieses Jahr nennt, so
ist es nicht Hippolyt selbst, sondern ein Bearbeiter desselben.
Diese Argumentation kann man nicht so widerlegen, daß man
niitMomnisen^^ die Philosopbumenen nach d. J. 235 setzt (denn dal^
.sie, von Hippolyt auf Sardinien oder nach dem Aufenthalt daselbst
l)ubliziert worden sind, ist unmöglich); aber es bieten sich zwei
1) Sie wird (Unlurcli unch ]»n»kiiror, daß nach Frick dor lVarlM»it«'r aucli
noch and»Tt' Schritten lH|»i»olyt.s, nändich De antichrist^ und die Refutatio, W-
nutzt hat und daß nach ihm die retractatores Latin! (s. j). LI) mit nicht jr,..
rin<j;er Freiheit (h'U Text beliandelt haben. Ks ist dann erst rocht nicht al)zu-
Helieu, warum c.< n(>(i«^ ist, noch ein Mittolf^lied einzuscliiebcn und nicht viel-
mehr dem Hippolyt selbst <his f::rii'chischc Ori<:^inal des Liber generatiouis und
die (Jrun<lschrift «ler Exceri»ta Barbara Latina zuzuweisen.
2i l)ic Wunische IJischot'slisto Hipjjolyts ist leider jetzt nicht melir im
Libcr f^iMierat. crhalttMi, bez. nur nodi ihre Iberschnft; abtu' aus dem Chrono-
^rajibfn v. :'..'» l liilit .-!.' sich wiederher^telh'U, s. den ersten l?and dieses Teil>.
.■)i 1. c. p. ST.
Hippolyt. 239
suidere Auswege. Erstlich nämlich ist bereits oben S. 236 darauf
hingewiesen worden, daß es gar nicht gewiß, ja nicht einmal wahr-
scheinlich ist, daß sich Hippolyt in der Refutatio auf die Chronik
berafen hat Zweitens — die Berufung auf die Chronik zuge-
standen — ist es sehr wahrscheinlich, daß dieses Werk von Hippolyt
zweimal veröffentlicht worden ist Salmon hat das behauptet \
und Mommsen hat es auf Grund der lateinischen Exzerpte nach-
gewiesen 2. Er fährt dann fort (p. 86): „lam cum supra viderimus
operis huius duas formas extitisse Graece scriptas, pleniorera
alteram, quam adhibuit auctor Alexandilnus (= Excerpta Latina
Barbara), alteram breviorem, quam sub inscriptione „Libri genera-
tionis mundi" Latine verterunt interpretes duo, aut formam illam
pleniorem auctori Hippolyti attribuemus, aut, si ipsa est Hippolyti,
Über generationis versio est epitomae Chronicorum Hippolytianorum.
quaestio quamquam hoc loco tractari non potest, mihi secunda opi-
nio magis probatur. nam titulus diversus Chronicorum et libri gene-
rationis recte explicabitur, ubi hunc ex illis breviatum esse sumi-
mus et cum multa capita pariter deficiant in utroque libello, ad-
sint autem apud Alexandrinum, pailem eorum verisimile est afuisse
iam ab archetypo comrauni Graece scripto." Da die Annahme, es
habe einen „auctor Hippolyti" gegeben, der schon wesentlich dasselbe
wie er geschrieben hat, gänzlich in der Luft schwebt', so wird
man mit Mommsen anzunehmen haben, daß eine längere und
kürzere Form der Chronik — beide von Hippolyt selbst verfaßt —
existiert haben. Hält man es also für nötig, um des Zitats in der
Jlefiitatio willen die Chronik schon in die Zeit Elagabals zu setzen,
»0 wäre eine der beiden Formen der Chronik ohne Schwierigkeit
so frühe anzusetzen. Das könnte nur die längere Form sein (wie
sie das Chron. Alexandr. repräsentiert); denn in ihr fehlen die Be-
siehungen auf das letzte Jahr des Alexander Severus. Aber not-
"wendig ist (von der Refutatio aus) die Annahme nicht, weil es nicht
feststeht, daß in der Refutatio auf die Chronik verwiesen ist
Durch eine überraschende Entdeckung Prof Adolf Bauers
in Graz ist die sichere Aussicht auf neue Stücke der Chronik Hippo-
lyts (im Original) eröffnet Sie befinden sich bereits in den
Händen des Entdeckers. In einem Brief an mich vom 8. Aug. 1903
schreibt Bauer:
„Seit längerer Zeit mit der Herausgabe einer Anzahl von
Papyrusfragmenten beschäftigt, die Bruchstücke einer alexandri-
1) Hermathena Bd. 8 p. 1-Slf. ; er setzt dw »Tste Ausj^uIk' in die Mitte der
Kegierung des Alexander.
2) S. 1. c. p. TS ff.
240 ^iß Litteratur des Abendlandes.
nischen Weltchronik des 5. Jahrh. n. Chr. enthalten, die mit de
von dem Barbarus des Scaliger ins Lateinische übersetzten nah
verwandt, aber nicht identisch ist, habe ich eine handschriftlich
Beobachtung gemacht, die für die Hippolytos- Ausgabe von Be-
deutung ist.
Einige der Fragmente des genannten Papyrus, der dem rus-
sischen Ägyptologen Golenischeff gehört, enthalten Teile des öca-
fisQioiiog, und zwar die Nordprovinzen und Inseln Chams mit den-
selben Bildern wie der Barbarus (Schöne, Euseb. I. App. p. 185,
189, fol. 8 des Puteanus), jedoch in einer von der des Barbarus
und aller anderen Ableitungen abweichenden Reihenfolge.
Dies veranlaßte mich, den bisher unpublizierten Fassungen des
öcafisQiöfiog nachzugehen, und ich ließ mir daher u. a. auch den
bei Iriarte (Regiae bibl. Matr. codd. gr. mss. p. 480) beschriebeneu
und teilweise veröffentlichten Matritensis 121 hierher kommen.
Das Manuskript traf vor ein paar Wochen hier ein, und es
bestätigte sich zunächst, daß es nicht, wie Iriarte sagt, dem 13.,
sondern dem 10., spätestens dem 11. Jahrhundert angehört. Diesen
Datierungsfehler hatten schon Miller (Journ. de savants 1844,
p. 300) und C. Müller (Geogr. graec. min. I. 427) sowie A. Martin
(M^lan^es G. B. Rossi, p. 202) berichtigt.
Die ersten 50 Blätter enthalten, wie Iriarte richtig bemerkt
(vgl. Martin a. a. O.), eine noch unpublizierte erweiterte Fassung
der xvoroyoacflcc övvtohoc, des Nikephoros Patr. Auf fol. 63 v. be-
ginnt unter der besonderen Überschrift oraöucOfiog ttjq O^akaaa?]^
jenes bis fol. S2 reichende Schiffahrtsbuch des mittelländischen
Meeres, das C. Müller in den Geogr. graec. min. (a. a. 0.) zuletzt
veröffentlicht hat.
Was zwischen fol. 50 und 6:$ steht unter der Überschrift:
owaycDyti xQovcov xal iroiv ajto xzloecog xoOfiov fcw$ rr/g tveovojOfjj:
fjf^tQag ist, wie der Vergleich mit den beiden Fassungen des über
<fenorati(>nis und dem Barbarus des Scaliger zeigt (Mommsen chron.
min. p. soff.), der griechische Text der (.'hronik des Hippolytos, und
es ist ferner auch zweifellos, trotz A. v. Gutschmids Einwendungen
(Kl. Schriften V, S. 209, der auf Iriartes mangelhafte und irre-
führende Angaben angewiesen war), dal.s der otaöcaoftog ttjq fuyd-
?.fjj: (>a?MOötj^ einen Bestandteil des öiaifKjiOfwg in der Chronik des
Hippolytos bildete.
Dieser ^rriechisclie Text lehrt, daß die Vermutungen Fricks (die
Si(i ja schon als unzutreffend bezeichnet hatten) über das Verhältnis der
lateinischen l 'bersetzun^^en zu Hippolytos irrig sind; C. Wachsniutli
hat also, Frick folgend, den liber generationis irrtündich als Pseudo-
Hippolytos bezeichnet. I^ald steht die eine, bald die andere der
Hippolyt. 241
beiden lateinisclien Fassungen dem Original näher, am genauesten
gibt dieses aber der alexandrinische Chronist wieder, der beim
Barbarus vorliegt Allerdings hat dieser die Inhaltsübersicht und
die Vorrede, die Matrit 121 enthält und die in den libri generationis
mit tibersetzt ist, weggelassen, sonst aber folgt er dem Original am
treuesten; den Stadiasmos haben aber alle drei bisher bekannten
Ableitungen beiseite gelassen.
In der Handschrift liegt ein kleiner Zettel von Dr. Bruno
Violet aus dem Jahre 1899 mit der Bemerkung, daß von fol. 50 an
griechisch dasselbe stehe wie in der latein. Handschr. Madr. nacio-
nal A 1 6, fol. 99 unter dem Titel scarpsum ex chronico Origenis ;
Violet war also auf der richtigen Fährte, denn diese Handschrift
ist die bei Mommsen (a. a. 0. S. 79) unter 0, c verzeichnete des
lib. gener. Violet scheint aber die Sache nicht weiter verfolgt
zu haben.
Sie werden also in der Lage sein, in der Berliner Ausgabe
des Hippolytos wenigstens einen Teil der Chronik des Hippolytos
im griechischen Original veröffentlichen zu können, das sich von
Fricks Retroversionsversuch begreiflicherweise recht erheblich
unterscheidet".
Aus der Ztschr. f. wissenscli. Theol., Bd. 46 (1902), S. 80 er-
sehe ich, daß ein armenischer Gelehrter aus Moskau Namens Chala-
tiantz auf dem Hamburger Orientalisten - Kongreß (6. Sept 1902)
die Vermutung erweckt hat, daß er im Besitze einer vollständigen
armenischen Übersetzung der Chronik Hippolyts sei (fortgesetzt
bis ins 7. Jahrh.)^
Die Chronik Hippolyts ist wohl seine späteste Schrift gewesen
(kurz vorher ging die Schrift gegen Artemon, s. o.). Gleich nach
Veröffentlichung ihrer zweiten, kürzeren Gestalt ist er nach Sar-
dinien verbannt worden.
(22) Elg rijv t^ai^fiegov,
(23) Elg ra fisrä ttjv l^aj'/fisQOP.
(24) (In Genesin).
(25) (In Exodum).
Auslegungen des Segens Isaaks, Jakobs und Mo-
ses' {fJig T7]p coörjp rijv fieyä/Lijp).
(26) Elg rag ev/Loylag rov Balaafi.
Zu dem vonAchelis gesichteten und veröffentlichten Material
1) Chalatiantz bat sich über diese Version aucb in der Wiener Ztscbr.
f. Kunde des Morgenlands Bd. 17 H. 2 S. 182 ff. j^eäußert-. Ich habe die Ab-
handlung bisher noch nicht eingesehen.
Harnack, Altchristi. LittDraturgescIi. II, 2. \{]
242 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
(Werke I, 2 S. 51—119)^ sind die von Marr signalisierten, bisher
noch nicht veröffentlichten Stücke in geoigischer Übersetzung ge-
kommen: „Die Auslegung Hippolyts zu den Segnungen Moses' iii
Beziehung auf die zwölf Stämme** und „Abhandlung des h. Hippo-
Ijrt von den Segnungen, mit denen Jakob segnete die 12 Patri-
archen" 2. Ganze Kommentare Hippolyts zur Genesis und zum
Exodus, die Hieronymus nennt, sind noch jetzt unwahrscheinlicher
geworden ^ vielmehr ist bis auf weiteres anzunehmen, daß sie auf
einem Mißverständnis beruhen und daß Hippolyt verfaßt hat:
(1) Eine Auslegung stg rrjv tgarjfiegov^
(2) „ ^ elg ra fiera ttjv k^ai^fiegov (Gen. 2. 3,
event noch die folgenden Kapp, bis zur
Sttndflut)^
(3) ,, „ elg rag evXoylag rov ^Icaax^y
(4) ,, „ elg rag svXoylag rov *Iax(6ß'%
1) Vgl. Texte u. unters. N. F. Bd. 1 H. 4 S. 94—120.
2) Vgl. den Bericht von Bonwetsch a. a. 0. Bd. 8, H. 2 S. 4ff. Aus
dem von Marr veröffentlichten Anfang der ersten Abhandlung folgt, daß
Hippolyt auch eine Auslegung des Segens Isaaks verfaßt hat, s. a. a. O. S. (>.
Aus dem „Vorläufigen Bericht über Arbeiten auf dem Sinai, unternommen mit
J. A. Dßchawachow, imd in Jerusalem auf einer Reise im J. 19()2 [russ.] von
Miirr (ans den „Mitteilgii. der K. Russ. ralästina-Gesellsch." T. 14, 2 (lOO:))
S. 1 — oO ersehe ich (S. 17), daß Marr in Jerusalem eine zweite grusinisch«-
Handschrift entdeckt hat, welche dieselben Stücke Hippolyts enthält wie die
obige (die Schatberdsche Handschrift) und daß sich in dem Jakobus-Kloster zu
Jerusalem eine armenische Handschrift derselben Stücke (also ist die grusi-
nische ÜbersetzAmg aus dem Armenischen geflossen) gefunden hat. Den ar-
menischen Text des Kommentars zum Hohenlied hat Marr abgeschrieben.
3) Außer auf Hieron., bei dem sich das Mißvei*ständnis leicht erklärt, kann
man sich für die Kxisteuz eines besonderen Kommentars zur Genesis nur auf
* das Zitat zu Cienes. 2, 7 (Achclis I, 2 S. 02) benifen: ^Ex xrjq elq t^v riveaiv
TiQayfiaxdaq. Aber eben das Wort ngayfiateia zeigt-, daß es sich um Hilfs-
mittel zum Verständnis der (lenesis handelt und nicht um einen Kommentar.
Daß Hieron. unter einer Wolke von Zeugen zur Erklänmg der Arche Noah
auch Hippolyt nennt (ep. 4H, 1!)), ist ganz unerheblich. Hippolyt hat entweder
beiläufig von ihr f^ehandelt oder vielleicht — jedoch unwahrscheinlich — in
der Abhandlung elg za (xexä rrjv hgajj/ASQOv. Oleich unerheblich ist, daß Hieron.
.sich, ebenfalls unt(»r cin<'r Wolke von Zeugen, für das Verständnis des Melchi-
sj'dek- AI »Schnitts auf ihn beruft (ep. "'->, 1).
■1) S. Kuseb., Ambrosius und die griechischen Fragmente bei Prokop.
.")) S. Kuseb. und d'w. griecliisehen Fragmente bei Prokop.
0) S. Hieron., ep. 3«) ad Daniasum u. den Georgier.
7) S. die p:ri« 'ellischen Fragmente bei Prokoj), Ambrosius (De l)enedi(-t.
l'atrinnh.) und den Georgier. Aueh noch im Armenischen vorhanden, s. unten.
Hippolyt. 243
(5) Eine Auslegung slg xr^v (pöt^v ttjv fieyalriv (Deut 32) \
(6) „ « elg rag svXoylag xov Mcovöicog^
(7) „ „ elg rag BvXoyiag BaXaafi^.
Wie aus dem Eingang von Nr. 6 hervorgeht, haben die Nrn. 3,
4 und 6 in engster Beziehung gestanden, ja vielleicht ein Ganzes
gebildet
Die Auswahl der echten Stücke aus der griechischen Über-
lieferung dieser Abhandlungen hat Achelis getroffen. Auf Zweifel,
die übrig bleiben, hat er selbst (Texte u. Unters. N. F. Bd. 1 H. 4
S. 106 f.) aufmerksam gemacht Mit Recht hat Bonwetsch (a. a.
0. S. 10) bemerkt, daß die Echtheit der Auslegungen des Segens
Jakobs und Moses' (armen, und grusinisch) schwerlich bezweifelt
werden wird. Schon das, was Marr veröffentlicht hat, zeigt die
Feder Hippolyts deutlich. Die nur griechisch erhaltenen Fragmente
werden hoffentlich durch das, was grusinisch überliefert ist, sicherer
als bisher kritisiert werden können.
Zeitspureu, die das Datum der sieben Abhandlungen zu fixieren
geeignet sind, habe ich nicht gefunden. Vielleicht wird die Ver-
öffentlichung des vollständigen Segens Jakobs und Moses*, die zu
erwarten steht, solche bringen.
Noch ist ein Wort über die Fragmente zum Peutateuch aus
der arabischen Katene, die Achelis abgedruckt hat (Werke I, 2
S. 87ff.), zu sagen. Da Hippolyt hier als „Ausleger des Targums"
bezeichnet ist, da niemand sonst ihm Auslegungen zum ganzen
Pentateuch beigelegt hat, und da der Hauptteil der Ausführungen
sicher nicht von Hippolyt, sondern aus einer viel späteren Zeit
stammt, so könnte man einfach über diese seltsamen und breiten
Stücke hinweggehen. Allein es ist nicht zu verkennen, daß in
Ij S. Theodoret u. vgl. Achelis, Cbor Hippolyts Oden u. s. Schrift zur
großen Ode (iNachr. v. d. K. Gesellsch. d. Wiss. zu Göttingeii, 189G, S. t>7l> ff.\
2) S. den Georgier. Ob Nr. ö u. (> eine Abhandlung bildeten, läßt sich
noch nicht entscheiden. Marr hat mitgeteilt, daß das Stück 0 (u. 5?) auch
noch im Armenischen vorhanden ist. „In einer Schrift Zarbaijans (Venedig,
18S9, S. nöü) findet sich nämlich ein Fragment aus einer Handschrift der
Mechitarist^n zu Venedig, welches nach Marr diesen Text als die Vorlage
der grusinischen Übersetzung zu erweisen scheint. Die Seiten, auf denen sich
in jener Handschrift die Erklärung des Segens Moses' findet, habe Tschrakjan
(lOUO S. 253) angegeben. In ebenderselben Handschrift finde sich auch S. 808
(nach Tschrakjan S. 253) der armenische Text des Segens Jakobs; Zarbaijan
teile S. 550 die Überschrift und den Anfang mit. Im armenischen Text geht
richtig die Erklärung des Segens Jakobs der des Segens Moses' voran; im
georgischen ist es umgekehrt" (Bonwetsch, a. a. 0. S. 5j.
3) S. Leontius.
244 ^^0 Litteratur des Abendlandes.
einigen wenigen Stücken, wo Deutungen auf Christus, die Kirche
und die Apostel, die Weltlage usw. gegeben werden, wirklich Hippo-
lyt redet, wenn man sich auch nicht auf den Wortlaut verlassen
kann. Augenscheinlich hat die junge ai*abische Katene, die aus
dem Syrischen geflossen ist, eine lange und komplizierte Geschichte
hinter sich, die wir nicht mehr zu durchschauen vermögen. Einige
wirkliche Hippolytfiagmente liegen ihr zugrunde (so urteilen auch
Bardenhewer^ und Achelis^), die dann in hoffnungslose Ver-
mischung mit Unechtem, sei es absichtlich sei es unabsichtlich, ge-
bracht worden sind 3.
(26*) "EQfiTjpsla 'Pov&.
(27) Elg iyyaOTQlfivd-ov.
(28) Elg TOP ^EXxavav Tcal rijv "Avvav.
(28*) Auslegung über David und Goliath.
'EQfiTjpsla ^Pov& ist durch ein sicheres Fragment^, aber nur
durch dieses, gewährleistet. Ich möchte diese Schrift an das Ende
der Regierungszeit des Zephyrin oder noch später setzen; denn die
Bekämpfung der „Simonie" wird passend auf diesen, in der Refutatio
(IX, 11) als öcoQoXrjjtrrjg xal (ptXaQfVQog charakterisierten Bischof
bezogen, bez. auch auf Kaliist. Die Worte lauten: oooi, jtEiQAvrai
dre ayogaCeiv ute JccuXtlv^ fi^Qog fiera Xqiötov ix^iv ov övvavrai,
ovx olxovofioi jtLOtol akXa xQ^ortfucogoi (vgl. die Didache) vjtaQ-
yovxtg, xa{^^ ijfihQav rbv Xötov öeöjtovfjv jtwXovvxeg, xai ^lovöa;
fiiv ixjta^ TOP Xqcotov jecok/jCag jrQtjvijg yspofispog kXaxrjOev fiiooc,
ovTOc de x^Qova rov ^ lovöa jtotovvxeg rijv xgloiv rov {feov ixq^v-
ytiv vjtoXafißdvovoiv. Vielleicht ist die hippolytische Auslegung
des Büchleins deshalb von niemand sonst erwähnt worden, weil
sie so harte Angriffe auf Bischöfe enthielt.
Die Schrift Eig iyyaOTQifivO^ov kennen wir von der Statue her,
sowie von Hieronymus (auch Nicephorus). Über ein angebliches
Fragment s. Achelis, Texte u. Unters. N. F. Bd. 1 H. 4. S. 122ff.
Eine Zeitbestimmung ist ganz unmöglich. Eine solche kann auch
nicht für die Schrift Elg rov ^EXxaväp xal rijv "Avvav gegeben werden.
1) Des h. Hipp. v. lioni Kommentar z. Ihich Daniel, 1877, S. 32 ff.
2) Texte \\. Unters. N. F. Bil. 1 H. 1 S. 117. Neumann (Hippolytus v.
Koin, 1(^02, S. 107 f.) macht mit Recht darauf aufuierkHam, daß der sekundän*
Charakter der Mitteilungen aus Hippolyt sich aus Fragm. 2(5 S. 116, 14 deutlich
er»rebe; denn hier laut<.'t die Überschrift.: „Es sagt Mar Jakoh von Edossa und
Hippolytus der Aush'ger des Targums". '
3) Über den Unwert der Nachricht, Hippolyt hal*» (?inen Kommentar zu
Numeri geschrieben, s. Achelis, a. a. 0. S. 113.
4) Achelis, a. a. 0. S. 120 H". u. Werke Hipi>. I, 2 S. 120.
Hippolyt. 245
von der uns nur vier kurze (echte) Fragmente bei Theodoret über-
liefert sind.i
In demselben grusinischen Kodex saec. X., der den Segen Jakobs
und Moses' sowie die Schrift über den Antichrist enthält, findet sich
auch „die von Hippolyt verfaßte Auslegung über David und Goliath".
Marr, der diesen Kodex entdeckt und beschrieben hat, hat auch
Anfang und Schluß des Traktats mitgeteilt, aber weiteres ist bis-
her nicht veröffentlicht. Das Mitgeteilte zeigt die Art und Aus-
dracksweise Hippolyts (s. Bonwetsch a. a. 0. S. 7. lOf.). Am Schluß
ist ein auf Christus eifersüchtiger König angeredet („Du bist König
nur über 600000, Christus über alle Kreaturen. Du bist König über
die irdischen Menschen , Du bist König als ein Mensch der
zeitlichen Welt"). Man darf gespannt sein, wer dieser König ist
Vielleicht ergibt sich eine nähere Zeitbestimmung von hier aus.
(28**) Abhandlung vom Glauben.
(28***) Abhandlung: Die Gestalt (Weise) des Gelübdes.
Auch diese beiden Schriften tauchen in dem grusinischen Kodex
(Bonwetsch, a. a. 0. S. 8. llf) zum ersten Male auf. Veröffentlicht
ist bisher von Marr der Anfang und Schluß von beiden; außerdem
hat er ein paar Notizen gegeben. Die Schrift vom Glauben polemi-
siert gegen Juden und gegen Sabellius. Das stimmt gut zu Hippo-
lyt und zeigt zugleich, daß die Schrift nicht früher als c. 217 ab-
gefaßt ist. Auch sonst erweist sich das Mitgeteilte als hippolytisch
(vgL besonders den Satz aus der Mitte: „Denn es bezeugt der
Psalter [Ps. 109, 3] in seiner Lobpreisung, daß vor der Morgenröte
sein Name war und in ihm sich segneten alle Völker der Erde.
Mit diesem Wort tut er uns kund von seiner Geburt im Leib, aber
damit, daß er sagte: 'Aus dem Leibe vor der Morgenröte habe
ich dich geboren , zeigt er uns seine Gottheit"), bis auf den Satz
im Eingang: „Denn es ist eine Wesenheit bei der wunderbaren
Dreieinigkeit". Wenn der Satz im Grusinischen richtig übersetzt
ist, kann er schwerlicli echt sein („Dreieinigkeit" braucht natür-
lich nicht zu befremden = rgtag, vgl. z. B. den Kommentar zum
Hohenlied, Bonwetsch, Texte u. Unters. N. F. Bd. 8. H. 2 S. 21).
Die zweite Schrift bietet einen Schluß, der an TeiluU. de bap-
tismo 20 erinnert. Sie ist an einen Einzelnen gerichtet. Über
ihren Inhalt läßt sich nur so viel sagen, daß sie Marr — der Ein-
zige, der sie bisher gelesen hat — geneigt ist mit der Schrift IIsq!
(yeov xal aagxog dpaotaoecog zu identifizieren, da der Betrachtung
über Gott und die Auferstehung des Fleisches eine hervoiTagende
1) Achelis, Werke Hipv. I, 2 S. 121 f.
246 ^^^ Littcratur des Abendlandes.
Stelle eingeräumt ist. Wahrscheinlich ist diese Identifizierung nicht ^
denn diese Schrift richtete sich an die Kaiserin. Das bisher an^s»
der neuen Schrift Mitgeteilte gibt zu Bedenken keinen Anlaß.
(29) Elg rovg tpaXfiovg.
Verzeichnet auf der Statue, genannt von Hieronymus, zitiert
von Theodoret. Bevor die Psalmenkommentare des Origenes und
Eusebius wiederhergestellt sind, ist es unmöglich, sichere Behaup-
tungen in bezug auf den Psalmenkommentar Hippolyts aufzustellen-
Doch scheint mir folgendes überwiegend wahrscheinlich zu sein:
(1) Hippolyt hat überhaupt keinen vollständigen Psalmenkommentar
verfaßt, sondern nur Auslegungen einzelner Psalmen in einem
Buche ^; die ganze Überlieferungsgeschichte, speziell aber das nega-
tive Zeugnis des Hieronymus in ep. 112, 20 und die Zitations-
formeln des Theodoret sprechen für die letztere Annahme; (2) Die
in syrischer Sprache erhaltene Einleitung zu den Psalmen (Achelis,
Werke Hipp. I, 2 S. 127 ff.) ist schon deshalb schwerlich echt; dazu
kommt, daß die Überlieferung unsicher und auch das Zeugnis aus
„Chrysostomus" nicht zuverlässig ist 2. Die Parallelen mit der
Quelle des Chronographen v. 354 sind m. E. nicht stark genug,
um die Zweifel zu besiegen, und die Art dieser verständigen Ein-
leitung zu biblischen Büchern läßt sich sonst für Hipp, nicht be-
legen. Das Stück gehört wohl dem Eusebius oder doch in die
Wissenschaft des Ostens. (3) Somit ist noch stärker unter den
Fragmentenaufzuräumen,als Achelis, derzuerst Ordnung geschaffen,
getan hat. Als zuverlässig echt können nur die drei Fragmente,
die Theodoret zu Ps. 2, 7; 22; 23, 7 bringt, angesehen werden, die
den hippolytischen Stempel prima fronte tragen (auch den Reim
aufweisen), sowie das kurze Fragment des Barberinus zu Ps. 3, (5,
das durch einen gleichlautenden Passus in der Schrift De Anti-
christo geschützt ist.
(30) IltQl JtaQOifiiüJV {Elg tag JtaQoifiiag UoXoftcivTog),
Dem Hieronymus und Suidas bekannt. Die Feststellung dessen,
was aus dem Katenen-Material dem Hippolyt wirklich gebührt ist
noch viel schwieriger als bei Nr. 22—26; Achelis "^^ hat den Grund
zu den Untersuchungen gelegt. Mit ihm halte ich die ersten 29
1) Ähnlich wio in bcziip auf einzelne Stücke der (lenesis, daher ihm auch
ein Oenesiskommentar beigelegt- worden ist (s. o. 8. 242).
2) (\v<ron Achelis, Texte u. Unters. N. F. Bd. 1 II. l S. 129 ff.
3) a. a. 0. S. 137 ff. Werke Hipp.s I, 2 S. 155 ff.
Hippolyt. 247
von ihm abgedruckten Fragmente fdr wesentlich echt; sie ent-
halten aber keine historischen Beziehungen, so daß sich ihre Zeit
nicht bestimmen läßt Das dogmengeschichtlich wichtigste Frag-
ment zu c 9, 1—5, welches Achelis nicht abgedruckt hat, ist in
beiden Fassungen (die kürzere in den Quaest et Respons. 42 des
Anastasius Sin., die längere bei Lagarde, Hipp. Opp. Nr. 133)
interpoliert, hat aber einen echten Kern, wie aus der Anspielung
auf Verfolgungen hervorgeht Daß Hippolyt das ganze Buch
kommentiert hat, folgt daraus, daß sich Fragmente zu c. 1. 3—7.
9, 11. 12. 17. 24. 27 finden.
(31) De ecclesiaste.
Nur Hieronymus erwähnt diesen Kommentar. Das einzige im
Vatic. 1694 erhaltene Fragment^ (zu 2, 10) ist nicht uninteressant,
aber zeitgeschichtlich indifferent
(32) Elg t6 aOfia,
Von Eusebius, Hieronymus etc. erwähnt In bezug auf die
Fragmente war vieles bisher zweifelhaft — s. Bonwetsch, Werke
Hipp.s 1, 1 S. 341 ff. u. Texte u. Untei-s. N. F. Bd. 1 H. 2 — , da wurde
uns durch Marr der Kommentar in grusinischer Übersetzung (mit
russischer SuperÜbersetzung) geschenkt 2. Marr schöpfte ihn aus
demselben Kodex saec X, der (s. 0.) noch 6 andere Schriften Hippo-
lyts enthält Bonwetsch (Texte u. Unters. N. F. Bd. 8. H. 2) hat
uns die Publikation zugänglich gemacht und eigene Studien
an sie geknüpft: „Hippolyts Kommentar zum Hohenlied auf Grund
von N. Marrs Ausgabe des gi'usinischen Textes".
Durch den grusinischen Text (er stammt aus dem Armenischen ;
dieser scheint aus dem Griechischen geflossen zu sein) sind die
armenischen und slawischen Bruchstücke \ die schon früher aufge-
taucht waren, als echt erwiesen^. Zugleich wii'd es sehr wahr-
scheinlich, daß Hippolyts Kommentar nicht über c. 3, 7 gereicht
hat; denn darüber hinaus ist uns in keiner Sprache irgend etwas
aus dem Kommentar erhalten. Hippolyt sah in dem Hohenliede
1) Werke l, 2 S. 17(1.
2) Texte u. Unteiv. in der aniienisch - grusiniöchen Philologie. Drittes»
Buch. St. Petersburg, 1901.
'>) Diese slawischen hat Marr noch vermehrt, 8. Bonwetsch Bd. 8 H. 2
S. 14 f.; sie sind aber unecht. Dagegen konnte Bonwetsch neues Material
ans dem Slawischen beibringen.
4) Interpolationen sind nicht nachweisbar außer zu XX, 2 (Bonwetsch
S. rA): die 300 Hilretiker.
248 ^^^ Litteratur des Abendlandee.
(Irei Lieder und hat nur das erste kommentiert Der Kommentar
zu demselben bietet im Grusinischen einen förmlichen Schluß. Finden
sich bei späteren Auslegern bez. bei Ambrosius Exegesen zu späteren
Kapiteln des Hohenlieds, die die Art Hippolyts aufweisen, so sind
sie nicht auf den Hohelied-Kommentar Hippolyts zuräckzufuhreu,
sondern auf andere Ausfuhrungen dieses Schriftstellers^. Im all-
gemeinen aber ist die Annahme, Hippolyts Kommentar habe stark
auf die späteren Ausleger des Hohenlieds eingewirkt, nach der Auf-
findung des ganzen Textes nicht mehr zu halten. Origenes' Aus-
legung beherrscht die Folgezeit. Nur Ambrosius erscheint noch
stärker als bisher von Hippolyt abhängig (s. Bonwetsch, a. a, 0.
Bd. 8 H. 2 S. 17 f.).
Besondere Zeitspuren trägt der Kommentar, der in einem rheto-
rischen Predigtton gehalten ist, nicht. Ein armenisches Fragment
zeigt, daß der Kommentar als Predigtbuch in Armenien verweitet
worden ist; es findet sich c. 25, 10 (Bonwetsch, S. 70f.) der Zusatz:
„Das Mysterium der Auferstehung, das wir heute feiern''. Im
Grusinischen fehlen die Worte. Daß Hippolyt selbst den
Kommentar aus seinen Predigten zusammengestellt hat, ist wahr-
scheinlich.
(33) In Esaiam.
Genannt von Hieronymus; aber einen Kommentar zum ganzen
Jesajas hat Hippolyt schwerlich geschrieben; das müßte in der
patristischen Überlieferung hervortreten. Da das einzige uns er-
haltene Zitat, obgleich es zu c. 19, 1 gehört, von Theodoret mit
den Worten eingeführt wird: ix rov Xoyov xov elq agxrjv xov ^Hoatov
(s. Achelis, Werke Hipp.s I, 2 S. 180), so werden wir schließen
dürfen, daß Hipp, nur den Anfang des Jesajas kommentiert hat
Die Annahme liegt nahe, daß auch hier eine Predigt zugi'unde
liegt. Über die Zeit läßt sich nichts ausmachen.
[(34) In Jeremiam].
Niemand hat einen Kommentar des Hipp, zu Jeremias genannt
und das einzige angebliche Zitat stammt aus De Antichristo
(Achelis, a. a. 0. S. 180). Also ist die Annahme eines Hippolyt-
Kommentars zu Jeremias grundlos.
(35) Elg fitQf] rov ^le^txi/jX.
Genannt von Eusebius, bei Hieronymus zufällig ausgelassen
(ob erst in der Überlieferung?). Ein griechisches Fragment bei
1) Vf?l. auch Riedel, Die Auslogung des Hobenliods in der jüdischen Ge-
meinde und der griechischen Kirche, 1808, S. 4Sfl'.
Hippolyt. 249
Aiiastasius Sin. Es läßt ebensowenig wie das kurze echte syrische
yragfment (Achelis, a. a. 0. S. 183) zu c. 1, 5— lü Schlüsse auf
die Zeit zu. Aus dem Titel, den Eusebius gegeben hat, folgt be-
reits, daß es sich uul keinen Kommentar zum Ezechiel handelt,
sondern um einen oder ein paar Logoi^
(36) Elg TOP Aavuß,
Dieser große Kommentar, der in der Überlieferung oft init De
Antichristo zusammengeht, ist uns nun fast vollständig wiederge-
schenkt 2. Er beginnt mit dem Susanna-Stück (die Geschichte vom
Bei und Drachen ist nicht kommentiert) -^ Die Zeitbestimmung
kann mit wünschenswerter Sicherheit gegeben werden. Die Schrift
De Antichristo ist (IV, 7, 1) vorausgesetzt; andererseits ist die
Situation dem Reiche gegenüber eine sehr ähnliche wie dort, nur
ist der Druck gesteigert; die Kontroversen über das Johann es-Ev.
und die Apokalypse sind noch niclit aufgetaucht — ihr Reflex
müßte im Kommentar erscheinen, wenn sie den Verf bereits be-
schäftigt hätten — ; weder Proclus noch Cajus ist genannt; der
kleinasiatische und römische Montanismus ist direkt nicht be-
rücksichtigt; wo auf verwandte Erscheinungen geblickt wird, wird
Syrien und Pontus, aber nicht Rom genannt; man bemerkt nur im
allgemeinen, daß bedenkliclie enthusiastische Erregungen den Ver-
fasser höchst besorgt gemacht und daß willkürliche asketische
Auflagen, die von einigen gefordert werden, ihn irritiert hab(,*n;
ein Widerspruch gegen den leitenden Bischof ist nirgends nach-
weisbar; aber der Verf liat die unliebsame Erfahrung gemacht,
1) Auf «*ine bisluT ülxTsclioiu» Schnft untiT «li'iu Niimoii Hi|>})olyts hat
l^drdeIlhew(*r (Oosch. der altkirchl. Litt. J^il. 2 S. 5iJ2) ziierift aufinorköiiiu
•gemacht (iiiwh d«'m Kutulo^ der syr. Mss. d»\s JJrit.. Miiseuius von Wrij^'ht II
p. 1002): „Von Mar Hijjpolytos von Hostra ans d»»r Sclirift iil)er den Tempel*'
i('od. Mus. Wni, Syr. S<)2). HardenhewiT v«'rinnt»'t, daß es sieli viellcielit deekt
mit dem Ji;rieehi^fchen Fra<?inent üln'r die (ir()IJ<' drs salom. Ti-mpcls, Mi^ne.
Ser. Gr. X Kol. O-UiV.
2) S. Honwetseli, Hi|»i».s Werke l, I (1S!»7) und dessst'llM'u nnifanp^n»iche
Studie über den Konnuentar in den 'IN'xtK'u untl Unters. N. F. Ud. 1 H. 2. St?br
»•ingehend hat sich mit ihm aucli Ncnmann beschält ij^t (Hii)i»olytus v. Rom,
1902, S. (31 — 107). Vp:l. von ält^'rcn Arbeiten Hardenli»»wer, Dt's h. Hijip. v.
Hnm Kommentar z. Jhich Daniel, 1S77 (er hat die griindliche Forschung be-
l^onnen); (leorgiades i. d. Zischr. ^ExxXrioiaaTixi{ ^AXri&eia ISvSo Mai, 1KS<>
Juli August; Hratke, Das neu entdeckte -1. Buch des Danielkommentars v.
Hipp., ISOl; llarnack, Theol. Lit.-Ztg. 1801 Kol. :{3ff.
8) Einen „Kleinen Daniel" hat es nicht gege))en ; „Daniel der noch junge"
ist gemeint (s. lioiiwetsch, N. F. Hd. 1 H. 2 S. ;{). Der Anfang des Kommen-
tar« kursierte auch besonders (s. di*n Katalog des Kbed Jesu).
250 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
(laß er um seines Talentes willen beneidet und gehässig behandelt
wird (III, 16, 4); bereits rühren sich die „Idioten". Dagegen ist
von der christologischen (modalistischen) Kontroverse keine Spur
zu bemerken. Diese Merkmale zusammengenommen mit den Er-
fahrungen, die mau mit schlimmen Konfessoren bereits gemacht hat
führen auf die Anfangszeit der Regierung Zephyrins, in der der
römische Montanismus noch kein Haupt hatte, sondern mehr
formlos war, in der Epigonus, Kleomenes und Sabellius noch keine
Rolle spielten und in der Kallist noch nicht in den Vordergrund
getreten war. In dieser Anfangszeit des Zephyrin brach bekannt-
lich (i. J. 202) die Verfolgung besonders heftig durch ein Reskript
des Severus aus. Eben eine solche gesteigerte Verfolgungszeit
setzt das Buch augenscheinlich voraus, wenn auch Neumann in
der Ausdeutung des Einzelnen und seiner Beziehung auf das Re-
skript etwas zu weit geht^. Das Buch ist somit sehr bald nach
d. J. 202, spätestens im J. 203 oder 204 geschrieben ^, denn die
Annahme ist grundlos, daß der durch das Reskript geschaffene
Reizzustand eine Reihe von Jahren angedauert hat Dergleichen
beobachten wir in der ganzen Verfolgungszeit vor Diokletian
nirgends. Alle Forscher mit Ausnahme Salmons, den aber Zahn
bereits genügend widerlegt hat^ die sich mit dem Kommentar be-
schäftigt haben, haben sich für die JJ. 202—204 entschieden^.
Man kann den weitschichtigen Kommentar gewissermaßen als
zweite bereicherte Auflage der Schrift De antichristo auffassen,
hervor^^erufen durch die ernster gewordene Lage und der älteren
Schrift ziemlich bald nachfolgend. Auf die berühmte Stelle über
das Datum der Geburt und des Todes Christi (IV, 23) will ich
1) Die Bozichimf^ auf das Tauffest, und eine Katechuiuenen -VerfolpiuLT
(Neu mann S. OÜf) scheint mir nicht 8icher.
2) Zu di(?sem Ansatz fiigt sich auch die Beobachtung?, daß damals, wie es
scheint, nur ein Kaiser rej^ierte. Ferner hal)en wir oben (S. 220 fi*.) gesehen, daß
die Schrift fiir das Joh.-Kv. und die A|>okalyi»se dem Danielkommentar voran -
ircht, diese Schrift aber ist wahrscheinlich 2(34;"» geschrieben.
:]) Salmon in d. Hermathcna Bd. -S S. KHff. Zahn, Gesch. d. NTlichen
Kanons II S. 1020{f., s, auch Neumann S. 6'jf. und Bonwetsch, a. a. 0.
S. Slf.
4) S. vor iillem Bonwetsch, a. a. 0. S. (JOff. S2tf.; das Schlußergebnis
der sorgfältigen Ausführungen könnte zuversichtlicher gezogen sein. Neu-
mann S. (j.Jf. — Die interessante Stelle im Konuuentar (S. 132, 4if. Bon-
wetsch): nokXol öh xal Tifjtrjq xal öwQsäg vito ßaüiXkmq Xa^ovreg xal in'
i^ovaiüjv xal xinwv xaxaaxa^tvzeq vategov avxol öi kavxovg ixtvdvvevaav ?}
WQ inißovXoi ei'QEO^tvxeg jj dg (plkoi ßaaiXhcog vnh kxegcjv dvaiQe&ivxsc,
«.'ignet sich doch nicht zur Zeitbestimmung, obgleich sie sich merkwürdig eng
mit Sjuirt., Vita Scvcri 1,") berührt (vgl. auch Herodian III, 12, lOff. über den
Tod riautian>\
Hippolyt. 251
hier nicht eingehen; die Worte :jtQo reaoaQcov 'JjtQiXicov sind jeden-
falls interpoliert (s. Bonwetsch i. d. Nachrichten d. Gesell, d.
Wiss. z. Gott 1895 H. 4 > und Neumann S. 76). Daß noch mehr
interpoliert ist, ist sehr wahrscheinlich, um nicht zu sagen gewiß-.
(37) In Zachariam.
Hieronymus nennt dies Werk im Katalog der Werke Hipp.s
und in seinem eigenen Kommentar zu Sacharja (Prolog): „Hippo-
lytus quoque edidit commentarios". Sonst ist nichts bekannt
(38) In Matthaeum.
In ihren Hippolyt-Katalogen erwähnen weder Eusebius noch
Hieronymus einen Kommentar des Hipp, zu Matthäus; aber Hieron.
zählt in der Praefatio zu seinem eigenen Matthäus-Kommentar
unter den Kommentatoren auch Hippolyt auf, indessen nur in der
Abteilung der Schriftsteller, die „opuscula*' zu Matthäus verfaßt
haben. Da nun in der Überlieferung sonst Hippolyts Name fast
nur in Verbindung mit Matth. 24 auftaucht, so liegt die Annahme
nahe, Hippolyt, der Eschatologe, habe auch einen Logos zu diesem
1) Hier aurb dif roiche Littoratur über die Frape.
2) S. außer dvn genannten Arbeiten Bardenhewer i. d. Litt. Kundscbau,
1891, S. 23*Jf., Laf?arde i. d. „Mitteil." Bd. 4, 1891, S. 241 ff., Sahiion i. d.
Hermathena, JS!)2, j». lOlff., Bratke in d. Ztachr. f. wiss. Tbeol. 1892 S. 128 ff*.,
derselbe i. den Jahrbb. f. protest. Theol. Bd. 18, 1892, S. 4:^9 ff., derselbe
i. den Stnd. und Krit. Bd. Gö, 1892, 8. 734ö*., Hilpenfeld, Ztsehr. f. wiss.
Theol., 1S<)2, S. 2r)7ff"., 189.% 8. UHyfi'. Kine mehrjährige Wirksamkeit Jesu ist
in dem Danielkommentar (nach einif^en Texteszeupen) angenommen ; a])er eben
die« kann unmöglich von Hippolyt gelehrt worden sein; denn in der chrono-
frraphischen Schrift über das l'assah und in der Chronik ist eint» einjährig'
Wirksamkeit Jesu angegeben. Wann aber wiire je em kirchlicht*r Kritiker d<'s
Alt^M't.ums zur Annahm(? einer einjährigen Wirksamkeit Jesu übergegangen,
nach<lem er sich früher von einer mehrjährigen überzeugt hatt<*! Dagegen ist
es mir sehr wahrscheinlich, daß Hippolyt wirklich Mittwoch den 2."). Dez. als
(leburt^titag J»»su angegeben hat; denn der Verf. d(u' Schrift. De pascha computus,
der ihn ausgeschrieben hat (s. o. S. 23;")), stitzt c. 18. 19 die Kmpfängnis Jesu
(sie ist unter „nativitas" gemeint) auf Mittwoch den 28. März (die Abweichung
nm r{ Tage ist ein besonderes Füudh'in des Komj)utistt»n; sie zeigt übrig(»ns,
daß der Tag noch nicht in Bom kirchlich gefeiert wurde). Nicht nur zu der
Schrift De antichristo hat unser Kommentar sehr zahlreiche Beziehungen,
Fondern auch zu anderen Schriftren Hippolyts. Die niitthM-e Linie, die derselb»'
in der Sitten- und Zuchtfrage zwischtm Älontanismus und kirchtmpolitischcr
Laxheit in der „Refutatio" innegehalten hat, ist schon hier deutlich: El ztg
6oxil vvv xal iv ixxXijalfc noXixevea&aij (poßov de ^^60v firj t/jy, ovöhv zovtov
wtpeXsi j) ngdq rovg ciyiovg aivoSog, rrjv dvva/Aiv rov nvevfjtaxog tv katrtw fit^
sfiTjodfiEvog.
252 I^i- Litteratur de» Abendlandes.
Kapitel geschrieben. Allein da Hieronymus diesen Logos iu dem
Katalog nicht erwähnt, so isfes ebenso möglich, daß Hieronymus
unter dem „opusculum" (opuscula) des Hippolyt zu Matthäus ver-
streute Ausführungen desselben, vornehmlich zu Matth. 24, meint;
denn Hipp, hat natürlich dieses Kapitel in seinen Werken oft be-
lührt Entscheiden läßt sich m. E. zur Zeit nicht; ausgeschlossen
aber scheint mir die Annahme zu sein, Hipp, habe einen Kommentar
zu Matth. geschrieben (gegen Achelis).
In erster Linie kommt das Fragment (oder besser die beiden
Fragmente) in Betracht, das Gwynn (Hermathena Bd. 7, 1889,
p. 137 ff.) veröffentlicht hat. Es ist sicher echt^ aber ob es einer
besonderen Schrift zu Matth. entnommen ist, ist sehr fraglich.
Achelis^ hält es für wahrscheinlich, daß es aus den Capita c.
Caium stammt, da es in der Quelle mitten unter Zitaten aus
diesen steht
Die Fragmente aus einer verloreneu griechischen Kat^ne, die
koptisch und dann auch äthiopisch und arabisch erhalten sind und
die Achelis abgedruckt hat^ mögen eine echte Grundlage haben,
aber in der überlieferten Gestalt sind sie nicht verti'auenswürdig^
Fragm. 15 und 16 bei Achelis^ sind höchst wahi'scheinlich echt '^
1) Man vgl. die Bemerkung zu Matth. 24, 20 („Bet-et, daß ihr nicht fliehen
müßt am Sabbat und im Winter, d. li. er rät uns, daß wir uns nicht über-
nischen lassen sollen von den Dingen, die uns treffen, indem wir in der Gl-
reehtigkeit untätig wären wie die Juden am Sa}>bat, oder uns von weltlichen
Beschäftigungen und Sünden bestürmen ließen wie vom Wintersturm") mit
Comm. in Daniel IV, 52 {IJgooevxsoO^ef 'Iva f^rj yhrjzai ij fpvyri ifiwv x^^f^tJ^vog
tj oaßßdxov, fjLTixB dgyovvxaq vfiäq and dixaioovvijg, fx/ixe daxoXovixivovq ^vßä;\
tv ßKaxLXolq ngdyfiaaiv wq iv yeifiwvi).
2) Texte und Unters. N. Y. Bd. 1 11. I S. 180 f.
:\) AVurke Hipp.s I, 2 S. 107 ff., s. dazu a. a. 0. N. F. Bd. 1 H. 4 S. HiiJff.
1) Das zeigt sich u. a. darin, daß es zu Matth. 24, 2i) (Werke l, 2 S. 2(KUV)
hier heißt: „Mit dem Sabbat ist das Knde der Menschheit gemeint, und im
Winter gibt es keine Nahrung. Betet jetzt, daß ihr nicht in dieser Zeit lebet,
in wehrher der Gottlose auftritt". Was Hipp, wirklich geschrieben hat,
s. oben. •
.")) \Verk<' I, 2 S. 207 f.
ü) Bei Victorinus werden wir Bruchstücke eiu»»s anonymen lateinischen
KoniUHMitars zu Matth. kernen lernen, die Mercati ediert hat (Studi t' t^*sti
II, WHV)) und die wahrscheinlich dem Victorin gebühren. Verwandtschaft mit
llijjpolyt fehlt nicht; so lautet die Erklärung zu Matth. 24, 20 (Mercati
p. 2;>f.): ,,llieme autem «'t sabbato cum dicit, cpiid aliud signiticat quam t4»mpu>i
quo fugere non ijotest? i. e. ne, cum fuga iit, inpedimenta et hiemis et sabbati
in nobis inveniantur, <iuibus iujjcditi fiigere non possimms. hiems autem ail
fugicnduiu vtd latondum intuta et niiinis utilis est; sabbatum vero ultra
iter facere, (piam L'X iubet sei-uiulum .bnlat^os non sinit. non ergo sabbati leg«»
uti nn> pracci[>it, «[ur^d iam solutnm ('fit, s«mI ne actus nostri, cum fuga fit.
Hippolyt. 253
aber daß sie einer Schrift zu Matth. entnommen sind, ist keines-
wegs gewiß*.
(39*) Aoyoq slg rrjv xciv xaXavrwv öiavourjv.
(39**) Aoyoq tlg rovg ovo Xuoraq.
Aus der ersten Schrift bringt Theodoret ein, aus der zweiten
drei Zitat« ^. Sonst berichtet niemand etwas; aber die Bezeugung
durch Theodoret genügt, und der Inhalt der Fragmente gibt zu
Bedenken keinen Anlaß (in dem ersten werden die dynamistischen
Monai'chianer sowie Marcion, Valentin und die Gnostiker bekämpft).
Die Zeit läßt sich nicht bestimmen; doch scheint die erste Schrift
vor den Kampf mit Sabellins und Kaliist zu fallen. Hätte näm-
lich Theodoret von einem solchen etwas gelesen, so hätte er das
wohl mit abgeschrieben.
(40) Kommentar zum Evangelium des Johannes und zur
Auferweckung des Lazarus.
Achelis (Werke I, 2 S. 214) bezeichnete den hippolytischen
Ursprung dieser Homilie, die griechisch unter den Werken des
Ohrysostomus, armenisch unter denen des Hippolyt erhalten ist, als
mindestens zweifelhaft 3, ebenso hat sich Bonwetsch ausge-
sprochen ^ Ich bin im Gegensatz zu dieser Annahme der Meinung,
daß diese Predigt überall die dem Hippolyt geläufigen Gedanken
aufs deutlichste verrät, daß sie in ihrer Rhetorik ganz hippolytiscli
ist (auch die bekannte Anrede, dycucrjri, fehlt nicht), und daß sie
irgendein beachtenswertes Verdachtsmoment — ein solches ist
m. W. auch nie angeführt worden — nicht enthält. P. 223 zeigt
sich, daß der Verf. gegen die Theodotianer kämpft (das ist die
nächstliegende Beziehung) und daß er niclit zum ersten Male
predigt und kämpft (die Worte sind leider nur armenisch erhalten):
„Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast: In diesen Worten
sehen die Schüler der Ketzer eine Andeutung und fallen mit
folgenden Worten darüber her: Du siehst, wie die Sache sich ver-
hält; der eine bittet, und der andere wird gebeten; der eine fleht,
liiemi et sabbiito coiiimrentur". Dit? VerwandtBchaft mit Hippolyt ist im
letzten Satze klar (h. o. Note 1), aber nicht so enp, daß man den Kommentar
d<»H Victoriu zu Matth. tur eine imr leichte Bearbeitung des Kommentars des
Hi])polyt halten dürfte*.
1) S. Neu manu, a. a. 0. S. -11 f., der auch wahrscheinlich zu macheu
sucht, daß das Stück sj»äter als De antichristo ist.
•J) Hipp.s Werke I, 2 S. 201if.
.1) Hiernach auch das Urtt?il im erstvu Teil dieses Werkes S. (MJ.
•1) l'rotest. RKnc.yklop.3 Bd. 8 S. WAK
254 ^ic Litteratur des Abendlandes.
und der andere hört auf das Flehen. Siehst du ein, daß der Vater
der Urheber des Wunders ist, und daß er dem Sohne die Wunder-
kraft [erst] verleiht? Aber wie schon früher öfters gesagt worden
ist, [sprechen sie soj, weil sie die Werke des Allbelebenden nicht
mit Dankbarkeit annehmen wollen. Aber da sie schon früher ein-
mal der Lästerung bezichtigt und widerlegt worden sind, so sollst
du dir dieses merken an dem Tage, an dem du es liest"
(41) De apocalypsi.
Daß Hippolyt wirklich einen Kommentar zur Apokalypse ge-
schrieben hat, wird man den Zeugnissen des Hieronymus, Jakob
von Edessa und Andreas von Cäsarea glauben dürfen (auch Ge-
orgius Syncellus erwähnt ihn). Schwer aber ist es festzustellen,
was von den Fragmenten, die Anspruch auf Zugehörigkeit zu diesem
Kommentar erheben oder zu erheben scheinen, demselben wirklicli
beizulegen ist^. Hippolyt ist ja in vielen Werken auf Verse aus
der Apokalypse eingegangen (man vgl. De auticliristo, den Daniel-
Kommentar, die Capita c. Cajum). In Nichts hat sich der Hippolyt-
Konmientar des Krasmus aufgelöst'-^. Das altslawische Fragment
(Werke I, 2 S. 2:37f.) haben Bratke (Theol. Lit.-Blatt 1892 Kol.
503 if. 519if.) und Di ekamp, der das griechische Original entdeckte
(Tüb. Theol. Quartalschr. Bd. 79 [1897] S. 604fiF.), als unecht nach-
gewiesen gegen Bonwetsch (Theol. Lit.-Blatt 1S92 Kol. 257f.).
Dagegen scheinen die in einer arabischen Katene enthaltenen Frag-
mente echt zu sein. Freilich ist die Abgi-enzung nicht immer
deutlich. Gleich das erste Fragment müßte man verwerfen (S. 231 1,
wenn die Worte, die den Jakobnsbrief (irrtümlich ist Judas ge-
nannt) zitieren, zum Zitat gehören sollten; denn trotz BonwetschvS
gegenteiliger Meinung^ kann ich kein sicheres Zeugnis für diesen
Brief bei Hippolyt entdecken. Die Echtheit des 4. Fragments
iS. 232) wird durch das bei Achelis als 15. Stück in Matthaenm
ab^redruckte koptische Fragment (S. 207 f.) gestützt, obgleich hier
der Mond das A. T. ist, dort Johannes der Täufer. Am zuver-
lässigsten ist die Auslegung von Apok. 17, 4 — 7, welche Jakob von
Kdessa überliefert hat (S. 236 f.). Der Kommentar scheint nicht
hoiiiilienartig gefaßt gewesen zu sein und ist jedenfalls nach dem
Daniel-Kommentar anzusetzen.
1) Alxhink Werk.' Hii.[i.s I, L' S. "JiM», dii/.ii Acht.'lis, Texte und Uiitor.s.
N. F. IM. 1 H. 1 s. v\uiY. j;;in-.
•j) >. Aciu'ii.s, N. V. li.i. I H. 1 s. 2:;iir.
:;) 'r.-xtc II. T'iitr.is. N. F. Kd. ] IL '2 S. •_>(.;.
Hippolyt 255
(42) Oden.
Über sie, welche auf der Statue aufgeführt werden, ist nichts
bekannt Zu lesen ist * 'iliöal : a xaoag rag ygatpag. Wie die
Worte nach ^Qtdal zu deuten sind, weiß niemand'^.
(43) üsqI ;^a()eG/EiaTa>2^ \4ji:ooroXtxfj jtaQctöoOig,
Über sie wird in dem Abschnitt: „Kirchenrechtliche Litteratur*
gehandelt werden.
Die unechte Litteratur unter Hippolyts Namen, die ich im
ersten Teile dieses Werkes S. 644 f. bezeichnet liabe, bleibt hier
ganz beiseite ^ Sie ist noch vermehrt worden durch einen Fund
von Cumont, der in dem Kod. des Klosters Sumela bei Trapezunt
Nr. 78 saec. 15/16 ein Schriftchen fand, betitelt ^IxjtoXmov jtajra
Pcififjg Xoyog jtagaßoXixog dg ttjv xaQovaav Ccofjv ravrrjv rov
avd-QcoJtov xal jriQi tov o^acog. Cumont hat es abgeschrieben,
aber es bisher nicht veröffentlicht, sondern nur kurz charakterisiert *.
Er hält es fiir unecht.
1) Achcli«, II. a. 0. N. F. IUI. 1 U. 1 .S. 7 iiml i. il. Niichriilit. d. Uött.
<^t.'s«ll. d. Wiss., 18110, S. 27-Jff.
2) In einem (im Cod. rJS<) siiec. XVII. jjteh»Mid«'n) Kiitiiloi^ vt)n Iwiron
i.Vtbo«) findet sich (s. Meyer in d. Zt:?ehr. f. KO.*seli. Hd. 11 S. ITj«'.; fol^rend.«
Kintraj^unjü^: rot ay, in7io?.vTOv koyoi 6ia<poQOi xtd tnioxo?Ml ti^ rifV ^tiuv
yQa<pTii\ Dit»jfo Nuchricht ist jijiinz isoliert.
ii) Zu ihr rechne ich mich das Stück aus d»T Ilist. Lansiaca lAchelis,
Hipp.s Werke I, 2 S. 'JT-llt'.). Ks int eine kouv«'ntionellc beschichte einer
Märtyrerin und ist urspriinjjlich auf «lic Zeit Diokletians un<l seiner Mitn»j^t»nten
i^'cstellt gewesen (S. i»?."): xuxa x6v xaigbv rwv öiojxtwv, 1. <*. zovg ßaoiXtu'
und erst spater auf unerklärliche AVeise dem Hipp. zujrcschri<'hen worden. Di«*
notabelsten unechten Schritten Hii>i)olytH sind die Schritt Kaxci l{i]Qcorog
xal^HXtxog 7iS(}l {yeoloyiaq xal aagxwoeox; (sie setzt den l'seudodionysius vor-
aus, 8. Stiglmeyr, Pseudndionys. Schriften, Feldkirch, ISO.'), S. irj), weiter Ilt()l
rfjg avweksla^ rov xoafiov xal rtenl xov dvziXQioxov (sie ist ein ]»aar Jahr-
1 Mindert«? nach Hippolyt auf dessen Traktat De Antichristo und auf Ephraem
Syrus auferbaut) und /7f(>2 xwv /xad^rjxojv xov xvQiov, otcov t-xaaxoq avxwr
ixt'fQv^e xb evayyt?uov xov Xgiaxov xal tzeXetwO-rj (noch La gar de, Coustit.
Apost., 1SC2, p. 2S'J, hat das Stück für e<-ht erklärt; es sei deutlich von dem
N'erfasser der Chronik; allein es ist undenkbar, daß bereits 1<K) Jahre vor
Kusebius solche Cberliefeningen über die Apostel, koditiziert, im Tmlauf ge-
wesen sind; s. Li])siu8, Apokr. Apostelgesch. 1 S. JO.^, Duchesne, Les anciens
recueils de legendes apost. (Internationaler Katholiken-Kongreß zu IJrüssel 1894,
Conipte rendu, ISI»;"), 5. Sektion p. 71 ff.), Diekamp, Hippolytos v. Theben,
is^lS, S. LlXf. (Diekamj) sucht zu zeigen, daß die Liste auch nicht dem
Hippolyt V. Theben gebührt).
4) Cumont in d. l^,'v. de l'instr. publique eu Ht?lgi«|ue [1!)()3? ich benutz»*
256 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
Daß Hippolyt so bald im Abendland vergessen worden ist und
die Fetzen seiner Scliriften in dem Morgenland zusammengesucht
werden müssen, hat seinen Grund in dem Zusammentreffen von
drei widrigen Umständen: (1) Hipp, war lange Zeit hindurch Schis-
matiker gewesen, (2) gleich nach seinem Tode wurde das Latein
in der Kirche Roms die hen'schende Sprache, (3) gleich nach
seinem Tode schwand das wissenschaftliche und theologische In-
teresse, welches in Rom nie feste Wurzeln geschlagen hatte,
in der Stadt vollends dahin. Die neuplatonische Kontroverse
spielte sich in Rom ganz außerhalb der großen Kirche ab.
10) Tertnllian.
Die Untersuchungen über die Chronologie der Schriften Ter-
tuUians sind in dem letzten halben Jahrhundert so gefördert
worden, daß neues Material schwerlich mehr — es sei denn durch
monumentale Entdeckungen — zu erwarten ist. Doch bestehen
unter den Gelehrten, die zuletzt hier gearbeitet haben *, noch einige
sehr erhebliche Differenzen, die eine erneute Nachprüfung wün-
schenswert machen. Vor allem ist es notwendig, mit den halb-
und daher unbewiesenen Ansätzen aufzuräumen. Alles was bereits
wirklich erledigt ist, soll nur kurz behandelt werden \
rinon iiiidaticrt(?ii Soparatabzug] p. H)ff.: „Un homme a dans sa cour im ser]HMit
<lii'il vent tner, uiais chaque foi« (lu'il s'approche de lui, il trouve ßoit de
l'arp^ent, soit une pierre pr^c.icuse, et il epargne la bet« vonimeuse, qui fait
])erir sncc(?Ksivem(?nt son cheval, sou esclave, son fils et sa femme, et. finit pnr
le mordre lui-in6me".
1) S. Nöldecben in d. Toxk'n und Untere. Bd. V H. 'J, LSSS; derselbe,
Tertnllian (Monographie) 1800; Neumann, Der röm. Staat nnd d. allg. Kircbr,
ISIM), passim; Schanz, Oesch. d. röm. Litt. 8. Tl., 1890, S. 240ff.; Monceanx.
Chronologie des oeuvres de Tertnll. in d. Rev. de Philologie T. XXII, 1, 181»^
p. 7711'.; derselbe, Hist. litt, de TAfrique chretienne T. 1, 1901; ältere üntfi-
suchnngen von Nösselt, Neander, Hesselberg (1848); Uhlhorn, Fundani.
Chronol. Tertull. 1852, (irotenieyer. Über Tert.s Leben und Sehriften ISC;;;.
ISiif), Kellner, Tüb. Quartal sehr. Bd. 52, 1870, S. 547 ff., Bd. 5:^, ISJl, S. 5S5ff..
„Katholik" Bd. 59, 1879, II S. 501 ff., Bonner Univ.-Prograimn, 1890, Hanek.
Tertull. 1S77, Bonwetseh, Die Schriften Tert.s nach der Zeit ihrer Abfassunjz.
187S. Für diti letzton Schriften Tertullians s. Rolffs in d. Texten und Unt<M>.
Bd. 12 H. 4, 1895. Chronologisches auch bei Neumann, Der rttm. Staat und
die allg. Kirche I, ls9<>. Cbcr die neueren textkrit. Arbeiten hat Ehrbar d.
Die altchristl. Litt, usw., 19(K), S. 4:«ff'. referiert-. Die best<? Charakteristik
Tertullians als Schriftst.'llcr hat Holl geliefert (Preuß. Jahrbb. Bd. 88, 18J»7.
S. 2()2ff.). Charakt^'ristik seiner Sprache bei Norden, Die antike Kunstprosn
2. Bd., 1S9S:, S. ()()() ff.
2) Echthcitsfragt'n spi<'len bei der Untersuchung der Schriftst^^llerei Teit.>
nur eine verscbwind<*ndc Holle. Zweifel, welche von Seniler u. a. z. B. gegon
Tertullian. 257
Für die Bestimmnng der AbfassuDgszeit der einzelnen Schriften ^
stehen nns zunächst folgende Hanpthilfsmittel zu Gebot: ^ (1) Direkte
geschichtliche Angaben und Anspielungen in den Traktaten,
(2) Röckbeziehungen in der einen Schrift auf die andere, (3) der
in den Grundzügen feststehende christlich-kirchliche Entwicklungs-
gang Tertullians (Katholischer Christ und Presbyter — Anhänger
der montanistischen Prophetie — Austritt aus der Kirche bez.
Ausschluß — heftiger Gegner der kirchlichen Disziplin und stür-
mischer Ankläger der Kirche als hervorragendes Mitglied der mon-
tanistischen Sekte — Austritt aus der Sekte, selbständiges
Konventikel-Haupt).
(Ad 1) Ein direktes chronologisches Datum findet sich in
Adv. Marc. I, 15; hier sagt Tertullian, daß er im 15. Jahre des
Severus schreibe. Also ist die dritte Ausgabe ^ des 1. Buchs gegen
Marcion im J. 207/8 publiziert worden ^
Das Apologeticum ist^ wie ich Ztschr. f. KGesch. Bd. 11, 1878,
S. 574 fiF. gezeigt habe, im J. 197 verfaßt worden, und in demselben
Jahre, aber etwas früher, erschienen die Bücher Ad nationes. Diese
«iie J^chriffc Scoqiiace ausgesprochen worden sind, sind mit Recht verstummt.
Nur in bezug auf den Traktat adv. Judaeos herrschen große Bedenken. Was
sonst nocli kontrovers bez. sicher unecht ist, wird unten zur Sprache kommen.
Tertullian ist, weil er als Ketzer galt, davor bewahrt geblieben, daß ihm zahl-
reiche iSchrift-en, sei es absichtlich, sei es durch Zufall, beigelegt worden sind.
Nur weniges ist ihm unbefiigt zugeschrieben worden, und dieses Wenige läßt
ttich schnell beseitigen.
1) Zu Ilierouymus Zeiten gab es noch einen, wi(» es scheint, sehr voll-
ständigen Index Oi)p. Tertulliani ; denn Hieron. schreibt ad Fabiolara (ep. 64, 23):
„Fei-tur in Indice Septimii Tertulliani liber de Aaron vestibus, qui intcrim
iisque ad hanc diem a me non est repertiis; si a vobis proj)ter celebritat-em
T'rbis fuerit inventus, etc."
2) Aus der lUnhenfolge, in welcher die Schriften im Cod. Agobardinus und
in anderen Tert.-Codd. stehen, sind chronologische Schlüsse nicht sicher zu ge-
winnen. Wichtig aber ist es, daß im .Agobard. die Schriften, welche die bitt^irsten
Angrifle gegen die Katholiken enthalten, fehlen und gefehlt haben. Daher ist es
wahrscheinlich, daß die für uns verlorenen Traktate De spo fidelium und De
])aradiöo, die der Agobard. einst enthalt<»n hat (jetzt sind sie weggerissen), nicht
so schwere Beschuldigungen gegen die große Kirche enthielten. Vielleicht ist
O.S doch chronologisch nicht unwichtig, daß diese Schriften im Agobard. ihre
Stelle zwischen Do carne und De virg. vel. gehabt haben; denn daß in diesem
Kodex De spectaculis und De idololatria, sowie De oratione, De cultu fem. und
Ad uxorem zusammenstehen, ist wohl kein bloßer Zufall.
3) Die früheren sind uns nicht erhalten; s. Adv. Marc. 1, 1.
4) In Adv. Marc. III, 24 wird der große orientalische Kriegszug des Se-
verus (vom J. 108) erwähnt („]»roxime expunctum est orientali expeditione").
Das „proximc" darf, wie der Zusammenhang lehrt, nicht gepreßt werden.
Neben dem oben angeführt-en Datum ist dieses unerheblich.
Harnack, Altchristi. Litteraturgesch. IT, 2. ]7
258 ^^ Litteratur des Abendlandes.
Daten sind jetzt allgemein anerkannt Sie stützen sich auf Apo-
log. 35. 37 und Ad nat. 1 17 (sowie auf die Erwähnung des Severus
— „constantissimus principum" — in Apol. 4). Hier bezeugt Tert,
daß die Katastrophe von Lyon (19. Febr. 197) eingetreten war,
die Exekutionen aber noch im Gange sind, und zwar ist ganz
deutlich die politische Situation im Apolog. etwas weiter vorgerückt
als in Ad nationes. Das Apologeticum ist also den beiden Büchern
Ad nat auf dem Fuße gefolgt Das bestätigt sich auch (im Gegen-
satz zur umgekehrten Annahme) erstlich aus einer Fülle stilistischer
und sachlicher Verbesserungen im Apolog. (vgl Hauck, Tertullian
S. 72f., besonders aber Hartel, Patristische Studien II in den
Sitzungsber. der Wiener Akad. Bd. CXXI, 1890 „Zu Tertullian
Ad nat" S. 15 ff.), zweitens aus Verweisungen auf die später zu
edierende Schrift, nämlich auf das Apolog. (s. Ad nat I, 3. 7. 10.
15; II, 7)^; dieses ist somit gegen Ende des J. 197, die Bücher Ad
nationes in den Sommer oder Herbst 197 zu setzen.
In dieselbe Situation gehört aber auch die Schrift Ad martyres ;
denn erstlich deckt sich das historische Material in Beispielen usw.,
welches dieser Traktat enthält, mit dem Material im Apolog. und
Ad nat, zweitens beziehen sich die Schlußworte (c. 6: ,,Ad hoc
quidem vel praesentia nobis tempora documenta sint, quantae
qualesque personae inopinatos natalibus et dignitatibus et corpo-
ribus et aetatibus suis exitus referunt hominis causa, aut ab ipso,
si contra eum feceriiit, aut ab adversariis eius, si pro eo steterint")
augenscheinlich auf dieselbe politische Situation, wie das Apolog.
und Ad nat (vgl. Spartian., Sever. 12. 13). Es ist aber unser
Traktat etwas früher verfaßt als die beiden genannten; denn in
1) Gegen Grotemeyer und Ebert hat Nöldechen (S. 25 ff.) das Rich-
tige hier gesehen; Hartel bietet eine Tafel der Parallelen zwischen l>eiden
Schriften mit wertvollen kritischen Amnerkungen, vgl. auch „Patristiöcho
Studien" 111. Daß auch das FI. Buch Ad nat. dem Apolog. vorhergeht, ergibt
sich schlagend aus einer Stelle, wo Tert«. den Text jener Schrift in dieser
verbessert hat (Ad nat. U, IG: „Pornj^eius", Apolog. 11 richtig „Lucullus"). —
Aus Ad nat. 1, IG ergibt sich, daß die Stadtpräfektur des auch von Hippolyt
genannten Fuscianus = Seius Fuscianus (unter Commodus, wahrscheiulicb
188/9, 8. Prosopogr. II p. 133, 111 p. 191) hinter der Abfassung dieser Schrift
liegt, was übrigens ohnehin klar ist. Auffallend ist es auf den erst-en Blick,
daß Tertullian 1. c. I, 7 sagt, das Ohrist^intum sei noch nicht 250 Jahre alt,
ja c. 8 bemerkt, es sei noch nicht 3CK.) Jahre alt. Monceaux (Hist. litt. 1
p. 197) will korrigieren; aber das scheint mir unnötig. Die Zahlen erklären
sich, wenn man beachtet, daß Tert. unmittelbar vorher gesagt hatte: „Principe
Augusto nomeu hoc ortum est". Da die Regierung des Angustus vom J. IJi»
a. Chr. gerechnet wurde »ind es für den Zweck, den Tert. hier im Auge hatt<»,
gleichgültig war, in welchem Jahre des Augustus Christus geboren worden ist.
so knunte er sehr wohl sagen, 250 bez. 3(X) Jahre seien noch nicht verflossen.
Tcrtullian. 259
diesen hat Severus bereits den vollen Sieg über seine Feinde in
Händen, nnd Exekutionen der Albinianer und Nigiüaner gegen die
Anhänger des Severus kommen nicht mehr vor. Also fällt Ad
martyres in den ersten Anfang des J. 197 ^
Die kleine Schrift De pallio ist z. Z. der Samtherrschaft des
Severus, Caracalla und Geta geschrieben, also vor dem 4. Febr. 211
und nach dem Dezember 208^. Die Worte (c. 2): „Quantum urbium
aut produxit aut auxit aut reddidit praesentis imperii triplex virtns,
deo tot Augustis in nnum favente*', machen das J. 210 wahrschein-
licher als das J. 209^.
Die Schrift Ad Scapulam ist (nach c. 4) z. Z. des Caracalla
geschrieben (Severus' Tod ist vorausgesetzt), und zwar nach dem
Tode des Geta, also nach dem Februar 212, ferner nach der
Sonnenfinsternis vom 14. August 212 (s. c. 3)^. Scapula Tertullus
war Consul ord. anni 195 gewesen ^ Wie weit man mit der Schrift
in der Regierungszeit des Caracalla abwärts steigen muß, ist nicht
auszumachen. Doch empfiehlt es sich allerdings, sich nicht weit
von der Sonnenfinsternis zu entfernen, da sie noch in frischem
Andenken war. Man wird daher schwerlich irren, wenn man sie
in die 6 Monate 212/3, vom August an gerechnet, setzt.
1) Anderer Meinuug ist in. W. unter den Neueren nur Kellner (Tftb.
Quartaißclir. 1870 S. 591 u. Tert.s Sämtliclie Schriften, deutsch, I, 1882, S. 104).
Kr bezieht unsere Schrift auf das J. 202/3, weil keine größere Märtyrerzahl aus
dem J. 107 bekannt sei — ein nichtiger (^rund, da Ad nat. und Apolog. doch
deutlich genug Märtyrer voraussetzen.
2) Prosopogr. III p. 207. Damit ist das Jahr 208 ausgeschlossen, welches
Hauck (S. 381) und Schanz (S. 267) aus einem unerheblichen Grunde em-
pfohlen haben. Kellners Meinung (Tüb. Quartalschr. 1870 S. 5470".), De pallio
müsse schon im J. 103 (März bis Mai) geschrieben sein, ist unhaltbar; denn
die „triplex virtus imperii" kann unmöglich auf die drei Gegenkaiser bezogen
werden. Die „annonae otia" passen allerdings auf das J. 103, nicht aber die
».otia pacis" (c. 1). Zuzugestehen ist, daß der Ton der Schrift sich besser zu
der Zeit fugen würde, in der Tert. noch am Anfang seiner schriftstellerischen
Laufbahn als Christ gestanden hat, während er in der späteren Schriftst-ellerei
des Mannes noch singulärer ist; aber das kann nicht entscheiden, da die Schrift
überhaupt in ihrer Art ein Unikum ist.
3) Monceaux (Hist. litt, l p. 100) entscheidet sich für das J. 2()JI, da die
dreifache Herrschaft als eine „nouveaut^" vorgestellt werde. Aber diese „nou-
vcaut6" hatte ja bereits eine bedeutende Tätigkeit hinter sich. Schanz setzt
die Schrift gar schon in das J. 208 — sie sei in einer Friedenszeit geschrieben,
also vor dem batavischen Krieg — ; allein die Samtherrschafb begann ja erst
im Dez. 208.
4) Joh. Schmidt im Rhein. Mus. Bd. 40, 1801, S. 77. Er zeigt auch,
daß Pudens, Scapulas Vorgänger, -^ Valerius Pudens (200 oder 210 — 211) ist.
5) Nach Pallu de Lessert, Fastes des prov. Afric. 1806 I p. 252 ff.
Prokonsul in Afrika 211 — 213, aber dieses Datum ist aus TertuUian abstrahiert,
\T*
260 ^^ Litteraiur des Abendlandes.
Die Schrift De pudicitia fällt sicher in die Zeit der Regierung
des römischen Bischofs Rallist, also zwischen 217/8 und 222/3.^
Kailist ist, wie uns Hippolyt belehrt, der römische Bischof, der
das Edikt (De pudic. 1) in bezag auf die Fleischessünden er-
lassen hat
Die Schrift De monogamia ist nach c. 3 „ungefähr 160 Jahre*'
nach dem I. Eorintherbrief des Paulas verfaßt, d. h. zwischen 212
und 219. Aus unserer Stelle nämlich und anderen geht hervor, daß
sich Tertnllian ein Urteil über die Daten der Hauptereignisse des
apostolischen Zeitalters und der paulinischen Briefe gebildet hat
Dann aber kann er unmöglich den I. Korintherbrief vor das J. 50,
höchst wahrscheinlich nicht vor das J. 52, und nicht später als in
das Jahr 59 angesetzt haben. Man wird daher nicht irren, wenn
man auf Grund unserer Stelle die Schrift De monogamia zwischen
212 und 219 abgefaßt sein läßt. Daß sich dieser Ansatz aus anderen
Gründen bestätigt, werden wir unten sehen.
Die große Schrift De anima fällt nach dem Martyrium der
Perpetua (s. De anima 55). Dieses Martyrium gehört dem 7. März
202 oder 203 an^.
Dies sind die direkten Daten, die sich aus TertuUians Schriften
für die Zeit, in der sie geschrieben, entnehmen lassen.
(Ad II) Es ist geschrieben, bez. veröffentlicht:
Ad nationes vor Apolog. (s. oben).
De paenit vor De pudic. (s. c. 1).
De spect vor De idolol. (s. c. 13).
De spect vor De cultu I (s. c. 8)^
1) Vgl. meine Abhandlung, a. a. 0. S. 581 fl'. Der Beweiß liegt in De
pudic. c. 1, verglichen mit den Angaben des Hippolyt in den Philosoph, über
Kailist (ß. IX, 12: n^wtog [seil. Kallißt] rä n^og tag ^öovag roZg dv^QoSnoig
ovYX<tfQBiv insvoTjas, Xhyatv näaiv vre avzov dipieaS-ai d/xagvlaQ), Die Ver-
gleichung lehrt, daß der römißche Bischof, dessen Indulgenzedikt gegen dit*
Fleischessünden Tcrt. so scharf bekämpft, nur Rallist gewesen sein kann. Ober
die Zeit des Kallist ist in diesem Werke (Chronologie Bd. I) gehandelt
worden.
2) über das Datum des severianischen Christengesetzes und das Ver-
folgungsjahr habe ich in der Ztschr. f. KGesch. a. a. 0. S. 577 tf. gehandelt (vgl.
Neumann, a. a. 0. T S. 155 ff. 401 ff., der Wirths Ansätze in den „Quaestiones
Severianae" p. 82 ff. widerlegt). Es war das 10. Jahr des Severus = 202/H.
Damals brach die Verfolgung überall aus und forderte rasch ihre Opfer. Da
nun das Monatsdatum des Martyriums der Perpetua feststeht, so kann sie nur
am 7. März 202 oder 20'^ gemartert worden sein. Näheres s. bei diesem
Martyrium.
3) Hauck (S. 109) behauptt't (s. auch Mo nee au x), daß De spect. sicher
vor De bapt. und «len mit dit'ser Schrift zusammengehörigen Traktaten ge-
Tertullian. 261
De cultu II vor De orat (denn dort fehlt noch die Schleier-
ft-age).
De cultu U vor De virg. vel. (aus demselben Grunde).
De spect. vor De Corona (s. c. 6).
Apolog. vor De testira. animae (s. c. 5), trotz ApoL 17.
De testim. vor De carne (s. c. 12).
De Corona vor De fuga (s. c. 7 und De Corona 1).
De monogam, vor De ieiunio (s. c. 1).
De anima vor De resurr. (s. c. 2. 17. 42. 45).
De praescript. vor Adv. Marc, und den anderen ketzerbe-
sti'eitenden Einzelschriften (s. De praescript 44); Adv.
Marc. I, 1 spricht nicht dagegen ^
De praescript. vor Adv. Hermogenem (s. c. 1).
De praescript vor De carne (s. c. 2).
Adv. Apell. vor De carne (s. c. 8).
De praescr. vor Adv. Prax. (s. c. 2).
Adv. Jud. vor Adv. Marc. III (nicht um c. 7 willen, wohl
aber nach dem ganzen Verhältnis der beiden Schriften).
De exhoi-tat. vor De monog. (ist aus dem Inhalt beider
Schriften klar).
Adv. Marc. II vor Scorp. (s. c. 5).
Adv. Marc. II vor De anima (s. c. 21).
Adv. Hermog. vor De anima (s. c. 21).
Adv. Hermog. vor Adv. Valent (s. c. 16).
De spe fidel, vor Adv. Marc. III (s. c. 24).
De paradiso vor De anima (s. c. 55).
De paradiso vor Adv. Marc. V (s. c. 12).
.schrieben sei, und verweist auf De bapt. 5. Ich vermag in dieser Stelle keinen
IJeweis zu entdecken. Ob Hauck etwa doch im Rechte ist, darüber s. unten.
1) Ich habe früher da« „sustinebit" in dem Satze Adv. Marc. T, 1 („Sed
aliiis libellus hunc gradum sustiu«>bit adversus haereticos, etiam sine retractatu
doctrinanim revincendos, quod hoc sint de praescriptione novitatis") streng
futurisch gefaßt und geschlossen, daß der Traktat De praescriptione damals
noch nicht geschrieben gewesen sei. Allein De praescr. 44 (Nunc quidem gene-
raliter actum est nobis adversus haereses oinnes ... de reliquo, si dei gratia
adnuerit, etiam specialiter quibusdani respondebimus") schließt die Annahme
aus, Tertullian habe bereits vor Abfassung dieser Schrift Spezialscbriften gegen
rinzelne Häretiker verfaßt. Mit Bonwetsch (S. 43 f.), Schanz (S. 259) u. a.
ist <laher das „sustinebit" im Sinne einer bescheidenen Aussage zu fassen oder
vom Standpunkt der Leser zu erklären, die den Traktat De praescript. bisher
noch nicht eingesehen haben. Monceaux^s Meinung (Abhandlung p. 87), der
.^atz sei aus der ersten Ausarbeitung der Schi-ift gegen Marcion versehentlich
.stehen geblieben, ist nicht nur prekär, sondern verstößt auch gegen De
jujiescr. 44.
262 ^i^' Litteratur dcu Abendlandee.
Adv. Marc, vor Adv. Hermog. (s. c 10 und 16; doch vgl.
hierzu die Ausführungen über die verschiedenen Editionen
des Werkes gegen Marcion).
* Adv. Marc. I— III vor De resurr. (s. c. 2. 14).
Adv. Marc. IV vor De carne (s. c 7).
De carne vor De resurr. (s. c. 2 und De carne 25).
De resun*. vor Adv. Marc. V (s. c. 10).
Adv. Valent. vor De resurr. (s. c 59)?
De censu animae vor De anima (s. c. 1. 3. 11. 21. 22. 24).
De fato vor De anima (s. c. 20).
De monog. vor De ieiun. (s. c. 1).
Diese Rückbeziehungen, bez. die Fälle, in denen aus anderen
Gründen die PrioritÄt einer Schrift vor einer anderen sicher ist
ist für die absolute Chronologie der Traktate Tertullians von hohem
Werte.
(Ad in) Was die Gruppierung der Schriften nach dem Bil-
dungsgang Tertullians betrifft, so lassen sich am sichersten die
Traktate abgrenzen, die nach dem vollkommenen Bruche mit der
Kirche verfaßt sind. Hierher gehören De monog. (s. c 1. 2. 11. 14),
die nach diesem Traktat geschriebene Schrift De ieiunio (s. c. 1.
12. 16) und De pudicitia, ferner aber auch, doch ist die Aussprache
noch nicht so heftig, alle 5 Bücher Adversus Marcionem — denn
schon im ersten (c. 29) und dritten (c. 24) spricht er als Mitglied
einer eigenen, der großen Kirche gegenüberstehenden Gemein-
schaft* — , De Corona (c. 1), De fiiga (c. 1. 14), Adv. Prax. (c. 1».
De anima (c. 9) und deshalb auch (da sie später als De anima sind.
s. 0.) De carne und De resurr. Der Bruch ndt der Kirche fallt
also schon in das J. 207; S oder vor dieses Jahr; denn im J. 207;S
wurde das I. Buch gegen Marcion ausgegeben (s. o.)^. Daß die
Polemik gegen die „Psj^chiker'' immer heftiger geworden ist und
die Schriften De monog., De ieiun.. De pudicitia auch deshalb an
den Schluß gehören, läßt sich nicht verkennen; aber wenn Tertullian
1) Monceaux will hier nur „Spuren" des Montanismus sehen. Ich vor-
mag ihm nicht beizustimmen.
2) Rolffs (a. a. 0. S. 81 ff.) sucht zu zeigen, daß Adv. Marc. 1 — lll, femor
De Corona und De fuga der Bruch mit der Kirche noch nicht vorausfiresetzt
sei. Sein<3 Koweisfühnmigf ist nicht überzeuc^end. Die Einheit mit den Katho-
liken in der antignostischen Olaubensh^hre hat Tert. 8t<?ts festgehalten und
betont. Cbrijjfeni; erkennt Rollfs au, daß der Bnuh vor Adv. Marc. IV erfolgt Bein
muß. Do virjr. vel. rückt bei dies^en Annahmen bis gegen das J. 213 herunter.
De ecstarti bis 211, und von 202/3 bis über 211 soll sich der Moutanisniu>
innerhalb der «großen Kirche haben halten können (s. S. 10»), was a i»riorl
nicht wiihrscheinlich i.st.
Tertullian. 263
„apud nos"" im Gegensatz zu den Katholiken sagt (bez. „apud vos"")
oder gai- „inter nos et psychicos" (Adv. Marc. I, 29; III, 24; IV, 22),
so ist er bereits nicht mehr Mitglied der großen Kirche. Das ist
öfters übersehen worden und zugleich nicht gewürdigt, daß der
antikirchliche Ton in den auf die Disziplin bezüglichen Schriften
ein schärfer antikirchlicher sein mußte als in den antignostischen.
Ist nun der Bruch mit der Kirche nicht später als 207/8 an-
zusetzen, so fragt es sich, in welchen Schriften die neue Prophetie
von Tei-t zwar schon anerkannt ist, aber ihn noch nicht zum Bruch
getrieben hat. M. E. können hier nur vier Schriften in Betracht
kommen, nämlich De virg. veL, De exhort cast, Adv. Hermog. und
Adv. Valent Allein die letztere wird mit größter Wahrscheinlich-
keit nach dem Bruch angesetzt^; denn der Gegensatz: „Miltiades
ecclesiarum [man beachte den Plural] sophista, Proculus noster",
spricht doch wohl die volle Scheidung aus. Über Adv. Hermog.
müssen wir das Urteil suspendieren; denn es fragt sich, ob die Be-
ziehung auf Adv. Marc, der ersten oder der dritten Bearbeitung
gilt. Somit bleiben zunächst nur die beiden Traktate De virg. vel.
und De exhort. cast. In ihnen zeigt sich Tcrt in der Tat als An-
hänger der neuen Prophetie (s. dort c. 1, hier c. 10), ohne doch mit
der Kirche gebrochen zu haben. Dazu kommt, daß De exhort
deutlich eine Mittelstellung zwischen Ad uxor. und De monog. ein-
nimmt. Also sind diese Traktate vor d. J. 207,8 verfaßt
Wie lange vor d. J. 207/8 der Bruch mit der großen Kirche
erfolgt ist, wissen wir nicht; ebensowenig läßt sich das Jahr er-
mitteln, in welchem er von der neuen Prophetie Kunde erhalten,
bez. sie anerkannt hat. Eine Krwägung und eine Beobachtung aber
dürfen hier eintreten. Erstlich ist es nicht wahrscheinlich, daß der
Zeitraum zwischen der Anerkennung der Prophetie und dem Bruch
mit der Kirche groß gewesen ist — die montanistische Kontro-
verse war in der Kirche am Anfang des 3. .lahrhunderts bereits
So akut geworden, daß die Anhänger der neuen Prophetie sich
nirgendwo mehr lange in den Gemeinden zu halten vermochten — ,
zweitens bemerkt man, daß die severianische Verfolgung
des J. 202'3 sich nirgendwo in den Schriften Tertullians
unmittelbar spiegelt-, während doch die Akten der Perpetua
lehren, wie aufregend sie gerade auch in Nordafrika gewesen ist
Dieses Schweigen eines so lebhaften und den Zeitereignissen sonst
so pünktlich folgenden Schriftstellers, wie TertuUian es war, kann
1 <M'f?en Haiick S. 271.
*J- DalJ er einmal, in spatrror Zeit, sich jener Verfolpmg erinnert iDe
aninia j.")\ ist nnerhoMieh.
264 ^^ Litteratur des Abendlandee.
schwerlich anders gedeutet werden als durch die Annahme, daß
er in den J.J. 202/3 bis c. 204/5 überhaupt nicht geschrieben
hat, d. h. daß innere Kämpfe und Krisen ihn vom Schreiben ab-
gehalten haben K Mit dem Schweigen aber über die severianische
Verfolgung fallt ein Schweigen in anderer Richtung zusammen:
wir erfahren nirgends, wie Tertullian zur Anerkennung der neuen
Prophetie gekommen ist und nichts über die ersten Krisen. Es
ist daher recht wahrscheinlich, daß eben jene Verfolgung ihn für
die neue Prophetie zugänglich gemacht hat^, daß nun eine, wenn
auch nur kurze Periode innerer Unruhe und Unsicherheit folgte,
und daß deshalb in die der Verfolgung unmittelbar sich anschließen-
den zwei Jahre überhaupt keine Schrift*, dann aber vor dem vollen
Bruch mit der Kirche (d. h. jedenfalls vor dem Jahr 207/8) die
beiden Traktate De virg. veL und De exhoi*tat. fallen.
Monceaux und vor ihm andere haben gemeint, man könne
eine früheste Periode der Schriftstellerei Tertullians abgrenzen,
nämlich die Zeit, in der er noch nicht Presbyter gewesen sei.
Dieser Periode weisen sie die Schriften Ad mart, Ad nat, Apolog.
und De testimonio zu. Alle übrigen Schriften seien von Tertullian
als Kleriker geschrieben; man könne aber ermitteln, daß er Pres-
byter zwischen 198 und 200 geworden sein müsse; also liege der
terminus a quo für alle übrigen Schriften Tertullians — es wäre
das eine sehr erwünschte P>kenntnis — nach 198 bez. 200.
Allein Beweise lassen sich hier niclit bringen, weder für die Be-
hauptung, jene xiev Schriften seien von einem Laien geschrieben,
noch für das angebliche Datum der Presbyterwürde. Man beruft
sich darauf, daß in den beiden apologetischen Hauptschriften die
Eigenschaft Tertullians als Presbyter nirgends zu entdecken sei,
und behauptet, daß sie in der Schrift Ad martyr. hervortreten
müßte, wenn Tert. sie bereits besessen hätte; dagegen spräche Tert.
in dieser Schrift c. 1 so, wie nur ein Laie spreche *. Allein in den
apologetischen Schriften war schlechterdings kein Anlaß, mit der
geistlichen Würde hervorzutreten , und Mäi-tyrern gegenüber sind
1) Nur das wäre möglich (s. u.), ilaß er in dieser Zeit, uoch iimerhalb
«L'r Kin.'he stehend, für den Parakleten eine oder mehrere Schriften ge-
8clirie})en hat, aber nicht eine ims erhaltene — denn es muß sich in ihr dit»
sevenanische Verfolgung gesj)iegelt haben, und diese spiegelt sich in kein»^'
der auf uns gekommencMi — , sondern etwa das große verlorene Werk über die
Kkstase, bez. auch De spe fid(?lium und De paradiso.
2) Vgl. was Pjusebius h. e. VI, 7 von dem Schriftsteller Juda« berichtet.
.">) Eri s«*i denn De ecstasi, De spe fid. und De parad., s. not. 1.
4) .,Nec< tantus ego sum, ut vos alloquar. venim tamen et gladiatoros
l)erff'ctiösinios non tantum magistri et praepositi sui, sed etiam idiotae et
sui>ervacui (^nique adhortantur de longinquo etc."
Tertullian. 265
in gewissem Sinne auch Geistliche „Laien". Umgekehrt aber ist es
in jener Zeit selten, daß Laien die Feder für die Kirche führen;
wer das behauptet, muß es strikt beweisen. Ferner steht es nach
Apolog. 47 fest, daß Tertullian bereits den ganzen Präskriptions-
beweis gegen die Häretiker damals im Kopfe hatte. Soll er sich
wirklich als Laie so tief in die gnostische Kontroverse begeben haben?
Ich will die Möglichkeit nicht bestreiten, daß Tertullian jene
vier Schriften als Laie verfaßt hat, aber es bleibt im besten Fall
eben eine Möglichkeit. Eben deshalb wissen wir auch nicht, wann
er Pi'esbyter geworden ist, und haben somit hier keinen terminus
a quo, um die Abfassungszeit seiner übrigen Schriften zu be-
stimmen.
Die allerletzte Periode TertuUians, in der er sich auch von der
montanistischen Sekte getrennt hat, kennen wir nicht aus seinen
Schriften, sondern wir wissen von ihr lediglich aus der Tradition
(Augustin, Praedestinatus ; s. unten). Sie kommt daher für die Chrono-
logie der Werke TertuUians nicht in Betracht
Es ergeben sich somit zwei Hauptperioden der Schriftstellerei
TertuUians. Die ei'ste beginnt spätestens mit dem Anfang des
J. 197 (vielleicht schon irüher) und läuft höchstwahrscheinlich bis
zur severianischen Verfolgung (202'3): er ist damals noch nicht
Montanist gewesen. Die zweite beginnt spätestens im J. 207/8
(wahrscheinlich schon etwas früher) und läuft bis zur Zeit des
römischen Bischofs Kailist (2 17 '8— 222,3). Man kann in ihr die
Zeit der drei Schriften De monog., De ieiunio und De pudicitia
von der früheren Zeit unterscheiden. Zwischen den beiden Haupt-
perioden — also zwischen 202/3 und etwa 206/7 — liegt die Zeit,
in der er die montanistische Prophetie anerkannte, aber mit der
Kirche noch nicht gebrochen hatte. In die erste Hälfte dieses
Zeitraumes fällt schwerlich auch nur eine der uns erhaltenen
Schriften TertuUians; in die zweite fallen De virg. vel. und De
exhort cast., vielleicht auch noch andere Traktate ^
Das ist, was sich sicher und generell über die Zeit der Schrift-
stellerei TertuUians ermitteln läßt. Wir suchen nun, soweit es
mcjglich ist, das Datum jeder einzelnen Schrift zu bestimmen'^.
1) Wieviel Zwischenraum zwischen den drei Editionen <les Werkes Adv.
Marc. (s. I, 1; 11, 1) liegt, wissen wir leider nicht.
2) Von unsicheren Zeitspuren, deren namentlich Nöldechen eine FüUe
ennittelt hat, sehe ich in der Regel ab. Was nützt es, sie zu drehen und zu
wenden, um schließlich gestehen zu müssen, daß sie fnigwnrdig sind oder nicht
weiter helfen. Notgedrungen bin ich aber doch auf ein paar solche „Spuren"
eingegangen, die meine Vorgänger für besonders wichtig erachtet haben.
266 ^»^' Litteratur des Abendlandes.
(1)— (4) Ad mart, Ad nat, Apolog., De testimonio.
Über die Zeit der drei ersten Schriften ist bereits das Nötige
oben (S.257f.) bemerkt worden. Für die Frage nach dem Verhältnis
des Apologeticum zum Octavins des Minucius (s. dort) ist es von
hoher Wichtigkeit, daß das Datum des Apolog. feststeht Was die
Entstehung der kleinen Schrift De testimonio animae betrifft, so
wird man sagen dürfen, daß dem TertuUian eine Ansfuhrnng über
das Zeugnis der unverbildeten oder der aus ihrem Rausche er-
wachenden Seele (Apolog. 17) so anziehend und bedeutend erschien,
daß er sie in einer eigenen Schrift in breiterer Darstellung wieder-
holte. Da er in dieser Schrift nicht nur auf c. 17 des Apolog.
fußt, sondern ausdrücklich noch auf einen anderen Abschnitt de^
Apolog. (nämlich auf c. 19) verweist, also noch im Gedankenkreis
dieses großen Werks lebt^ so ist es sehr wahrscheinlich, daß der
kleine Traktat dem Hauptwerk bald gefolgt ist Daraus, daß er
in De carne (c. 12) erwähnt ist, folgt natürlich nicht, daß er erst
kurz vor dieser Schrift verfaßt worden ist 2.
1) Vgl. auch die Ausführungen über Curfcius und Rcguhis c. 4 mit Apolog'.
r)0, Ailv. nat. I, 18 und Ad mart.. 4.
2) In l)ozug auf die Textüberliefenmg des Apolog. hat uns jüngst Callo-
waert in einer sehr dankenswerten Untersuchung ,,Le Codex Fuldcnsis \v
meillenr Ms. de rAjiolog. de Tertullien" IHO'J (Sonderabdruck aus der Rfv.
d'hist. et dt' lifrt^r. reliJ.^ T. VI! nr. L>. .-J) anfgeklai-t.. V\^ie der Titel besagt-, hat
der Verf. nachjjjewiesen, daß der jetzt leider verlorene Fuldensis, dessen Variant«Mi
wir aber durch Modius kennen, der treueste, mit der griechischen Übersetzunir
(saec. III. init.), Rufin, <ler AlU^rcatio Heracliani und Isidor gehende Zeuge di's
Textes ist und daß die \'ulgata des Apolog., d. h. alle übrigen Handschrift^^u
auf einen schlimm korrigierten Archetyi»us zurückgehen. Dieser ist schwerlich
iilter als saec. VII. — X., stammt also wohl aus den Händen eines Korrektors der
karolingischen Renaissancezeit; der Fuldensis dagegen ist ein zwar roher, aber
von keinem Philologen, der den Text verständlich machen wollte, bearbeiteter
Edelstein. Ist aber die Cberlieferung im Fuld. die bessere und repräsentieren
alle übrigen Handsehriften ihm gegenüber einen Archetypus, so ist das Stück
von c. 'J'JiH) Hnchstaben, w«»lches in Ai)olog. 19 der Fuld. allein bietet, als
ursprünglicher B«.'standteil des Buches anzuerkennen. Daß es von TertuUian
herrührt, liätt-e nie bezweifelt werden sollen; denn Inhalt und Stil sprechen
dafür. Daher ist die Hypothese, die Lagardc aufgest<?llt hat (Septuagintn-
studien i. d. Abb. d. K. "(^esellsch. d. Wiss. z. (n)tt. Bd. 37, ISJÜ, S. Tl^ff.), da^
Stück sei dns Fragment einer alten lateinischen Apologie und vielleicht vom
Bischof Victor I. von Rom, zu verwerfen. — Über die griechische Übersetzung,'
des Ai»ologetiknms, die FiUS(;bius kannte und benutzt-e, habe ich in den Texten
und Unters. VIII, -1 gehandelt (s. dazu das neue Stück, welches ich Chronol. I
S. 00 111". nacligewieseu habe). Diese Übersetzung war wohl schon dem Juliu>
Africanus bekannt, ja vielleicht ist er der Übersetzer gewesen. An der Wahr-
scheinlichkeit dieser Tatsache halte ich fest, wenn auch nicht alle Gribnl»'
Tertulliiin. 267
(5) uud (6) De spectaculis in zwei Ausgaben.
Die lateinische Schrift ist (s. o.) vor De idoloL, vor De culta I
und vor De corona abgefaßt, und neben ihr hat Tertullian auch in
griechischer Sprache (s. De corona 6) denselben Stoff behandelt.
(Über das zeitliche Verhältnis der beiden Ausarbeitungen ist nichts
bekannt; die Ausdrucksweise Tertullians spricht jedoch mehr dafür,
daß die griechische die spätere ist.) ^ Nöldechen verlegt die latei-
nische Schi'ift in den Dez. 196; allein es fehlt ein wirklicher Be-
weis dafür. Zunächst steht fest, daß De spect., De idolol., De bapt,
De paenit, De orat. und De cultu fem. (üb. II) eine Gruppe
bilden:^ es spricht in ihnen der berufsmäßige Prediger
und Seelsorger, vor dem die Gemeinde in Gläubige und
Katechumenen gegliedert steht, und der namentlich die
letzteren im Auge hat^ Leider aber läßt sich nicht mit voller
Sicherheit ausmachen, ob diese Gruppe vor oder nach den sub
(1)— (4) genannten Schriften fällt; denn, wie oben gezeigt, Tert.
kann recht wohl bereits Presbyter gewesen sein, als er Ad mart. usw.
verfaßte. Für eine frühere Zeit könnte man sich auf die kanons-
geschichtlichen Archaismen berufen, die sich in De bapt, De orat.
und De cultu finden (s. dort) und die in den mittleren und späteren
Schriften Terts nicht mehr nachzuweisen sind. Indessen so genau
kennen wir die afrikanische Kanonsgeschichte nicht, daß wir sagen
könnten, was einige Jahre vor 197 möglich gewesen ist, sei gleich
nach 197 nicht mehr möglich. Also darf man sich auf jenes Argu-
ment nicht berufen. Was nun speziell De spect. betrifft, so be-
hauptet Ilauck (S. 16. 52), es sei in einer Verfolgungszeit ge-
schrieben, Bonwetsch (S. 34), es blicke auf eine jüngst vergangene
Verfolgung zurück, stamme aber aus einer Friedenszeit, Nöl-
stichhaltig sind, die ich a. a. 0. S. DO ff. aii<^olulirt halx.'; s. ^I«Mid«'lsöolin im
Philologus Bd. 52 S. oöOf. Daß die Cborrfetzung der vordeinaiiischcn Zeit an-
gehört, scheint mir anjjfenonimen worden zn müssen; denn nach d. J. 25U mußte
(lie Schrift als veraltet erscheinen. Am nächsten liegt es, die Übersetzung nicht
;\llzulange nach dem Original anzusetzen und nicht in die Friedenszeit unter
Alexander und Philii>))us, also in die Zeit des Severus, Caracalla oder Elagabal.
1) De cor. 0: „Sic itaque et circa voluj»tat<»s spectaculorum infamat^i con-
ditio est ab eis qui natura quidem omnia dei sentiunt, ex (^uibus spectacula
instmuntur, scientia autem deiiciimt illud quoque intellegen?, omnia esse a
diabolo mutata. Sed et huic nifiteriae propter suaviludios nostros (iraeco (luoqne
stilo satisfecimus."
2) Bestritten wird dies in bezug auf De idolol. von Monceaux; s. darüber
unten.
:J) S. De spect. 1, De idolol. 24, De bapt. 1. 17 f. 20, De paenit. 0, De cultu I,
n. 11; ir, 1. 4. li> und in bezug auf De orat. die ganze Anlage.
208 ^^^ Littenitur des Abendlandes.
de eben ^S. 36ff.)> es habe überhaupt noch keine neimenswerte
N'erfoignng in Karthago vor Abfassung der Schrift stattgefunden.
Unhaltbar ist unter diesen Ansichten die erstgenannte — in einer
Vei-folgungszeit schreibt man schwerlich De spectaculis, und c 27
(auf dieses Kapitel kommt es an) zeigt nicht eine gegenwärtig
wütende \ erfolgung -— ; zwischen den beiden letzteren ist es m. £.
nicht möglich, sicher zu entscheiden, wenn auch c. 19 mehr für die
Ansicht I^öldechens spricht. Die Schrift De spect. kann demnach
sowohl vor als nach 197 abgefaßt sein. Aus den Ausführungen
über die Schauspiele im Apolog. c. 38 haben Monceaux u. a. ge-
schlossen, daß De spect damals noch nicht geschrieben gewesen
sei, sondern gleichsam angekündigt werde >; aber auch das ist ein
zweifelhaftes Argument Es läßt sich also zunächst nicht mehr
sagen, als daß De spect. in die Zeit vor 202/3 gehört
(7) und (8) De baptismo haereticorum (griechisch;
und De baptismo.
Die uns erhaltene lateinische Schrift De baptismo, der eine in
griechischer Sprache verfaßte, uns nicht erhaltene, über die Ketzer-
taufe vorangegangen ist'^, könnte man geneigt sein, verhältnis-
mäßig spät zu setzen auf Grund folgender Erwägung. Nach
Augustin ' hat geraume Zeit vor Cyprian in Karthago ein Konzil
über die Ketzertaufe stattgefunden. Es liegt nahe, die Zeit diese.^
Konzils mit der Schrift Terts über die Ketzertaufe zu verbinden.
Das Konzil kann aber nicht vor De ieiunio abgefaßt sein; denn
nach dieser Schrift (c. 13) kennt TertuUian die Einrichtung der
Synoden noch nicht für Afrika, sondern nur für Griechenland; also
ist De bapt. haer. nicht vor o. 215 gesdirieben ». Allein dieser An-
1) Kür Mniu't.'uux ist «■> uurli ilosliiill> «icher, daß Do bi»oct. nach «ItMu
Apolüjr. fällt, weil t's nach ihm siohor ist, dalJ Apolof». von Tortullian als Laie,
Dr* }*i»i.'ct. von ihm als Presbytor verfaßt s«.'i; abor jtmcs haben wir obon be-
st ritt^'n.
*J) S. Dl* bai»t. IT): „Secl d»' isto ^scil. fibor die Kctzertanf**) nlenius iam
nobis in <irai'co dif^t'f<tnm est". Daß Hieronynms (nach Do vir. inl. 7) di«^
j^rier-liinche Schritt noch fjjekannfc hat, ist unsicher.
:\) Do unico bai)t. c. P.'til. i:j rJ2) cf. Cypr. ep. 71.
1) De ieiunio l-} („Aguntur per (iraecias illa c»'rtis in locis concilia ex
univt'rsis c('«'lcsiis, jmt quae et altiora qua«M.iue in connuune tractantur, et ipsü
n'nracsentatio totius noniinis Christiani ma^na veneratione cclebnitur") kann
mir so verstanden werden, daß die Kinrichtun«» vt»n großen Synoden damals
noch tjine spezitisch jrriechische und jedenfalls koine afrikanische Kinrichtunj?
jjcwesen ist. Die Stellt? De ]»udic. 10 widcrsjjricht dem nicht; denn wenn hier
vom Hirten d«'s Hennas jjjesaj^ ist, daß er „ab omni concilio ecclesiarum etiani
vi'strarum intcr apncryiiha et falsa" veriu'tcilt worden s«>i, so ist es i»ehr wohl
Terfcullian. 269
satz ist ganz unmöglich; denn nach De bapt ist Tertullian noch
nicht Montanist, vielmehr kirchlicher Presbyter, und die Schrift
gehört mit De orat etc. enge zusammen. Also hat Tei*tullians
Traktat über die Ketzertaufe zeitlich nichts zu tun mit dem afri-
kanischen Konzil unter Agiippinus. Man wird vielmehr geneigt
sein, den Traktaten über die Taufe einen frühen Ui-sprung zuzu-
sprechen, da man sich damals nach c 17 in der karthaginiensischen
Gemeinde noch auf die Acta Pauli als maßgebende Instanz berufen
hat Indessen wurde schon oben ausgesprochen, daß ein Argument,
sofern es sich um ein paar Jahre vor oder nach 197 handelt, von
hier doch nicht gewonnen werden kann. Es muß daher unent-
schieden bleiben, ob De bapt. vor oder nach dem Apolog. verfaßt
ist Auch hier kann man nur den terminus ad quem (202/3)
angeben K
(9) und (JO) Die Bücher de cultu feniinarum.
Die beiden Predigten \ die der Schrift De orat vorausgehen
(da auch die zweite noch nicht die Schleierfrage wirklich anrührt,
möglich, das „ctiam vestraruni" «.ebenfalls nur auf priecliischo Kirchen zu h<'-
ziehen. Diese engere Beziehung ist aber nicht notwendig; denn die „(H)nciliii"
an unserer Stelle können auch auf (endemische) Konzilien der einzelnen Gemeinde
bezogen werden (nicht auf Provinzialkonzilien). Ganz unwahrscheinlich ist ea
natürlich, daß sich in der Zeit zwischen den Schriften De ieiunio und De pudi-
citia die Provinzialkonzilien im Abendland bez. auch in Nordafrika eingebürgert
haben.
1) Nöldechen (a. a. 0. S. Ulf. Ü71f. ir>Oif., vgl. Ztschr. f. wissensch.
Theol. Bd. 31 S. 207 ff.) hat zu zeigen versucht, daß De bapt. und Adv. Valent.
in Rom geschrieben seien (vielleicht auch die Schrift Adv. Henuog.); für alle
übrigen Traktate Tert.s nimmt er karthaginiensischen Ursprung an. Ich kann
nieht finden, daß er für jene Schriften Rom als Ort der Abfassung auch nur
wahrscheinlich gemacht hat. Tert. kennt Rom ans eigener Anschauung von
früher her sehr gut; es ist natürlich nicht unmöglich, daß er auch später ein-
mal oder öfters in Rom gewesen ist, aber beweisen läßt es sich nicht. Am
scheinbarsten ist es noch, anzunehmen, daß er z. Z. seines Bruches mit der
Kirche in Rom geweilt hat; allein die Mitteilung des Hieronymus (De vir.
inl. 53): „invidia postea et contunieliis dericorum Ronianae ecclesiac Jid Montan i
dogma delapsus", braucht nicht notwendig so gedeutet zu werden.
"2) Die erstf' ist hOclist wahrscheinlich an eben getaufte Frauen gerichtet
(s. c. l); sie entbehrt übrigens eines rechten Schlusses. Die zweite wendet sich
eb(?nfalls speziell an die Frauen; ob an jüngst getaufte, st-cht dahin. Hauck
erklärt den abgebrochenen Schluß der 1. Predigt daraus, daß sie anders geraten
sei, als sie nach Tert.s G(»dauken werden sollte (nämlich subjektiver, unfreund-
licher und herber), und daß er deshalb eine neue Bearbeitung des Gegenstandes
begonnen habe (S. 31). Mir ist das nicht wahrscheinlich; denn in diesem Falle
hätte er die Ansprache doch wohl gänzlich unterdrückt. Ich nehme an, daß
Tert. aus seiner Lehrj)raxis heraus zweimal (Gelegenheit genommen hat, das
270 ^^^ Litterutur des Abendlandes.
die doch in De orat. schon behandelt wird), aber dem Traktat De
spect. nachfolgen, verhalten sich nicht wie zwei sich ergänzende
Ausführungen über ein und dasselbe Thema, sondern wie zwei selb-
ständige Darstellungen desselben Themas, von denen die zweite
auf die erste keine Rücksicht nimmt Also muß ein gewisser Zeit-
raum zwischen beiden Predigten liegen. Die erste zeigt, wie De
bapt., eine kanonsgeschichtliche Singularität, für die man geneigt
sein wird, eine möglichst frühe Zeit anzusetzen. Wie dort die Acta
Pauli als Autorität in Karthago angerufen werden, so hier — nnd
zwar von Tertullian selbst — die Apokalypse des Henoch (I, 3);
ja Tertullian tritt sogar denen entgegen, welche das Buch Henoch
verwerfen, während er die Autorität der Acta Pauli nicht gelten
lassen wollte.
Daß De cultu mit De bapt. De paenit und De orat, was die
Aufgabe und seelsorgerische Haltung betrifiOb, enge zusammenge-
hört, wurde bereits bemerkt, ebenso daß beide Bücher nach De
spect geschrieben sind. Das betreffende Kapitel in De cultu 1
(c. 8), wo dieses gesagt ist, lehrt uns aber noch etwas mehr. Die
Worte lauten: ,.Nam et omnes istae profanae spectaculorum saecu-
larium voluptates, sicut de illis suum volumen edidimns, ipsa etiam
idololatria ex rebus dei constat" Aus diesen Worten folgt, daß
die Schrift De idolol. noch nicht verfaßt war — denn sonst hätte
Tert auf diesen wichtigeren Traktat ebenso verweisen müssen wie
auf die Schrift De spect^ — , daß er sie aber, wie sie ja auch enge
mit De spect zusanuiiengehört, bereits im Sinne hatte. Also faUt
De cultu I zwischen De spect und De idolol.* Da sie aber ander-
seits mit De bapt, De paenit, De orat. nahe verwandt ist, so folgt,
daß diese Gruppe und die Gruppe De spect und De idolol. in
einen Zeitraum gehören. Die Beobachtung, daß in jener Gruppe
von Verfolgungen keine Eede ist, in dieser solche erwähnt werden,
kann nicht als Gegenargument geltend gemacht werden; denn auch
De spect (s. o.) ist in einer relativen Friedenszeit verfaßt Rück-
blick auf Verfolgungen und Hinweis auf den sich in der Arena
und bei den Schauspielen kundgebenden Fanatismus des Pöbels
gegen die Christen sind keine Beweise einer eben stÄttfindenden
Verfolgung. Dasselbe gilt von De cultu II, 13. Wenn es hier
wichtige Thema zu behaudolii. Das zweite; Mal hat or viel freundlicher «?»•-
rodet, und es ist dalier vielleicht zu vermut-en, daß man ihm Vorwürfe der
ersten Rede wej?eu geuiai:ht hat. Den schlechti'n Scliluß dieser weiß ich freilich
nicht zu erklären.
1) Sd richtig Haurk, S. VAK der auch mit Recht auf die Ahidichkcit der
Ausfiihnmg in De sjiect. und De cultu I aufmerksam macht, vgl. Bonwet.^ch
S. :\{\.
TertuUian. 271
heißt: „Ceterum tempora Christianis semper, et nunc vel maxime,
nou auro sed ferro transigantnr, stolae martyriorum praeparantur,
angeli baiuli sustinentur^, so ist damit eine Befürchtung bez. eine
Prophezeiung ausgesprochen, welche die Zeichen der Zeit nahe
legten. Auch wii-d das Thema sofort wieder verlassen. Gehört
also auch De cultu II in eine relative Fnedenszeit und fällt dieser
Traktat vor De orat (man vgl De cultu II, 7 mit De orat. 20. 22),
so steht die Reihenfolge De spect, De cultu I, De cultu II, De orat.
(De idolol. jedenfalls nach De cultu I) fest Aber es läßt sich nicht
entscheiden, ob auch De bapt nach oder vor oder in diese Gruppe
fällt, und es bleibt noch immer unsicher, ob alle diese Schriften,
zusammen mit den gleich zu nennenden Traktaten De paenit. und
De patient vor oder nach dem J. 197 zu setzen sind. Indessen die
Tatsache, daß in Adv. mart. die Verfolgung in Karthago etwas
ganz Neues zu sein scheint, während in unserer Gruppe von
Schriften Verfolgungen erlebt erscheinen, macht es doch über-
wiegend wahrscheinlich, daß diese ganze Gruppe der Zeit 198 — 202/3
angehört
(11) De oratione.
Wie nahe diese Schrift nach Anlage, Ausführung, Interessen-
kreis und Stil mit De bapt zusammengehört, wird jeder aufmerk-
same Leser empfinden*. Dazu: wie jene Schrift das Acta Pauli-
Zitat hat, dessen Autorität Tert freilich verwirft, so bringt De
orat I6eine Ausführung auf Grund des „Hirten", und zwar wird diese
Schrift von Tei-t. selbst noch anerkannt In seinen späteren Werken
findet sich keine Berufung auf den „Hirten" mehr oder höchstens
noch eine 2, dagegen findet sich ein scharfes Verwerfungsurteil in
De pudic
vl2) De paenitentia.
Auch hier spricht der vormontanistische Seelsorger und Lehrer
— der vormontanistische Standpunkt ist so ausgeprägt, daß Tert.
die Schrift später (in De pudic.) desavouieren mußte. Feine und
doch deutliche Verbindungslinien mit De bapt. und De orat sind
1) Das wäre freilich anders, wenn iius De orat. 20 'zu folgern wäre, Tert.
sei damals Laie gewesen (so Nöldechen S. ['2 f.). Allein das „nullius loci" in
dem Satze: „De habitu vero dumtoxat feniinanim varietas observationis efficit
post sanctissimum apostolum nos vel maxime nullius loci homines impudent-er
retractare", bedeut<it nicht eine Person ohne kirchliches Amt, sondern ohne
geistlichen Rang. — Daß Neander De orat. zu den letzten Schriften Tert.s
n-chnen konnte, ist schwer begreiflich.
*2) Vgl. das unten über die verlorene Schrift De c«?n!fu aniniae Bemerkte
272 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
unverkennbar. Welche der drei Schriften die älteste, welche die
jüngste ist, hat man ohne Erfolg zu ermitteln versuchte In allen
drei Schriften fehlen Beziehungen auf Verfolgungen; da aber De
oratione nach De cultu, also auch nach De spect fällt, so ist daraus
nichts zu schließen, und es bleibt in Kraft, was wir über die höhere
Wahrscheinlichkeit (nicht Gewißheit), daß alle diese Schriften
zwischen 198 und 202/3 fallen, bemerkt haben 2.
(13) De patientia.
Unverkennbar laufen einige Fäden von dieser Schrift zu De
paenit.^ und zwar scheinen sie rückwärts zu laufen (s. De pat. 12);
doch läßt sich Sicheres nicht erkennen. In der Frage der Flucht
1) Daß De orat. nach De paenit. verfaßt ist (s. De orat. 7), hat eine gtv
wisöc Wahrscheinlichkeit.
2) Nach Kellner („Katholik" 187911 ?. aClff.) und Nöldechen (S. öOfiP.},
dem Jülicher (Theol. Litt.-Ztijj. 1889 Kol. 334) und Rolffs (Texte u. Unters.
XII, 4 S. 86) beizustimmen geneigt sind, soll De paenit. sicher in den Anfang
des J. 204 fallen. Damit wäre eine ganz neue Chronologie geschaffen. Allein
von den speziellen drei Argumenten, die Nöldechen anführt, ist das dritte im
besten Fall ein bloßes Monatsdatum (c. 11 fin.: die Bemühungen der Bewerber
um ein Staatsamt), obschon nicht abzusehen ist, warum Tertullian es nicht in
jedem belieV)igen Moment anführen durfte. Der Hinweis auf die feuerspeienden
Borge (c. 12) versteht sich allerdings um einen (irad leichter, wenn eben ein
Auöbnich in der Nähe erfolgt war; aber Tert. nennt keinen einzelnen Bertr.
Somit ist es willkürlich, uns vorzuschreiben, wir müßten an den Vesnv-Aus-
briich vom J. 20:» denken, von dem Dio LXXVI, 2 berichtet. Die Behau]>tung
vollends, De i>aenit. 1 (Reue der Heiden über gute Taten) sei die Antwort Tert.s
auf die Rede des Kaisers Severus im Senat betreffs des Mordes an Plautian, ist
ungeheuerlich. Auch die anderen Argumente erledigen sich leicht; zwischen
De paenit. und De bapt. soll ein mehrjähriger Zwischenraum liegen, weil es
dort heißt (c. 0): „lavacrum obsignatio est tidei . . . non ideo abluimur ut delin-
<|iu're desiuamus, sed quia desiimus, quoniam iam corde loti sumus", hier da-
g»'gen (c. 0): „non quod in aquis spiritum sanctum consequamur, sed in aqua
<Miiondati sub angolo spiritui sancto praeparanmr". Als ob nicht damals (wi»»
luMito) ein katholischer Prediger an zwei aufeinander folgenden Sonntagen sn
verschieden sprechen konnte! Nöldechen hat sich nicht erinnert, daß schon um
d. .1. 2(.)() dio kirchliche Lehre an vielen Punkten eine complexio oppositorum
gewesen ist. vor allem bei Tertullian. Allen diesen Nichtigkeiten gegenüb. r
bleibt bostrhoii, daß der, welcher so von der zweit^Mi Buße gesprochen hat, wif
Tertullian in unserer Schrift, d<Mn Montanismus noch fernstand. Daß er «r«-
wisse Schmerzen bei ihr empfindet, ist gut katholisch.
:]) Diese Fäden sind längst aufgewiesen. Was NiUdechen (S. 02ff.) an
Zeitspuren aufgedeckt zu haben glaubt (für das Jahr 204), ist womöglich noeli
haltloser als das bei De paenit. Bemerkte. Nach Kellner (Kirchenlexikon -
S. MiY.l) int De ]»at. dio ältere Schrift gegenüber De paenit. wegen der Art, wir
dio Verfolginigen erwähnt werden. Das ist ein ganz unsicheres Argument.
Tertullion. 273
(c- 13) ist Tert. uoch nicht schroflF, und auch über die Buße scheint
er so zu denken wie in De paenit
(14) De idololatria.
Ein allgemeines Einverständnis war bisher darttber erzielt,
daß De spect und De idoloL enger zusammengehören, und die Kri-
tiker haben treffliche Argumente fttr diese Einheit — die Schriften
brauchen sich natürlich nicht auf dem Fuße gefolgt zu sein, s. o.
S. 269 f. — beigebracht Allerdings macht De idolol. einen gewal-
tigeren, herberen und schrofferen Eindi*uck, aber das liegt an dem
Umfang des Themas und der Großheit seiner Behandlung. In allen
Situationsspuren stimmen die beiden Schriften zusammen. Jüngst
nun hat Monceaux die beiden Schriften doch auseinanderreißen
wollen. Aber seine Gründe (AbhandL p. 89 n. 5, Hist litt I,
p. 206) sind nicht stichhaltig. Er behauptet, in c. 19 sei De Corona
vorausgesetzt, und fährt fort (AbhandL): „Le trait6, tout montaniste
d'inspiration, est tr^s postärieure au De spect, qu'il mentionne
(c. 13); il est contemporain de la „Couronne" et du „Scorpiace".
Die Behauptung, De Corona sei in c. 19 vorausgesetzt, bestätigt
sich nicht, und vom Montanismus fehlt in De idolol. jede Spur:^
Rigorismus ist nicht Montanismus. Es bleibt also dabei, daß De
idolol. mit De spect zusammengehört und bald nach dieser Schrift
verfaßt worden ist (c. 13).
(\ü) Die Bücher ad uxorem.
Wer diese Bücher aufmerksam liest, muß erkennen, daß Ter-
tuUian noch nicht Montanist gewesen ist, als er sie abfaßte, daß er
aber in dem Punkt der Ehe für die neue Prophetie besonders vor-
bereitet war 2. Das erste Kapitel des ersten Buches zeigt, daß er und
namentlich seine Gattin noch nicht im Greisenalter, sondern im sog.
besten Alter standen \ Mit Grund mußte er fürchten können, daß seine
Frau sich wieder verehlichen könne, wenn er stürbe. Näher läßt
sich die Schrift nicht datieren, wenn es auch wahrscheinlich ist,
1) In c. IT) hätte Tert., wenn er bereits Montanist gewesen wäre, schwer-
lich eine Bemerkung in diesem Sinne unterdrückt.
2) Vorbereitet kann er sehr wohl schon seit langem gewesen sein. Es
ist daher nicht richtig, mit Hauck, Bonwetsch u. a. die Schrift deshalb
nahe an die Grenze der montanistischen Periode zu rücken, weil Tertullian die
zweite Ehe so stark mißbilligt und von der Ehe überhaupt nicht hoch denkt.
3) Cf. Hieron. de vir. inl. 53: „llic usque ad mediam aetatem presbyter
ecclesia« .... ad Montani dogma delapsus". Tertullian mag also um das Jahr
LMK) zwischen 40 und 50 Jahre gezählt haben, also zwischen 150 und 100 ge-
boren sein, wahrscheinlich näher an 150.
Harnack, Alttliristl. Litte raturj;csch. II, 2. 18
274 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
daß Tertullian bereits ein bedeutendes Stück seines Tagewerks
hinter sich hatte, als er diese Privatschrift, die er doch der Öffent-
lichkeit nicht vorenthalten wollte, verfaßte.
(16) De praescriptiojne haereticorum.
Den Grundgedanken dieser dem Apolog. an Bedeutung nicht
nachstehenden Schrift hatte Tertullian schon im Kopfe, als er das
Apolog. niederschrieb (s. o. S. 265)*; „expedite", heißt es dort c. 47.
antem praescribimus adulteris nostris illam esse regulam
veritatis quae veniat a Christo transmissa per comites
ipsius, quibus aliquante posteriores diversi isti commen-
tatores probabuntur. omnia adversus veritatem de ipsa veri-
tate constructa sunt, operantibns aemulationem istam spiritibus
erroris.'' Montanistisches sucht man in diesem grundlegenden Trak-
tate vergebens — es könnte schlechterdings nicht fehlen, wenn
Tert die neue Prophetie bereits anerkannt hätte — , dagegen finden
sich Ausführungen, die ein Anhänger der neuen Prophetie schwer-
lich gebilligt hätte. Von einer Verfolgungszeit zeigt sich im Trak-
tat keine Spur, und an seinem Schlüsse erfährt man, daß Tert. bis-
her noch nicht gegen einzelne Häresien geschrieben hat. Also ist
die Schrift zwischen 198 und 202/3 abgefaßt, wahrscheinlich näher
an 198. Das in der Schrift benutzte, der Zeitgeschichte ent-
nommene Material führt nicht über die Zeit Mark Aureis und Commo-
dus' hinaus'^.
(17) und (18) Die erste und zweite Ausarbeitung des
Werkes Adv. Marcionem.
Daß die erste Ausarbeitung dem Traktat De praescr. gefolgt
ist, ist oben (S. 261 gegen Monceaux) gezeigt worden. Es ist aber
sehr wahrscheinlich, daß sie jenem Traktat bald nachgeschickt
wurde; denn für Tert. steht bereits dort Marcion unter den Häre-
tikern im Vordergrund, und man sieht, daß er schon eingehende
Studien über ihn und seine Kirche gemacht hat. Die erste Aus-
1) Auch sonst fehlen Beziehungen zwischen beiden i*'chriften nicht, s.
Hauck S. 1G7.
2) Angehängt ist in den Handschriften der Schrift der Traktat Adv. omne>
haereses, als wäre er die Einlösung des Versprechens, gegen die einzelnen
Häresien zu schreiben. Dieser Traktat ist nicht von Tertullian (s. u. b»^i
Victorinus), aber so wie er vorliegt, ist er zurecht gemacht, um die Schrift Do
praescr. fortzusetzen ; denn er beginnt mit den Worten: „Quorum haereticorum,
ut plura praetereara, pauca perstringam". Wie alt die Hinzufiigimg ist, dariibcr
s. auch unten. Im Cod. Leidens, geht Adv. haer. der Schrift De praeter, vor-
her, ebenso in vier anderen Handschriften.
Tertullian. 275
gäbe war kttrzer als die uns erhaltene (s. Adv. Marc. I, 1; 11, 1)
und „tibereilt". Tert zog sie daher selbst zurück K Wieviel Zeit-
raum zwischen der ersten und der zweiten Ausarbeitung, mit der
es dem Verfasser so übel ging 2, verstrichen war, wissen wir
nicht 14 ur das ist gewiß, daß die dritte (s. 0. S. 257), jedenfalls
Buch I— III, im J. 207/8 ausgearbeitet worden ist
(19)— (24) De virginibus velandis (griech. und lat). De ex-
hortatione castitatis. De ecstasi De spe fidelium. De
paradiso.
Im Agobard. stehen De exhort cast, De spe fid.. De paradiso,
De virg. vel. (in dieser Reihenfolge) nebeneinander (doch steht
zwischen der ersten und dritten die Schrift de came)^. Dieser
Kodex enthält aber keine Schriften Terts, die heftige Angriflfe
gegen die Kirche richten (s. 0.). Daß De spe fid. vor Adv. Marc. III,
De parad. vor De anima und Adv. Marc. V geschrieben ist, steht
fest *» Also ist De spe fid. vor 208 verfaßt und, da De anima nicht
vor 208 zu rücken ist, ebenfalls. Es bestätigt sich also, was wir auf
Grund der Annahme dieser Traktate in den Agobard. vermuteten —
De spe fid. und De parad. gehören innerhalb der montanistischen
Epoche Terts der früheren Zeit an. Fest steht ferner, daß De
virg. vel. und De exhort cast zwischen De orat und Ad uxor.
einerseits und De monog. und De pudic. anderseits fallen, und
daß diese Traktate in einer Zeit geschrieben sind, in der Tert
noch hoflfen durfte, die neue Prophetie in der Kirche zur An-
erkennung zu bringen, bez. die pax innerhalb der Kirche aufrecht
zu erhaltend Sehr probabel ist es endlich, daß das große Werk
1) J, 1 : „Primum opuscnlum quasi ])roperatum plenioro post<3a compositione
rcHcideram."
2) L. c: „(Alteram cditionem) nondum exemplariis suffectam fraude fcuuc
fratriö, dehinc apostatae, aisisi, qui forte descripserat quaedam mendosisBime et
exhibuit frequentiae. einendationis neceBsitas facta est; innovationis eius occasio
{(liquid adicere ])ersua.sit". Der Bruder hatte also das Original, als es noch
nicht vei'viel faltigt war, an sich genommen, es fehlerhaft exzerpiert, dieses
Exzeri>t publiziert und das Original vernichtet oder verloren. Diese zweit<? Be-
arbeitung war länger als die erst<?, aber kürzer als die dritte.
3) In dem vom Schreiber selbst vorangestellten Index ist sie durch Irrtum
verstellt (nach De carne et anima).
4) Beide Schriften fehlen jetzt, Hieronymus las De spe fid. (s. in Ezech. XE
zu c. 3(), 1 und sonst) ; vielleicht benutzt« sie auch Commodian (s. Sitzungsber.
d. K. Preuß. Akad. d. Wissensch. 1895, I S. 548).
5) Daß es eine solche Zeit in Nordafrika tatsächlich gegeben hat und daß
sie von 202 3 an zu rechnen ist, beweisen die Akten der Perpetua. Das hat
18*
276 ^^ Litteratar des Abendlandes.
De ecstasi Terts montanistisdies Hauptwerk gewesen ist, in welchem
er die montanistische Prophetie nnd seine Anerkennung derselben
ansffihrlich gerechtfertigt nnd den ihm noch nicht hoffnongslos
scheinenden Versuch gemacht hat, den Montanismos in der Kirche
durchzusetzen. Also fallt es höchst wahrscheinlich ebeuCalls in die
Zeit zwischen 203 nnd 207;8. Wie es z. Z. der Perpetua nur eine
Gemeinde in Karthago g^eben hat und Montanisten nnd Katho-
liken noch nicht getrennt waren, so scheinen auch unsere fünf
Schriften eine solche Lage der Dinge vorauszusetzen. Im einzelnen
sind hier noch folgende bestätigende Erwägungen anzustellen:
(i) Daß Tertullian. als er sich zur Anerkennung der neuen
Prophetie entschlossen hatte, diesen Schritt in einer ausführlichen
Schrift gerechtfertigt und zugleich die Kezeption des Parakleten
seiner Kirche energisch empfohlen hat, ist a priori und besonders
in Ansehung des schriftstellerischen Charakters Terts wahrschein-
lich. Er sagt aber auch selbst Adv. Prai. 1, rückblickend: «Et
nos quidem postea agnitio paracleti atque defenslo disiunxit a
psychids''. Keine der uns erhaltenen Schriften hat die ^defensio
paracleti'' zu ihrem Inhalt (auch nicht der Traktat De virg. veU;
dagegen muß das Werk De ecstasi eine solche ^defensio"" gewesen
sein (s. Rolffs i. d. Texten u. Unters. XII, 4, S. 73£). Es ist also
wahrscheinlich, daß eben dieses Werk zwischen der Anerkennung
des Parakleten und dem Bruch mit der Kirche gestanden hat Diese
\'erniutUDg bestätigt sich durch das, was uns über den Inhalt des
Werkes bekannt ist. Folgendes hören wir über dasselbe. Hierouy-
mus (De vir. inl 53) schreibt: „Specialiter [Tertullianus] adversum
ecclesiam texuit volumina De pudic, De persec, De ieiun.. De monog..
De ecstasi libros sex et septimum, quem Adversus ApoUonium con-
posuit". L. c. c. 24: „Huius [Melitonis] elegans et declamatoriuni
ingenium Tertullianus in VII libris quos scripsit adversus ecclesiam
pro Montano cavillatur dicens eum a plerisque nostrorum prophetani
putari**. L. c. c. 40: „Tertullianus sex voluminibus adversum eccle-
siam editis, quae sripsit De ixarao&i^ septimum proprie Adversum
ApoUonium elaboravit, in quo omnia quae ille arguit, conatur defen-
dere*'. Dazu Praedest. 26: „Scripsit contra eos librum S. Soter
papa Urbis et Apollonius Ephesiorum antistes. contra quos scripsit
Tertullianus presbyter Carthaginiensis. qui cum omnia bene et prime
et incomparabiliter scripserit, in hoc solo se reprehensibilem fecit,
(luod Montanum defendit^ agens contra Soterem supradictum Urbis
papam, adserens falsa esse de sanguine infantis, trinitatem in uni-
}W)nwet8ch (S. 75tf.) treiFlich nach^owieson. Daß sie aber nur bis zum
.lahre 204 gereicht hat, ist fra^licli.
Tertullian. 277
täte deitatis, paenitentiani lapsis, mysterüs iisdeni uiiuni pascha
nobiscum. ^hoc solum discrepamus', inquit, ^quod secundas
nuptias non recipimus, et prophetiam Montani de futuro
iudicio non recusamus*", cf. c. 86: „TertuUianum autem catho-
lica hinc reprehendit auctoritas, quod animam ex anima nasci dicit
et defendit Montanum et Priscam et MaxinüUam contra fidem catho-
licam et contra ApoUonium episcopum orientis et contra Soterem
papam urbis Eomae". Aus diesen Angaben ergibt sich nichts
Direktes über die Zeit der Abfassung des Werkes De ecstasi; denn
die Reihenfolge der tertullianischen Bücher bei Hieron., De vir.
inl. 53 ist keine chronologische; aber folgendes ist von Wichtigkeit:
(I) Das Werk war höchst wahrscheinlich griechisch geschrieben
(so auch Pamelius und Zahn); denn sonst hätte Hieron. nicht den
Titel griechisch angeführt, die Auseinandersetzung mit den griechi-
schen Bestreitern des kleinasiatischen Montanismus legte die An-
wendung der griechischen Sprache nahe, und die Tatsache, daß ein
Grieche dem Tertullian ein Echo gegeben hat (s. die Quelle von
Epiphan. haer. 48, 1—13), bestätigt sie; — ist es aber wahrschein-
lich, daß Tertullian eine seiner letzten Schriften griechisch ge-
schrieben hat? — , (2) es umfaßte ursprünglich 6 Bücher, und diese
enthielten eine umfangreiche Verteidigung des Montanus (s. das
^defendit" bei Praedest. und den Ausdruck „defensio" in Adv.
Prax. 1) in der Form der Rechtfertigung der Ekstase (s. den Titel
„De ecstasi" und den Ausdruck „aguitio paracleti" in Adv. Prax. 1),
also das, was man in einer Schrift, die grundlegend sein sollte,
erwartet. Außerdem setzte sich Tertullian in ihr mit den litte-
rarischen Gegnern der neuen Bewegung auseinander und fügte noch
ein 7. Buch hinzu, als ihm die Gegenschrift des Asiaten Apollonius
gegen Montanus (dieser schrieb im J. 1 97, s. Chronologie I, S. 724)
bekannt geworden war. Eine solche prinzipielle und historische
Auseinandersetzung, die zugleich eine Rechtfertigung sein sollte,
gehört an den Anfang der montanistischen Periode Tertullians und
nicht an den Schluß, (3) die Inhaltsgabe des Werkes bei Prae-
destinatus zeigt, daß Tert. in dem Werk lediglich die neue Pro-
phetie verteidigt und die zweite Ehe verworfen, weitergehende
Konsequenzen (namentlich in bezug auf die Buße) aber noch nicht
gezogen hat. Auch dies spricht dafür, daß das Werk zwischen
203 und 207/8 anzusetzen ist. Wendet man dagegen ein, Tertullian
hätte dieses grundlegende Werk in seinen späteren Schriften öfters
zitieren müssen, wenn es aus einer früheren Zeit stammte, so ist
zu sagen, daß er Adv. Prax. 1, aber auch wahrscheinlich Adv.
Marc. IV, 22 („Ratione qua defendimus in causa novae prophe-
tiae gratiae ecstasin i. e. amentiam convenire") auf das Buch zu-
278 Die Lifcteratur des Abendlandes.
rückblickt (sonst vgl. noch zur Ekstase Adv. Marc. I, 21; V, 8; De
aiiima 9. 11. 2^1. 45; Adv. Prax. 15). Daß dies nicht häufiger ge-
schehen ist, ^kann eben darin seinen Grand haben-, daß dasselbe
relativ friedfertiger war, d. h. noch nicht alle Konsequenzen des
Montanismus gezogen hatte und Katholiken und Anhänger der
neuen Prophetie zusammenhalten wollte. — Der Verlust keines
anderen Werkes Terts ist für uns so bitter wie der dieser sieben
Bücher. Besäßen wir sie noch, so würden wir u. a. das Aufkommen
des Montanismus in Nordafrika, seine hoflFnungsreiche Verbreitung
und seinen Stui*z (nachdem Praxeas gegen ihn agitiert hatte) er-
kennen können. Wir würden ferner die Beziehungen der nord-
afrikanischen Kirche zu Kleinasien und zu Rom ^ im montanistischen
Streit zu überschauen imstande sein^.
(2) Der Traktat De virg. vel. beginnt mit den charakteristischen
Worten: „Proprium iam negotium passus meae opinionis Latine
quoque ostendam virgines nostras velari oportere." Er hatte also
bereits in griechischer Sprache eine Schrift über diesen Gegen-
stand ausgehen lassen, aber sein „ihm eigentümliches Geschick "^
erfahren: er hatte seine Meinung nicht durchsetzen können. Er
versuchte es nun noch einmal lateinisch. Noch setzt er die Ein-
heit der Gemeinde voraus. Gleich in dem ersten Kapitel, in
welchem er für die „Wahrheit" gegen das „Herkommen" eintritt,
verweist er auf den Parakleten. Er tut zunächst so, als sei
die Sendung des Parakleten allgemein in der Gemeinde
anerkannt und sie bedürfe nur darüber eine Aufklärung, welche
Absichten und Zwecke derselbe verfolge. So konnte man in der
Zeitnähe der Acta Perpetuae in Karthago sprechen, später nicht
mehr. Gleich darauf freilich (c. 1 fln.) läßt er darüber keinen
Zweifel, daß nur ein Teil der Gemeinde den Parakleten wirklich
anerkennt, und daß die, welche sich für das schlechte Herkommen
auf die „Antecessores" zu berufen pflegen — also die Bischöfe*^ — .
1) Die dunkle Angabe des Hieronymus (De vir. inl. öS): „Invidia postoii
et contumeliiö clericorum Komanae ecclesiae ad Montani dogma delapsus*',
würde uns wobl auch verständlich werden. Ich vermute, daß sie eben aus
unserem Werke stammt, welches ja Hieron. nachweisbar f]jelesen hat.
2) Da Voigt es überaus wahrscheinlich gemacht hat („Eine verschollene
T'rkunde nsw." S. Hoff. lOSff.), daß die Quelle von Epiphan. 48 [Hippolyt] auf
Tertulliiiiis Werk De ecstasi antwortet, Rolffs aber (Texte u. Unters. XH, 4)
]»robable (uiinde dafür beigebracht, daß sich Tertullian in De ieiunio gegen
jene Quelle [Hipi^olyt] richtet, so erhält man die Reihenfolge: De ec^tasi,
.Hii»pol.l c. Montan., De ieunio.
3) (iemeint sind d<'r karthaginiensische und der römische. Daß man auch
an diesen zu denken hat, zeigt c. 2. Daß De virg. vel. und De ecstasi sich
zeitlich nahe stehen, ninnnt auch Kolffs an. Der Hinblick auf den römischen
TertuUian. 279
ihn verwarfen. Aber das kann den Eindruck nicht verwischen,
daß die Gemeinde noch immer eine einheitliche ist C 2 lehi*t, daß
Tert die Möglichkeit einer „divisio corporis "^ lediglich als schreck-
liche Konsequenz vorhält K Also gehört die Schrift wirklich in die
JJ. 203—207/8, bez., da der severianischen Verfolgung gar nicht
mehr gedacht wird, in die JJ. 204—207/81
(3) Nicht anders steht es mit der Schrift De exhort cast, die
an einen Einzelnen gerichtet ist, aber doch der ganzen Gemeinde
gilt Tert spricht hier als Katholik, aber als ein Katholik, der
die Offenbarungen der „heiligen Prophetin Prisca" anerkennte Ab-
gesehen von dieser einen Stelle findet sich nichts in der Schrift,
was da zeigt, daß er Montanist war; denn die Anweisung, nicht
wieder zu heiraten, begründet er zwar schärfer und prinzipieller
als in Ad uxor. I, aber es fehlen die beleidigenden und maßlosen
Invektiven, die wir in De monog. finden. Die Ausführungen am
Schluß der Schrift De exhort über das Paradies unterstützen in
willkommener Weise die Hypothese, daß die Schrift De paradiso
um dieselbe Zeit verfaßt ist.
;25) und (26) De Corona und De fuga in persecutione.
Der Bruch mit der Kirche erfolgte wahrscheinlich nicht um
der Verschleierungsfrage willen (so Hesseiberg und ü hl hörn),
sondern weil die afrikanische Kirche nach einiger Zeit, von Rom
aufgestachelt, Anhänger des Parakleten in ihrer Mitte nicht mehr
duldete (und weil sie die Verweigerung der zweiten Ehe für un-
statthaft erklärte). Es fragt sich nun, ob De Corona und De fuga
vor oder nach dem Bruch geschrieben sind. Daß sie enge zu-
sammengehören, unterliegt keinem Zweifel; denn die eine kündigt
die andere an (De cor. 1), und diese blickt auf jene zurück (De fuga 7).
Geschrieben sind sie nach einer langen Friedenszeit (De Corona 1:
..Musitant denique tarn bonam et longam sibi pacem periciitari") ^.
Damit ist die Frage eigentlich schon entschieden; denn eine lange
Friedenszeit waren nur die Zeiträume 197/8—202/3 und 203/4— 211/12.
l'i.schof in De \ny. vel. Ktollfc eine Klammer dar zwiachen dieser Schrift, De
♦'ostasi nnd der Notiz bei Ilieron., an die in der vorvorigen Note erinnert
worden ist.
1) Das „nobis" in dem Satze (j. 17: „Nobis dominus etiam rcvelationibus
v«'laminis ßpatia metatus est", bezieht sich nicht auf Montanisten im Gegensatz
zu Katlioliken, sondern auf Christen im Gegensatz zu Juden.
2) Gegen Monceaux, der die Schrift zwischen 208 und 211 setzt.
:i) S. c. 10.
4) Daß Verfolgungen wieder drohten, kann man aus De fuga nicht mit
\«»ller Sicherheit schließen, aber es ist doch wahrscheinlich.
280 ^e Litteratur des Abendlandes.
Jener Zeitraum ist aber ausgeschlossen; denn beide Schriften sind
montanistisch; also sind sie um 211 geschrieben. Damals aber war
der volle Bruch mit der Kirche schon eingetreten. Das läßt sich
allerdings nicht aus De Corona 1 folgern; denn diese einzige Stelle,
an welcher in De corona auf die neue Prophetie hingewiesen wird,
könnte auch so verstanden werden, als gehöre Tert. noch zur
Kirche, bez. ist in dieser Frage neutral („Plane superest, ut etiani
martyria recusare meditentur qui prophetias eiusdem spiritus sancti
respuerunt"). Allein an ein definitives Schisma zwischen Monta-
nisten und Katholiken hat Tert niemals gedacht (das beweisen
schon die antihäretischen Schriften, die er als Montanist ge-
schrieben hat); er fühlte sich daher auch für die katholische Kirche
noch immer verantwortlich. Dazu kommt, daß zwei Stellen in De
fuga (c. 1 und 14) keinen Zweifel übrig lassen. An diesen Stellen
spricht Tert nicht nur von «vos" (im Gegensatz zu seiner eigenen
Partei)^ und lehi-t, daß es in Karthago zwei getrennte und ge-
sondert verhandelnde Parteien gab, sondern er nennt auch in be-
leidigender Wendung die Menge der gi-oßkirchlichen Leute ,.tur-
bae" („Melius est, turbas tuas aliquando non videas") und kritisiert
ihre Vorsteher aufs bitterste. Also war das Tischtuch zwischen
den Montanisten (Tertullian) und der großen Kirche zerschnitten.
Somit sind unsere beiden Schriften in der Tat um d. J. 211 ver-
faßt Dann aber folgt, daß die „liberalitas praestantissinioruni im-
peratorum", die nach De corona 1 soeben erfolgt ist nicht die der
JJ. 202, 203, 204, 208- ist, sondern die des Jahres 211. Es ist
eine schöne Bestätigung unseres Ansatzes, daß gerade im J. 211,
welches (bez. seine nächste Umgebung) wir empfohlen haben, eine
Liberalitas stattgefunden hat. Daß sich Tertullian mit der großen
Menge der Katholiken überhaupt nicht mehr in einen Streit ein-
lassen will, fällt auch noch für das Jahr 211 (gegen 208) ins Ge-
wicht^. Gewisse Merkmale, die De fu^ra und De exhort gemein-
1) „Procnranda auteiu oxaniinatio [seil. «1«' faga] i)on<^R vor, i[uu si forte
[dieses „Ri forte" ptellt die Aiispagc nicht, alt^ fra^lirli liin, sondern i>t eine
ironische Kolorierung] paracletnm non recipiendo dednctoreni omnis veritatis
luerito adhuc etiaiu aliis quaestionibus obnixi estis".
*J) Auch 'jriS ist unwahrscheinlich, weil die Friedenszoifc damals noch nicht
lang genug war. Eingewurzelte (icpflogenheiten einer langen Friedenszeit —
solche setzt De fuga voraus — lassen die Annahme von S Jahren zutreö'ender
erscheinen als di<' von fünf
• >) Dag(»gen sich auf De corona 4 zu berufen, als wäre hier die Schleier-
frage milder y)eliandelt als in De virg. vel., geht niclit an; denn De corona 4
handelt von der jüdischen Sitte des Verschleierns, die christliche stellt in De
conma nicht zur Frage. Man kann sogar schließen, daß diese nun für Tert.
Tertullian. 281
sara sind, können dem gegenüber nicht den Ausschlag gebend Der
Vorschlag von Monceaux aber, De fuga um zwei Jahre von De
Corona abzurücken und in das J. 213 zu setzen (De Corona setzt
auch er in d. J. 211), hat keine genügende Basis. Auch für De
fuga wird man das J. 211 oder 212 anzunehmen haben.
(27) Ad Scapulam.
Daß diese Schrift in den nächsten Monaten nach der Sonnen-
finsternis vom 14. Aug. 212 abgefaßt worden ist (also zeitlich der
Schrift De fuga sehr nahe steht), wurde oben S. 259 konstatiert.
(28)— (33) Die dritte Ausarbeitung des Werks Adv. Mar-
cionem, Adv. Hermog. Adv. Valentianos. Adv. Apelleia-
cos. De censu animae adv. Hermogenem. De pallio.
Wir sind mit dem sub (25)— (27) Ausgeführten der Entwicklung
der Schriftstellerei TertuUians bereits vorausgeeilt und kehren zum
ei-sten Jahrzehnt des 3. Jahrhundei*ts zurück. Von den sechs im
Vorstehenden genannten Werken sind zwei sicher zu datieren:
Adv. Marc 1 (und darum auch II und Ili; denn diese drei Bücher
werden sich in kürzesten Zwischenräumen gefolgt sein) in der 3.
Bearbeitung fällt in das J. 207 8, und De pallio ist im J. 210 (209)
«reschrieben. Die Scheidung von der großen Kirche ist in Adv.
Marc. I, 29 und III, 24 („Wir", seil, wir Montanisten, „si nubendi
iam modus ponitur, cjuem quidem apud nos spiritalis ratio paracleto
auctore defendit", „apud fidem nostram est novae prophetiae sermo")
offenbar. Was nun die 4 anderen Schriften betrifft, so wird die
Streitschrift gegen Hermogenes von fast allen Kritikern mit Recht
zu den ersten antihäretisclien Werken TertuUians gerechnet; denn
alles Inioresse verloren hatte, weil si«» «lefiiiitiv zwisrlien Kiitholikeu und Mon-
tanisten entschieden war.
1) So im wesentlichen anch N öl de c hon (S. lOüÖ'.), der mir irrtümlich
meint, De fuga müsse im Dezember pres<hriel)en sein (der Ansjaelung auf die
Satumali«'n wegen, c. 13) und die Scrhrift Ad Sca]mlam vorhergehen. Beides
wird mit imzureiclnMiden (.iründen l)ehau]»tet und nun De fuga auf den De-
zember 21-, Ad Sca])ulam auf den Se]»teniber desselben Jahres, Do Corona in
den März 211 verlegt. Auch Hanck läßt mit Recht De virg. vel. vorangehen,
De cor. und De fuga folgen; aber unter Berufung auf IJhlhoru, der augeblich
die Abfassung von De corona i. J. 202 bewiesen habe, setzt er De virg. vel.
und De fuga in den Anfiing des 3. Jahrhunderts. Bonwetsch (S. 07 fF.) nimmt
zuerst einen Anlauf zum richtigen Ziel und scheint De cor. und De fuga um
d. J. 211 setzen zu wollen, korrigiert, sich dann aber selbst und wählt das
.1 ''^r'?':\
2S2 ^^ Litteratur des Abendlandes.
(Ij zeigt sie keine montanistischen Beziehangen^ (2) geht sie sicher
den Schriften Adv. Valent und De anima vorher (c 16. 21), (3) hat
Tert vor De anima noch eine zweite (jetzt verlorene) Schrift gegen
Hermogenes verfaßt (.de censn animae''), die der ersten schwerlich
sofort gefolgt ist Dagegen zeigt eine genaue Lektüre der be-
treffenden Schriften, daß Adv. Hermog. enge mit De praescr^ De
censu animae enge mit De anima zusammengehört^, so daß man
nicht in-en wird, wenn man Adv. Hermog. (wie De praescr.) in
den Zeitraum 198—202/3 (und zwar näher an 198, s. o. S. 274)^ De
censu aber höchstens wenige Jahre vor De anima setzt (Qber das
Datum dieser Schrift s. im nächsten Abschnitt). Die Verwertung
des „Hirten" in De censu macht es ratsam, sie innerhalb der ver-
fügbaren Zeit dem te.rminus a quo näher zu rücken als dem ter-
minus ad quem.
Adv. Valentinianos ist sicher nach Adv. Hermog. geschrieben
und setzt, wie S. 263 gezeigt worden, den Bruch mit der großen
Kirche bereits voraus^. Es kann daher nicht lange vor 208/9 ver-
1) Der Spott ,,nubit astjidue" (c. 1) braucht keineswegs montanistisch
zu sein.
2) Daß De ]>raescr. der Schrift adv. Hermog. unmittelbar vorhergeht,
haben Nöldechen (S. 5<). 155), Monceaux (Hist. litt. I p. 208), Heintzel,
Hermogenes, der Hauptvertreter des philos. Dualismus, 1902, S. 3 u. a. ge-
sehen. Man merkt bei der Lektüre von De praescr., daß TertuUian das Pulver
gegen Hermogenes bereits auf der Pfanne hat (im Cod. Leid, folgt Adv. Hermog.
auch unmittelbar auf De praescr., worauf indes kaum Gewicht zu legen ist).
Die Art, wie in c. 1 an den Praskriptionsbeweis erinnert wird, zeigt auch, daß
Tert. noch am Anfang seiner die einzelnen Ketzer bestreitenden Schiiftst-ellerei
steht. Auch scheint er die volle Virtuosität als Ketzerbestreiter noch nicht
gewonnen zu haben, als er Adv. Hermog. niederschrieb. Umgekehrt hat sich
Tertull. durch die Schrift De censu animae adv. Hermog. für das große Werk
De anima vorbereitet. Auch Heintzel (S. 4) nimmt an, daß dieses Werk
jenem Buche sofort gefolgt sei. „Do solo censu animae" — so beginnt De
anima — „congrressus Hennogeni, quatenus et istuni ex mat<»riae potius sug-
gestu quam ex dei flatu constitisse praesumpsit, nunc ad reliquaa conversu^
quaestiones plurimum videbor cum philosophis dimicaturus". Dann kommt er
immer wieder auf die ältere Schrift zunick (De anima 3. 11. 21. 22. 24 [bis]).
Daß wir von dieser noch Fragmente bei Philastrius besitzen und daß in diesen
ein Hemiaszitat enthalten war, habe ich in den Sitzungsber. der K. Pr. Akad.
d. Wiss. 189r> I S. 507 gezeigt.. Um des Hermaszitates willen muß man De censu
animae stark von De pudic. abrücken; denn in De pudic. ist Hermas verworfen
und geBchmäht. Auch in der dem Ambrosius beigelegten „Altercatio" über
den rrsi)ning der Seele scheint De censu benutzt zu sein (Sitzungsber. a, a. 0.).
iJ) Da in Adv. Hermog. eine Spezialschrift gegen Marcion schon vorauj«-
ge^etzt ist, so kann diese nur die erste Bearbeitung Adv. Marcionem sein. Dv
]>raescr., Adv. Marc. (I.Edition), Adv. Hermog. müssen sich schnell gefolgt sein.
4) Tert. phink» noch ein zweites Buch gegen die Valentinianer (s. c. 3. 6) und
Tertullian. 2S3
faßt sein ; da es aber höchst wahrscheinlich vor De resurr. (s. c. 59)
verfaßt ist, wird man es in die Zeitnähe von Adv. Marc. (3. Edition)
zu stellen haben.
Ebendorthin gehört vielleicht die verlorene Schrift Adv.
Apelleiacos, da sie vor De carne verfaßt ist (s. o.); doch ist es
ebenso möglich, sie früher, also bald nach Adv. Hermog. anzu-
setzen '.
Mit Hauck u. a. vermag ich nicht zu glauben, daß die dritte
Bearbeitung des Anti-Marcion (I— IV) sich über viele Jahre er-
streckt habe; Tertullian war bei dieser Bearbeitung seines Stoffs
<loch schon vollkommen Herr. Die drei ersten Bücher sind jeden-
falls, wie bemerkt, in kurzen Zwischenräumen einander gefolgt
(denn Buch I fordei-te zu seiner Ergänzung notwendig Buch II
und III)*-, und das vierte Buch war von Anfang an geplant^. Eine
größere Pause muß aber zwischen dem 4. und 5. Buch angenommen
werden; denn zwischen ihnen stehen die großen Werke De carne
und De resurrectione. Letzteres ist in Adv. Marc. V, 10 erwähnt,
während Adv. Marc. I— III von De resurr. (s. c. 2. 14), Adv.
Marc. IV von De carne (c. 7) vorausgesetzt werden*. Wir werden
daher nicht irren, wenn wir den Anti-Marcion I — IV (;{. Bearb.)
Iwitrachk'tt* dan edierte nur als Kinleitung. Ob er das Buch wirklich geschrieben
hat, steht dahin. Bonwetsch (S. 51) sucht seine Existenz aus De resurr. 59
zu erweisen, welche St<.'lle weder auf das uns erhalt-ene Werk Adv. Valent.
i-. -9 noch auf Scoi-j). 10 befiiedigend bezogen werden könne. — Die An-
zweiflungen der Echtheit von Adv. Valent. sind verschollen. Ob Tertullian den
Irenilus, den er in diesem Buche ausgeschrieben hat, neben dem Original be-
reits schon in der lateinischen Übersetzung kannte oder nur in der lateiniscjhen
l'bersetzung, oder nur im Original, darüber s. u.
1) Daß diese Sehrifb höchst wahrscheinlich in den l*hilosophumenen
Hippolyts und im pseudotertul lianischen Traktat Adv. omnes haereses benutzt
i>t, vii^lh'icht auch im Commonit. des Vincentius (c. 23), habe ich in mein^M*
I>i<5;ertation De Apellis gnosi monarohica (1874) gezeigt. Daß wir ein Stück
aus ihr in (;inem Zusatz zu Augustin, De haer. 24 (2:5) besitzen, darüber s. Text*»
u. Tnters., N. F. V, ■) S. '.KJtf.
2) Dagegen si»richt nicht A<lv. Marc. I, 21) fin.: „Sed i't totius opusculi
si*ries in hoc utique succedit. proinde si cui minus videmur egisse, sperat
n-servatum suo temjjore, sicut (»t ipsanim scri])turaiiim examinationem quibus
Marcion utitur". Die Stelle beweist mir, daß das erste Buch zunächst fiir sich
< (liert worden ist, und zeigt im übrigen die Einheitlichkeit des Plans.
:i) Das „olim", wiilches auf das erste Buch im 39. Kap. des vierten zu-
riirkweist, braucht keini'swegs mehrere Jahre anzudeuten. Das 4. Buch ent-
lu'hrt jeder Einleitung; es geht sofort zur Aufgabe selbst über und zeigt da-
iriit, wie enge es mit Buch 1 — III verbunden ist.
4) Bemerkt sei, daß zuerst im 1. Buch (IV, 22) der Name „Psychici" fiir
«I:»' Katholiken aut^aucht.
284 I^ic Litteratur des Abendlandes.
in die JJ. 207/8—209, Adv. Marc V aber ein paar Jahre später
ansetzen, weil jene gewaltigen Schriften sie trennen. In Adv.
Marc. V sind keine Spuren einer Verfolgungszeit Man kann es
daher entweder unmittelbar vor die Verfolgung unter Scapula oder
vielleicht besser nach Ablauf derselben setzen, da sich sonst die
großen Schriften zwischen 207/8 und 212 formlich drängend
(34)— (38) Scorpiace. De carne Christi. De resurrectione
carnis. De anima. De fato.
Die Schrift Scorpiace adv. Gnosticos läßt sich mit genügender
Wahrscheinlichkeit datieren; sie gehört in die Zeit der Scapula-
Verfolgung2; denn sie ist in einer brennenden Verfolgungszeit ge-
schrieben und setzt zugleich die Streitschriften gegen die einzelnen
Gnostiker voraus^.
Daß De carne und die ihr bald folgende große Schiift De
resurrectione zwischen Adv. Marc. IV und V fallen, wurde bereits
festgestellt. Sie stellen nach Adv. Marc. 1— IV, Adv. Apell. und
Adv. Valent. den zweiten großen Angriflf Tert.s ^egen die Gnosis
dar und sind daher in den Zeitraum 208/9 ff. zusammen mit dem
ihnen nachgesandten Buch V gegen Marcion (s. o.) zu verlegen.
Eine willkommene Bestätigung dieses Ansatzes bietet die Be-
obachtung, daß De fuga 8 deutlich zeigt, Tertullian habe sich da-
mals in dem Gedankenkreis bewegt, von dem De carne Zeugniis^
ablegt. Leider aber gibt es einen sicheren ternünus ad quem für
diese Gruppe nicht, es sei denn der terminus der antikatholisoheii
Branrtschriften.
1) Um auch das 5. liuch oiipfe au die vorhergeliendcn BB. ^egen Marcion
heranrücken zu können, bezieht Hauck (S. :-{37 f.) die Sclbstzitate Tert.s, das
Werk gegen Marcion betreffend, auf die erste Ausgabe. Allein wir haben
keine Gewähr dafür, daß Tert. bereits in der ersten Ausgabe des Anti-Marc ion
ein eigenes Buch gegen dessen Evangelium gerichtet hat. Ein solches aber
zitiert er De carne 7 („Quid iam responsum sit Marcioni in eo libello, quo
evangelium ii)8iu8 provocavimus"). Es ist doch sehr unwahrscheinlich, daß
Tert. sich die mühsame Arbeit, das Evangelium Marcions Abschnitt für Ab-
schnitt durchzugehen, zweimal gemacht hat, imd daß auch in der frühereu
Ausgabe diese Arbeit ein eigenes Buch ausgefüllt hat.
2) So auch Monceaux.
3) Kellner (Kirchenlex.2 Bd. 11 S. UOOf.) setzt ilie Schrift in die Se-
venis Verfolgung (ann. 203). Unmöglich ist dieser Ansatz an sich nicht, da
deutliche montanistische BekenntnißS(i fehlen; aber sie fehlen auch in Ad Sc<\-
pulam und waren durch den Zweck des Buchs nicht nahegelegt. AVüre die
Verfolgung die severianische, so würden die charakteristischen Züge derselben
doch wohl hervortreten. Sio fehlen aber. Dazu ist in c, 5 Adv. Marc. (Buch 11)
vorauRgesetzt.
Tertullian. 285
Wohin gehört aber das philosophische Hauptwerk De anima?
Zur Zeitbestimmung besitzen wir folgende Hilfsmittel (1) Es ist
älter als De resurr. (s. De resuiT. 2. 17. 42. 45), (2) es ist später
als die Schriften gegen Marcion (s. Adv. Marc U) und Hermogenes
(s. De anima 21). Diese Beobachtungen gestatten indes keinen
engeren Zeitraum abzugi'enzen als 198/200 und die Zeit von De
resurr.; denn Adv. Hermog. ist bald nach De praescr. verfaßt, und
<lie Beziehung auf den Anti-Marcion könnte der ei'sten Bearbeitung
dieses Werkes gelten. Allein in De anima ist auch De censu
animae benutzt, welche Schrift einige Jahre nach Adv. Hermog.
geschrieben sein muß (s. o. S. 281 f.), und aus De anima 9 folgt mit
Sicherheit, daß der Bruch mit der großen Kirche bereits erfolgt
war und Tertullian mit den Montanisten gesonderte Gottesdienste
hielt. „Est hodie soror apud nos revelationum charismata sortita,
<iuas in ecclesia inter dominica soUemnia per ecstasin in spiritu
patitur etc." Also fällt das gi-oße Werk nach De virg. vel. und
in die Zeitnähe von Adv. Marc (3. Bearbeitung). Daß wir uns
mit diesem Ansatz ungesucht dem der kleinen Schrift De pallio
nähern, also denx J. 210 (209), ist nur willkommen; denn es ist
recht wahrscheinlich, daß der „Philosoph" Tertullian, als welcher
€r in De anima erscheint, sich veranlaßt sah, De pallio zu
schreiben.
In De anima wird auch als geplant der Schrift De fato ge-
flacht, die nicht auf uns gekommen ist (De anima 20). Sie wird
nur hier und von Planciades Fulgentius ^ erwähnt. Wahrscheinlich
ist sie bald nach De anima verfaßt.
(39) Adversus Praxean.
Diese dogmengeschichtlich einflußreichste Schrift Tertullians
blickt auf seinen Bruch mit der Kirche als auf eine in der Ver-
gangenheit liegende Tatsache zurück und ist aus den modalistischen
Kämpfen herausgeboren. Allein die konkrete Situation ist so un-
sicher angegeben bez. so verschleiert, daß man nicht erkennt, was
ist Vergangenheit, was ist Gegenwart, wie weit denkt Tertullian
1) Edid. Holm (1808) |». lUi: „Nam et Tertullianiis in libro quem De fato
seripsit ita ait: „Reddo liuic fratri primum problematis mancipatum". Sehr
merkwürdig ist es, dali uns Hieronymus (De vir. inl. 58) berichtet, auch Mi-
iiuoius Felix — dor Doppelgänger Tertullians, nicht nur im „Octavius" (im
V»"rgl»?ich zum Apoloj^.), sondprn auch in seiner Eigenschaft als Romae insignis
<-ausidicus — habe einen Traktat De fato gesclirieben (vel conti*a mathemati-
cos), „tpii cum sit et i])8e diserti hominis, uon mihi videtur cum superioris libri
stilo convenire/*. Steckt nicht in der dreifachen Parallele ein Rätsel?
286 ^6 Litteratar des Abendlandes.
an römische Verh<iiisse, warum verdeckt er seinen Angriff auf
den römischen Bischof^ usw.? Es ist sehr wahrscheinlich, daß er
bereits die Stufe des Modalismus voraussetzt, die derselbe erst
durch Kallist gewonnen hatS aber ganz sicher ist es nicht; es
könnten auch Kämpfe z. Z. Zephyrins gemeint sein^. Daß Tert.
wie behauptet worden, von den antimodalistischen Schriften Hippo-
lyts abhängig sei, läßt sich durchaus nicht erweisen'. Man wird
sich daher mit dem Ansatz c. 213—218, d. h. vor den antikatho-
lischen Brandschriften und geraume Zeit nach dem Bruch mit der
Kirche, bez. auch nach, der antignostischen Polemik, bescheiden
mOssen^
(40)— (42) De monogamia. De ieiunio. De pudicitia.
Daß diese drei Schriften die letzten sind, die wir aus Tertullians
Feder besitzen» ist zu sicherer Anerkennung gelangt Auch die
Beihenfolge läßt sich mit Wahrscheinlichkeit angeben. De pudic
fällt (s. 0.) sicher unter Kaliist, also zwischen 217/8 und 222/8; De
monog. geht ihr höchst wahrscheinlich vorher (nach S. 260 ist sie
sicher zwischen c. 212— 219 verfaßt), und auch De ieiunio ist nicht
nach De pudic anzusetzen; denn das Indulgenz-Edikt Kallists
wäre schwerlich in De monog. und De ieiun. unerwähnt geblieben,
wenn es schon existiert hätte. De monog. und De ieiun. gehöi*en
also in die frühe Zeit des Kallists Der Eingang von De ieiunio
macht es gewiß, daß ihr De monog. vorangegangen ist, und zwar
vor nicht langer Zeit Auch ist De ieiunio noch um einen Grad
gehässiger als De monog. Alle drei Schriften tragen den Charakter
heftigster Anklageschriften gegen die Katholiken, die einfach
„psychici'' heißen, bestätigen also dadurch den Ansatz auf eine
späte Zeit^.
1) S. Rolf f 8 in den Texten u. Unters. XII, 4 S. 94 ff.
2) S. den Aufsatz von Lipaius in den Jahrbb. f. deutsche TheoL 18GS.
den von Nöldechen in den Jahrbb. f. protest. Theol. 1888 und Rolffs, a. a. O.
3) S. meinen Aufsatz in der Ztschr. f. d. bist. Theol. 1874 S. 2m,
4) Wenn Hieronymus, De vir. inl. 70 über das Werk des Novatiiin Do
trinitate schreibt: „de trinitato grande volumen quasi inttofirjv operis Ter-
tulliani faciens", so ist nicht zu schließen, daß Tert. ein sonst nirgends er-
wähntes Werk De trinitate geschrieben hat, sondern es ist unsere Schrift Adv.
Praxean zu verstehen.
5) Nicht in die Endzeit des Zephyrin; denn in De monog. 12 sagt Tei-
tullian, daß bei den Katholiken auch Digami in den Klerus kommen; Hip])ol..
Kefut. IX, 12 bemerkt, daß dies erst imter Kaliist geschehen sei.
0) Nach Kellner (Kirchenlex.2 XI S. 1411) soll De pudic. von den droi
Seh nften die älteste sein, weil sich in ihr keine ausdrückliche Verweisung
auf De monog. finde. — Das afrikanische Konzil unter Agrippinus über die
Tertullian. 287
i43)— (47) Ad amicam philosophum. De Aaron vestibus.
De carne et anima. De animae submissione. De super-
stitione saeculi.
Hieronymus erwähnt (Ep. 22, 22 [ep. 48?] und Adv. Jovin. 1, 13)
eine Schrift Terts de angastiis nuptiaram („ad amicum philo-
sophum"), die er als junger Mann verfaßt habe; sie sei in einem
leichten Tone gehalten gewesen („lusit")^ Sie ist verloren ge-
gangen; Kellner will sie mit De exhort east identifizieren (a. a.
(). XI S. 1402), was mir ganz unmöglich scheint Krüger (Gesch.
d. altchristl. Litt S. 172 f.) bezweifelt ohne Not die Existenz dieser
tertuUianischen Schrift
Von den Traktaten De Aaron vestibus (nur einmal bei Hieron.
ep. 64, 23 ad Fabiolam genannt). De carne et anima (vgl. den
gleichlautenden Titel einer melitonischen Schrift), De animae sub-
missione und De superstitione saeculi wissen wir nichts. Die Titel
der drei letztgenannten — nur um Titel handelt es sich — kennen
wir lediglich aus dem Index des Agobardinus^.
Ketzertaufe (8. o.), das nicht datiert ist, kann noch nicht gehalten gewesen
sein, als Tert. De ieiunio schrieb ; denn in dieser Schrift weiß er nur von grie-
chischen Synoden. Wahrscheinlich ist das Konzil zu der Zeit, als Kailist in
Rom regierte und die Ketzertauffrage wieder lebendig wurde, abgehalten wor-
den. Demnach ist De ieiunio 8i)äte8ten8 in der ernten Zeit Kallists verfaßt
worden, was mit dem obigen Ansatz stimmt. — Die Annahme von Kolffs
(Texte u. Unters. XIT, 4 S. Iff.), alle drei Schriften bezögen sich in erster Linie
auf römiwche Katholiken, hat viel fiir sich. Bei De pudic. steht es fest. Auch
die andere Hypothese von Rolffs (a. a. 0. S. 16 ff. 05 ff.) ist nicht unwahrschein-
lich, Tertullian polemisiere sowohl in De ieiunio wie in De monog. gegen je eine
antimontanistische, katholische, in Rom entstandene Anklageschrift, und zwar
sei die in De ieiunio bekämpfte von Kallist verfaßt, die in De monog. wider-
legte aber identisch mit der bei K])ii>han. haer. 48 erhaltenen (inindschrift
{h. o. S, 22f)). Strikt beweisen lassen sich diese Annahmen allerdings nicht.
1) Vielleicht sind mit dem „lusit" Verse gemeint, wie Vallarsi ver-
mutet hat.
2) Wahrscheinlich hat Tertullian auch eine Schrift De mundis et immun-
(lis animalibus und eine zweite De circnmcisione geschrieben; denn es ist
schwer, Hieronymus (e]). o<), 1) anders zu verstehen. Aber sicher ist die An-
nahme nicht, da Hieronynms' Angaben auch sonst nicht immer zuverlässig sind.
— Daß Ambrortiast<^r (zu Rom. 5, 14), Hieronymus (ep. 85, 5 und zu Galat. 1, 8),
Augustin (de Iiaer. SO) und Traedest. (haer. i'A)) Tertullianisches gelesen haben,
was wir heute nicht mehr besitzen — sei es, daß es in den oben angefiihrten
verlorenen Schriften gestanden hat, sei es in anderen, deren Titel sogar ver-
mißt werden — , habe ich Sitzungsber. d. K. Preuß. Akad. d.Wiss. 1895 S.;50<3. 570.
r)72. 574. 570 gezeigt. Aus der Angabe des Hieronymus (De vir. inl. 53: „fer-
tur vHxisse usqm» ad decrei)itam aetatem et multa (luae non extant opuscula
rondidisse") scheint man schließen zu müssen, daß eine ganz(; Kategorie von
288 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
(48) Adversus ludaeos.
ich habe dieses Buch bis zuletzt aufgespart, weil es dasjenige
ist, dessen Echtheit bez. Integrität den Kritikern große Schwierig-
keiten bereitet hat. Zuerst hat äemler (s. den Abdruck seiner
Kritik bei Oehler III p. 639ff.) die Echtheit des ganzen Buchs
in seiner überatürzenden Weise bestritten. Nean der (Antignosticus -
S. 458. 463 ff. 511flf.) beschränkte das verwerfende urteil auf die
zweite Hälfte, von c. 5 an. Ihm folgten viele Gelehrte (Lauf-
köther, Artik. „Tertullian* im Kirchenlex. >, Böhringer, KGesch.^,
2. Hälfte, Hauck, Tertull. S. 88 u. a.). Doch fand das Buch Ver-
teidiger an Kaye (bei Oehler III p. 727f.) und Grotemeyer
(Kempener Progi'amm 1865 S. 16ff.). Corssen (Die Altercatio
Schriften TertullianB, nämlich solche aus seiner letzten Lebenszeit, unterge-
gangen sei; aber ganz sicher ist der Schluß nicht. Niemand erwähnt diese
Schriften, und Hieron. selbst sagt ^^fertur^^ Das Gerücht kann sich auch auf
die erhaltenen letzten Schriften beziehen und von solchen ausgegangen sein,
die sie suchten und nicht mehr fanden, da sie in der Kirche nicht viel gelesen
worden sind. Augustin (De haer. 86) sagt, Tert. sei zu den Kataphrygem über-
gegangen, „quos antea destruxerat''. Man wird daraus nicht schließen dürfen,
daß Augustin antimontanistische Schriften Tert.8, die niemand sonst gesehen
hat, im Sinne hatte. Zu denken ist vielmehr an den Traktat De paenitentia
und an Ausführungen in den frühesten Schriften, in denen er behauptet hatt^,
alle Prophetie reiche nur bis Jesus Christus. — über die Hypothese, Ter-
tullian sei der Verfasser der Acta Perpctuae (so Ruinart, Robinson u. a.),
s. unten. — Irrtümlich sind dem Tertullian beigelegt worden (außer dem
Traktat Adversus omnes haereses) von Rufin und anderen die novatianisch«^
Schrift De trinitate (s. Hieron., adv. libros Rufini II, 9), in der Petersburger
Handschrift der novatianischo Traktat Do cibis ludaicis, ferner die carmina
Adversus Mareionem und einige andere Gedichte, von denen später die Rede
Kein wird. Die Meinung de Rossis, die Refutatio omnium haeresium des
Hippolyt sei von Tei-tullian, hat keinen Beifall gefunden und ist verschollen.
— Im J. 1080 edierte Suaresius aus dem Cod. Vatic. 3852 saec. X (Bedas
(■hronik u. a. enthaltend) ein am Ende des Kodex stehendes kurzes Fragment,
welches — die Angaben sind nicht ganz klar — Tertullians Namen in der
Cberschrift und die Aufschrift „De execrandis gentium diis" trägt, öhler hat
es (Bd. II S. 7ß(Jff.) abgedruckt, aber hielt es nicht für tertullianisch („decla-
matori alicui Tertulliani scriptorum non plane ignaro tribuerim"). Das Frag-
ment behandelt nach kurzer Einleitung die Jupiter- Geschichten (die anderen
„Götter"- Geschichten schlössen sich wohl an). Es ist ausgeschlossen, daß e.^
von Tertullian herrührt (s. den Satz: „At cetera« 'Jovis] corruptelas quas ipsi
confitentur, nolo conscribere, ne nirsus foeditas iam sepulta auribus reno-
vetur"); man wird es dem 4. Jahrhundert zuweisen müssen. Die Beziehungen
auf die lex Falcidia, Sonipronia, Papinia, lulia und Cornelia haben vielleicht
die Vermutung verursacht, es gehöre dem Tertullian. — Die hin und her in
Bibliotheken vorkomniendeu „Tertulliani declamationes" sind ein pseudoquin-
tilianirfches Werk.
Tertullian. 289
Simonis ludaei et Theophili Christiani, 1890) suchte nachzuweisen,
daß zwar die erste Hälfte des Buches echt sei und sich auch in
der zweiten Tertullianisches finde, daß aber der Hauptteil der
zweiten Hälfte eine gedankenlose Kompilation aus Adv. Marc III
sei. Demgegenüber unternahm es Nöldechen, nachdem er sich
schon früher für die Echtheit des Ganzen ausgesprochen hatte,
diese in einer gründlichen, aber auch sehr weitschweifigen Unter-
suchung zu erhärten (Texte und Unters. XII, 2 S. 1—92) und den
Nachweis zu liefern, daß Tert. in Adv. Marc. III die ältere Schrift
ausgeschrieben habe. Die französischen Gelehrten Duchesne
(Orig. du culte chr6tien p. 251) und Monceaux (Hist litt I p. 205)
haben die Echtheit nicht angetastet. Dagegen nahm Einsiedler
(De TertulUani adv. Judaeos libro, August Vindel., Programm, 1897)
die Corssenschen Thesen auf: die erste Hälfte des Werkes, zu der
ein paar Stücke aus der zweiten hinzuzuziehen seien, seien echt
(den umfang dieser Stücke bestimmt Einsiedler etwas anders als
Corssen), das Buch aber sei als Torso liegen geblieben — warum,
wisse man nicht — , dann habe es ein Kompilator aus Adv. Marc. HI
ergänzt („sed multos locos, cum eos non recte intellegeret, valde
depravavit et interdum aliquid ex suo ingenio inepte addidit");
dieser Kompilator habe schwerlich lange nach Tertullian gearbeitet
Durch die bisherigen Bemühungen ist jedenfalls das ins Klare
gestellt, daß die ersten 8 Kapp, der Schrift sicher echt sind; sie
besitzen auch bei dem Verf. der Quaest Vet et Novi Test (Pseudo-
Augustin = Ambrosiaster um 370) und Hieronymus sehr alte Zeug-
nisse ^ Femer ist sicher, daß diese Kapitel zu den frühesten
Schriften Tert.s gehören; denn nirgendwo hat er so entschieden
ausgesprochen, daß die Prophetie bis Johannes reicht und
daß es in der Christenheit keine Prophetie mehr gibt
(s. c. 8). Dazu kommt eine merkwürdige Übereinstimmung mit Adv.
nat (I, 14: „Quod enim aliud genus seminarium est infamiae nos-
trae?'* [seil, als das der Juden], cf. adv. Jud. 13: „Ab illis enim
incepit infamia") und die noch nicht ausgebildete Virtuosität des
Polemikeiu Wir werden also nicht irren, wenn wir die Schrift
nicht allzuweit von Apolog. und Ad nat rücken.
Was nun die zweite Hälfte betriflFt, so haben Corssen und
namentlich Einsiedler festgestellt, daß sich auch in ihr manches
echte (und zwar manu prima^ nicht als Kompilation aus tertulliani-
1) S. Sitzungsber. d. K. Preuß. Akad. d. Wiss. 1895 I S. 574. 569. — Merk-
würdig bleibt es, daß Tertull. hier Daniel nach Theodotion zitiert, in seinen
übrigen Schriften aber nach der Septuaginta; doch kann diese Beobachtung
nicht Ausschlag geben, da damals die beiden Übersetzungen auch sonst im
Gebrauch nebeneinander liefen.
Harnack, Altcbristl. Litteratargesch. II, 2. 19
290 ^^® Litteratur des Abendlandes.
schem Gut) findet In der Tat wird dieser erste Eindruck bei der
Lektüre stets der stärkste bleiben. Besäßen wir Adv. Marc III
überhaupt nicht, so hätte schwerlich jemand die Echtheit von Adv.
Jud. 9 — 14 in Zweifel gezogen; er hätte sich höchstens fiber die
mangelhafte Disposition im Verhältnis zu c. 1—8 und über einiges
Inkonzinne beklagt Weder im Stil; noch in den Anschauungen
findet sich m. E. irgend etwas Untertullianisches.
Aber das Verhältnis zu Adv. Marc, m macht allerdings große
Schwierigkeiten, umfangreiche Partien (Adv. Jud. 9 «= Adv. Marc
12—14. 16. 17; adv. Jud. 10 = HI, 18. 19; adv. Jud. 11. 12 = III,
20; adv. Jud. 13 = III, 23; adv. Jud. 14 = III, 7. 20. 21) sind wört-
lich identisch, und zwar erweist sich der Text in Adv. Marc, in
der Kegel sachgemäßer und ursprünglicher, der in Adv. Jud. min-
der sachgemäß und in einzelnen Wendungen unlogisch oder sonst
anstößig. Femer ist die Anknüpfung von c 9 an c 8 an sich
unerwartet und in ihrer Form befremdend (,Jncipiamus igitur
probare nativitatem Christi etc**). Weiter finden sich in c. 9—14
Wiederholungen zu dem in c 1—8 gesagten, und endlich befremdet
in c 8—14 die mit dem Plural wechselnde Anrede des Gegners in
der 2. Person; sie erscheint nicht sachgemäß, während alle diese
Anreden sich wörtlich ebenso in Adv. Marc ni, 8 finden und dort
nicht befremden, da Marcion auch sonst in dieser persönlichen Art
dort bekämpft wird*.
Hieraus folgt unzweifelhaft, daß Adv. Jud. jedenfalls nicht uno
tenore geschrieben ist Aber die Auskunft, TertuUian habe selbst
später aus Adv. Marc, den Traktat Adv. Judaeos ergänzt^ um ihn
für die Evangelisation brauchbarer zu machen, verbietet sich auf
Grund der Beobachtung, daß in c. 9—14 zweimal der Gedanke
wiederholt ist, den wir in c. 8 kennen gelenit haben, daß durch
Christus (d. h. nach Johannes) alle Prophetie aufgehoben sei und
sich in der Christenheit also keine Prophetie mehr finde^. Dieser
Gedanke steht natürlich in Adv. Marc. III nicht; denn Tertullian
hatte ihn, nachdem er Montanist geworden, völlig angegeben. Also
1) Vgl. „spectes" „quaere" „negabis" „inspicias" „aguosce" „didicisti"
„disce" „inquis" in Adv. Jud. 9 mit Marc. III, 12—14. 16; „age" „legisti"
„quaeres" „tibi" in Adv. Jud. 10 mit DI, 19; „aspice" „audeß" „tibi*' „poteris"
in Adv. Jud. 12 mit III, 20; „potes" „nega" „negas" in Adv. Jud. 14 mit
II r, 20. 21.
2) S. c. 11: „Post adventum Christi et passionem ipsius iam non visio
neque prophetes. unde firmissimo dicit adventum eins signare visum
et prophetiam". c. 13: „et ita subtractis charismatis prioribus lex et pro-
phetae usquc ad loannem fiicrunt, et piscina ßethsaida usque ad adventum
Tertullian. 291
kann er nicht selbst auf Grund von Adv. Marc. III seine frühere
Schrift ergänzt haben.
Wie ist nun zu urteilen? Die meisten Kritiker folgen einfach
Corssen (und Einsiedler) und behaupten mit Zuversicht, ein
Späterer habe nicht lange nach Tertullian aus Adv. Marc. III, 8
unsern — wie Einsiedler behauptet, unfertigen — Traktat ergänzt.
Das scheint die natürliche Lösung; aber man soll die Schwierig-
keiten nicht übersehen, die ihr entgegenstehen. Erstlich handelt
es sich nicht um einfache Hinzufügung von Exzerpten aus Adv.
Marc III (wie etwa Adv. omnes haereses an De praescr. angescho-
ben ist), sondern es steckt in c. 9—14, wie zugestanden, einiges
echt Tertullianische, welches sich nicht mit Adv. Marc. III deckt
und welches eigentümlich und kompliziert mit den angeblichen Kom-
pilationen verbunden ist. Zweitens ist ein zweifellos untertulliani-
scher Satz in c. 9 — 14 überhaupt nicht nachgewiesen — der als
flüchtig und absurd gescholtene Kompilator müßte also als Nach-
ahmer Tertullians seine Sache vortreflflich gemacht und sich an
keiner Stelle durch seinen Stil, sondern nur durch einige Flüchtig-
keiten und Sorglosigkeiten von TertuU. selbst unterschieden haben.
Drittens enthält c. 9 — 14 schlechterdings nichts, was in eine spätere
Zeit, sei es auch nur die Zeit des Kampfes mit dem Montanismus,
führte ; ja wir haben gesehen, daß ihr Verfasser sich zu dem hyper-
katholischen Satze bekennt» daß es in der BLirche keine Vision und
Prophetie mehr gebe. Ein Montanist und Gesinnungsgenosse des
späteren Tertullian kann der Kompilator also nicht gewesen sein;
er war mithin Katholik, aber ein Katholik, der sich die Gelegen-
heit entgehen ließ, an den Satz, daß die Prophetie mit Johannes
erloschen sei, eine antimontanistische Bemerkung zu knüpfen.
Überschaut man diesen Tatbestand, so scheint mir eine andere
Lösung des Problems zwar keineswegs zweifellos, aber wahrachein-
licher. Wir haben oben (S. 274) gesehen, daß De praescr. und die
erste Bearbeitung Adv. Marc, frühe Schriften Tertullians sind und
in die Zeitnähe des Apolog. gehören. Ebendahin gehört nach
unserer Meinung auch Adv. Jud.; aber nichts hindert, die erste
Bearbeitung von Adv. Marc, dem Traktat Adv. Jud. vorangehen zu
lassen. Dann ist folgende Möglichkeit ins Auge zu fassen: Bald
nach Adv. Marc. (1. Bearbeitung), die bereits die Ausführungen, die
wir jetzt in Adv. Marc. III (dritte Bearbeitung) lesen, enthielt (also
c. 12—14. 16—21. 23), sah sich Tertullian veranlaßt, gegen die
Juden zu schreiben. Er verfaßte c. 1—8 der uns erhaltenen Schrift;
in der Erkenntnis aber, daß die betreffenden Ausführungen gegen
Marcion auch gegen die Juden trefflich zu verwenden seien, fügte
er, entweder sofort oder nach kürzester Zeit, der Schrift gegen
19*
292 ^^ Litteratur des Abendlandes.
diese Selbstplagiate aus dem Anti-Mardon an. Sachlich hatte das
keine Schwierigkeit aber stilistisch ergaben sich solche, und er
hat sie, rasch arbeitend, nicht zu überwinden vermocht Es sind
bei dem ümgaß böse Anstöße stehen geblieben, die sich größten-
teils daraas erklären, daß die Situation gegenüber den Juden eine
andere Formgebung erheischte als die g^enüber Marcion. In
Adversus Marc, (dritte Bearbeitung) hat er dann natürlich nicht
das Buch gegen die Juden, sondern die ältere Bearbeitung als
Vorlage benutzt und diese unerheblich oder gar nicht verändert.
Warum ich diese Hypothese für besser halten muß als die
andere, nach welcher ein Kompilator die 2. Hälfte von Adv. Jud.
aus Adv. Marc. LQ (dritte Bearb.) angefertigt habe, brauche ich
nicht mehr darzulegen. Unsere Hypothese — sie vermeidet die
Schwierigkeit, ander Nöldechens Annahme scheitert, Adv. Marc DI
sei aus Adv. Jud. geflossen — wird, soviel ich sehe, allen Tatsachen
gerecht oder doch besser gerecht als die jetzt verbreitete Annahme,
die weder das primärtertullianische in c. 9 — 14, noch die paradoxe
Tatsache zu erklären vermag, daß die Anstöße, welche c. 9—14
gewähren und die ihre Anfertigung durch einen fremden Kompila-
tor erweisen sollen, nirgends die Sache und den Ausdruck be-
treffen, sondern durchweg nur die äußere logische Formgebung und
Verknüpfung. Unsere Hypothese erklärt auch, daß in Adv. Jud. 9 ff.
Abschnitte stehen, die sich tatsächlich gegen Marcion richten. Die
Annahme, daß ein Späterer — nicht Tert selbst — hier gearbeitet
hat, ist die schwierigere. Die Stilisierung der Kapitel ist für einen
solchen teils zu gut und wiederum zu schlecht.
Abgesehen von der Chronologie der Schriften sind uns nur
wenige Daten in bezug auf das Leben TertuUians (Q. Septimius
Florens TertuUianus *) bekannt Er ist Karthaginienser von Greburt
gewesen^; sein Vater war centurio proconsularis^. Er erwarb sich
neben der philosophischen und rhetorischen eine umfangreiche und
sichere juristische Bildung^, wahrscheinlich in Afrika und Eom,
1) über den Namen s. Rönsch, Das Neue Testament Tert.s S. 4; Jung,
Zu Tert.B ausw. Beziehungen (Wiener Studien Bd. 13, 1801, S. 231). Einen
Verwandten erwähnt Tert. de praescr. 39.
L*) Das bezeugen mehrere Wendungen in seinen Schriften (s. vor allem
Apolog. U) und Hieron., De vir. inl. 53.
3) Hieron. 1. c. und Chronik ad ann. 1*221. Die Stellung war eine sub-
alterne.
4) S. die Schriften und Kuseb., h. e. IF, 2, 4: TeQtv/Mavog tovg'^Pwfiaitav
Tertullian. 293
MO er eine Zeitlang auch als praktischer Jurist glänztet Sein
Leben als Heide war mit den gewöhnlichen Lastern der Zeit be-
fleckt 2. Da die Bekehrung zum Christentum (in Kom? in Kar-
thago? Die Motive sind unbekannt) einige Jahre vor 197 erfolgt
sein muß — nach dem Apolog. ist er kein Neophyt, ist in den
h. Schriften bewandert und wahrscheinlich bereits Presbyter^ — »
1) Euseb., 1. c: rct re iXXa ^vdo^og xal xcSv jnaXiara inl 'PcJ^jy^ ka/x-
TtQwv. Woher Eusebius diese Nachricht hat, wissen wir nicht; vielleicht stand
pie in der Einleitung zur griechischen Übersetzung des Apologetikums. Sie als
eine unrichtige Ausspinnung aus dem Apolog. aufzufassen und zu verwerfen,
liegt bei der bekannten vorsichtigen Art des Eusebius — anders wäre es, wenn
Hieronymus die Nachricht brächte — kein Grund vor. In der Frage, ob der
Tertullian der Digesten („De castrensi peculio liber singularis", Quaestiones
libri VIII) mit unserem Tertullian identisch ist, wird man bei dem gegenwär-
tigen Stande des Materials ein sicheres Urteil nicht abgeben können. Die
Wahrscheinlichkeit spricht für die Identität; denn die beiden Tertulliani sind
gleichzeitig, und die Schriften des Kirchenvaters bezeugen nicht nur seine
technische juristische Bildung, sondern auch, wie mir scheint, frühere juristische
l'raxis. Dazu kommt die oben mitgeteilte bestimmte Angabe des Eusebius.
Vielleicht läßt sich aber noch mehr sagen: nach Hieronymus war der Vater
Tertullians „centurio proconsularis" in Karthago; eine gewisse Vertrautheit
mit militärischen Dingen zeigt sich auch in den Jifchriften Tert.s (besonders
merkwürdig ist die Berufung auf ein Zeugnis der militärischen Kompagnie im
Apolog. c. 9: „Infant^s penes Airicam Satumo immolabantur palam usque ad
proconsulatum Tiberii, qui eosdem sacerdotes in eisdem arboribus templi sui
obumbraticibus scelenmi votivis crucibus exposuit, teste militia patriae
iiostrae quae id ipsura munus illi proconsuli functa est"). Sollt-e es
nun Zufall sein, daß der Jurist Tertullian „De castrensi peculio" geschrieben
hat? Dazu kommt, daß der Vater Tertullians trotz seiner subalternen Stellung
nicht ohne Vermögen gewesen sein kann. Das ergibt sich aus der ausgezeich-
neten Erziehung, die er seinem Sohn hat geben lassen, und auch aus ad uxor.
1, 1 folgt, daß sich Tertullian in gut^n Vermögensverhältnissen befiinden hat.
Sollte etwa die Schrift „De castrensi peculio" ihren Anlaß in persönlichen Er-
laubnissen Tertullians gehabt haben? Das Argument, das man der Identifizie-
rung des Juristen und des Christen Tertullian entgegenzusetzen pflegt — es
ist das einzige, welches man anführen kann; denn daß Tert. als Christ seine
juristischen Schriften nicht zitiert hat, ist kein Argument — , die Verschie-
denheit des Stils, ist sehr schwach; denn wie geringfügig sind die Reste, die
Avir von der Schriftstellerei des Juristen besitzen, wie verschieden sind die ju-
ristischen und theologischen Stoffe, und wie sehr hat Tertullian seinen Stil
Veranden müssen, als er für Christen oder als christlicher Anwalt zu schreiben
begann! Monceaux (Hist. litt. I p. ISO f.) meint, der Jurist Tertullian sei
■wohl ein Verwandter des Christen; er hält die Identifizierung für unstatthaft,
übersieht aber merkwürdigerweise die Angabe des Eusebius ganz. Recht hat
er mit dem Hinweis, daß der Name Tertullian auch sonst inschriftlich (für Dal-
matien, Britannien und Gallien) bezeugt ist; aber auf die Identität des Namens
allein hat sich niemand berufen.
2) S. zahlreiche Äußerungen in seinen Schriften. Das Stärkste steht De
3) Das wird allerdings bestritten, s. o. S. 264 f. [resurr. 59.
294 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
SO fällt die Periode als Advokat in Rom in die Zeit des Commodas
bez. auch in die letzten Jahre des Marcus. Daß er in dieser Zeit
in Rom gelebt hat, läßt sich auch aus den Schriften wahrscheinlich
machen K Geboren ist er demgemäß wahrscheinlicher um d J, 150
bis 155 als um das J. 160; denn in letzterem Falle müßte er in
sehr jungen Jahren ein berühmter Jurist in Rom gewesen sein.
Die Zeit 150—155 empfiehlt sich auch im Hinblick auf Ad uxorem*-;
denn diese Schrift hat er im „besten" Alter (s. o. S. 273 f.) geschrie-
ben, aber doch in einem Alter, in dem er ein großes Tagewerk
bereits hinter sich hatte und an sein Testament dachte, unter
der Voraussetzung, daß die Schrift Ad uxorem um d. J. 200 ge-
schrieben ist, ist der Ansatz 160 als Geburtsjahr zu spät; die Zeit
um 150 ist glaublicher. Die Angabe des Hieronymus: „usque ad
mediam aetatem presbyter fuit ecclesiae**, darf nicht gepreßt wer-
den; sie besagt nur, daß er nicht erst als Greis die Kirche ver-
lassen hat In den Schrecken der Verfolgung des Severus (202/3)
wahrscheinlich lernte er die Prophetie schätzen und erkannte sie
an; etwa 4 Jahre später brach er völlig mit der Kirche und mußte
brechen, unter Kailist (c. 218 — 222), dessen Zeit er sicher erreicht
hat, war er, vom J. 150 an gerechnet, ein Mann von rund 70 Jahren.
Dies würde ausreichen, um die Angabe des Hieronymus zu decken:
„fertur vixisse usque ad decrepitam aetatem"; doch mag er noch
einige Jahre länger gelebt haben. Wahrscheinlich ist dies sogar,
weil er nach dem Zeugnis des Augustin, haer. 86 (und Prädesti-
natus) sich zuletzt auch von den Montanisten getrennt und ein
eigenes Konventikel gegründet hat. Aus der Schrift De pudicitia
oder aus irgendeiner anderen Schrift Terts läßt sich dies nicht
erschließen. Die TertuUianisten bestanden in Karthago bis zu
Augustins Zeiten und hatten in der Stadt eine eigene Basilika.
Augustin hat die letzten Reste der Sekte zum Katholizismus über-
geführt.
Die Notiz des Hieronymus (De vir. inl. 53), TertuUian sei „in-
vidia et contumeliis clericoruni Ronianae ecclesiae ad Montani
dogma delapsus", stammt wohl aus der verlorenen Schrift De ce-
stasi (s. oben S. 278). Sie beweist, daß der römisclie Klerus sich in
die karthaginiensischen montanistischen Wirren eingemischt hat"^;
aber sie beweist mindestens nicht sicher, daß TertuUian selbst
1) Ganz sicher bezeugt freilich nur Do cultu T, 7 den Aufenthalt in Rom:
„Gemmaruni quoque nobilitat^m vidimus Rouiao de fastidio Parthonim et
Medorum".
2) Die Frau ist nach dieser Schrift auch Christin ji^ewesen, war aber, wif
ee scheint, von minder ernstem Charakter als er, auch erheblich jünger.
3) S. das zu De virg. vel. oben Bemerkt^'.
Tertullian.
295
damals in Rom weilte. Tertullian hatte wohl in seinem Werk
De ecstasi neben asiatischen auch römische Antimontan isten be-
kämpft (vgl. übrigens auch Adv. Prax. 1), und er hat isich, wie in
dem Traktat Adv. Valent. (c. 4), auch auf römische Montanisten
berufen. Das bot römischen katholischen Klerikern hinreichenden
Stoff zur Einmischung.
Hypothesen über Reisen Tertullians nach Griechenland, Be-
ziehungen zu Clemens Alexandrinus' Schriften oder gar zum Nil-
land selbst etc., wie sie Nöldechen aufgestellt hat, schweben in
der Luft^.
Unsere Ergebnisse seien auf nachstehender Tabelle zusammen-
gestellt:
Chronologie des Lebens und der Schriften
Tertullians.
c. 150— c. 155. Geburt Tertullians.
ISO Erste Christen Verfolgung in Afrika unter dem Prokonsul
Saturninus.
c. 190— c. 195 Übertritt zum Christentum (die Schiift Ad ami-
cum philosophum; oder hat er sie als Heide geschrieben?); wahr-
scheinlich wurde er bald darauf Presbyter.
I97^nfang. Ad martyr.
197 Sommer oder Herbst. Ad nationes.
197 Ende. Apologeticum und bald darauf De testim. anim.
De spect. lat. u. gr. [De praescr.
De cultu I Adv. Marc. (I. u.U. Ausarb.)
De bapt gr. u. lat. Adv. Hermog.
De paenit
De pat.
De cultu II
De oratione
Ad uxor. I. II
De idolol2.
198—202/3.
Adv. Judaeos^
Y ■ -
1) Was dem Tertullian und Clemens gemeinsam ist, zwingt an keiner
Stelle dazu, eine Benutzung dieses durch jenen anzunehmen, vielmehr genügt
die Ki-wagung, daß beide dieselben stoischen Gedankenreihen (vielleicht auch
dieselben stoischen Handbücher) benutzt haben.
2) Es ist nicht unmöglich, wenn auch nicht walirscheinlich, daß ein Teil
diey»r t:?chriften schon vor d. J. 198, also c. 105—197 geschrieben sind. Die
oben gegebene Reihenfolge ist nur z. T. sicher, i^echzehn Schriften in 5 Jahren
erscheint etwas viel. Aber warum soll der lebhaft« und eifrige Autor, der
augenscheinlich leicht schrieb, nicht drei solcher Traktate jährlich verfaßt haben?
3) Die R<?ihenfolge ist wahrscheinlich.
J
wahrscheinlich.
^ Zwischen 208/9
und 213 ff.
296 Die Litteratur des Abendlandes.
202 (oder vielleicht erst 203). Das Christenedikt des Severus.
Tertullian lernt die neue Prophetie kennen und schätzen.
202/3— c.204/5. f De ecstasi lib. VIT
De spe fideliuni
De paradiso ^
204—206/7. fDe exhort cast
[De virg. vel. gr. u. lat.^
207/8 (oder schon 206/7). Der Bruch mit der Kirche. Die
Montanisten scheiden aus, und Tertullian tritt ihrer Sekte bei.
207/8. Adv. Marc (IIT. Bearbeitung), Buch I— IV.
Um 207/8. Adv. Valent
Adv. Apell.
^210 (209). De pallio.
'^211. De Corona.
.211 oder 212. De fuga.
De came
De censu animae
De aniraa^
De resurr.
Adv. Marc. V.
212 Ende oder 213 erster Anfang. Ad Scapulam.
212 oder 213. Scorpiace.
c. 213—218. Adv. Prax.
Bald nach 217/8. De monog. und De ieiunio.
Nicht lange vor 222/3. De pudicitia.
Bald nach 222/3 (schwerlich schon vorher) Tertullians Tod,
nachdem er sich von den Montanisten getrennt hatte und Haupt
einer eigenen Sekte geworden war.
11) Die lateinische Bibel zur Zeit Tertullians
und vor Tertullian.
Im J. 1888 üben-aschte Zahn (Gesch. des NTlich. Kanons I
S. 51 ff.) die Fachgenossen mit der Behauptung, für die er auch den
Beweis zu bringen versuchte, daß es um d. J. 200, ja auch noch
in den ein bis zwei Jahrzehnten nach 200 eine lateinische Bibel-
übersetzung nicht gegeben hat^.
1) Die Reihenfolge ist ungowiß.
2) Die Reihenfolge ist ungewiß.
';\) "Wann De fato verfaßt ist, liißt sich nicht vermuten.
4) An einer Stelle behauptet Zahn, Tertullians Bibelzitate seien durchweg
Lbersetzungen aus dem Stegreif (S. 53); doch gesteht er andererseits zu, daß
die Anfänge der lateinischen Bibel in Afrika c. 210 angesetzt werden kennen.
Die lateinische Bibel zur Zeit Tertullians und vor Tertullian. 297
Gewiß ist, daß die römische Kirche lange Zeit hindurch vor-
herrschend in der griechisch sprechenden Bevölkerung Korns die
Mehrzahl ihrer Glieder hatte und daß auch die karthaginiensische
Gemeinde anfangs ein nicht unbedeutendes griechisches Element
enthalten hat: wie überall werden Griechen auch hier die ersten
Christen gewesen sein. Dafür darf man sich auch auf die von
Tertullian in griechischer Sprache verfaßten Schriften (s. o.) und
auf Acta Perpet. V] LFA coepit Perpetua Graece cum illis loqui")
sowie auf die alten griechischen Übersetzungen der ältesten
afrikanischen Martyrien berufen. Zweifellos ist ferner, daß im
Gottesdienst zu Karthago ursprünglich die Bibel, weil sie nur
griechisch vorhanden war, lateinisch für die des Griechischen un-
kundigen verdolmetscht werden mußte. Endlich hat Zahn er-
wiesen, daß Tertullian sehr oft in seinen Schriften augenscheinlich
nicht eine lateinische Bibel bez. lateinische biblische Schriften neben
sich liegen hatte, sondern griechische, und sie ad hoc ins Lateinische
übersetzte (vgl. sein Verhältnis zum griechischen Irenäus in Adv.
Valent.).
Erwiesen ist aber damit keineswegs, daß es überhaupt noch
keine lateinischen Übersetzungen biblischer Bücher in (Rom und)
Karthago gegeben hat. Dem Tertullian muß das Griechische fast
so geläufig wie das Lateinische gewesen sein. Auch angenommen,
er habe niemals eine lateinische Übersetzung bei Abfassung seiner
Traktate benutzt, so könnte der Grund dafür in der Beschaffenheit
der ältesten lateinischen Bibelübersetzungen zu suchen sein. Daß
sie barbarisch, d. h. vulgär, sklavisch genau und schlecht waren,
können wir noch heute aus den Resten feststellen. Wer benutzt
eine notorisch schlechte Übersetzung, wenn ihm die Sprache des
Originals so geläufig ist wie die Muttersprache, und wenn er nur
das Original für authentisch hält?
Indessen die eben angenommene Voraussetzung ist falsch: Tert
hat sicher auch lateinische Übersetzungen biblischer Bücher be-
nutzt Aber auch sonst haben wir Beweise, daß es solche bereits
am Ende des 2. Jahrhunderts gegeben hat. Es ist hier nicht der
Ort, dieselben pünktlich und im einzelnen nachzuweisen; auch ist
die Untersuchung überhaupt noch nicht so weit vorgeschritten, um
die ältesten lateinischen Übersetzungen genau von denen aus der
Zeit Cyprians zu unterscheiden. Aber für unsere Zwecke werden
folgende Beobachtungen ausreichend sein^:
— Schanz (a. a. 0. S. 805) behauptet ebenfalls, daß Tert. allem Anschein nach
noch keine lateinische Bibel in HUnden gehabt habe.
1) Man vgl. auch den ausführlichen und trefflichen Abschnitt bei Mon-
coaux (Hist. litt. I p. 07—173): La Bible Latine en Afrique.
298 -^^^ Litteratur des Abendlandes.
(1) Die Konfessoren zu Scili (i. J. 180, s. u.) und die im Per-
petua-Prozeß (202 oder 203) zeigen sich in der heiligen Schrift be-
wandert; einige von ihnen haben griechisch gekonnt, die Sdlitaner
gewiß nicht. In der Einleitung zu den Acta Perpet steht aber
noch zum Oberfluß, daß diese Akten ebenso wie die heiligen
Schriften zur privaten Lektfire dienen sollen. Hierbei kann —
wie ja auch die Akten der Perpetua selbst lateinisch abgefaßt
sind — nur an die private Lektfire lateinischer Übersetzungen
biblischer Bücher gedacht werden. Also gab es solche ^ Es kommt
dazu, daß in den Act Perpet einige biblische Verse genau so
zitiert werden wie von Tert
(2) In bezug auf die lateinische Übersetzung des L Clemens-
briefes habe ich es sehr wahrscheinlich gemacht, daß sie keiner
späteren Zeit als dem 2. Jahrhundert angehört^; auch die Über-
setzung des Hermas kann man nicht nach 200 rücken, wahrschein-
lich ist sie bedeutend älter ^. Sind solche Schriften vor d. J. 200 in
das Lateinische übersetzt, wie sollten die h. Schriften des A. Tjs, die
Evangelien, die Paulusbriefe unübersetzt geblieben sein! Zahn
freilich hält es für „sehr mOglich", daß sogar ein Werk wie das
des Irenäus um 200 bereits ins Lateinische übersetzt war, während
von den h. Schriften noch keine einzige übersetzt war!*
(3) Die monarchianischen Prologe zu den Evangelien können
nicht später als in der Zeit des römischen Bischofs Zephyrin ver-
faßt, bez. aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt worden
sein^; denn z. Z. Kallists war der ungebrochene Modalismus nicht
mehr die offizielle Lehre in Rom (die Zeitbestimmung: „erstes
1) S. CorBsen, Bericht über die lateinischen Bibelübersetzungen (Sonder-
abdruck aus dem Jahresbericht über die Fortschritte der klass. Altert.-Wis-
sensch.), 1899, S. 9 f. Sehr wahrscheinlich ist es , daß die Frage des Pro-
konsuls im Prozeß der Scilitaner und ihre Antwort: „Quae sunt res in capsa
vestra" — „Libri et epistulae Pauli viri iusti", auf einen Kasten zu beziehen
sind, den sie mit sich führten (und nicht auf eine capsa im christlichen Ver-
sammlungsgebäude). Dann ist es gewiß, daß diese kleinen Leute die latei-
nische Übersetzung der Ew. und Paulusbriefe bei sich führten; so auch Mou-
ceaux, a. a. 0. p. 104. — Auf die Annahme, bereits der Brief der lugdunen-
sischen Märtyrer (Euseb. h. e. V, 1 f.) zeige Bekanntschaft mit lateinischen
Übersetzungen biblischer Bücher (so Robinson, Texts a. Stiid. 1,2 p. 97ff.,
s. Corssen, a. a. 0. S. 11), möchte ich mich niclit berufen.
2) Sitzungsber. der K. Akad. der Wiss. 1894 S. 201 tf. üOlif.
ij) Näheres s. im folgenden Abschnitt.
4) Zahn, a. a. 0. l S. 'i8. — Die Annahme, die ich einst ausgesproeheu
habe (Theol. Litt.-Ztg. 1S94 Kol. 1Ö2), daß es wahrscheinlich nur zwei groß«*
Übersetzungsperioden in der vorjustinianischen lateinischen Kirche gegeben hat,
nämlich zwischen c. 150 — 25() und c. 370—430, halte ich fest.
5) Die letztere Frage mag hier auf sich benihen.
Die lateinische Bibel zur Zeit Tertulliuns und vor Tertullian. 299
Drittel des 3. Jahrhunderts" ist m. E. zu weit, s. o, S. 204 ff.).
Diese Prologe aber sind natürlich für eine Ausgabe der Evangelien
(vielleicht der ganzen Bibel) geschrieben. Also gab es zur Zeit
Zephyrins eine lateinische Bibel*.
(4) In einer nach vielen Seiten lehrreichen Untersuchung über
„Zwei neue Fragmente der Weingartener Prophetenhandschrift •*
(1899) hat Corssen durch Beobachtung der inneren Geschichte,
d. h. der Veränderungen der Texte in den ältesten lateinischen
Bibelhandschriften gezeigt, daß man sie bis zum Anfang des ;l
Jahrhunderts, „und vielleicht noch weiter zurück", hinaufführen
müsse, d. h. daß es erheblich ältere lateinische Bibeltexte als die
Zeit Cyprians gegeben habe -.
(5) Nach der wahrscheinlichsten Deutung der Stelle IV, 60 des
Kommentai-s Hippolyts zum Daniel ^ — einer der frühesten Schriften
Hippolyts — gab es damals eine lateinische Bibel. Die Worte
lauten : löe vvv, o> apO^Qoojts^ ra jtaXai lötpQaytOfitpa xai yvatod-fivac
///} dvpafispa vvv JtaQQf/Ola ,Jjrl tcop öcofiarrop^ xrjQvöoerai xal 7j
T/jg ^co^g ßißXoq Ixxad^Bloa yöt] q)apsQcog ijtl §vXov 7}jtX(OTaL ixovoa
„TiTylor" ,,Q(OfialöTl xäl tXXrjPiöxl xal tßQa'ioxl^ ysyQa/ifiipoP, ojccog
xai ^Po)/ialoi xaVEXXrjpsg xal ^Eßgatoi öiöax^coOiP, l'pa jtQoööoxcovreg
Ol äpOQco:^oi ra (liV.opra ayad-a jtioxBVömoip xolg hxtl iyyeyQafi-
[itpoig Ip xavxfj „r/y ßißXcp xfjg ^0}7Jg'^ xolg xal xijqvx^bIöip kp oXfo
x(p xooficp XX X, Wie mir scheint, hat Hippolyt nicht nur an den
(liekreuzigten gedacht, sondern auch an das Buch, das von ihm
zeugt, welches römisch, griechisch und hebräisch geschrieben war.
(6) Der wichtigste Zeuge bleibt Tertullian selbst:
la) Es lassen sich mehrere Stellen anführen — sie sind öfters
]i er vorgehoben worden — , die aufs klarste dartun, daß Tertullian
neben dem griechischen Bibeltext einen geläufigen, also nicht
von ihm selbst geprägten, lateinischen Übersetzungstext kannte und
sich mit ihm auseinandersetzte bez. ihn widerlegte. Es ist nicht
leicht, diese Stellen so zu verstehen, daß immer nur der einzelne
Vers lateinisch übei'setzt war und gleichsam als ein geflügeltes
Wort umlief, oder daß nur eine kleine Perikope lateinisch fixiert
war, vielmehr ist es das Nächstliegende, daß das ganze Buch in
Übersetzung vorlag. Indessen lassen sich zur Not die Stellen
partikular verstehen, und deshalb soll auf sie kein entscheiden -
<les Gewicht gelegt werden^.
1). Corssen, Monarcbianische Prologe zu den 4 Ew. in Texte u. Unters.
I'mI. IT), H. 1 (1896).
2) Vgl. V. Dobsehütz, Theol. Litt.-Ztg. 1809 Kol. 054.
■:\) Hrsg. von Bonwetsch (1897) S. 338.
Ii Man vjxl. z. B. Adv. Marc. 11, 9 („Impriniis tenendum quod Graeca
300 I^^ Lüteratixr des Abendlandes.
(b) Erwiesen ist es — und die Nachweise werden immer zahl-
reicher — , daß umfangreichere Schriftzitate bei Tertullian (in einigen
Fällen auch kürzere) so enge und wörtliche Parallelen in den
Schriftzitaten späterer lateinischer Autoren von Cyprian ab (doch
s. schon Acta Perpet.). sowie in alten lateinischen Bibelhandschriften
haben, daß an Zufall nicht gedacht werden kann. Da aber auch
die Annahme, jene Autoren hätten Tertullians Zitate abgeschrieben,
ausgeschlossen ist, so ist der Schluß unvermeidlich, daß dem Ter-
tullian — mindestens für eine beträchtliche Anzahl biblischer
Bucher — bereits lateinische Übersetzungen vorgelegen haben und
er sie ausgeschrieben hat^
scriptnra signaTit, afiflatam nominans. non spiritiun. qnidam enim de Graeco
interpretantes non recogitata differentia nee corata proprietate Terbomm pro
afflatn spiritnm ponnnt et dant haereticis occasionem et«."); De monog. 11
(yySciamos plane non sie esse in Graeco authentico, quomodo in nsum exiit {»er
dnaram syllabamm aut callidam aut simplicem eveisionem [I Kor. 7, :>!»]: si
aiitem dormierit vir eins, quasi de fiituro sonet, ac per hoc videatiir ad
eam pertinere qaae iam in fide Tirum amiserit"); Adv. Prax. 5 („Hanc [seil.
rationem dei] Graeci Xoyov dicunt, quo vocabnlo etiam sermonem appellainus.
ideoqne iam in usu est nostrorum per simplicitatem interpretationis sermonem
dicere in primordio apnd demn fnisse, cum magis rationem competat antiquiorem
haberi etc."). Cf. Adv. Marc. lY, 1. De paenit. 9. Hierher gehört auch die
Beobachtung, daß „die lateinischen Christen bereits gelernt hatten, die Sachen
des Glaubens in ihrer Sprache zu behandeln", und daß sich bereits eine termino-
logische Glaubenssprache ausgebildet hatte (De pudicit. 4: „Imprimis quod
moechiam et fomicationera nominamus, usus expostulat; habet et fides
qnorundam nominum famiUaritatem, ita in omni opusculo usum custodimus"!.
„Es ist mehr als selbstverständlich, daß in einer Zeit, wo so viel geschrieben
wurde, Übersetzungen von den Schriften, auf denen der Glaube beruhte, in den
Händen lateinischer Christen waren" {Core?sen, "Weingartener Fropheten-
handschr. S. 40). Daß die Übersetzung zu Rom. <>, _>8 in De resurr. 47: ,,sti-
pendia enim delinquentiae mors, donativum autem dei vita", von Ter-
tullian vorgefimden worden ist, macht Corssen a. a. 0. S. 40 unter Hinweis auf
De coron. 1 wahrscheinlich (cf. auch dort seine Bemerkungen zu Act. Perpet. 1
und Adv. Marc. V, 8).
1) Übereinstimmungen der Bibeltexte bei Tertullian imd Cyprian hat Mon-
ceaux 1 p. ll.SflF. zusammengestellt; über Tertullian und Tichonius s. ßurkitt,
Texts and Stud. llf, 1 p. LXVlIf. (über „resignaculum" in Tert.s Text von
Ezech. 28, Hfl'.). „Side by side with TertuUian's own iiaraphrases and trans-
lations", sagt Burkitt, „we no doubt ofben meet with genuine fragments of the
oldest forms of the Latin version". Tertull. und Ambrosiaster 1. c. p. LI (zu
fl Thess. 2, 7, wo beide „qui nunc tenet. teneat" lesen, auch der Cod. d2).
S. auch 1. c. p. CV: „The use of pressura in the Apocaly|)se for d^XitpLQ [Teri.)
. . . secms to be a survival of a yet earlier stage of the African Latin".
Zimmer (Stud. und Skizzen aus Ostpreußen 1887) hat alles, was wir von alten
Übersetzungen vom Galaterbrief bis z. J. 1887 hatten, zusammengestellt und
ist zu dem Ergebnis gekommen, daß auch der Text, den Tert. bietet, mit den
Die lateinische Bibel zur Zeit Tertulliana und vor Tertullian. 301
(c) Hiermit stimmt eine Beobachtung, die bisher noch nicht
umfassend und abschließend angestellt worden ist, deren Wichtig-
keit aber Wobbermin und ich an großen Abschnitten der ter-
tuUianischen Schriftstellerei erprobt haben, daß nämlich eine be-
trächtliche Anzahl der Bibelzitate TertuUians sich lexikalisch
und namentlich syntaktisch und stilistisch scharf Von seiner
eigenen Schreibweise unterscheidet Diese Tatsache ist unerklärbar,
wenn er selbst der Übersetzer in diesen Fällen sein soll. Warum
sind seine Bibelzitate an unzähligen Stellen so viel „vulgärer", als
seine selbständigen Ausführungen?*
übrigen alten lat. Übersetzungen so nahe verwandt ist, daß er nicht Eigentum
Tert.s gewesen sein kann. Wobbermin (s.u.) hat eine Reihe der ausführlichen
Bibelzitate Tert.8 mit der „Itala" verglichen und ist zu demselben Resultat ge-
kommen (besonders für die Paulusbriefe). Besonders schlagend ist auch eine
Vergleichung von Deut. 13, 7&\ bei Tertull. Scorp. 2 und Lucifer v. Cagliari,
De non parcendo 2.
1) Bei Corssen (Weingartener Prophetenhandschrifb S. 45 f.) kann man
Matenal finden, das hierher gehöi-t. Hätte Tert. selbst (11 Kor. 2, 7, De pudic. 13)
cicxe cum Inf. durch ut cum Inf. wiedergegeben, hätte er (Jes. 9, 6, Adv. Marc.
HI, 15) geschrieben „cuius imperium factum est super humerum ipsius", (Deut. 13,8,
Scorp. 2), „non parcet super eum"? Können die sklavischen und unverständ-
lichen Übersetzungen von 11 Kor. 5, 10 (De resurr. 43), I Thess. 2, 19 (De re-
surr. 24), II Thess. 2, 4 (1. c.) und wiederum I Thess. 5, 3 (1. c.) von ihm her-
rühren? Ist nicht, wenn sich für nQoaxoXXäoB^ai „agglutinari" und „adhaerere",
fiir i'axvg „valentia" und „vigor", für afiagxla „delinquentia" und „delictum"
etc. bei ihm finden, das eine Wort der vulgären Bibelübersetzung entnommen?
Hätte er selbst (De monog. 4) in Gen. 2, 18 (ßofjO'Og) „adiutorium" geschrieben,
wenn er es nicht vorgefunden hätte? — Wobbermin hat in einer ungedruckten
Berliner Preisschrift über unsere Frage vom J. 1891, die ich hier mit Erlaubnis
des Verfassers benutze, ein reiches Material zusammengetragen, um zu zeigen,
daß der Sprachgebrauch im eigenen Text Tert.s oftmals ein anderer ist als der
in den von ihm zitierten Bibelstellen. In Tert.s eigenem Text z. B. ist „quod**
für den Acc. cum Inf. nicht häufig, „quia" außerordentlich selten. Dagegen
ist „quia" in Bibelzitaten bei ihm verhältnismäßig häufig. Es
findet sich in Bibelzitaten bei ihm 18mal, sonst nur 4mal! (Auch
„quod" kommt 40 mal in Bibelzitaten vor, während es sonst bei Tert. für den Acc. c.
Inf. in allen seinen Schriften sich nur 43 mal findet). Ich selbst habe in dieser
Hinsicht nur Adv. Prax. durchgearbeitet, kann aber Wobbermins Beobachtung
von hier aus bestätigen: der Gebrauch von „quia" in den Bibelzitaten ist ein
sicheres und der Gebrauch von „quod" ein ziemlich sicheres Kennzeichen,
daß Tert. nach einer Übersetzung zitiert. Findet sich doch „quod" in De pud.
nur in Bibelzitaten (11 mal), in De resurr, fast nur in solchen (18 mal unter 20
Stellen)! Weiter: „manducare" ist vulgär, „edere" („comedere", „vesci") feiner.
In Zitaten hat Tert. sehr liäufig „manducare"; wenn er selbst spricht, braucht
er es fast nie! Besonders bezeichnend ist hier De ieiunio 15. In Zitaten braucht
Tert. „baptismum", sonst „baptismus", „baptisma", „tinctio", „Sperare in ali-
quo" findet sich nur in Zitaten (häufig). Ahnliches begegnet oft; es ist nur
302 ^0 Litteratur des Abendlandes.
Aus allen diesen Beobachtongen folgt, daß es z. Z. Tertallians
lateinische Übersetzungen biblischer B&cher — wenn nicht aller,
so doch der Mehrzahl — gegeben hat Schon am das J. 180 waren
solche höchst wahrscheinlich vorhanden (Ew. und Paulasbriefe).
Ja es ist sogar wahrscheinlich, daß es um 200 für einzelne Bttcher
bereits mehrere Übersetzungen gegeben hat Hätte es nämlich nur
eine gegeben, so ließe sich das Verhalten Tertullians nicht leicht
erklären. Diese eine hätte doch eine gewisse Autorität beanspracht.
Eben deshalb aber ist dem TertuUian lediglich das griechische
Original maßgebend gewesen, weil eine authentische Übersetzung
nicht vorhanden war. Übrigens legt auch die Übersicht über das
Verhältnis des cyprianischen Bibeltextes zu anderen altlateinischen
Besten der Bibel, speziell auch zu dem Texte Terts, die Vermutung
sehr nahe, daß die Geschichte der lateinischen Bibel mit mehreren
Übersetzungen begonnen hat Ja Corssen sucht es wahrscheinlich
zu machen, daß in den Texten, die Tertullian benutzt hat, bereits
Textmischungen stattgefunden haben K Auf eine Verderbnis in dem
von Tertullian gebrauchten lateinischen Text ist öfters hinge-
wiesen worden. In Adv. Marc. V, 3 gibt er „vlol ß-eov^ (Galat
3, 26) durch „filii fidei" wieder, ein In*tum, der nur aus Dittographie
im Lateinischen entstanden sein kann \
Die seit dem letzten Viertel (schon früher?) des 2. Jahrh. ent-
standenen lateinischen Übersetzungen biblischer Bücher sind durch
ihre sklavische Wörtlichkeit (bis zum Unverständlichen) und durch
ihre Vulgarismen und Fehler geradezu eine crux für die Ver-
breitung des Christentums bei den gebildeten Lateinern geworden^.
12) Die alten latelnisclien Übersetzungen ATIielier apokrypher
Bflcher, des altromischen Symbols, des I. Clemensbriefs, des
Hirten des Hermas, der Didaehe, der Acta Paali and des
Hauptwerks des Irenäns.
Aus der christlich-lateinischen Übersetzungslitteratur, über die
ich Teil I S. 8S3£ eine Übersicht gegeben habe, hebe ich diese
sieben Stücke hervor, weil sich aus ihrem Inhalte — bez. dem Inhalte
noch nicht zusammenf^festellt. Ein Teil der Bibelzitate Tert.s erweist 8i<li
lexikalisch und stilistisch als übernommen.
1) Weingartener Prophetenhandschrift S. 46 f.
2) Zahn 8 Auskunft, dies sei Marcions Text und eine absichtliche Korrektur,
ist sehr unwahrscheinlich.
3) Daß sie z. T, die Sprache des Lagers verraten, darüber s. Corssen,
a. a. O. S. 49.
Die alten lateiniscilen Cbersetzungen ATI icher apokrypher Bücher usw. 303
niid Ansehen^ — wahrscheinlich machen läßt, daß sie dem 3., ja
teilweise sogar noch dem 2. Jahrhundert angehören müssen 2. Der
sicherste Weg zur Feststellung ihres Alters scheint der der Unter-
suchung ihres Sprachcharakters unter Vergleichung der Reste der
ältesten lateinischen Bibelübersetzungen zu sein. Allein die For-
schung steht hier noch in den Anfängen; was sie noch nicht ge-
leistet hat, kann hier nicht nachgeholt werden. Es müssen zudem
zueret die Texte gesammelt und gereinigt vorliegen, bevor njan an
eine Untersuchung dieser Art gehen kann. So müssen wir uns
darauf beschränken, in Umrissen die Zeitlage dieser Übersetzungen,
die für die christlich -lateinische Litteratur so wichtig geworden
sind, anzugeben.
(1) Daß die alttestamentlich-apokryphen Bücher ein-
schließlich solcher Apokalypsen wie die Ascensio Isaiae nicht später
als im 3. Jahrhundert übei^setzt worden sind, bedarf keines Be-
weises. Was damals nicht übersetzt worden ist, blieb — von zu-
fälligen Unternehmungen abgesehen — unübersetzt; denn der Um-
fang der heiligen Schriften A. T.s war erstarrt. Alles, was im
1) Die äußere Bezeugung ist leider nur in wenigen Fällen für die Be-
stimiDung der Ursprungßzeit von Wichtigkeit.
2) Von der alten lateinischen Obersetzung des Barnabasbriefes, die
uns in einer Handschrift des 10. Jahrhunderts erhalten ist, sehe ich ab. Sie
steht in der Handschrift neben dem Jacobusbrief ; daß dit^ser aber schon im 3.
.Tahrh. ins Lateinische übei'setzt worden ist, läßt sieh nicht nachweisen. Aber
auch abgesehen von der unsicheren Annahme, die Cbersetzungen beider Briefe
prehörten zusammen — der griechische Text des Barnabasbriefes, der dem
Lateiner vorlag, scheint kein guter mehr gewesen zu sein. Es bleibt also die
Anfertigung einer lateinischen Übersetzung des Briefes schon im ';\, oder gar
im 2. Jahrh. eine bloße Möglichkeit, die man vielleicht durch den Hinweis zu
f-tützen vermag, daß der Brief die Periode seines größten Ansehens damals ge-
habt hat. Ob eine genaue I^^ntersuchung des Sprachcharakters des Briefes in
der lateinischen Form zu einer festeren Datiening der Übersetzung führen wird,
ist abzuwarten. — Auch von der lateinischen Übersetzung der Ignatiusbriefe,
des Polykarpbriefes und des Martyriums Polykarps ist hier abzusehen
jius Gründen, die im I. Teile dieser Litteraturgeschichte ( Überliefe ning und
Bestand) S. 71). 70. 74 angegeben sind. Die Übersetzung der echten Ignatius-
}>riefe ist erst im späten Mittelalter angefertigt worden; die des Polykarpbriefes
ist in allen Handschriften verbunden mit der der unechten Ignatiusbriefe, und
wenn daraus auch nicht sicher gefolgert werden kann, daß sie von derselben
Hand herrührt (einiges, was dagegen spricht, hat Lightfoot, Ignat. u. Polyk.,
]. Edition, I p. 534 f. geltend gemacht; es ist aber nicht >ael), so bleibt doch
diese Vermutung die nächstliegende. Deutlich ist, daß der griechische Text,
nach welchem die Übersetzung gemacht worden ist, nicht frei von Irrtümern
war; die Frage muß also unentschieden bleiben. Die lateinische Übersetzung
des Martyriums des l^olykai'p ist zusammen mit der Pionius-Vita Polykarps
angefertigt worden, ist also verhältnismäßig jung.
304 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
letzten Jahrhundert an alttestamentlichen Apokalypsen in lateini-
scher Übersetzung aufgetaucht ist und was wir noch zu erwarten
haben, hat das Vorurteil für sich, daß es vor c. 300 entstanden ist.
(2) unzweifelhaft gehört die lateinische Übersetzung des alt-
römischen Symbols dem 2. Jahrhundert an, ja sie muß der Ee-
daktion des griechischen Originals auf dem Fuße gefolgt sein. Da
das Symbol bei der Taufe gebraucht, d. h. gesprochen wurde, von
Anfang an aber zahlreiche Mitglieder der römischen Christen-
gemeinde des Griechischen unkundig waren, so muß die lateinische
Übersetzung des Symbols fast so alt sein, wie das Symbol selbst,
bez. ebenso alt wie seine kirchliche Rezeption in Rom,
(3) Die alte lateinische Übersetzung des I. Clemensbriefes
ist bereits von Lactantius benutzt worden \ gehört also sicher dem
3. Jahrhundert an. Ferner aber, die Verbindung des ersten Cle-
mensbriefes mit dem sog. zweiten ist in Korinth schon z. Z. der
Bischöfe Dionysius und Soter (also um 170) perfekt geworden, und
Lightfoot (Clement of Rome I^p. 116 flF.) hat sehr wahrscheinlich
gemacht, daß der Archetypus unserer drei Handschriften ACS in
die Zeit um 200 gehört In diesem Archetypus aber waren die
beiden Briefe bereits verbunden. Im Abendland fehlt dagegen
jede Spur einer Übersetzung auch des sog. 2. Briefes; man hätte
ihn damals, als man den ersten übersetzte, sich gewiß nicht ent-
gehen lassen, wenn man ihn erhalten hätte. Handelte es sich doch
um ein vermeintliches Schriftstück des großen Clemens. Also ist
die lateinische Übersetzung nicht aus einem Exemplare angefertigt,
welches aus dem Orient in den Okzident nach c. 200 zurückkam,
sondern sie ruht auf einem Exemplar des noch für sich zirkulie-
renden Briefes. Hieraus folgt aber mit hoher Wahrscheinlichkeit^
daß die Übersetzung dem 2. Jahrh. angehört.
Die Erhaltung des ersten Clemensbriefes (im Original und in
der syrischen Übersetzung) verdanken wir lediglich dem Neuen
Testament; im Zusammenhang mit diesem ist er abgeschrieben
worden*^. Daß er zu den neutestamentlichen Leseschriften ge-
rechnet worden ist, hat seinen Ursprung im 2. Jahrhundert ge-
nommen; das Ansehen des Briefes ist bereits vom Anfang des S.Jahr-
hunderts an extensiv und intensiv in den griechischen Kirchen
immer geringer geworden. Daß der Brief im Bibelkodex A saec.V.
steht, ist als ein Ti-ümmerstück einer alten Ordnung zu beurteilen;
denn bereits Eusebius (obgleich er den Brief sehr hoch hielt und
auch seine allgemeine Anerkennung im Altertum bezeugt) und
1) ?. Sitzungsber. der K. Preuß. Akad. d. Wisseuscb. 1894 S. 608 f.
2) Auch im Cod. C steht der Brief zwischen NTlicheu Antilegomenen.
Die alten lateinisclien Obersetzungen ATlicIier apokrypher Bücher usw. 305
Athanasius haben jeden Zusammenhang desselben mit dem Neuen
Testamente durchschnitten. Sollte nun die lateinische Übersetzung
ganz unabhängig von der lateinischen Bibel entstanden sein? Zu-
nächst scheint es so; denn 1. wissen wir überhaupt nichts von
einem kanonischen oder quasi-kanonischen Ansehen unseres Briefs
im Abendland, 2. ist die lateinische Übersetzung uns nicht wie die
des Barnabasbriefs oder des Hermas zusammen mit einem oder
mehreren biblischen Büchern überliefert S sondern mit Cyprians
Traktat De oratione bez. mit den Pseudoclementinen. Dennoch
läßt sich ein guter Grund dafür geltend machen, daß die Über-
setzung nicht unabhängig von der lateinischen Bibel ist. Sie
stammt, wie aus der Benutzung bei Lactantius hervorgeht, spä-
testens aus den letzten Jahrzehnten des 3. Jahrhunderts. Wäre
sie jünger, gehörte sie dem 4. oder 5. oder einem noch späteren
Jahrhundert an, so hätte man gewiß keine Veranlassung, an die
lateinische Bibel zu denken : die verschiedensten Interessen könnten
die Übersetzung wünschenswert gemacht haben 2. Allein eine
Übersetzung eines urchristlichen Schriftstücks, die älter ist als
Lactantius, hat das Vorurteil für sich, daß sie zu kirchlichen
Zwecken, d. h. fiir die Verlesung in der Gemeinde gemacht ist
Der, welcher das in Abrede stellt, hat den Beweis zu führen, nicht
der, welcher es behauptet \ Ist aber unser Brief zum Zweck der
Verlesung in der Gemeinde übersetzt worden, so ist die Annahme
Avahrscheinlicher, daß dies im 2. Jahrhundert geschehen ist als im
dritten. Gegen Ende des 2. Jahrhunderts und am Anfang des
dritten hat die römische Kirche den Bestand ihrer kirchlichen
Leseschriften reduziert. Damals fielen die Apokalypse des Petrus,
der Brief des Barnabas an die Hebräer und bald auch der Hirte
des Hernias fort. Damals muß auch der Clemensbrief ausge-
schlossen worden sein, und zwar früher als der Hirte; denn die
afrikanische Kirche hat wohl noch den Hirten, nicht aber den
Olemensbrief von der römischen Kirche empfangen. Da wir nun
li Die hiteinieche Cbertietzunpf des Barnabasbriefs ist uns zusammen mit
<l»'r lateinischen Cbersetziing des Jacobusbriefs überliefert (s. o. S. 303).
•J) Auch könnte der Brief erst damals mit anderen Schriften aus dem
^lor^onland ins A]»endland zurückbekommen sein.
;{) Der allj^cmeine Sprachcharakter der Übersetzung ist dem der alten
lateinischen Bibel gleichartig und weicht, soviel ich sehe, in keiner Hinsicht
von ihm ab. (Was Hr. Zahn, Theol. Litt.-Blatt 1894 Kol. 108, dagegen geltend
gemacht hat — die Übersetzung soll freier sein als die biblischer Bücher —
trifft, soweit meine Kenntnis reicht, nicht zu). Mit Recht hat daher auch
v«.»n Wölfflin in seiner Abhandlung „Die lateinische Übersetzung des Briefes
des Clemens an dii3 Korinther'' (Archiv für latein. Lexikogr. IX, 1 S. 81ff.) die
Sprache des Briefs als „Bibf^llatein" bezeichnet und behandelt.
Haruack, Alti.liristl. Litteraturg(.'8ch. II, 2. *iV>
306 I^iö Litteratur des Abendlandes.
von einem kirchlichen Ansehen oder Gebrauch des Clemeusbriefs
in der uns zugänglichen Litteratur des Abendlandes, die mit Ter-
tullian beginnt, schlechterdings gar nichts finden, da keine Bibel
und kein Bibelverzeichnis den Brief enthält, so ist die Annahme
leichter, er sei im 2. Jahrhundert tibersetzt worden, bald aber aus
dem kirchlichen Gebrauch verschwunden, als die andere, er sei
erst im 3. Jahrhundert den Lateinern geschenkt worden. Jene
Annahme stimmt auch mit dem oben festgestellten Befunde überein,
daß er allein — d. h. ohne den sogenannten zweiten Brief — über-
setzt worden ist. Was aber den Ort betrifft, so spricht für Afrika
schlechterdings gar nichts; denn keine Spur einer Benutzung ist
bei einem afrikanischen Schriftsteller nachgewiesen ^ Die Über-
setzung taucht für uns zuerst in Mailand auf, wo sie Ambrosius
kennen gelernt hat — denn wo sie dem Lactantius bekannt ge-
worden ist, läßt sich leider nicht sagen — ; dann finden wir sie in
dem alten belgischen Kloster Lobbes, dann in Florennes. Daß sie,
wenn sie aus dem 2. Jahrhundert stammt, in Gallien oder in Mai-
land angefertigt ist, wird niemand für wahrscheinlich halten; das
nächstliegende ist, daß der Brief in Rom selbst übersetzt ist 2.
Gründe gegen diese Annahme sind mir nicht bekannte
1) TertuUian erwähnt wohl den Clemens als römischen Bischof (de
praescr. 32), nicht aher Beinen Brief. Dagegen erwähnt ihn Jrenäus und zwar
im Zusammenhang mit der römischen Bischofelist^ und ohne den zweiten Brief,
in meiner Abhandlung: „Die ältesten christlichen Datierungen und die Anfänge
einer bischöflichen Chronographie in Rom" (Sitzungsberichte 1892 S. 017 Ö'.,
vgl. Chronologie Bd. I S, 101 f.) habe ich den Nachweis geführt, daß Irenäus
die bezifferte Bischofsliste aus Rom bezogen hat, und daß diese Liste auch
kurze geschichtliche Angaben enthielt, unter ihnen eine solche über den
Clemensbrief und den Hirten des Hermas. In Rom also schätzte man den Brief
zur Zeit des Bischofs Soter (16(3/7—174/5) so hoch, daß man ihn neben dem
Hirten (der sicher zu den urkirchlichen Vorleseschriften gehörte) in jenem
Kataloge erwähnte, während vom zweiten Brief nichts bekannt war. Sollte
sich nun herausstellen, daß die alte Übersetzung des Hirten mit der unseres
Briefs innerlich verwandt ist, so liegt die Annahme sehr nahe, daß sie beide
in Rom übersetzt worden sind und zwar noch im 2. Jahrhundert.
2) In der vorigen Anmerkung habe ich darauf hingewiesen, daß bei Irenäus
resp. in dem ältesten römischen Bischofskatalog unser Brief erwähnt ist. hu
Catalogiis Liberianus fehlt er, während der Hirte erwähnt ist. Dagegen findet
sich merkwürdigerweise in der ersten Rezension des Liber Pontificalis (Feli-
cianus und Cononianus) bei „Clemens" die Notiz: „et fecit duas epistolas''
(Duchesne I p. 52. 53), und diese Notiz ist in die endgültige Rezension über-
gegangen mit dem Zusatz: „quac catholicae nominuntur'* (Duchesne I p. 12i>».
Light foot und ich haben in unseren Ausgaben des Clemensbriefs dieüe
Angabe auf die beiden pseudoclementinischen Briefe bezogen, Duchesne
bezieht sie auf den echten und unechten Korintherbrief des Clemens. Für
Duchesnes Annahme spricht, 1. daß im folgenden von einem pseudoclemen-
Die alten lateinischen Cbenetsungen ATlidber apokiypher Bflcher usw. 307
Als ein starkes Argument für ein hohes Alter der Übersetzung
muß gelten, daß der Übersetzer zwar bereits den terminus techni-
cus „episcopus*" braucht — wo Oott ixlaxojtog heißt, schreibt er
(c. 59) ,,yisitator'' — , daß er aber noch „minister" bietet und nicht
„diaconus" K Diese Ausdrucksweise ist schon zu Tertullians Zeit
tinischen Brief so gesprochen wird, daß er nnter den Torhergenannten „duae
epistolae" nicht eingeschlossen za sein scheint, 2. daß die Angahe ans Hiero«
nynins' Traktat de Turis inlustr. geflossen sein kann, den der Redaktor des
Liber Pontif. auch sonst benutzt hat, 3. daß die pseudoclementinischen Briefe
nicht „catholicae'' genannt werden können. AUein das „quae catholicae nomi*
nantur'' kann auch, wie Duchesne selbst zugibt, eine gedankenlose Re-
Petition der Angabe bei den Petrusbriefen sein, und aus Hieronymus erU&rt
sich die Notiz deshalb nicht gut, weil dieser das ungünstige Urteil des Eusebius
über den zweiten Brief wiederholt hat. Aber selbst zugestanden, daß hier die
Korintherbriefe gemeint sind, so ist nicht yiel gewonnen; denn dieErw&hnung
Yon zwei Briefen macht es wahrscheinlich, daß die Angabe mit der Uteren bei
Irenäus nicht mehr zusammenhängt, auch nicht einen gegenwärtigen Besitz der
römischen Kirche bezeugt, sondern eine aus dem Orient stammende Kunde ein-
fach wiedergibt.
3) Man könnte, wenn auch nicht gegen den Ursprung der Obersetzung
in Rom, so doch gegen ihren gottesdienstlichen Gebrauch daselbst einwenden,
(laß die Gemeinde nicht ihren eigenen Brief in die Zahl ihrer Leseschriften
angenommen haben wird. Gewiß — eine kanonische Bedeutung in irgend«
welchem Sinne wird sie ihm nie beigelegt haben; aber eine solche hat sich
überhaupt erst später für christliche Schriften entwickelt. Dagegen war der
Brief für den gottesdienstlichen Gebrauch ganz besonders geeignet, ja durch
das am Schluß stehende Kirchengebet für die wiederholte Verlesung wie ge-
schaffen« Dazu kommt noch folgendes: Der Brief beginnt allerdings wie ein
iielegenheitsbrief, aber im Fortgang entwickelt ersieh zu einer alle Haupt-
punkte der christlichen Religion umfassenden homiletischen An-
sprache und bezeichnet sich auch am Schluß (c. 62) selbst so: Ilsgl fihv ra>y
avtjxoytwv xj ^griaxeltf ruAtöv, xwv wfpeXißmxaxwv elQ ivagerov ßlov xoTq
^iXovaiv evotßwg xal Ikxaltoq diev&vveiv, IxavdfQ ineoxflXapiev vfilv, ivögsq
döeXfpoL nsgl yag nioxiWQ xal fiixavolaQ xal yvijaiaQ dydntjQ xal iyxgaxilaq
xal aw<pQoavvtiq xal vnofiov^Q navxa xonov hptiXatprioafiSV, vnotdifjnnjaxovxeg
Silv ißäQ iv ötxaioavvy xal äXtj&fia xal piaxQoBvfiia X(p navxoxQoxoQi &e(f
oalwq ivaf^eaxsTv, oftovoovyxaq a/dvrjatxaxwq ip aydny xal slg^vy fiexä tvxxtpovq
intetxsiag, xa&dq xal ol ngoöeötiXw/iivoi naxigeq ^fidtv evtjQiaxtjaav xantivo'
ipQOvovvx€q. Außerdem nimmt der Brief (c. 59. 63) ausdrücklich die Inspiration
durch den heiligen Geist für sich in Anspruch. Ein solches stoffreiches, zu-
gleich als Kompendium des wichtigsten Inhalts des Alten Testaments brauch-
l»ares homiletiaches Schriftwerk (s. Wrede, Untersuch, z. 1. Clemensbrief
S. 55 — 60) wird die römische Gemeinde selbst für ihre Erbauung in der Folge-
zeit nicht unbenutzt gelassen haben. Auch war es ja nur formell und der
Gemeinde von Korinth gegenüber ihr eigenes Werk; in Wahrheit war es doch
auch in Rom das Werk des gefeierten Lehrers Clemens.
1) Auch yyijaaxonri" übersetzt er an den drei Stellen, wo es vorkommt,
durch „episcopatus", yjöiaxovia*^ wie „vntjf^eaia" durch „ministerium". Zwischen
308 I^^e Litteratur des Abendlandes.
iü Afrika nicht mehr gebräuchlich gewesen; vielmehr sagte man:
„episcopus et diaconi"^ Auch in den Akten der Perpetua und
Felicitas heißt es c. 3: „diaconi, qui nobis ministrabant", und c. 6
und 10 wird Pomponius „diaconus" genannt; in den Freisinger
Italafragmenten (ed. Ziegler 1876) heißt es Philipp. 1, 1: „episcopi
et diaconi" 2. In der Übersetzung des Polykarpbriefs wird „minister"
nur dann gebraucht, wenn nöiaxovoq'' nicht im technischen Sinn
steht, sonst steht ,4i&conus", s. ep. 5 ofiolcog ötaxopot . , . wg d-sov
xal Xqiotov öiaxovoi = „similiter diaconi . . . sicut dei et Christi
ministri". Es gibt meines Wissens nur eine Parallele zu der Aus-
drucksweise unseres Briefs, nämlich die beiden Übersetzungen des
Hirten, die hier als eine gelten können und auch „episcopi et
ministri" bieten. Aber eben diese alte Übersetzung des Hirten
hat das Präjudiz für sich, daß sie dem 2. Jahrhundert angehört
und aus Rom stammt. In späteren lateinischen Übersetzungen
kommt natürlich öfters die Übertragung „minister" für „öiaxovog''
vor; aber ich kenne keine Stelle, wo das Wort im technischen
Sinn neben episcopus steht Wird das technische „cJmxoi^o^" ein-
mal durch „minister*' wiedergegeben, so hat das meines Wissens
immer besondere Gründe. Liest man z. B. in der lateinischen
Übersetzung des Kommentars des Origenes zum Römerbrief (Lom-
mazsch V p. 15): „Sunt et multi vocati magistri per omnes eccle-
sias dei, et vocati ministri; sed nescio, qui in his electi magistri
sint et electi ministri", so sieht jeder, warum hier das Wort „mi-
nister" gewählt ist und nicht „diaconus". Commodian bietet In-
struct. II, 26—29 vier Gedichte mit den Aufschriften: „Lectoribus
— Ministris — Pastoribus — Maioribus natis", P^r hat hier ab-
sichtlich lauter lateinische Beziehungen gewählt und darum auch
das Wort „episcopus'* vermieden. Aber das den „ministri" ge-
widmete Gedicht beginnt mit den Worten: „Mysterium Christi,
Zacones, exercite caste, Idcirco ministri facite praecepta ma-
gistri". Also „zacones" ist ihm der terminus technicus. Es ist
ja möglich, daß jemand den Sprachgebrauch „episcopi et ministri"
noch für das 3. Jahrhundert belegt; aber so lange das nicht ge-
schehen ist, ist an dem vortertullianischen Ursprung von Schriften,
die diesen Ausdruck bieten, festzuhalten '^
,y6taxovog^^ und „XeitovQyog" iiiiicht er in der rborsetziinc^ keinen UntertJcliied :
„^f()«7r(üv" gibt er durch „servns" und „famnlus" wieder.
1) S. de bapt. 17; de praescr. 'J. 41; de fuga 11; de nionog. 11. Cjprian
(ep. f)!', 1) bietet schon das Wort „diaconium", auch Iren. lat. 1, 1?(), :-}.
*J) Ich kenne überhaupt keine lateinische Bibelübersetzung^, die Philipp. 1, 1
„öidxovog" durch „minister" wiedergibt.
ij) Auch die alte lateinische Übersetzung des Irenäus gibt „öiaxovog"
Die alten lateinischen Cbersetzuiigeu ATlicher apokrypher Bücher usw. 309
Außer auf „ministri" weise ich auf die Übersetzung „seniores"
für ,,jtQeaßvT€QOL'^ hin. Der Brief bietet an allen Stellen „seniores"
außer an einer Stelle, wo er „(isra xciv xad-sörafiipcov jtQscßvti"
Qcop'' durch „cum constitutis presbiteris" wiedergibt (c. 54). Also
der terra, techn. „presbyteri" war dem Übersetzer schon bekannt,
ebenso wie dem TertuUian ^ ; allein die Feinheit, die einem späteren
gar nicht mehr zuzutrauen ist, liegt darin, daß er so scharf und
richtig zwischen den „Ältesten'' als einem Ehrenstand in den Ge-
meinden (= „seniores*') und den „Ältesten" als Amtspersonen
(= „presbyteri") unterscheidet'^. Auch die alte lateinische Über-
setzung des Irenäüs bietet bald „presbyter", bald „senior" (oder
ein Synonymum). Allein man kann nicht sagen, daß sie nach
einem Prinzipe konsequent verfahren wäre. Dagegen vermeiden
beide Übersetzungen des Hermas und der Laudianus Oxoniensis
der Apostelgeschichte das Wort „presbyteri" (nicht aber die alte *
Übersetzung des Jacobusbriefs im Cod. Corb., nunc PetropoL, auch
nicht die Übersetzung der Acta in dem Gigas librorum, die z. B.
in dem 15. Kap. zuerst „presbyteri", dann ohne ersichtlichen Grund
„seniores" bietet), so daß in Hinsicht auf die Einbürgerung des-
selben in die abendländische Kirchensprache die Übersetzung des
Hirten, die Übersetzung des Clemensbriefs und Tertullian (mit dem
der lateinische Irenäus zusammen steht) drei Stufen bildend In
«lurch „diaconuH" wieder, und zwar nicht nur I, 13, 5, wo eri terminus teehnicuB
ist, sondern sogar I, 14, 7, wo es nicht in diesem Sinn steht: „Usus est autem
diacono Septem numerorum raagnitudine". Gleich darauf wird „diaxovet}^' durch
„uiinistrare" übersetzt.
1) S. die auf der vorigen Seite angeführten Stellen. Neben „episcopus et
diaconuö" braucht Tertullian stets „presbyter**. „Seniores" findet sich im
Apolog. alleinstehend.
2) C. 44 hätte er ol TtgeaßvteQoi auch durch „presbyteri" statt durch
„seniores" wiedergeben können, aber notwendig war es nicht.
3) Iren. I, 15, G ist „Ti^eaßvrrjQ" durch „senior" wiedergegeben (biß);
II, *J2, 5: „ndvTsg ol ngeaßvxeQOi fiagtvQovaiv = omnes seniores**; III, 23, 3:
„ex veteribus quidam** (der Originaltext fehlt); IV, 32, 1: „senior apostolorum
discipuluB**; V, 17, 4: „quidam de senioribus** [e^tj ttg tdäv TigoßsßTjxSrafv),
Diis ist korrekt, und ebenso verständlich ist es, daß der Übersetzer III, 2, 2
„successiones presbyteronim" und „non solum presbyteris sed etiam apostolis"
fc?chreibt; denn hier sind ol n^eaßize^ot = ol iniaxoTioi (dasselbe gilt von
IV, 32, 1: „in ecclesia sunt presbyteri, apud quos est apostolica doctrina**).
Dagegen ist es inkorrekt, wenn er IV, 27 „a quodam presbytero*' schreibt, resp,
„sicut dixit presbyter*'; hier wäre „senior** am Platze gewesen, und in der Tat
gibt der Übersetzer „o :iQeoßvteQoq" einige Zeilen weiter durch „senior** wieder
(der Ausdnick bezieht sich auf denselben Mann). Auch IV, 28, 1, FV, 30, 1,
IV, :;(», 4 (hier der Ausdruck „de antiquis presbyter**), V, 5, 1, V, 33, 3, V, 36, 1
(bis) steht „presbyteri**, während man „seniores** erwartet. Die Versio vixlg.
310 ^i^ Literatur des Abendlandes.
deo Akten der Perpetua und Felicitas steht (c. 13): „Aspasius
Presbyter doctor*'. Den terra, techn, „oi jtQOfjyovfiepoi ^fiäv^ gibt
unsere Übersetzung durch „eos, qui prae (Ms. wohl irrtümlich „pro")
nobis sunt** wieder; ebenso übersetzt die Versio vulg. des Hermas
(Vis. II, 2, 6; III, 9, 7 „oi XQorjyovfjievoL rrjq ixxXrjclag*^ = „qui
praesunt ecclesiae"), während die Palatina „priores" bietet „^Hyov-
ficpoc*^ (christliche) werden (c. 1) als „praepositi" bezeichnet, wäh-
rend die weltlichen ^yovfisvoc (Machthaber, Offiziere u. s. w.) „po-
tentes", „duces", „principes*' und einmal auch ^praepositi* heißen
(c. 5. 32. 37. 51. 55. 60).
Erwähnt mag es werden, daß c. 39 in dem Hiobzitat »ajYf-
kog^ durch „nuntius*' wiedergegeben ist; doch eben weil es im
Zitat steht, kann die Stelle nicht ins Gewicht fallen. Dazu kommt,
daß auch im Carm. apol. Commodians v. 99 „nuntius" = „angelus*'
ist^. Dagegen hat Sanday mit Recht darauf aufmerksam ge-
macht 2, daß die Übersetzung von ^xara xcoQag^ = ^secundum
municipia" (c. 42) und von j^lx^^^^^v x^Q^^ evösßcöv^ = „habent
municipium religiosorum*' (c. 50), die ich angemerkt hatte, einen
wichtigen Fingerzeig gibt: „The use of municipium is specially
characteristic of the text of the Cod. Vercellensis" ^ d. h. des
fundamentalen lateinischen Textes der Evangelien, und
zwar des europäischen Textes im unterschied von dem
afrikanischen*. Nach Europa, d. h. nach Rom, schien uns aber
auch sonst die Übersetzung des Clemensbriefs zu weisen. Übrigens
des Hermas gibt jjTt^eoßvTSQOi" an den drei Stellen, wo es vorkommt, durch
„seniores" wieder; die Palatina bietet an der ersten Stelle „priores", an der
zweiten „seniores et maiores natu". — Nur wenn durch den Kontext selbst die
Unterscheidung von Ältesten der Geburt und dem Amte nach gefordert wird,
findet sich in späterer Zeit eine scharfe Unterscheidung, s. z. B. die Über-
setzung von Origenes, Select. in Psal. (zu Ps. 3ü hom. 4 c. 8 Tom. XII p. 212
ed. Lommatzsch): „Unde et nos optare debemus non pro aetat« corporis
neque pro officio presLyterii appellari presbyteri et seniores, sed pro interioris
hominis perfecto sensu et gravitate constantiae". Amhrosius (in Ps. 36 c 00)
schreibt: „Toannes senex coepit scribere . . . epistolas, qui cum refugeret
•apostolum se scribere, seniorem scripsit".
1) Von Bedeutung ist auch, daß „7rcfiTo;f()ara>()" einmal mit „omnin
potens" (c. GO) übersetzt wird. Wolf fl in meint allerdings (a. a. 0. S. STu
auch hier „omnipotens" herst-ellen zu müssen. Auf )mlx6^ = „plebeius" darf
man sich nicht für das 2. Jahrhundert berufen, da es auch in der Tita
Cypriani c. 1 steht.
2) The Guardian, 28. März 1894 p. 457.
3) S. Sanday, Old-Latin-Biblical Texts II p. CCXXVII u. Belsheim,
Codex Vercell., Christianiae 1894.
4) Marc. G, 0. 36; R, 23. 20; 11, 2; Luc. 5, 17; 0, 0; 24, 13 ist ,,x<a(iff'
durch „municipium" wiedergegeben.
Die alten lateiniäcben Übersetzungen ATliclier apokrypher Bücher usw. 311
besteht noch eine eigentümliche Beziehung zwischen dem Vercel-
lensis und unserer Übersetzung. Jener Kodex ist der einzige Zeuge
für die auffallende Übei-setzung ,homo paterfamilias" in Luc. 19,
12 (= av&QODJtog evyep^g). Sowohl die Vulgata wie die vorhieix)-
iiymianischen Übersetzungen bieten kon'ekt: „nobilis^. Allein auch
die Übersetzung des Cleniensbriefs bietet in c. 40 ein ganz uner-
wai-tetes „paterfamilias^ (für „o daajror^^"). Demgemäß wird das
A'erhältnis unserer Übersetzung zu der Evangelienübersetzung im
A ercellensis und zu der alten lateinischen Hermasübersetzung zu
prüfen sein. Diese Stücke scheinen näher zusammenzugehören;
die Übersetzung des Clemensbriefs aber weist auf das 2. Jahr-
hundert, und ich habe keine Gründe gefunden, die gegen diesen
Ansatz ins Gewicht fallen könnten.
Nicht bewiesen, wolil aber bekräftigt wird dieser Ansatz durch
das vorzügliche Original, das der Übersetzung zugrunde liegt und
welches an einigen Stellen mit Clemens Alexandrinus gegen alle
übrigen Zeugen zusammenstimmt, an anderen allein das richtige
bewahrt hat^ Nun kann gewiß einem späteren Übersetzer eine
uralt« Handschrift zugekommen sein; aber das nächstliegende ist
wiederum nicht diese Annahme, sondern die andere, daß der
alte Übersetzer der Zeit der Handschrift, aus der er übersetzte,
nahe stand.
Überzeugt man sich aus den angeführten Gründen von der
hohen Wahrscheinlichkeit, daßr unsere Übei'setzung dem 2. Jahr-
hundert angehört, so wird man innerhalb dieses Zeitraums lieber
in die erste als in die zweite Hälfte rücken. Das nächstliegende
ist es doch in einer zweisprachigen Gemeinde, daß sie Stücke, die
sie im Gottesdienste las, auch alsbald in ihre zweite Sprache über-
setzte. Kundige Übersetzer für diesen leichten Brief gab es genug
in Rom. Für die Kritik der übrigen altlateinischen Übersetzungen
aber, für die Geschichte der lateinischen Bibel sowie für die Ge-
schichte der vulgären Latinität ist außerordentlich viel gewonnen,
wenn wir sicher darauf bauen können, daß unsere Übersetzung
jedenfalls dem 2. Jahrhundert, wahrscheinlich der frühen Zeit des-
selben angehia-t. Wir besitzen nun neben den Werken Cyprians
rin<^n zweiten festen Punkt '^.
1} Zu diesen Stellen will Hr. Zahn das „rlva T()o;rov" („<iuemadmoduiu")
in <•. 47 nieht rechnen, wo die übrigen Zeujijen das kaum verständliche „r/
Troü/rov" bieten; er meint, der Übersetzer habe „7r()(5tov" einfach unübersetzt
g'daKsen. Aber wie soll er darauf gekommen sein, „t/" mit „quemadmodum"
zu übersetzen? Tha XQonov kann übrigens aus c. 24 des Briefs belegt werden.
2) Auch Morin, der Entdecker und Herausgeber der lateinischen Über-
gotziing (Aneedota ^laredsolana, 1S!M), nimmt an, daß dieselbe bald nach dem
312 I^ie Litteratur des Abendlanderi.
(4) Der Hirt des Hermas. Wenn irgendeine der im Abend-
land entstandenen griechischen christlichen Schriften frühe über-
setzt worden ist, so ist es der Hirte gewesen. Der Inhalt des
Buchs verlangte es, daß es möglichst allen Christen zugänglich
gemacht wurde. In dem Buch selbst ist für einen Teil eine dahin-
gehende Anordnung getroffen (Visio II, 4: Jit/itpet Kirjfifjg dg ra^
?gc9 jtoXeig). Sobald die christlich-lateinische Litteratur für uns
auftaucht, sehen wir sie durchzogen von Reminiszenzen an den
Hirten; seine Gedanken, Bilder und Worte haben stärker auf sie
eingewirkt, als die vieler biblischer Bücher ^ Somit kann nicht
bezweifelt werden, daß das Buch um 200 ins Lateinische übersetzt
war; ja es ist sehr wahrscheinlich, daß die lateinische Version dem
griechischen Buche auf dem Fuße gefolgt ist. Sind doch über das
Buch in den abendländischen Kirchen zwischen 190 und 210 nach
dem Zeugnis des Muratorischen Fragments (s. dort) und Teitul-
lians (De pudic. 10) heftige Kontroversen geführt worden, die zum
Ausschluß desselben aus dem Kanon sehr vieler Gemeinden führten.
Diese Kontroversen setzen die Existenz des lateinischen Hermas
voraus; nach ihnen ist er gewiß nicht erst übersetzt worden. Fer-
ner, in einer seiner frühesten Schriften (De orat. 16) deutet Ter-
tuUian allgemeine Bekanntschaft seiner Leser mit der Schrift klär-
lich an. An sich schon geht daraus hervor, daß sie lateinisch in
Karthago existiei*te; aber die Worte, die TertuU. braucht, macheu
das vollends sicher. Er zitiert den lateinischen Buchtitel und
zitiei-t ein paar Worte aus dem Buch (Vii>. \'), die sich fast ebenso
in der uns erhaltenen Übersetzung linden: ..Item quod assignata
oratione assidendi mos est ciuibusdam, non perspicio rationem nisi
quam pueri volunt. quid enim, si Hermas ille, cuius scriptura fere
Pastor inscribitur '\ transacta oratione non super lectum assedisset,
verum aliud quid fecisset, id quoque ad Observationen! vindicare-
mus? utique nun . simpliciter enim et nunc positum est: ,,Cum ado-
Orijjcinal oiitstandiMi ist (vjjjl. auch v. (icbhiirdt in der «loutschen Litt.-Ztjr.
IS94 Nr. IS und llil^'enfeld, Woclieusi-hr. f. kliiss. l^bilolog. 1S04 Nr. Hi-.
Wülffliii, Archiv f. lat. Lexikographie Bd. 1) (JS«M) S. Sl, wiU die Zeit Ter-
tiilliaiiö erkeimen. Kiioiif, der nach Morin die hiteiuiscbe Übersetzung am
f^ründlichsten untersucht hat (Texte und Unters. Bd. 2U Heft 1), stimmte mir
wesentlich zu, doch Asill er LX) — 'J.'IO often hissen.
]) Man vgl. die Briefe der Konfcssoren Celeriims und Lucian in der Brief-
sainndung Cyprians. Diese ganz ungebildeten Männer, dit; gewiß kein Griechisch
Yei*standen, lebten und webten ganz in den Gedanken des Hirten.
*J) „Bastor" lautet in der Tat die Überschrift der hiteinischen Ü})ersetzung.
"Wäre das Buch nur griechisch vorhanden gewesen, so hätte Tertulliau Iloifitv
gcschrieVjen. Das „fere" kann nicht bedeuten „so ungefähr ist der grieclii.-clie
Titel wiederzugeben", s. o.
Die alten lateinisclien Übersetzungen ATlicher apokrypher Bücher usw. 313
rassem et assedissem super lectum", ad ordinem narrationis, nou
ad instar disciplinae." In De pudic. 10 u. 20 zitiei-t er das Buch
einfach als „Pastor*", und daraus folgt, daß es so hieß, also latei-
nisch existierte, und daß man sich also durch das „fere"^ nicht irre
machen lassen darf. Die Abendländer lasen ihi-en „Pastor" (s.auch
das Murat. Fragment^: „Pastorem nuperrime temporibus nostris
in urbe Koma Hermas conscripsit") ; also existierte er lateinisch,
so gewiß die Sprüche Salomonis lateinisch existierten, als man sie
nicht mehr „Uagoifiiai'', die Apokalypse Johannis, als man sie nicht
mehr „'AjtoxaXvifug^'f sondern „Proverbia" bez. „Revelatio" (als Titel-
bezeichnung) nannte. Wir haben mithin das lange Zitat in der
Schrift Ad aleatores Pseudocyprians — die Schrift gehört viel-
leicht erst der Periode 260—350 (s. u.) an — aus dem lateinischen
Hermas (SimiL IX) nicht nötig, um sein Dasein bezeugt zu finden;
TertuUian ist ein sichererer Zeuge.
Die innere Beschaffenheit der lateinischen Übersetzung ist der
Annahme, daß sie bald nach dem Original, jedenfalls vor c. 190
entstanden ist, günstig. Allerdings ist sie bisher noch nicht gründ-
lich untersucht worden, aber was ans Licht gestellt ist, spricht
für ein hohes Alter. Ich habe oben (S. 308) bereits darauf hinge-
wiesen, daß es „episcopi et ministri" in der Übersetzung heißt,
eine Erscheinung, die uns nur noch in der lateinischen Übersetzung
des I. Clemensbriefs, aber nicht bei Tertullian, in der Passio
Perpet. etc. begegnet. Ebenso venneidet die Übersetzung noch,
das Wort „presbyter" zu brauchen; sie schreibt „seniores" und
trifft damit wiederum allein mit dem I. Clemensbrief zusammen,
der übrigens nicht ganz so konsequent ist. Auch ol jtQor/yov-
fievoL = „qui praesunt" findet sich (s. o.) bei beiden. Sie ge-
hören also enge zusammen und dürfen als die ältesten christlich-
lateinischen Übersetzungen (neben einigen biblischen Büchern)
gelten.
Es ist bisher von einer lateinischen Übersetzung des Hirten
die Rede gewesen; aber überliefert sind uns zwei, die eine in
iäner außerordentlich gi-oßen Anzahl von Abschriften, die andere
in zwei Exemplaren. Doch sind sie voneinander nicht unabhängig,
die eine ist die Bearbeitung der anderen. Haußleiter hat ver-
sucht, gegen die allgemeine Meinung die spärlich vertretene Re-
zension als die frühere zu erweisen'-. Bevor beide textkritisch
\) Bei iliosor Benifuni^ ist der lateinische ürsjprunj:^ des Fragments
vorausgesetzt.
2) De versionibus l'ustoris Hennae Latinis 1-SSl, vgl. auch seinen Aufsatz
in d. Ztschr. f. wissenscli. Tht^ol. Bd. 20 (18S:J) S. :]45ff.
314 I^ie Litteratur des Abendlandes.
gesichert herausgegeben sind, muß ich mich des definitiven üi-teils
über die Frage enthalten \
(5) DieDidache. Seit den beiden Publikationen von Schlicht^
besitzen wir die vollständige lateinische Übersetzung der ersten
kürzeren Hälfte der Didache. Das Verhältnis, in welchem L zu
den anderen Rezensionen der Didache (besonders zu K) steht ^
macht es wahrscheinlich, daß die Übersetzung sehr alt ist*, und
dies ist auch durch die Zitate aus der Didache in abendländischen
Schriften des 3. und 4. Jahrh. gefordert (Pseudocypr., Ad aleat;
Gesta apud Zenophilum, Lactantius^, Optatus), sowie duixh die
Erwägung, daß man im 4. Jahrhundert ein solches Schriftstück,
wenn es damals erst im Abendland aufgetaucht wäre, schwerlich
mehr übersetzt, d. h. in den kirchlichen Gebrauch genommen hätte.
In das 3. Jahrhundert geht die Übersetzung zweifellos hinauf;
aber sichere Argumente, sie ins 2. Jahrh. und nach Nordafrika zu
versetzen (s. Schlicht, a. a. 0.), fehlen.
(6) Auf die Acta Pauli hat man sich schon am Ende des
2. Jahrh. in Nordafrika für das Recht der Frauen, zu lehren und
zu taufen, berufen (TertuU., de bapt. 17); denn daß die sog. Acta
Pauli et Theclae nur ein Bruchstück aus den alten Paulusakten
sind, steht seit der Entdeckung der koptischen Reste der Schrift
fest. Dieses Bruchstück in seiner unglaublich vei'zweigten abend-
ländischen Überlieferung hat uns v. G ebhardt jüngst mit staunens-
Averter Gelehrsamkeit vorgeführt^. Vorsichtig hat er es ver-
mieden, eine Zeitbestimmung für die zahlreichen Übersetzungen bez.
Ubersetzungs- Rezensionen zu geben; daß mindestens eine Uber-
1) Gegen Haußleiter s. Lipsius in d. Theol. Litt.-Ztg. 1S85 Kol. 2Slf.
!Mir scheint allerdings die Frage bereits durch das Zitat in Ad aleat., welches
sich auf die Vulgata des Hermas bezieht, nahezu entschieden zu sein. Die
andere Rezension ist wohl nicht vor dem Ende des 4. Jahrhunderts ent-
standen, B. die Prolegg. zu meiner Hermasausgabe p. LXVf.
2) /iiöaxh ^' ^(oöexa dnoar. Doctrina XII apostolonim una cum antiqua
versione Latina prioris partis, 1900. — Die Apostellehre in der Liturgie der
kathol. Kirche, 1001. Schlicht fand die lat. Übersetzung von Did. 1 — 6 im
!Monac. G2(31 saec. XI; sie ist mit den Bruchstücken der im Kodex von Melk
enthaltenen Übersetzung identisch.
:J) 8. die Nachweisung in der Theol. Litt.-Ztg. 10(K) Kol. 038 fF.
4) Schlicht (2. Publikation S. iu) findet sogar, daß die lat. Übersetzung
an das Original, das allerdings nicht in dem Cod. Constantinop. vorliege, näher
heranreiche als irgendeine andere abgeleitete Quelle, den Baniabasbrief nicht
ausgenommen.
5) S. V. Gebhardt in meiner Ausgabe dor Didache (Texte u. Unters. 11..
1. 2 S. 282 ff.).
G) Texte u. Unters. 13d. 22 II. 2, 11)02.
Die alten lateinischen CberBetzungen ATlicher apokrypher Bücher usw. 315
Setzung dieses Bruchstücks schon im 3. Jahrh. existierte, ist aus
der hohen Verehrung, welche Thekla auch im Abendlande frühe
genoß, gewiß. Aber sind die vollständigen Akten auch schon im
3. Jahrhundert übersetzt worden ? Auch dies wird man für sicher
halten dürfen. Der falsche Briefwechsel des Paulus mit den Ko-
rinthern existiert in zwei lateinischen Übersetzungen und ist in
die lateinischen Bibeln eingedrungen. Dieser Briefwechsel ist aber
ursprünglich ebenfalls ein Bestandteil der Acta Pauli. Es ist an
sich möglich, daß die Briefe für sich übersetzt und verhältnismäßig
spät durch einen Zufall in lateinische Bibeln eingedrungen sind;
aber da wir die Acta Theclae aus alter lateinischer Übei-setzung
besitzen, jener Briefwechsel lateinisch vorliegt, auch das Mar-
tyrium Pauli, welches ebenfalls Bestandteil der alten Akten war,
lins lateinisch erhalten ist^ und endlich die Hermogenes- und
Hermippus-Geschichte aus den Akten dem Abendland bekannt und
als biblische (leschichten anerkannt waren ''^, so erscheint die
Annahme geboten, daß es eine lateinische Gesamtübersetzung der
Akten gegeben hat, aus der die verschiedenen Stücke für den
]H'aktischen kirchlichen Gebrauch ausgegliedert worden sind. Diese
Gesamtübersetzung muß alt gewesen sein, d. h. muß noch in das
3. Jahrhundert fallen; denn ein quasi-kanonisches Ansehen des
Buchs, wie wir es aus der Haltung der defensores desselben in
Karthago z. Z. TeituUians, aus der Tatsache der Existenz des
korinthischen Briefwechsels in lateinischen Bibeln und aus der
Zitierung der Hermogenes- und Hermippus-Geschichte als bibli-
scher Geschichten erschließen müssen, kann sich nur im 3. Jahr-
hundert gebildet haben. Damit ist aber auch eine lateinische Über-
setzung des ganzen Buchs für diese Zeit gefordert.
v7) Die lateinische Übersetzung des großen AVerks
des Irenäus. Durch die Zitate des Augustin aus der uns erhal-
tenen Übersetzung des Irenäus (s. Teil I dieser Litt.-liesch. S.273)
ist erwiesen, daß sie am Anfang des 5. Jahrhunderts vorhanden
Avar und in Nordafrika gelesen wurde. Für ihre Abfassung steht
also das 3. und 4. Jahrhundert offen. A priori wird man sich der
Ansicht zuneigen, daß die Übersetzung dem Original sehr bald —
vielleicht noch unter den Augen des Irenäus — gefolgt ist Zwar
in Lyon selbst ließ sich anfangs eine lateinische Übersetzung ent-
luliren — die (Christengemeinde daselbst muß ganz überwiegend
griechisch oder des Griechischen kundig gewesen sein — , aber im
lateinischen Abendland muß doch im Kampf gegen die Häresie das
1) S. Lipsius, Acta aj)ostol. apocr. I y. 105 fF.
•Ji S. 111 cinon Aufsatz in d. Texten und Unters. Bd. 10 Heft 3, 1S09.
316 Die Litteratur des Abendlandes.
größte Interesse bestanden haben, das Hauptwerk gegen dieselbe
(denn das ist die Befntatio des Irenäus) lesen und dazu von den
reichen positiven Darlegungen des Buchs Gebrauch machen zu
können. Spuren der Lektüre des Irenäus lassen sich bei mehreren
Vätern des lateinischen Abendlands seit dem 3. Jahrh. nach-
weisen; aber sie sind nicht so beschaffen, daB man die Frage ent-
scheiden könnte, ob sie sein Werk griechisch oder lateinisch ge-
lesen haben. Alles kommt daher darauf an festzustellen, ob Ter-
tullian in dem Traktat Adv. \'alent, der ganz auf dem 1. Buche
des Irenäus ruht und es in großen Partien ausschreibt, nur das
Original oder nur die Übersetzung oder etwa beide gekannt hat.
Die Antwort kann m. E. nicht zweifelhaft sein:^ TertuUian hat
ausschließlich den Grundtext vor sich gehabt und ihn
selbst übersetzt An hunderten von Stellen braucht er nicht
dasselbe Wort, welches der lateinische Übersetzer gebraucht hat,
sondern ein anderes: das ist sogar die durchgehende Regel, die,
abgesehen von ein paar gleich zu nennenden Stellen, nur dann
durchbrochen erscheint, wenn ein und dasselbe lateinische Wort
sich aufdrängte. An mehreren Stellen läßt TertuUian den griechi-
schen Ausdruck stehen, wo der Übei-setzer einen lateinischen ge-
wählt hat; aber auch der umgekehrte Fall findet sich. Daß aber
Tert. nicht etwa eine andere lateinische Übei-setzung gebraucht
hat, sondern selbst den Text ad hoc ins Lateinische übersetzte, ist
an sehr vielen Stellen deutlich, an denen jeder Kenner sofort den
»Stil Tertullians erkennt^.
1) »S. die V(;rj^leichun<xstiibt'll»', die Si'iuler g('<rebi'ii hiit; abgedniekt ))ei
0«"hlor, Opp. Tertiill. III p. (mS— (kSl. Leider hat ^^omler neben den Text des
Tert. mir den ])ei Ei>iphaniu8 erhaltenen (inmdtext des Irenäns j^estellt, nicht
aber die alte hiteinische Übersetzung. Diese muH mau hinzusetzen; Tert. liat
den Iren, abgeschrieben in Adv. Valent. 7—12. 1 1— *J9. {;\u). ;il— :]:}. (:-i4). :»»:►—::!».
2) Zum Vergleiche sei eine Stell«,' (Iren. I, 1, 1 ^-^ Adv. Val. 7) hergesetzt.
Die wenig(?n gemeinsamen Worte, die auffallen könnten, sind gesperrt.
Iren. 1, 1, 1. Adv. Valent. 7.
Dicunt ess(; ((ueudam in iuvisibilibus i lUic etiam A'alentinianornm d«'us ad
et inennarrabilibus altitudiuibus per- summas tegidas habitat. hunc sub-
fectum Aeonem, (jui ante fuit. Plunc , stantialiter (^uidem Auova xekeiov ap-
autem et Proarchen et Propatora (;t ])ellant, personaliter vero ÜQOaQX'riv et
Bython vocant; e8S(? autem illum in- TtfV Aqx^iv, i'tiam Bython . . . innatuni»
visibilem, et quem nulla res capere ' immensum, infinitum, invisibilem aetfr-
possit. cum autem a nuUo caperetur '• numque definiunt . . . sit itaque Bythos
et eßscit invisibilis, sempiternus (?t in- iste inlinitis retro aevis in maxima et
genitus, in silentio et in (piiete multa altissima (piiete, in otio plurimo plaii-
fuisse in inuu(;nsis aeonibus. cum ii»so dae . . . divinitatis. et tarnen quem
autem fuisse et Knnoean, quam etiam solum volunt daut ei secundam in ips«>
Die alten lateinischen Obersetzungen ATlicher apokrypher Bücher usw. 317
Sollte trotz der nahezu totalen Verschiedenheit doch ein Ver-
wandtschaftsverhältnis zwischen Tertullian und dem Übersetzer
des Ii-enäus bestehen, so liegt die Annahme näher, daß dieser jenen
bei seiner Übersetzung herbeigezogen hat als umgekehrt. Hätte
Tertullian eine lateinische Übersetzung des Irenäus neben dem
Original — daß er dies besaß und daß es seine Hauptquelle war,
ist unwidersprechlich — zur Verfügung gehabt, so hätte er sich
unmöglich die wirklich schauderhafte Mühe gemacht, selbst zu über-
setzen, zumal da die Übersetzung sehr wörtlich und gut ist. Das Um-
gekehrte ist das Näherliegende: der Übersetzer des Irenäus, augen-
scheinlich ein kundiger Mann, kann sehr wohl Terts Traktat Adv.
Valentin, gekannt und ihn bei seiner schwierigen Arbeit zurate
Iren. I, 1, 1.
Cliiarin et Sigen vocant; et aliquando
voluisse a semetipso emittere hunc
Bythum initiuin omnium, et velut
eemen prolationem hanc praemitti vo-
luit et eam depoöuisse quasi in vulva
eius, quae cum eo erat, Sige. hanc
autem susce pisse seinen hoc et
praegnantem factam generasse Nun,
«irailem et aequalem ei, qui emiserat,
et solum capientera magnitudinem
patris. Nun aut^m hunc et Unigeni-
tnm vocant et Patrem et Initium om-
nium. Una autem cum eo emissam
Veritatem, et hanc esse primam et
l>rimogenitam Pythagoricam quater-
nationem, quam et i-adicem omnium
dicunt. est enim Bythus et Sige, de-
iiide Niis et Alethia. sentientem autem
Unigenitum hunc in quae prolatus est,
emisisee et ipsum Logoii et Zoen, pa-
trem omnium eonim, qui post sc fu-
tun essent, et initium et forma-
tioneni univorsi Pleromatis. de Logo
autem et Zoe emissum secundum con-
iugationem Hominem et Ecclesiam, et
f ssp hanc primogcnitam Octonationem,
radicem et substantiam omnium etc.
Adv. Talent. 7.
et cum ipso personam, Ennoean, quam
et Charin et Sigen insuper nominant.
et forte accedunt in illa commenda-
tissima quiete monere eum de profe-
rendo tandem initio rerum a semet-
ipso. hoc vice seminis in Sigae suae
veluti genital ibus vulvae locis collo-
cat. suscipit illa statim et praegnans
efficitur et parit, utique silentio, Sige,
et quem parit Nus est, simillimum patri
et parem per omnia. denique solus
hie capere sufficit immensam iUam et
incomprehensibilem magnitudinem
patris . . . cum illo processit et fe-
mina, cui Veritas nomen. Monogenes,
quia prior genitus . . . ergo Bythos et
Sige, Nus et Veritas, prima quadriga
defenditur Valentinianae factionis, ma-
trix et origo cunctonim. namque ibi-
dem Nus simul accepit prolationis suae
officium emittit et ipse ex semetipso
Sennonem et Vitam . . . sed et haec
soboles ad initium universitatis et
formationem Pleromatis totius emissa
facit fi'uctum, Hominem et Ecclesiam
procreat. habes Ogdoadem ... ex con-
iugationibus masculorum et femina-
rum, cellas, ut ita dixerim, primordi-
alium Aeonum.
Ich habe als gemeinsame — alles übrige ist verschieden oder kommt nicht
in Betracht — die Worte a semetipso, initium, vulva, suscipere, ma-
gnitudo patris, initium et formatio gesperrt. Die betreffenden griechi-
schen Worte lauten: a^' kavtov, «(»/»J, fii^xgay inoi^ea^ai, xb fifyeS'O^ xov
TtccTQO^j dgxri xal fiÖQgxoaig, Wie konnten sie anders übersetzt werden?
318 I^ie Litteratur des Abendlandes.
gezogen haben. Wahrscheinlich ist freilich auch dies nicht; denn
es ist nicht abzusehen, warum er den TertuUian, der so vieles
treffliche in seiner Übersetzung bietet, nicht stärker ausgenutzt hat.
Aber worin besteht denn die Verwandtschaft zwischen beiden?
Ist es wii'klich nötig, eine Abhängigkeit des einen von dem anderen
anzunehmen? Mir sind nur folgende Fälle aufgestoßen:
(1) Adv. Valent 9: „quod exorsura quidem fuerat in illis aliis
qui circa Nun, in hunc autem vel in Sophiam derivaverat
Iren. lat. I, 2, 2: quae exorsa quidem fuerat in iis, quae sunt
erga Nun et Alethiam; derivavit autem in hunc aeonem id est
Sophiam demutatam.
Iren.: o ii^^Q^ato fihp hp rolq jcbqI top Novv xäl rfjp ^AX'^O-tiai.,
äjteöx7]ips 6h elq rovxov top jtaQatQajttvza.
Auffallend ist hier dieselbe Übersetzung bei beiden inbezug
auf ^i^^pgaro und djteöxrjtps] daß sie beide die Sophia nennen gegen
den uns überlieferten Grundtext, zeigt nur, daß in diesem etwas
ausgefallen ist Übrigens sind die Verschiedenheiten auch nicht
gering zwischen beiden.
(2) Adv. Valent. 10: „linthymesin vero eins et illani appeu-
dicem passionem ab Horo relegatam.
Iren, lat: I, 2, 4: Separata enira Intentione ab ea cum appeu-
dice passione.
Iren.: .... öw rm ijtiyipofievm jtaO-et,
Alles ist bei beiden im Kontext sonst verschieden; aber daiv
xo imyivofievop jraO-og von beiden durch „appendix passio" über-
setzt ist, ist sehr auffallend.
(3) Adv. Valent 10: „crucifixam".
Iren, lat I, 2, 4: „crucifixam".
Iren.: djtoozsQrjd^TJpaL
Das wäre ein sehr frappantes Beispiel; aber der Grundtext,
wie wir ihn heute lesen, ist falsch; es muß «jroaratvicöö^^rat heißen.
(4) Adv. Valent 12: „compingnnt".
Iren, lat I, 2, 6: „compingentes".
Iren.: jtXt^aprag,
Da alles übrige im Kontext ganz verschieden ist, will dieses
Zusammentreffen nichts besagen.
(5) Adv. Valent 12: „satellites ei angelos proferunt".
Iren, lat I, 2, 6: „satellites .... angelos cum eo prolatos'*.
Iren.: öogv^oQovg .... dyyeXovg cvfiJtQoßeßXijoO^ai.
Die „Speerträger** sind die Leibwache. Das Zusammentreffen
in dem Wort satellites ist m. E. nicht auffallend.
Die alten lateiuiseheii Cbereetzimgen ATlichor apokrj'plicr Bücher usw. 31 9
(6) Adv. Valent. 30: „archangeluni".
Iren. lat. I, 5, 2: „archangelum".
Iren.: ayyeXov,
Die LA ayyBXov ist falsch; im Grundtext muß a()x«77f>lor ge-
standen haben.
Andere Fälle, die von Bedeutung sein konnten, kenne ich
nicht; denn wo Tertull. und Iren. lat. sonst zusammentreffen, ist
dies Zusammentreffen nicht auffallend, vielmehr durch den Grund-
text einfach vorgeschrieben. Es sind also in Wirklichkeit nur zwei
Fälle, die zu Bedenken Anlaß geben. Diese Zahl ist viel zu gering,
um Schlüsse auf sie zu bauen. Will man es aber doch tun, so
müßte man annehmen, daß der Übersetzer des Irenäus den Tertull.
eingesehen hat. Doch nichts zwingt zu dieser Annahme. Die
umgekehrte, von Grabe und Massuet vertretene Meinung aber,
Tert habe den lat. Irenäus benutzt, ist ganz unhaltbar.
Leider also verhilft uns TertuUian nicht zu einer Alters-
bestimmung der lateinischen Übersetzung des Irenäus. Er hat sie
nicht gekannt; daraus folgt freilich nicht, daß sie noch nicht
existierte. Wir sind also ganz auf innere Gründe angewiesen, um
die Zeit ihres Ursprungs zu bestimmen. Diese aber geben m. E.
keine Sicherheit. Wie der Verf. Bischöfe, Presbyter und Diakonen
wiedergegeben hat, ist oben S. 309 mitgeteilt worden. Einen chro-
nologischen Schluß kann man daraus nicht ziehen. Beachtenswert
ist es vielleicht, daß er (a. a. 0.) „diacouium" für den Diakonat
schreibt und daß das Woii; sonst erst bei Cyprian nachgewiesen
ist, ferner daß er „salvator" schreibt — TertuUian vermeidet das
Wort. Umgekehrt finden wir bei ihm noch „exomologesis" und
„eucharistia", wie bei TertuUian (nicht bei Cyprian); ferner agonia,
agonisari, allophylus, antitypi, apocatastasis, apocryphon, aporia,
aporiatam esse, aporiatus, apostasia, apotelesticos , archegonos,
archontes, catathematisare, character, choicus, comoedisari, diastema,
ecstasis, endiathetos, enthymesis, episemon, gnosis, hedyosmus, hy-
licus, hymnizare, hypocrita, idiotae, idiotice, logion, martyiium fa-
cere, mysterium, mysterialiter, oneiropompus, opobalsamum, para-
bola, parasema, perierga, phantasia, Phantasma, phantasmari,
phreneticus, physiologice, pithanologia, praecatechisatus, psychicus,
rhythmisari, rhythraisatio, scarizare, etc. 'Ofioovoiog gibt er kon-
stant durch „eiusdem substantiae" wieder, nicht durch das später
gebräuchlichere „unius substantiae" oder „consubstantivus". „Kad^-
oXixoq^' hat er III, 11, 8 überhaupt nicht übersetzt {xa&oXixal
öiaO^^xai == testamenta), und es kurz vorher durch „principalis"
wiedergegeben {xioöaQct xad^oXixa jtvtvfiaza = „quatuor principales
320 ^ic Litteratur des Abendlandes.
Spiritus**). Wenn das Wort im Lateinischen damals ganz gebräuchlich
war, warum vermied er es? Im Bibeltext ist ihm o Xoyoq stets =
„verbum" (Joh. 1, 1), aber sonst übersetzt er es mit „sermo". ^AöeX-
(poxriq, aöaXtpoi = „fraternitas", „fratres"; aber III, 4, 2 übersetzt
er rj xAv aöaXtpAv avpoöla durch „conventus religiosorum homi-
num"! ^ ÜQoöcojtov wird (III, 11, 8) durch „forma" wiedergegeben.
Über das Alter des Lateins des Verfassers wird niemand so leicht
eine sichere Bestimmung zu treffen vermögen, ob es ins 3. oder
4. Jahrhundert gehört. Der Bibeltext, den der Übersetzer brauchte,
ist jedenfalls sehr alt; aber auch das entscheidet nicht; denn
3. und 4. Jahrh. hier auseinanderzuhalten vermögen wir nicht
Vielleicht wird eine ganz genaue Erforschung der Übersetzung
im Vergleich mit dem Originaltext Licht bringen. Bis dahin muß
die Frage unentschieden bleiben, wenn man auch geneigter sein
wird, das 3. Jahrh. vor dem 4. zu bevorzugen 2.
1) Diese Obersetzung ist so auffallend, daß man vermut^^n muß, der
Lateiner habe nicht zwv ddeXipdiv gelesen. Stand im Grundtext nicht rcöv
aylmv'i Man hat vielleicht in diesem Fall anzunehmen, daß x<5v aylotv anstößig
war und von Eusebius (ihm verdanken wir an dieser Stelle die Erhaltung des
Grundtextes) oder seiner Vorlage in ddeXtpotv verwandelt, von dem Obersetzer
durch „religiosorum hominum" wiedergegeben ist. Hierfür spricht, daß im
pseudotertull. Carmen Adv. Marc, welches den bei Irenäus sich findenden Be-
richt über Cerdos Ausstoßung aus der Kirche {Xa&QOÖiSaaxaXwv . . . iXeyxo'
liBvo^ i<p* oIq iölöaaxe xaxcSg . . . d(piatdfji€vog xrjg xwv döeXqimv [?] awoöiac]
willkürlich sowohl für diesen als für Marcion verwertet, bei Cerdo (IIT, 288fiVl
steht: „detectus, quoniam vocos et verba vonena spargebat fürt im, qua-
proptor ab agmine pulsus", bei Marcion (III, 299ff.): „passim vulgo loquens
latebrosa perfidus arte . . . abjectiis . . . a sanctis reprobus"). Hieraus
lilßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen (da „fratrum" an beiden
Stellen fehlt), daß der Grundt^xt gelautet hat: xfiq xcHv dyicov avvodlag. Wie
dem aber auch sei, die Übersetzung bei unserem Lateiner „religiosorum homi-
num" macht nicht den Eindnick einer sehr frühen Zeit, mag er was auch
immer gelesen haben.
•J) Im pseudotertull. Carmen Adv. Marc, ist Trenäus mehrfach benutzt, aber
nicht die lateinische Übersetzung (überall sind di<j Worte andere), sondernder
(Jnmdtext. — Loofs hat in seiner Abhandlung: „Die Handschriften der
lateinischen Übersetzung des Irenäus" (Kirchengesch. Studien, Reuter gewidmet,
1888, S. 8 ff.) sich über das Alter der Übersetzung nicht geäußert. Mercati
(D'alcuni nuovi sussidi per la critica del testo di S. Cipriano, Roma, 1809,
1». 100 ff.) ist geneigt, auf Grund eines stark abweichenden Zitates aus dem
lateinischen Trenäus bei Agobard (Do iudaicis sui»erstitionibus) die Existenz einer
zweiten lateinischen, in Gallien angefertigten Übersetzung anzunehmen; aber
notwendig scheint mir diese Hypothese nicht zu sein. Im günstigsten Falle
wäre anzunehmen, daß es für diese oder jene berühmte Stelle bei Irenäus
mehrere Übersetzungen gegeben hat. In den „Studi e Testi" o (1001) p. 241 ff.
ist Mercati noch einmal auf die Sache zarückgekommen (nach meiner kurzen
Bemerkung in der Theol. Litt.-Ztg. 1800 2. Sept. und Turners Kritik in dem
Die Akten der l'erpetua und Felicitiis. 321
13) Die Akten der Perpetaa und Felicltas.
Dieses Kleinod der altchristlichen lateinischen Litteratur liegt
in drei Rezensionen vor, nämlich (l) in einer montanistischen^
lateinischen, (2) in einer mit dieser fast identischen griechischen
und (3) in einer kürzeren lateinischen (katholischen) 2. Die beiden
ersten enthalten c. 3—10 u. 11—13 die Aufzeichnungen der Per-
petua und des Saturus über ihre Erlebnisse und Visionen im Ker-
ker und den Rahmen des Redaktors (c. 1. 2 und 14—21). Es ist
möglich, aber nicht wahrscheinlich, daß c. 1 und die letzten Zeilen
von c. 21 einem vom Redaktor zu unterscheidenden Editor gehören.
Die Aufzeichnungen der Perpetua und Saturus sind keine Fiktion,
und die Akten bestanden schon in dieser Zusammensetzung, wie
wir sie jetzt lesen, zu jener Zeit, als Tertull. De anima schrieb;
denn er verwechselt (c. 55) das, was Saturus geschaut hat, mit der
Vision der Perpetua. Also ist diese Erzählung den Ereignissen
selbst sehr bald gefolgt. Der griechische Text ist so beschaffen,
rtaLs mit Recht die Frage aufgeworfen werden konnte, ob er nicht
Journ. of Theolog. vStud. H, 11KJ(), p. 147f.). Turner hatte die Hypothese vor-
getni^en, Agobard selbst habe die Fassung des Stückes hergestellt auf Giiind
Unh des Rufin, teils des Originaltextes, der ihm noch vollständig oder in der
Kirchengoschichte des Eusebius vorlag. Diese Annahme ist freilich nicht wahr-
scheinlich, und Mercati hat mit Recht Bedenken gegen sie geltend gemacht.
Kr bleibt dabei: „e difficile resistere al sospetto, che il fmmmento d'Agobardo
ii'ni d'im altra versione o d'una recensione molto diftereute", fiigt aber hinzu:
„fos^se poi di tutta l'opera d'Ireneo o d'una parte, o fiualmente anche del solo
nostro piisso, po8sil)ilmente derivato inAg. da qualche antico scrittore perduto".
— Werder Autor des l*rologö zu dem lateinischen Irenäus ist (gewöhnlich wird
der Diakon Flonis von Lyon genannt), der mit der Übersetzung zusammen abg«»-
dnu-kt zu werden pflegt, wissen wir nicht. Er hat für die Entstehung der
rbf'rK»»tzung selbst keine Bed(;utung, sondern gehört einer viel späteren Zeit an.
1) Der Montanisnuis des Redaktors ist m. E. unverkennbar; in bezug auf
die Heiligen selbst wird man sagen müssen, daß sie der neuen Prophetie nahe-
stehende Katholiken waren. Zu ihrer Zeit war die wirkliche Si>altuug zwischen
Montanisten und Katholiken in Karthago noch nicht eingetreten.
2) S. Ruinart; Aub6, Les ehret, dans l'cmpire Rom. de la fin des Antonius,
issi, y. .yiOfl'. Harris und Gifford, The Acts of the Mart. of Terj). and
Felic. 1800. Robinson, The Passion of S. ]*erpetua (Texts and Studies I, 'J;
ISOl). Neumanu, Rom. Staat und Kirche, 1800, I S. 171 if. 21)0 ff. Acta Rolland.
T. 11, 1802, ]». K.KJff. Besonders grümllicho Ausgabe von Franchi de'
(•avalieri, Rom. Quartalschr., 5. Sppl.-Heft, 180(3. Ehrhard, Die altchristl.
Litt. (10(X)) S. 5S2ff. V. (lebhardt, Acta Mart.. Selecta 1002. Monceaux,
Hist. litt. I, 1901, p. 7(»fr. Dazu Catalog. c.odd. hagiogr. Bibl. reg. Bnix. T. 1, 1,
l.^iK S. 158ff. Anal. Bolland. T. 10, ISOl, p. 07ff. u. T. 11, 1802, p. -JdOff. (Un
nouveau ms. = Cod. Ambros. C 210 inf.X
Harnack, Altcliriatl. LittL'iaturgesch. II, 2. 21
322 I^ie Litteratur des Abendlandes.
der ursprünglichere sei. Allein Robinson, Duchesne^ u. a. haben
mindestens das bewiesen, daß dem lateinischen Text des Rahmens
(c. 1. 2; 14—21) die Priorität zukommt 2. Daß aber in dem der
Perpetua gebührenden Abschnitt an einigen Stellen der griechische
Text m. E. den Vorzug verdient^, wird sich daraus erklären, daß
die Aufzeichnungen der Perpetua griechisch gemacht waren (s. c. 13),
und daß der griechische Übersetzer des Ganzen sie noch in dieser
Sprache vor sich hatte ^. Dann folgt aber, daß die griechische
Übersetzung auch in Karthago angefertigt und der lateinischen
Ausgabe auf dem Fuße gefolgt ist, sei es, daß der lateinische Re-
daktor selbst auch der Übersetzer ist, sei es — was wahrschein-
licher ist, da kleine Mißverständnisse nicht fehlen — daß er einem
anderen die griechische Übersetzung übertrugt Ist nun etwa
Tertullian der Verfasser? Ruinart, Zahn, Robinson meinen
das oder erklären es doch für höchst wahrscheinlich. Neumann
und Monceaux haben sich dagegen erklärt Manches spricht
dafür: der Stil ist recht ähnlich, die doppelte Ausgabe, lateinisch
und griechisch, fällt auch ins Gewicht Daß TertuU., wo er die
Akten zitiert (s. 0.), Perpetua und Saturus in bezug auf eine Vision
verwechselt, spricht nicht sicher dagegen. Aber hätte Tert sich
nicht in seinen zahlreichen Werken als Autor einer Schrift be-
kannt, die er den h. Schriften zugesellt sehen möchte, und hätte
er sie nicht öfters zitiert? Gewißheit, daß Tertullian der Verfasser
sei, läßt sich jedenfalls nicht gewinnen. Aber ist er nicht der
Verfasser von c. 1 (und den Schlußsätzen)? Hier sind die sprach-
lichen Übereinstimmungen am frappantesten, ja nur hier sind sie
frappant, und das Zitat aus der Apostelgesch. stimmt mit dem
tertuUianischen Text Allein es ist nicht leicht (s. 0.), das Ein-
gangskapitel von dem Ganzen zu trennen. Man hat doch den
starken Eindruck, daß wer c. 1 geschrieben, auch das Ganze ver-
faßt hat Also bleibt die Annahme, Tert sei der Verfasser, un-
sicher.
1) C. R. de l'Aiiid. des liiscr. T. 11), ISOl, p. 30ff.
2) Besonders wichtig ist liier die ^^telle c. -1: das Volk schreit: „salvuni
lotuin, salvura lotum", und der Erzilhler fUhrt fort: ,,j)lane utique salviis erat
qui hoc modo hiverat". Im G riech, ist das Worts])iel zerstört. An ein
jmnisches (!) Original dachte Hilgenfeld, Ztschr. f. wiss. Theol. Bd. 34, 18i>l,
S. l'JGlf. 867 ff.
•j) S. Harris und Gifford sowie Theol. Litt.-Ztg. 1890 Kol. 403.
4) Das leugnet Franchi de' Cavalieri und sieht hier eine RückilhiT-
eetzung ins (Jriechische.
5j S. meine Litt.-Geßch. I S. SlSf.; v. Gebhardt, Deutsche Litt-Ztg. IST»!
p. 128; Hi Igen fei d, Ztschr. f. wiss. 'ITieol. Bd. 84 8. 12Ü; Monceaux, a. a. 0.
p. 82 f:
Die Akten der Perpetua und Felicitas. 323
Die kurze lateinische Fassung (Bezension 3) hat nichts Mon-
tanistisches-, sie ist also die katholische Fassung. Daß sie ver-
hältnismäßig spät ist, zeigt die Verlegung des Martyriums unter
Valerian und Gallienus. Sie kann also frühestens im 4. Jahrhun-
dert entstanden sein. Dadurch wird auch die Ortsangabe „Thub-
urbum" zweifelhaft (die ältere lateinische Erzählung nennt keinen
Ort, scheint aber Karthago selbst anzudeuten; in die griechischen
Akten ist Thuburbum [minus] auch gedrungen) ^ und ebenso die
Angabe des Prokonsuls Minucius, unter den die Exekution fallen
soll, während die ältere Erzählung diesen nur als den Vorgänger
des Hilarianus, unter welchem die Martyrien stattgefunden haben,
nennt. Allein da sich in der jüngeren Erzählung keine Spuren
finden, daß die ältere benutzt ist, so fußt sie jedenfalls auf einer
eigenen Quelle, und diese kann nicht ganz schlecht gewesen sein,
denn gerade im Verhör findet sich manches, was schwerlich erfun-
den ist. So sicher freilich, wie Monceaux möchte ich nicht be-
haupten, daß hier die Gerichtsakten selbst noch benutzt sind; sie
können nur letztlich zugrunde liegen; die Darstellung muß durch
ein Mittelglied oder mehrere von ihnen getrennt sein. Dagegen
ist die an sich nicht verlockende Auskunft, die Monceaux gibt,
Minucius habe den Prozeß begonnen, Hilarianus ihn zu Ende ge-
führt, nicht so unwahrscheinlich, wenn man bedenkt, daß die alte
Erzählung den Minucius Timinianus als Vorgänger des Hilarianus
erwähnt (c. 6: „et Hilarianus procurator, qui tunc loco proconsulis
Minuci Timiniani defuncti ius gladii acceperat"). Auch nach ihr
also wird Minucius den Prozeß begonnen und das erste Verhör
geleitet haben. Zu einer Sicherheit kann man nicht gelangen;
man tut daher besser, diese kürzere Gestalt, die vielleicht ge-
schaffen worden ist, um nicht montanistische Akten am Feiertage
der Heiligen lesen zu müssen, beiseite zu lassen.
Was die Zeit des Martyriums der Perpetua und Genossen be-
trifi^, so hat man sich, den Monatstag betreffend, an die Angabe
der Depositio Mart. des Chronographen vom J. 354 zu halten (trotz
anderer Angaben). Sie bietet (s. auch die Fasti Vindob.) den
7. März. Nach c. 7 der Akten war das das „natale Getae Caesa-
ris". Nun ist freilich nach der Hist. Aug. (Geta 3, 1) Geta am
27. Mai geboren; allein der Sicherheit, welche Depositionsangaben
gewähren, gegenüber ist zu urteilen, daß entweder die Hist Aug.
im Unrecht ist oder daß unter „natale Caesaris" der Nominations-
1) Die jüngeren Akten können Perpetua und Genossen mit späteren
thuburbitanischen Märtyrern zusammengeworfen haben, und das kann später
in die griechischen Akten gednmgen sein.
Ol *
324 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
tag Getas als Cäsar zu verstehen ist. Letzteres ist sehr wahr-
scheinlich.
Was das Jahr betrifft, so geht aus Ad Scap. 3 hervor, daB
damals (212 Ende oder 213 Anfang) seit der Amtszeit des Hilari-
anus bereits mehrere Jahre verflossen waren; aus De anima 55
(verfaßt um 210) folgt, daß die Akten damals schon vorlagen; aus
den Akten selbst folgt (c. 6), daß z. Z. der Exekution Severus und
Caracalla regierten und Geta als Cäsar bereits sein natale feiert«.
Hieraus ergibt sich, daß die Verfolgung nicht früher als i. d. J. 199
und nur wenige Jahre später fallen kann. In diesen Zeitraum
fällt aber das Christenedikt des Severus, und zwar in das
Jahr 202 (vielleicht 203). Daß die Vorfolgung, die es hervorrief
die unsrige ist, ist somit gesichert und bestätigt sich auch daraus,
daß die Delinquenten (c. 2) als Katechumenen bezeichnet werden.
Hiernach sind also Perpetua und Genossen am 7. März 202 oder
203 gemartert worden, und nicht lange darauf erschienen die Akten.
Es ist aber der 7. März 203 zu bevorzugen; denn erstlich haben
diese Christen ziemlich lange im Gefängnis gesessen, zweitens
liegen zwischen dem Nominationsjahr des Geta zum Cäsar und dem
J. 203 fünf Jahre. Wie Monceaux (a. a. 0. p. 72) bemerkt, fan-
den die Festfeiern in bezug auf solche Ereignisse in der R^I
alle fünf Jahre statt. Sind diese Erwägungen richtig, so folgt,
daß das severianische Christenedikt nicht erst in das J. 203, son-
dern noch in das Jahr 202 fällt.
14) Der Oetavius des Minuclus Felix.
In der altchristlichen lateinischen Litteraturgeschichte scheint
es kein hoffnungsloseres Problem zu geben, als das der Zeit-
bestimmung des Oetavius des Minucius Felix. Dieser elegante
Dialog, dessen Eingang in der nächsten Zeit nicht weniger als
dreimal nachgeahmt worden ist\ scheint sich der näheren Be-
stimmung seines Zeitalters dauernd zu entziehen. Aber es scheint
nur SO; die Schuld liegt an den Kritikern. Mit einer Hartnäckig-
keit, die sich nur aus dem auch in der Kritik herrschenden Prin-
zip des kleinsten Kraftniaßes erklärt, starrt die Mehrzahl der fast
zahllosen Litterarhistoriker, die das Problem zu behandeln für gut
befunden haben, auf das Verhältnis des Minucius Felix zu Ter-
tuUian (Apolog.) und sucht aus Tabellen und Wortklaubereien die
Frage nach der Priorität zu beantworten. Nur ein kleiner Teil
1) S. Sixtus (l*rfcii(locyin-iiiii;, A<1 Nüvatiiuium; Victoriu, Do fabrioa muiidi ;
liactant., Tnstit. Div. 1. IV.
Der Octavius des Minucius Felix. 325
denkt daran, daß der Octavius doch auch ein Werk für sich ist,
welches in seinem Inhalt und Stil seine Zeit widerspiegelt, und
von diesen Wenigen zeigt wiederum nur ein kleiner Teil, daß er
befähigt ist, in diesen schwierigeren Fragen mitzusprechen. Wenn
das Verhältnis zwischen Minucius und TertuUian nicht bestände
— würden wirklich viele den Mut haben, den Octavius unter
Marc Aurel zu setzen?
Über die massenhafte Litteratnr zu der Frage brauche ich
nicht zu berichten; denn wir haben jüngst eine vorzügliche,
wesentUch vollständige Bibliographie mit kurzen orientierenden
Bemerkungen erhaltend
Fest stehen folgende Punkte:
(1) Daß der Octavius den Fronto voraussetzt und nicht nur
dem Hieronymus und Lactantius, sondern auch dem Novatian (De
trinitate u. a. Schriften^ dem Sixtus und dem Verf. von „Quod
idola non sint" bekannt gewesen ist 2. Er muß also zwischen 160
und 250 verfaßt sein.
(2) Daß die Zeugnisse des Lactantius und Hieronymus, von
denen jener den Minucius vor TertuUian setzt, dieser ihn dem
Tert nachstellt, nichts Sicheres beweisen, da Lactantius und Hiero-
nymus, abgesehen vom Buche selbst, keine oder nur eine ganz
schmale Kunde vom Verfasser besessen haben; daß aber das Zeug-
nis des H. dem des L. weit vorzuziehen ist^ da H. eine chronolo-
gische Reihenfolge geben will, während L. an eine solche
nicht denkt ^.
(3) Daß die Hypothese, Min. und Tert. hätten eine gemeinsame
Quelle benutzt, durch keine sichere, durchschlagende Beobachtung
«refordert ist und keine bestehende Schwierigkeit wirklich hebt^
1) „l$ibliojyrii]»hio tlo Min. Felix" in „Le Musec Beige. Kev. de philol.
<-liis8. ed. Collard und Waltzing (VI. ann. 15 Avr. — 15 Jiiill. 1902 p. 5— 51).
Hier sind vor der Halm sehen Ausgabe (1807) 57 Schriften zum Octavius an-
jiefiihrt und besprochen, für die Zeit von 1867 — 1001 nicht weniger als 130.
2) Die Hypothese von V. Schnitze (Jahrbb. f. protet. Theol. VH,
S. 4851'.), der Octavius sei zwischen 300 und 3Ö3 verfaßt, ist also unhaltbar.
I^enutzung des Octavius bei Cyprian ist nicht sicher, doch s. die Schrift. Ad
I)onat. und Ad Deiuetr. 15.
ij) Es ist wichtig, daß Hieron. nicht nur einmal, sondern mehrmals den
^linucius nach TertuUian gestellt und daß er Studien über die Anfänge der
rhristlich-lateinischen Litterutur gemacht hat. Leicht also darf man sein Zeugnis
nicht nehmen.
4) Hartel, Wilhelm und Lagarde haben diese Hypothese befürwortet.
Wilhelm allein (De Minucii Fei. Octavio et Tertulliani Apolog. P. 1, 1887) hat
^ie durchzuführen versucht. Hartel (Patrist. Studien H S. 18 ff.) behauptet
freilirh, di»« Hypothese einer gemeinsamen lateinischen Quelle dürfe heute durch
326 -^^^' Iiitterutur des Abendlandes.
^4) Daß die Hinzuziehung der giiecbiscbeD Apologeten für die
Frage der Herkunft des den beiden Autoren gemeinsamen Material<
ohne jede Bedeutung ist.
(5) Daß das Apologeticum Tertullians Ende 197 verfaßt ist (s.
S. 257 f.).
(6) Daß aus der Erwähnung des Fronto im Octav. nichts für
seine Abfassungszeit (terni. ad quem) geschlossen werden kann,
denn Fronto ist noch lange ein bekannter Schriftsteller geblieben \
Als siebenten Punkt könnte ich hinzufügen, daß bei der De-
tailvergleichung des Octavius mit dem Apolog. nichts Sicheres
herauskommt; denn das ist wohl das einzig Gewisse in den bis-
herigen Bemühungen. Dieselben Argumente werden pro und contra
verwendet. Hier soll Miimcius, doii Tertullian als Plagiator oder
auf einem groben Fehler ertappt sein. Der Fehler oder die ün-
gescliicklichkeit sollen einmal das Ui*sprüngliche sein, das der
Spätere korrigierte, das andere Mal aber sollen sie die Ungesclück-
liclikeit oder Flüclitigkeit oder das halbe Wissen des Abschreibers
beweisen. Es geht wie mit einem Stundenglas — ein kleiner
Griff, und alle Argumente riunen ins andere Fäßchen.
Den richtigen Weg der Untei^suchung haben Massebieaa-
und Monceaux'-* eingeschlagen. Es ist nicht zußlllig, daß beide
Franzosen sind, (befolgt sind ihnen nur, soviel ich sehe. Neu-
mann, Funk und (unbestimmt) Wölfflin^ Icli selbst bin seit
langer Zeit gewiß, daß Miniiciiis nicht im 2. Jahrliundert verfallt,
daß er also von Tertullian abhängig ist'». Die P'rage ist so zu
stell<Mi: Kann der Octavius vor rt. J. 197 geschrieben sein?*^
Wilholin>^ Bi'AVfi^t'üliruii^ uL- ^'r>lc:li(Tt gi'lton. Kr s»4b6fc brhijift eine ParalleU'ii-
t-afel für fc-oU-lu.' Stt-Ucii, dw. tlcm Aik»1oj,'., Ad nat. und Octavius ^emoin>;im
Bind; iilior ans ilir ist nur zu orkcuii'-n, diili das Apoloj?. sohr stark, Ad nat.
Echwacli mit dmi Octav. an den ]»eirt:*irondcn Stellten ZAisammengeht ( s. u. .
Li«'I5r i's sieb Avirkb't-b narhwoistni, dali l»cidc omv jjenieinöame Quelli' benutzt
babcn, fio stünde di»' J*rioritätstVa}^c doili noch auf dem alten Fleck.
1) Josfi>hurt liat d»Mi Ai>i()n, Oriirein*.« den CeltJUS erst nacb iiiehrert^u
I)ez*'iinien bekrLm]ift. Fronto war unt«*i' den Latrin;.'rn der einzige litt-eniriselie
Hestr«^itrr de.- Cliristentinns.
•J) In der Kev. de l'hist. des r.-li«;. \'nl. IT), lss7, p. :-nO— :-M<i.
3) Hi>t. litt. 1 p. .i«;:j— r^s.
•{) Arrliiv f. lat. Lcxikotri-. VII, isüj, S. ls:;f.
Jj) Di«' |_M'oI>e ^b'ii^^; der Kritikrr (Kb.'rt, Aube, Keim, Bc»nwet-«-li.
l'aul de Felic<', Müller, Krnaii, Scliwcii kr, Lösrlie, Hährens, Kerk.
Sriller, Sebanz, Woymau, Ziclinsky. Noj'doi. Krüj^er, Ebrbard.
Boeni^', Hardenbi-wer (m-c1i. d. altkinld. Litt., 1!»02, 1 S. 3U:J— :U."jJ umv.:
iA anderer Meinunjr.
<*») Wie das «'inzi^»' üiiIIi'it Z»'U»;nls fiir dir» Chronolofjie der Priorität d«-s
'J\'rt. güiirftig i>t, wenn <■> sie aiieii nicht cntr^cliritlet, >o zeugt ein momimi-n-
Der Octavius des Minucius Felix. 327
(1) Aus dem Buche ersieht uian, daß das Christentum in die
höhere Beamtenwelt eingedrungen war und zwar nicht nur damals,
als Minucius schrieb, sondern schon damals — und das liegt weit
zurück — , als die Ereignisse spielten, die er erzählt. In die ni-
niische Beamtenwelt fing das Christentum au z. Z. des Commodus
einzudringen; aber es fing eben nur an. Es ist daher nicht wahr-
scheinlich, daß sich die geschilderte Szene in der Zeit oder gar
vor der Zeit des Commodus abgespielt hat. Das Buch fällt dann in
das 3. Jahrhundeit.
(2) Das Buch ist in einer Friedenszeit geschrieben und zwar
nicht in einer Pause, sondern offenbar in einer Zeit, für die Ver-
folgungsperioden weit zurückliegen. Natürlich kamen Exeku-
tionen hin und her vor, aber Staat und Kirche standen in einem
faktischeil Frieden. Minucius reklamiert nicht wie Tertul-
lian in bezug auf gegenwärtige Verfolgungen. Das weist
auf die große Friedensepoche zwischen Caracalla und Maximinus
Thrax orter zwischen diesem und Decius. Vorher haben die Apo-
logeten so nicht geschrieben.
y^) In bezug auf die Märtyrer wird nicht die Sprache
Tei-tuUians und seiner orientalischen und okzidentalischen Zeit-
genossen geführt, die Sprache des Ernstes und stolzer Würde,
sondern die übermütige und theatralische Sprache Cyprians und
seiner Zeitgenossen. Man vgl. doch den Brief der lugdunensischen
Märtyrer oder auch TertuUians Schriften selbst mit Octav. 37:
^Quam pulchrum spectaculum deo, cum Christianus cum dolore
congi-editur, cum adversum niinas et supplicia et tormenta compo-
nitur, cum strepitura mortis et horrorem carnificis inridens in-
culcat, cum libertatem suam adversus reges et principes erigit,
Soli deo, cuius est, cedit, cum triumphator et victor ipsi, qui adver-
sum se sententiam dixit, insultat!" Das ist genau die Sprache, die
wir von der ßriefsammlung Cyprians her kennen; so sprechen die
Märtyrer dort, so werden sie angefeuert und umschmeichelt. „Ce
tnU's; Zougnis ♦.*l)ouf;ills für .sit», ist aber auch nicht sidior. Caecilhiii Natalis, der
h»M<lniftche JnU'rlokutor im Octavius, stammt aus Cirta (1), (i). Dort siml Jn-
H-hrift.'n t,n;fim(kMi (CIL Vllf OOOü; 7()0-l-7Ö08; Dessau, Hermes 1880 p. 471 ff.),
<li«' »MiK'u M. Caeoilius Nataliri in den JJ. 210. 212 — 217 als Maj^^stratsperson und
litTvonajj^onden liür*,'cr der Stadt zeigen. Ist er mit dem unsrigen identisch, so
muß «T si>äter Christ geworden und nach Rom übergesiedelt sein. Da der
I)ial<)^' lange Zeit nacli den in ihm geschilderten Ereignissen fällt, so würde er
nicht vor c. 2.>.") abgefaßt sein können. Aber die Identifizierung bleibt zweifel-
haft. War unser Caecilius ein Sohn des inschriftlichen, so rückt der Octavius
iHxrh ^l^äter. Ein Vorfahre kann er schwerlich gewesen sein, sonst müßte die
yainili«) wieder ins Ileid^Mitum zurückgesunken sein.
328 1^16 Litteratur des Abendlandes.
ne sollt pas lä les nioeurs du IL si^cle, niais Celles d'iin temps oü
le martyr, grand dignitaire de rfiglise, etait devenu peu suppor-
table etc." ^
(4) Bei allem Widerspruch gegen die Kaiser — welchen tiefen
Respekt zeigt doch noch Tertullian im Grunde vor Kaiser und
Reich! Und wie konnte es anders sein! Das Gedächtnis an die
stolze Reihe von Trajan bis Marc Aurel wai- noch nicht erloschen:
und der constantissimus princeps Severus zeigte dem Reiche, was
ein Herrscher sei. Wie steht es in dieser Hinsicht bei Minucius?
Er ist nicht nur, obgleich Jurist, indifferent gegen das Reich,
sondern er fließt über von Verachtung, Spott und Haß gegenüber
Rom, dem Reich, dem Kaiser \ Wie ein Barbar behandelt er Rom
und seine Tradition! Und so soll ein römischer Jurist z. Z. der
großen Juristen oder, wie man meint, z. Z. Marc Aureis gesprochen
haben! Aber, sagt man, Minucius war Afrikaner. Selbst wenn er
das war — Tertullian war es auch — , erklärt sich diese Sprache
nicht. Er war jedenfalls Lateiner und Sachwalter in Rom. Nur
die Zeit, da das Reich innerlich zugrunde ging und die Kaiser
verächtlich wurden oder doch nicht mehr für das Ganze sorgten,
das Ganze überhaupt über den partikularen Interessen nahezu
vergessen war, erklärt diese respektlose Anschauung und Sprache.
Mag ein aus dem Orient eingewanderter christlicher Sklave oder
Freigelassener auch im 1. und 2. Jahrb. in Rom so gesprocht*n
haben — Minucius gehörte nicht in diese Kreise. Die Schüler des
('Icero, Seneca und Gajus (zu ihnen gehört er) konnten nicht
früher so sprechen, bis die schleichende Katastrophe des Reiches
offenbar geworden war.
(5) Die Sprache, die Minucius führt, ist nicht das Latein des
Apulejus, des Tertullian und der Juiisten um 200; er gehört nicht
zur Gruppe der Fronto- und Gellins-Schüler, er ahmt nicht f]nnius
oder Plautus nach, sondern er ahmt Virgil und Cicero nach, und
seine Sprache ist die Sprache, wie wir sie bei Novatian und Cy-
prian treffen. In die Schulen der Rhetorik, in die sie gegangen
sind, ist auch Minucius gegangen — es sind die Schulen in der
1. Hälfte des dritten Jahrhunderts l
(1)) Die rein - philosophische Christlichkeit, die Minucius zum
Ausdruck bringt, ist ein Destillationsprodukt, das im 2. Jahrhun-
dert bei Lateinern nicht zu erwarten ist. Jn solchem «rlatten philo-
sopliischen Stil, in solchem Absehen von „Nebensächlichem'* am
1) ^liissebioau, 1. c*. p. iU 1.
2) Cf. c. 21. 25. -57, :Ma8sebi(.'au j.. 311 f.
.')) Massobieiiu p. :>40f.
Der Octavius des Minucius Felix. 329
(Christentum kouDte man erst schreiben, nachdem eine Generation
mit der Feder vorgearbeitet hatte.
(7) Nach c. 9, 4 u. 28, 10 ist «Priester" (sacerdotes) der geläu-
fige Ausdruck für die christlichen Beamten. Das weist nicht in
Marc Aureis Zeit.
(8) In c. 9, 1 steht: „Per Universum orbem sacraria ista taeter-
i'ima impiae coitionis adolescunt*". Im Apolog.l6 bedeutet sacrarium
„Tempel"; Keim hat es daher auch richtig an unserer Stelle mit
..Bethaus*' übersetzt Würde man sich so im 2. Jahrh. ausgedrückt
liaben? Gab es damals besondere „Kirchengebäude" und Kirchen-
gebäude per Universum orbem? Diese eine Stelle für sich schiebt
das Buch ins 3. Jahrhundert'.
(9) Tertullian berührt sicli in keinen anderen Büchern außer
in dem Apolog. und in Ad nat (aber hier schwächer) mit Minu-
cius l Warum benutzte er dieses Buch — es war doch für die
lateinische Kirche wahrhaft epochemachend, wenn es um 176 ent-
standen ist — nicht auch in anderen Schriften? Hat man sich
überhaupt klar gemacht, welche Geschichte der Octavius in der
lateinischen Kirche hätte haben müssen, wenn er schon um 176
entstanden wäre? Er hat aber in Wahrheit eine bescheidene Ge-
schichte! Das ist nur erklärlich, wenn er verhältnismäßig spät ver-
faßt worden ist. Warum sind die dem Apolog. u. Octav. gemein-
samen Stücke ganz in dem beißenden Stil des Tertullian, nicht aber
in dem glatten des Minucius geschrieben?
Diese Gründe sind durchschlagend; wir haben nicht nötig, die
Entscheidung in der Vergleichung der Details der Texte zu suchen:
Minucius hat nach Tei-tuUian geschrieben, und zwar, wie Masse-
1) Jii der lat-eiiuschen f'bersetzung von Polye. ad l'hilipi). \ und Pßeudo-
i}^nat. ad Tars. 9 steht „sacrarium" für &vaiaar^Qtov. Allein „Altilre" meint
Minucius schwerlich; denn „adolescunt" paßt auf sie minder gut, und es ist
doch jedenfalls etwas gemeint, dessen Erscheinung ofi'ensichtlich ist. — Daß es
in der 1. Hälfte des 3. Jahrh. besondere KirchengeLäud«' gab, ist gewiß.
li) Man kann sogar zweifeln, ob die Schrift Ad nat. sich mit dem Octav.
iibiT das Ai)olog. hinaus selbständig berührt, d. li. ob Parallelen zwischen ihnen
bestehen, die nicht starker zwischen Apolog. und Octav. sind, so daß Ad nat.
überhaui)t nicht in Betracht konmit. Indessen zeigen m. K. einige, wenn auch
w»'nig(? Stellen, daß zwischen Ad nat. und Oetav. ein selbständiges Verhältnis
borttelit, so daß — unter der Vorausß(?tzung, daß Minucius der Spät-ere ist —
.r auch Ad nat. gelesen haben muß, liez. sich Auszüge aus der Schrift
iremacht hat. Betrachtet man übrigens die Hartelsche Tabelle (a. a. 0.), so
reicht mau leicht, wie Minucius die vulgären Auscb'ücke Ti'rtullians glättet
(Tert.: „retro non fuiss«^*', Min.: „ante non fuerit"; Tert.: „citius peierare*,
Min.: „tutius ]»eierare"; Tert.: „cantherios", Min.: „afiinos"; Tert.: ,,passivitat-e",
Min.: ..pa.s.sim").
330 ^i^' Litteratur des Abendlandes.
bieau, Monceaiix und Neu mann erkennen, beträchtliche Zeit
nach ihm; aber eine nähere Bestimmung ist nicht möglich. Er
kjuin schon unter Alexander Severus den Dialog verfaßt habeD.
al)er wahrscheinlicher ist es, daß er zwischen Maximums Thrai
und Decius das Werk schrieb *. Hieronymus hat also richtig be-
richtet, und auch die Inschriften von Cirta können sich auf
unseren Caecilius beziehen; doch bleibt die Identität zweifelhaft-.
15) Das Mural orische Fragmente
Die Behauptung, das Fragment sei die Übersetzunp: eines
griechischen Originals ^ von bedeutenden Kritikern vorgetragen,
ist bisher nicht bewiesen worden. Dagegen hat sie viel Unfug iu
der Interpretation des Schriftstückes angerichtet und zu groben
Willkürlichkeiten verleitet Für den lateinischen Ursprung spricht
der echt lateinische Ausdruck „iuris Studiosus" in Z. 4, der den
Assessor bedeutet, der bei dem älteren Eiehter lernt Außerhalb
1 ) HiiTOii^mus beriflitet uns zwciiiuil (De vir. inl. r>8 und ep. 70, .'0> daU
doin Minuciiis mich «'in Traktat De fato vol Contra Matheinaticos beigelegt
wcrd»»; er iK'zwtjifclt um des Stils willen (doch sei er auch von einem homo
disertus) seine Echtlieit. Wir könn(Mi zur Sache nur das bemerken, diil)
Minuciiis in» Octavius ein«? ausführliche Schrift De fato ankündijjrt (c. .'jO, J'.
Die zui" Zeit d«.'S Hierori. noch vorhan<lene Schrift kann diese Schrift- gewe^♦•ll
sein. Die Hy|»()these, «Icr Alischnitt De fato in den psendoaup^ist. Quaest. p-li-'
auf sie zurück (Lan<xen >, schwebt in der Luft. Über die merkwürdij^e Tat-
sache, da(J auch Tertullian De fato geschrieben hat, >. o. S. iN.').
•J) Doissier, La iin du pa^anisnie I (1S91) \k .'{()7 erklärt sich sowei 1
dun;h Dessau wie «hirch Masse])ieau tVir überzenj^t. — Man hüte siel.
trüpnische Ifotfnun^cn auf die Anirabe ])ei Cruttwell, A liter. bist, of earl>
(.'liristianity (\k r»!.')) zu setzen. Dort heilit es: „.V tradition of <loubtfiil auth«»-
rity, luit i>robable in itself, Steaks of Mimurius as a conteui]»orary of Poj-
l'rban at Home". Das wäre rine DestätiofnuL? unserer Nachweisunpen; dciiii
Turban war von *J*J2,i{— *J.'>n römischer l<is<-hof. A])er einp'zo^ene p]rkundi«»iinjie!i
haben mich lielehrt, da(i die Aupjahe auf einem Irrtum beruht. — Dit» «»inziir»-
Handschritt des Octavius verbindet diesen bekanntlicli mit »lern jn^oHen Werk
des Arnol)ius, als war»' er ein lk'>tandteil desselhen. Das ist nicht so üb»-'.
Dortliin j;ehr)rt das Duell ]»ess«*r als zu 'J'ertullian.
'.)) Die neuen Zcuj^eii <lcs Textes, die iu den Miscell. Cassinesc» I (1>!»7.
verötlentliclit worden sind, haben unsere K»'niituisse so «rut wie nicht b(*reic.hert ;
s. Theol. Litt.-Ztir. ls!)S Nr. :». Zahn (in <ler Trotest. KKnzykl.3 IX p. Tl'T'
meint ilinen rini<;e bescheitb-ne Friichte entlocki'u zu können. Hatiffol ilii'-
bert d'Klnone et le canon de Muratori i. Kev. bil)li.nie T. 7, 1S<)S p. 4*J1 tf.) h;i-
jjj(?zeipt, ilali der K(unmentar. welchem (h'r die Fra^nente enthaltende IVolcir
vor^i'Setzt i>t, d»'r des (ülhert von Klu«>ne i<t, «ler l'rolojr aber in Mont
(,'assino selbst an^efrrti^t sein niajJT.
I) Li}^htfVM»t nahm s«>'j:ar ^rit'chische \'i'r-:e an.
Das Muratorische Fragment. 33 1
Koiiis ist der Ausdruck nicht nachweisbar'. Auch das Wortspiel
^fel cum melle niisceri non congruit" (Z. 67) ist der Annahme
eines griechischen Originals ungünstig. Man darf ferner den tech-
nischen BegriflF „disciplina" (Z. 63) hier geltend machen. Die Mög-
lichkeit soll deshalb nicht bestritten werden, daß das Fragment,
welches manche Gräzismen aufweist — aber solche fehlen auch
in genuinen lateinischen Schriftstücken nicht — , griecliischen Ur-
sprungs ist*^.
Daß es in das Abendland gehört, ist m. W. nur von Kuhn
bezweifelt worden^; die Annahme ist durch Z. 38 („urbs") so gut
wie gesichert. Unsicher ist die Herkunft aus Rom; doch schrieb
der Verfasser für Leser, die ohne weiteres wußten, wann Pius auf
der Kathedra Roms gesessen hat. Also schrieb er wohl in Rom
für benachbarte Gemeinden oder in einer Rom benachbarten Kirche.
Die Hypothese, daß das Kanonsverzeichnis eine Kompilation aus
alten und jungen Überlieferungen darstelle, die aus verhältnismäßig
später Zeit (2. Hälfte des 5. Jahrh.) stammt ^ hat mit Recht keinen
Heifall gefunden ^ Der Kompilator, der Z, 74 „nuperrime tempori-
1ms nostris** stehen gelassen hat, müßte ein Ausbund von Gedanken-
losigkeit gewesen sein^. Diese Stelle ist die wichtigste für die
Zeitbestimmung des Fragmentes: „Der Hirt des Hermas ist ganz
neulich, (nämlich) zu unseren Zeiten geschrieben*'. Hier hat man
zu beachten, daß der Verfasser „nuperrime*' dem „temporibus
nostris" nicht nach-, sondern vorangestellt hat. Das „nuperrime"
ist dadurch wesentlich elirainieii:. Dur(*h eine dritte Zeitbe-
stimmung „als Pius auf der Kathedra der Stadt Rom saß", hat
der Verf. seine Angabe determiniert. Die Zeit des Pius, d. h. das
1) S. Sitziin^^shrr. <!. K. Pr. Akad. il. Wissenscb. v. 20. F.'br. V,m S. lM.*}.
•J) Das stärksto, ja Jas ilurchsuhlagendo Element fiir den f;rie('hi.sch«ii
Vrsprunj? war»' dor Nacliweis, daß d«'r Sprachfharakt(»r des Fragin<>nts, auch
WfiiTi man allo Stil- und Schr«'ibfchlor der AI »schreibor abzielit, notwendig? in
<li»' Zrit um oder nach d. J. ÜjH weise. Aber erötlich ist nicht leicht zu ent-
hclit'iden, was spätere Fehler und was urHi)rüngliche Züge sind. Zw^eitens sind
jr.tlrhi» Argum«.'nte wie: das „Catafryges" (Fi-agm. Z. S4) finde sich sonst erst
bei Padan und Thilaster, ju'ekiir; denn ol xara 4*()iy(:g war jedenfalls schon
im :). .lahrlmndert geläufig'; ('y)»rian ep. 7."), 7 liest man „qui cata Phr^'^as
u|.i'.-llantur". Warum soll also nicht auch schon um d. J. 2(Hj „Cataphryges"
L'«'Si-hrieb(?n worden sein?
:;) Kuhn, Das Murat. Fragm. (islrj) S. iJl. 'SX
4) Koffmanc in d. Neuen Jahrbb. f. deutsche 'fheol. ISlKi S. IGSff.
■')) S. gegen sie Achelis in d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 37, 18(i4
S. J2.]^\
0) Die positiven Argumente, die Koffmane aus der Cberliefemng fiir
^•■iiii- ATinahme g«*ltend gemacht hat, })eruhen z. T. auf einem Mißverständnis
*{»'v rbcrlieferung.
332 I^i^' Littoratur des Abendlandes.
5. Jahrzehnt des 2. Jahrhunderts und der Anfang des 6. fallt also
noch in die „tempora" des Verfassers. Über c. 210 wird nian daher
mit dem Buch nicht heruntergehen können. Daß bevor Tertnllian
sein Buch De pudicit. schrieb, stürmische Verhandlungen über den
Hirten in vielen Kirchen geführt worden sind, die mindestens
größtenteils für ihn unglücklich endigten, wissen wir aus De
pudic. 10. Als TertuUian De orat. schrieb, scheinen sie in Afrika
noch nicht auf der Tagesordnung gestanden zu haben; denn Ter-
tuUian zitiert den Hirten ohne jede Bemerkung als maßgebende
Schrift Nun zeigt unser Fragment die Kontroverse über den
Hirten als brennend; der Verfasser verweist ihn aus dem gottes-
dienstlichen Gebrauch; aber man erkennt deutlich, daß diese Ent-
scheidung noch nicht allgemein ist. Also werden wir in Rücksicht
auf die Tatsache, daß Kontroversen dieser Art in Rom früher be-
gonnen haben als in Afrika, auf die Zeit c 190—210 geführt, zu
welcher unser oben approximativ gewonnenes Datum (nicht später
als c. 210) sich vortrefflich fügt. Es empfiehlt sich aber, mit dem
Fragment nicht über die Zeit c. 195 hinaufzusteigen; denn früher
ist der Montanismus in Rom nicht als erkläile Häresie behan-
delt worden; unser Schriftstück aber stellt am Schluß den Mou-
tanus mit dem verabscheuten Gnostiker Basilides (der auch
„Propheten'* hatte) zusammen, umgekehrt empfiehlt sich der ter-
minus ad quem nicht nur diu'ch die Rücksicht auf das „temporibus
nostris" und die Hermas- Kontroverse. Die Satzgruppe, die mit
den Worten beginnt: „Arsinoi auteni seu Valentiui'* (Z. 81 ff.) und
in der es noch für nötig gehalten wird, ausdrücklich und f(>rmlich
Schriften des Valentin etc. aus dem Kanon auszuschließen, befrem-
det bereits für das 1. Jahrzehnt des 3. Jahrhunderts. Als aus
dem zweiten stammend ersclieint sie noch befremdlicher. Auch
in dieser Beziehung (wie beim Hirten) wird man die Jahrzehnte
190 — 210 als diejenigen erkennen müssen, in denen in Rom noch
Verhandlungen über den Kanon bez. ausdrückliche Abweisungen
solcher Bücher stattgefunden haben, die durch ihre Form (wie
das Evangelium Valentins, das Diatessaron Tatians) Anspruch auf
normative Geltung machten. Der Kanon ist so zu sagen an seinem
Rande noch nicht fest begrenzt gewesen, wie auch die Tatsache
beweist, daß der A'erf. zwar ausdrücklich 4 Evangelien und
7 (+ 2) + 4 Paulusbriefe zählt, im übrigen aber noch nicht
zählt und sich auch den Zweifel seiner Glaubensbrüder an der
Petrus- Apokalypse gefallen läßt („quam quidam ex nostris legi in
ecclesia nolunt", Z. 72 f.) ^ So darf man sich bei dem Urteile In-
J) Von den B».'obiichtunj^on, die man «joniacht liabeii will, daß das FraiT-
Das Muraioriäche Fragment, 333
ruhigen, daß das Schriftstück» der Zeit 195-205 (2lo) angehört.
Daß dieser Zeitraum auch derjenige ist, in welchem Hippolyt seine
frühesten Schriften geschrieben hat, ist dem Ansatz günstig; denn
auch Hippolyt zeigt in ihnen in bezug auf das N. T. noch Eigen-
tümliches, was sehr bald darauf in Born nicht mehr zu finden ist
Über den Verfasser sind mehrere Hypothesen aufgestellt wor-
den (.Cajus von Rom, Rhodon, Hippolyt u. a.), aber keine hat irgend-
welche Wahi-scheinlichkeit Ließe es sich nachweisen, daß das
Schriftstück von einem römischen Bischof verfaßt ist — daß ein
Bischof der Verfasser ist, legt die autoritative Haltung nahe — ,
so wäre nur an Victor zu denken.
Die Schrift De pascha computus gehört gewiß, die Abhandlung
De inontibus Sina et Sion wahrscheinlich, der homiletische Traktat
Ad aleatores vielleicht der vordecianischen Zeit an. Da sie aber
als Schriften C-yprians überliefert sind, werden sie dort behandelt
werden.*-^
iiient die Petrusakten benutze und die johanneiscbe Litteratur apologetisch
behandle (d. h. gegen Gegner verteidige), sehe ich ab. Jenes ist sehr unsicher
— die kombiniertti Krwühnung der Passio Petri und der spanischen Reise des
Paulus braucht doch nicht notwendig den Akten entnommen zu sein — und
dieses nichts als ein oberflächlicher Schein. Noch jüngst wieder hat Karl
Schmidt (Texte und Unters. Bd. 24 H. 1 S. 105 f.), Zahn (Gesch. des NTlichen
Kanons U S. S44 und Forschungen Bd. G S. 201) folgend, behauptet, die Stelle
in unserem Fragment«» müsse von den Akten abhängig sein. Aber wenn der
Verfasäfr des Fragments hier eine schriftliche Quelle benutzt hätt^, der er
volles Vertrauen schenkt und in der er Tatsachen in bezug auf Paulus und
INtrus gefuudtMi hat, di«» ihm nicht nur wertlos, sondern unerläßlich erscheinen
- - warum hat er diese Quelle nicht genannt? (Näheres s. oben S. ITl). Übrigens
liiit Schmidt selbst S. ViO die Abhängigkeit als zweifelhaft bezeichnet. —
Die Einrcchnung der „Sapientia ab amicis Salomonis in honorem [ecclesiae]
si'ripta" (Weisheitbuch und Sirach?) in die neue Sammlung rät auch, sich nicht
weit vom J. 2(X) nach abwärts zu entfernen.
1) Vielleicht hat ein Verzeichnis der ATlichen Sehrifteu im verlorenen
Anfang gestanden.
2) Auch unter den Schriften Cyprians, den erhalt^'uen und verlorenen,
{.'ibt es einige, die in <ler Zeit vor Decius entstanden sind.
Zweites Kapitel.
Die Schriftsteller von der Zeit des Decius bis
zu der Konstantins.
1) Gyprian^ und Pseudocyprianisches.
1. Echtheitsfragen.
Die Frage, welche Schriften aus der großen Zalil der unter
dem Namen des Cyprian überlieferten ihm wirklich gebühren, ist
so weit gefördert, daß nur noch an wenigen Punkten ein Zweifel
übrig geblieben ist 2. Verschollen ist die tendenziöse Behauptung
1) In bezug auf die Cberlieferunj? der Cyprianischen Werke s. den I. Teil
«licses Werkes S. 688 — 730, dazu Harnack, Cber verlorene Briefe und Akten-
stücke, die sieb aus der Cyprianischen Briefsammlung ermitteln lassen, in den
Texten und Unters. Bd. 23 H. 2, 1J)02. Götz, Gesch. der cypr. Litt, bis z. d.
Zeit der ersten erhaltenen Handschriften, 1801; vor allem v. Soden, Die Cypr.
Briefsammlung, ihre Entstehung usw., in den Texten u. Unters. Bd. 25 H. 8, IIKM.
Zusammenfassende neuere Werke: Fechtrup, Der h. Cyprian, I. Teil, ISTS.
0. Ritschi, Cyprian v. K. u. d. Verf. d. Kirche, LS85. Schanz, Gesch. d»T
röm. Litt. 3. Teil, 180Ü, S. 302ff. Benson, Cyprian, London 1S97. Haußleiter,
Der Aufbau der altchristl. Litt., 181)<S. Monceaux, Hist. litt, de rAfriqut\
T. II [Cyprian] 1002. Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Litt. 2. Bd., K»C'3,
S. 304 ff. Kritische Cbersicht über die neueste Litteratur bei Ehrhard, Die
altchristl. Litt., 1900, S. 455 ff. — Um die Chronologie der Schriften Cyprians
und seines Lebens haben sich nach Pamelius und Pearson in neuerer Zeit
verdient gemat^ht Fechtrup (a. a. 0.), Bitschi (a. a. 0. u. De epist. Cyprianici:«,
Halle, 1885), Sanday (The Cheltenham List etc. i. d. Stud. Bibl. et Ecx^l
Oxon., 1801, p. 217 ff.), Monceaux fa. a. 0. und Chronol. des oeuvres de St.
Cyprien et des conciles africains du temi)s i. d. Rev. de philol., de litt, et d'hi.><t.
anc, 1000, p. 333 ff".), Nelke (Die Chronologie der Korrespondenz Cyprians usw.,
Thoni, 1002) und von Soden, a. a. 0. Die Litteratur über die einzelnen
Schriften s. doit.
2) Von den Interpolationen, wehihe die Schriften Cyprians in der Clier-
lieferung erlitten haben, sehe ich ab. Auf Grund der Stichenzahlen de<
Mommsenschen Verzeichnisses v. J. 350 die Integrität einiger Schriften zu be-
zweifeln (wie Goetz i. d. Schrift v. 1801 getan liat), ist nicht gestattet, da dit^
Stichenzahl nicht überall zuverlässig ist. Cbrigens hat es Chapman durch
Gyprian und Pseudocyprianwcbt^s. 335
der Unechtheit der ep. 74 und der Sententiae (Cyprians Stellung
im K et zertauf sti-eit war gewissen Kurialisten unbeciuem). Auch
die Zweifel an der Echtheit des 3. Buchs der Testimonien haben
sich bisher nicht zu einer negativen Beweisführung zu verdichten
vermocht. Ein wiederholtes Studium der Frage hat mir die wich-
tigsten Bedenken niedergeschlagen K Auch die Zweifel, welche
Aubö^ gegen die "Echtheit des Traktats Ad Demetrianum erhoben
hat, wiegen nicht schwer und sind m. W. von niemandem auf-
genommen worden. Umgekehrt haben die Versuche, die schon von
den älteren Kritikern ausgeschiedenen Schriften Ad aleatores^.
De spectaculis^ Ad Novatianum^ und De bono pud.^ dem Cyprian
♦'ine eindringende Untersuchung sehr wahrscheinlich gemilcht, daß die „herüch-
tigtste" Interpolation (in de unit. 4) keine solche ist, sondern von Cyprian selbst
lieiTührt (bei Gelegenheit einer neuen, nach Rom gesandten Ausgabe des Trak-
tats; Chapman i. d. Rev. B6n6d. Bd. 19, 1902, S. 240 ff. 357 ff.; Bd. 20, 1903,
S. 20ff., dazu Harnack i. d. Theol. Litt.-Ztg. 1903 Nr. 9). Das 3. Buch der
.,Testinionien" lud zu Interpolationen geradezu ein und liat auch solche erfahren
(8. Ramsay in The Journal of Theol. Stud. II, 1901, p. 27(5ff.).
1) Eine bisher nicht gednickte Lizentiatenschrift, welche die Unechtheit
zu erweisen suchte und mir vorgelegen hat, hat mir gezeigt, daß die Gründe,
mit denen man die Echtheit bestreiten kann, nicht durchschlagend sind. Man
(lai-f nur nicht das 3. Buch als einen ursprünglichen und organischen Bestand-
teil des ganzen Werkes auffassen. Es war weder vom Verf. geplant, als er die
Ix'iden ersten Bücher schrieb (die ein geschlossenes (janze und von apologetisch-
]iolemischen Gesichtspunkten beherrscht sind), noch ist es von ihm als drittes
liuch gedacht (s. die besondere Vorrede), sondern es ist ein Spruchbuch für sich,
welches au das zweigeteilte erste Spnichbuch herangerückt worden ist, weil es
ihm formell gleichartig ist. Das 3. Buch findet sich schon im Mommsenscheu
\'erzeichnis. Daß es Cyprian selbst in der Schrift De habitu virg. ])einitzt hat,
wollte Haußleiter erweisen (Comment. Woelftlin., 1891, S. 377ff.). Allein ein
stringenter Beweis läßt sich, da es sich lediglich um Konvolut« von Bibelstellen
liandelt, von denen einige wahrscheinlich schon längst zusammengestellt waren,
nicht fuhren. Erweisen aber läßt sich, daß dieselbe Bibeltext-Rezension wie
in Testim. I und II und den andern Cyprianschriften, so auch in Testim. III
benutzt ist. Die Korrektheit in den Zitaten aus dieser Rezension läßt sich
überall in Cyprians Schriften beobachten und ist gegenüber Bezweiflungen ihrer
Echtheit von Wichtigkeit. Die Testimonien sind allerdings ganz systematisch
in einem Hauptzweige der Überliefenmg nach einem anderen Bibeltext durch-
korrigiert worden. Hartel ist in seiner Ausgabe leider dieser systematischen
Korrektur gefolgt. Der wirkliche Text Cyprians steht in seinen Noten.
2) L^eglise et l'^tat dans la II. moiti6 du III. siecle, lS8o, p. 305 ff.
3) So nur Langen im Deutschen Merkur 18S9 Nr. 5 und in d. Histor.
Ztschr. 1889 H. 3, 1890 II. 2.
4) So nur Wölfflin, Cyprianus De spectaculis, im Archiv f. lat. Lexikogr.
Bd. 8, 1892, S. 1 ff. (zurückgenommen a. a. 0. Bd. 9, 1893, S. 319).
5) So nur Rombold in d. Tüb. Quartalschr. Bd. 82, 1900, S. 540 ff.
6) So nur Matzi nger, Des h. Cypr. Traktat De bono pud., Nürnberg, 1892.
336 ^^ö Litteratur des Abendlandes.
ZU vindizieren, keinen Beifall gefunden. In bezug auf Ad aleato-
res bedarf es überhaupt keiner Worte; Ad Novatianum zeigt einen
anderen Bibeltext als Cyprian und gehört (s.u.) nach Rom; De
spectaculis und De bono pud. dürfen (s. u.) mit großer Wahrschein-
lichkeit dem Novatian zugesprochen werden. Somit bleiben nur
zwei Probleme übrig: Gebührt „Quod idola dii non sint" und ge-
bührt das kleine Stück von vier Zeilen „Donatus Cypriauo" (Har-
tel, Opp. Cypr. III p. 272) dem Cyprian?
Die Überlieferungsgeschichte von „Quod idola" hat Soden
(a. a. 0. S. 205 flF.) aufgehellt, und sie ist der Annahme der Echtheit
ungünstig: Die Schrift (obgleich sie sich in den vier ürtypen
der Sammlung findet, die Soden unterschieden hat) steht in kei-
nem alten und originalen Handschriften-Typus unter den
Libelli. Eingeschoben worden ist sie (unter die Briefe) vor der
sehr alten Appendix ep. 66flF., also jedenfalls noch im 4. Jahr-
hundert, ja wahi'scheinlich im Anfang desselben. Dennoch fehlt
sie noch im Cheltenhamer Verzeichnis. „Das 4. Jahrhun-
dert ließ sie also zwar eintreten, aber noch nicht heimisch wer-
den". Ob sie in Afrika oder in Rom eingeschoben worden ist.
läßt sich nicht sicher entscheiden; aber die Einschübe gehören
überhaupt, namentlich die alten, nach Rom, wie Soden wahr-
scheinlich gemacht hat. Die enge Verbindung, in der ' nach
Hau ß leite r* unsere Schrift mit ep. 30 (einem Brief Novatians!'
in der Überlieferung stehen soll, hat Soden (S. 2l0n. 8) aufge-
löst, indem er zeigte, daß die Verbindung, wo sie auftaucht, se-
kundär ist.
Eine echte Schrift Cypriaus kann auch später noch aufö:e-
taucht und in die Opp. aufgenommen worden sein. Wahi^schein-
lich ist es freilich nicht bei einem Traktat apologetischen Charak-
ters, der, ma<? er uns auch unbedeutend erscheinen, jener Zeit
wertvoll sein mußte. Wie steht es mit den litterarischen Zeug-
nissen ?
Hieronynms (ep. 70, o) und Augustin (De bapt. c Donat. VI,
44, 87) kennen sie als cyprianische Schrift jenci' i'ühmt sie hochl,
aber Pontius hat in der Vita, in der er die libelli Cy-
prians aufführt, von ihr geschwie<^en, und Lactantius (In-
stit. V, 3) hätte sich anders ausdrücken müssen, wenn er sie als
cyprianischen Traktat gekannt hätte'-. Also auch hier bleibt fin
1) Theol. Litt.-Blatt ISO 4 Nr. 41.
2) Die Schrift erfüllt die Forilernnp'u , <lio Lactantius an Adv. Dem»'tr.
stellt und dort nicht erfüllt findet. — Stillschweigende Benutzunj^ hat Brandt
zu Inst. IV, If), l!3; IS, 2. 1. 5; 21, 1 wahrscheinlich gemacht.
Cyprian und FBeudocyprianisches. 337
starker Verdacht gegen die Echtheit zurflck. Wie steht es mit
den inneren Gründen?
Es ist Haußleiters (a.a.O.) Verdienst, auf eine Hauptdifferenz
mit den anderen Schriften Cyprians hingewiesen zu haben ^: „Die
Abhandlung ist rein akademischer Natur, ohne bestimmte Anrede,
ohne erkennbare, aufs Handeln gerichtete Abzweckung*'. Zu dieser
Differenz tritt die andere, daß „Quod idola*' sich ganz anders zu
Tertullian verhält wie alle übrigen Cyprian-Traktate. In c. 10—15
ist TertuU. Apol. 21 — 23 mit leichten Veränderungen einfach ab-
geschrieben. In dieser Weise aber hat Cyprian sonst den Ter-
tullian nie benutzt, \ielmehr ihn immer nur in Bruchstücken und
in freier Aneignung reproduziert. Das ganze Schriftchen Quod
idola aber ist überhaupt nur eine Kompilation: cc. 1 — 9 sind aus
dem Octavius des Minucius — zu einem großen Teil wörtlich —
abgeschrieben, c. 10—15 aus TertuUians Apologeticum, und auch
die beiden einzigen eigentümlich scheinenden Sätze (c. 11: „quod
homo est, esse Christus voluit, ut et homo possit esse quod Christus
est", u. c 15: „quod est Christus, erimus [Christiani], si Christum
fuerimus secuti") sind nicht eigentümlich, sondern irenäisch. So
kann Cyprian einmal verfahren haben, aber daß er so verfahren
hat, dafür fehlt uns jedes Beispiel.
Benson, Monceaux und Bardenhewer haben in neuester
Zeit die Echtheit verteidigt 2, aber mit folgender Wendung
(Bard.): „Es würde einer Beleidigung gleichkommen, wenn man
voraussetzen wollte, Cyprian habe ein so völlig unfertiges Kon-
zept [?] [s. dagegen das Urteil des Hieronymus: „Cyprianus,
Quod idola dii non sint, qua brevitate, qua historiarum omnium
scientia, quorum verborum et sensuum splendore perstrinxit?"]
an die Öffentlichkeit gegeben. Es handelt sich um Notizen [?]
zum Privatgebrauch, vorläufige Lesefrüchte, „un recueil de notes
qui contient seulement un resumö de lectures sur un theme
determiue** (Monceaux). Diese Charakteristik ist m. E. nicht
richtig. Die Schrift ist ein in sich geschlossener Traktat, der,
wenn wir seine Vorlagen zufällig nicht kennten, in seiner
gedrungenen Kürze und durch sein gelehrtes Material keinen
schlechten Eindruck machen würde. Als eine Notizensammlung
würde ihn wohl schwerlich jemand bezeichnen, niemand aber auch
1) Die aus der Geschichte der Schrift sich ergebenden Bedenken hat zu-
erst Goetz geltend gemacht (Gesch. d. cypr. Litt. S. 129).
2) Melardi (S. Cypr. di Cart. Contributo all* Apologetica del III. secolo,
Potenz», 1901) setzt die Echtheit als unbestritten voraus. — Die Verteidigung
durch Bayard (Le Latin de St. Cypr., Paris, 1902), die Soden S, 211 erwähnt,
ist mir unbekannt geblieben.
Harnack, Altchristi. Litteraturgesoh. II, 2. 2*2
33S ^6 Litt-eratur des Abendlandes.
auf Cyprian als Verfasser raten, wenn er anonym überliefert wäre.
Wäre die Überlieferung, die ihn dem karthaginiensischen Bisdiof
vindiziert, einwandsfrei, so könnte man sich zur Not bei ihr be-
ruhigen. Da sie das nicht ist, darf der Traktat nicht unter die
sicheren Schriften Cyprians gestellt werden. Was schließlich den
Stil betrifft, so läßt sich schwer urteilen, da fast alles abgeschiiebeD
ist. Es ist aber Haußleiter in der Beobachtung recht zugeben,
daß das, was dem Schriftchen in Wortgebranch und Stil eig^-
tümlich ist, mehr an Novatian als an Cyprian erinnert. Doch
handelt es sich um wenige und nicht durchschlagende Beobach-
tungen. Ob die Schrift dem Novatian beigelegt werden dar^ darüber
s. sub „Novatian".
Goetz hat in einer kleinen Abhandlung in den „Texten und
Unters." (Bd. 19 H. 1, 1899) nachgewiesen, daß der von Hartel
nach dem Vorgang Älterer unter die „Spuria" gestellte „Brief:
Donatus CyprianoS echt und der Anfang der Schrift AdDouatum
sei. Die Beweisführung war einleuchtend; denn der Anfang der
»Schrift Ad Donatum, wie er gewöhnlich abgedruckt wird, ist ganz
abrupt; der Schein dialog — in diese litterarische Kategorie ge-
hört der Traktat — verlangt am Anfang eine Angabe über die
Personen und den Anlaß; die wenigen Worte des „Briefs" bringen
das, was man erwartet, und der Wegfall der Worte ist selir wohl
erklärlich (man verkannte den Charakter der Schrift als eines
Scheindialogs und war daher befremdet, daß eine Schrift
Cyprians mit einer Anrede an ihn beginnen sollte). So
haben sich denn auch von der Goltz ^ und Soden ^ für überzeugt
erklärt, und ich hielt die Frage durch Goetz' Nachweise für er-
ledigt. Allein Weyman^ und Bardenhewer^ sind anderer
Meinung; sie finden die nachträgliche Hinzufügung wahrscheinlicher
als die spätere Entfernung, obgleich für diese, wie eben bemerkt,
ein einleuchtendes Motiv angeführt werden kann, während es
nach meiner Kenntnis beispiellos ist, daß ein Interpolator einen
Anfang erfindet und zwar einen Anfang von solcher Knappheit
und mit so ausbündigem stilistischem Geschick ^ während doch
1) Hartel III p. 272.
2) Theol. Litt.-Ztg. 1899 Kol. r>8.S.
'S) a. a. 0. S. 21^-3. 225 f.
4) Histor. Jahrb. Bd. 2(), 1S99, S. 5iH.)f.
5) a. a. 0. S. 410.
ü) Das „sauctißsiine" ist natürlicli spät-erer Zut?iitz oder au die Stelle eim-s
„raripsime" getreten.
Cyprian und Pseudocyx^rianisches. 339
die „hinzugefügten" Worte, für sich genommen, ganz wertlos sind^.
Man wird also darauf vertrauen dürfen, daß die Sätze wirklich
der ursprüngliche Anfang der Schrift Ad Donatum sind, man wird
das um so mehi* dürfen, als der Traktat in den Handschriften,
welche das Stück nicht bieten, jeder Überschrift entbehrt. Die-
selbe ist dem Stück zu entnehmen und lautete einfach: „Donatus.
C'yprianus", d. h. lediglich die KoUoquenten des Dialogs waren
genannt -. Titel und Anfang der Schrift sind mithin wie folgt her-
zustellen:
„Donatus . Cyprianus.
Credo te retinere, . . . Cyprian e, quae nobis fuerit apud ora-
torem garrulitas, unus sensus, una cogitatio, individua lectio. quare
non et in divina lectione ita animis roboramur? aut non ea sem-
per nobis fuit cogitatio, sicut promittebas, utsimul crederemus?
Bene admones, Donate carissime, nam et promisisse me me-
mini, et reddendi tempestivum prorsus hoc tempus est, quo etc."
2. Chronologie der Briefe.
Die chronologische Reihenfolge der Briefe, wie sie Pearson
gegeben und Hartel in seiner Ausgabe beibehalten hat^, ist zu-
erst von Fechtrup, dann von Ritschi, (Sanday), dann (beson-
ders eingehend und umsichtig) von Nelke, zuletzt (in Kürze) von
Soden untersucht und korrigiert worden^. Dabei haben sich
zahlreiche übereinstimmende Erkenntnisse ergeben. In meiner Ab-
handlung über die verlorenen Briefe von und an Cyprian habe ich
gezeigt, daß sie niemals einer Sammlung angehört haben, also auch
nicht wieder auftauchen werden. Dieses Ergebnis ist von Soden
bestätigt worden. In der folgenden Untersuchung werde ich so
verfahren, daß ich die Fragen, die von Fechtrup, Ritschi,
Nelke und Soden oder von dreien derselben in gleicher Weise
beantwortet sind, ganz kurz behandeln werde.
Zu beginnen ist mit den Briefen 5—43, die eng zusammen-
1) Pamelius (und, wie es scheint, auch Hartel) hat sie für ein Fragment
«rehalten. Wunderlich, daß sich ein solches „Fragment" erhalten hat.
2) Zur tjberlieferungsgeschichte s. Soden S. 225 f. Leider ist die Über-
lieferung der Traktate Cyprians noch nicht so gründlich untersucht wie die
der Briefe durch Soden.
3) Daß er dies getan, ist nur zu billigen. In den Ausga)>en soll die
Reihenfolge nicht früher geändert werden, bis sich ein allgemeines Einver-
ständnis (mindestens nahezu) hergestellt hat.
4) Monceaux hat sich merkwürdigerweise bei der hergebrachten Reihen-
folge beruhigt. Benson schlügt einige Änderungen vor.
09*
340 ^^ Liüerakur des Abendlandeii
gehören, weil sie aas der Zeit der dedanischen Yerfolgmig nnd
ans einem Zeitraam von c. 14 Monaten stammend
1. Die Briefe 5—43. Daß diese Briefe sftmtlich in die Zeit
von Winter 249/50 bis März 251 fallen, darfiber herrscht EinYe^
ständnis. Alle gehOren in die Zeit des freiwilligen Exils Qypriaos,
welches nach ep. 43, 4 ein „ezilinm iam bienni** war, d. h. bereits
in das 2. Jahr hineinreichte. Da dieser 43. Brief, wie sein Inhalt
beweist, nnmittelbar vor der Rückkehr Oyprians verfaßt ist, nnd
da er (s. c. 7) kurz vor dem Osterfest geschrieben ist, so fUlt
er in das J. 251 (denn i. J. 252 lebte Decios nicht mehr, und Im
J. 250 konnte Cyprian nicht schon im 2. Jahr im Versteck sein;
denn dann müßte die decianische Verfolgang schon im Janaar 249
begonnen haben; aber Decins ist erst nach dem Tode des Philip-
pus Arabs, also erst im Juni 249 Kaiser geworden), und zwar in
den März (Ostern war damals am 23. März). Der Monat, in wel-
chem die Korrespondenz beginnt, kann nicht ganz genau festgelegt
werden; aber soviel ist gewiß, daß wir noch den ersten Brief an
seinen Klerus besitzen, den Cyprian aus dem Versteck geschrieben
hat (ep. 7), nnd daß dieser Brief nicht später als im Febr. 250
(„exilium iam bienni'') abgefaßt sein kann. Er kann aber anch
nicht früher als im Januar 250 geschrieben sein; denn erst am
20. Januar 250 ist Bischof Fabian in Bom Märtyrer geworden
(daß in Bom die Verfolgung im Jan. 250 begonnen hat, folgt auch
aus ep. 37, 2), und es ist ganz unwahrscheinlich, daß die Verfol-
gung in Karthago früher angefangen hat als in Bom. ' Allerdings
zeigt jener erste Briefe den Cyprian aus dem Versteck geschrieben
hat, daß Cyprian nicht dem Yerfolgungsedikt, sondern der „invidia
et violentia gentilium*' gewichen ist Allein diese „invidia et vio-
lentia'^ war jedenfalls der dem Edikt unmittelbar vorangehende
Vorbote der Verfolgung, hervorgerufen durch die Kunde von dem
Vorgeben des Kaisers gegen die Christen in Rom. Also wird man
bei dem Ansatz Januar/Febr. 250 für den Anfang der Korrespon-
denz verharren dürfen.
Die älteste Gruppe aus dieser Kon*espondenz bilden die
„epistulae numero tredecim", die Cyprian (nach ep. 20, 2) selbst
gesammelt und verbreitet hat. Daß dies die epp. 5 — 7; 10 — 19
1) Ober die Briefe 1 — 1 s. unten. — Soden hat in umfiEtöBenden und müh-
samen Üntersuchangen gezeigt, daß die überliefeningsgeschichte der Briefe, die
ja schon mjt Cjprian selbst beginnt (sofern er für Abschriften seiner Briefe
gesorgt, sie in kleine G nippen vereinig^ und an Kollegen und Freunde über-
sandt hat), in mehreren Fällen die richtige Chronologie derselben stütit. Aber
durchgehends ist die Überlieferungsgeschichte für die Chronologie nicht zu
verwerten.
Cyprian und PBeudocyprianiBchee. 341
sind, ist allgemein anerkannt Da es ep. 18, 1 heißt: ,,iam aestatem
coepisse", die epp. 19 und 20 aber der ep. 18 auf den Fuß gefolgt
sind, so fällt diese Gruppe (dazu ep. 20) in die Zeit vom JanJFebr.
bis Juli 250. Zu ordnen sind die Briefe in ihr aber also: 7, 5 + 6.*
14 + 13. 11. 10 + 12. 15 + 16 + 17. 18. 19. 20.
Beweis: Daß 7. 5 + 6 zusammengehören und den Anfang bilden,
ist klar und schon von Pearson erkannt worden, daß aber 7
voranzustellen ist, haben Fechtrup, Ritschi, Nelke und Soden
richtig gesehen. Noch sind in Karthago keine Martyrien oder
Konfessionen vorgekommen, Cyprian ist den Ausbrüchen einer Volks-
bewegung vorsichtig zuvorgekommen; er erwai'tet bald zurück-
kehren zu können. Nach ep. 5 u. 6, die zu gleicher Zeit von
Cyprian abgesandt sind, sind dagegen bereits einige Christen (auch
Weiber und Kinder) gefangen gesetzt, Konfessionen haben statt-
gefunden und Martyrien sind zu erwarten. Doch ht ein allgemeines
Verfolgungsedikt noch nicht ergangen. Die beiden Briefe sind
also wenige Wochen, vielleicht nur einige Tage nach ep. 7 ab-
gefaßt.
Daß nun die Gruppe 14 + 13.11.10 + 12 folgt, haben Fechtrup,
Nelke und Soden gezeigt*^. Das allgemeine Verfolgungsedikt ist
ergangen. Wenn wir es (auf Grund des Todestags des Fabian)
etwa auf den 19. Januar ansetzen dürfen, so wird es im Anfang
Februar oder in den letzten Tagen Januars in Afrika promulgiert
worden sein. Es hat, wie die Briefe zeigen, einen großen Abfall
in Karthago bewirkt, zwar auch Bekenner erweckt, aber diese in
Ausschreitungen verschiedener Art gestürzt. Blutige Martyrien
sind aber noch nicht erfolgt (die Verbannung scheint die regel-
mäßige Strafe gewesen zu sein), und Cyprian glaubt, daß der
Sturm sich nun legen werde. Die ins Auge gefaßten Folgen des-
selben, namentlich die chronischen Ausschreitungen der Konfessoren
und ihre enthusiastische Laxheit gegenüber den Lapsi, ferner der
ep. 14, 4 vorausgesetzte Brief der Konfessoren an Cyprian ver-
langen den Ansatz einiger Wochen. Die epp. 14 u. 13 sind daher
wohl nicht früher als im März 250 verfaßt. Der nun folgende
11. Brief zeigt, daß die Verfolgung statt aufzuhören, sich verstärkt
hat — man Latte den p]indruck einer zweiten, viel heftigeren Ver-
folgung^ — ; Mai-tern haben begonnen; der Abfall hat sich ver-
1) Das PluHzeicben drückt Gleichzeitigkeit aus.
*J) Ob 14 vor oder nach 13 verfaßt ist, läßt sich nicht sicher ausmachen;
mit Recht aber bemerkt Soden, daß das S'chweigen in ep. 14 über ep. 13 auf-
fallend wäre, wenn ep. 13 der ep. 14 voranginge. Auch Ritschi setzt ep. 14
\or ep. 13, aber aus einem nicht stichhaltigen Grunde.
3) Der Prokonsul von Afrika war in Karthago eingetroffen, und sein Er-
342 ^^ Litteratur des Abendlandes.
mehrt. Diese schreckliche Kunde macht Cyprian selbst zum Visi-
onär ^ Er kündigt das Aufhören der Verfolgung an („sed quod
Interim morula est, supersunt aliqui qui probentur"). Nach ep. 10
ist die Trübsal noch weiter vorgeschritten; es haben wirkliche
Martyrien stattgefunden — Mappalicus ist in einem solchen ge-
storben. Augenscheinlich fällt ep. 10 einige Zeit nach ep. 11. Der
Tod des Mappalicus ist nach den Martyrologien am 17. April er-
folgt. Dieses Datum fugt sich vorzüglich zu den aus den Briefen
sich ergebenden allgemeineren Ansätzen. Der 10. Brief ist also
Ende April verfaßt. Gleich nach ihm oder gleichzeitig mit ihm,
jedenfalls aber nach ep. 11 ist ep. 12 geschrieben 2.
Es folgt nun die Gruppe epp. 15 + 16 + 11 \ Sie stammt aus
dem Mai oder Juni, hat es mit der Lapsi-Frage zu tun, und Cy-
prian lehnt noch in ihr die Wiederaufnahme ab^.
Nach epp. 15—17 und vor epp. 18—20 ist das berühmte erste
römische Schreiben (ep. 8) uud der erste Brief Cyprians nach Rom
zu setzen; denn in epp. 15—17 ist jenes Schreiben dem Cyprian
noch nicht bekannt gewesen S; aber nach ep. 20, 3 („praeterea vestra
scripta legissem, quae ad clerum nostrum per Crementium hypo-
diaconum nuper feceratis") kennt er es; die epp. 18 und 19 fallen
aber (s. u.) unmittelbar vor ep. 20. Dazu kommt, daß Cyprian in
ep. 18 eine neue Haltung den Gefallenen gegenüber einnimmt, die
sich deutlich als Folge des römischen Schreibens (ep. 8) darstellt:
er schließt sie in die Fürsorge ein — was er früher nicht getan
hat — und gestattet, daß sie auf dein Totenbett die Rekonziliation
erlangen. Das römische Schreiben ist also Ende Mai oder im Juni
Bcheinen brachte die Verfolgung erst in vollen Gang. Ob er iin April oder,
wie Nelke (S. 10) will, schon im Milrz gekommen ist, läßt sich nicht ent-
scheiden.
1) S. meine Abhandlung „Cyprian als Enthusiast" in d. Ztschr. f. NTliche
Wissensch. Bd. 3, 1002, S. 177 ff.
2) Ricbtig Nelke (S. IG): „Cyprian, welcher vorher angesichts des durch
Anwendung von Martern erfolgten Abfalls die im Kerker gestorbenen Christen
nicht allzu hoch, nicht als Mäi-tyrer geschätzt, kommt jetzt zu anderer Ansicht :
er läßt solche als Märtyrer verehren (ep. 12, 1). Dieser Umstand ist Ritsch 1
und Fechtrup entgangen, welche ep. 12 vor ep. 11 ansetzen.
3) Sie ist ganz gleichzeitig. Die Voranstellung von ep. 10, die Soden
(S. 24) empfiehlt, hat die Bemerkungen in 10, 3 und 17, 3 gegen sich. In ei». l'i
fehlt eine solche Bemerkung.
4) Doch 8. ep. 17, 3: „expectcnt regressionem nostram, ut cum ad vos . . .
venerimus, convocatis coepiscopis . . . martynim litteras et desideria exami-
nare possimus".
5) Es ist Nelkes Verdienst (S. 22 ff.), dies eingehend begründet zu haben
gegenüber dem Ansätze auf eine frühere Zeit.
Cyprian und Pseudocyprianigches. 343
entstanden \ bald darauf Cyprians ep. 9 und wiederum gleich darauf
ep. 18. Da in dieser die schon oben berührten Worte stehen (c. 1):
„iam aestatem coepisse", so bestätigt sich die gegebene Chronologie.
Nach ep. 19 ist der Klerus von Karthago endlich mit Cyprian in
brieflichen Verkehr getreten (c. 1), aber mit dem in ep. 18 ge-
machten Zugeständnissen noch nicht zufrieden. Cyprian antwortete,
indem er bei seinen Bestimmungen verharrte. Die Verfolgung
dauerte noch an (c 2). Der folgende 20. Brief (nach Rom) ist allem
Anschein nach gleich darauf geschrieben. Wir befinden uns also
höchst wabi*scheinlich im Juli 250.
Eine Korrespondenz aus der Zeit Februar bis Juli besitzen
wii- noch in dem Brief des Celerinus an Lucian (ep. 21) und dem
Antwortschreiben (ep. 22). Die Zeit läßt sich genauer bestimmen.
Nach ep. 21, 2 ist Ostern bereits vergangen; ferner ist die härtere
Verfolgung (im Unterschied von der anfänglichen, s.o.) im Werk.
Daraus folgt, daß die Briefe nach epp. 11. 10. 12 verfaßt sind.
Andererseits ist die Krise, welche die Briefe 15. 16. 17 in bezug
auf die Gefallenen -Frage zeigen, noch nicht eingetreten. Also
gehören — so Ritschi, Nelke und Soden — die Briefe zwischen
11. 10. 12 einerseits und 15—17 andererseits und sind April/Mai
anzusetzen \
Es folgt nun der Briefwechsel mit Caldonius (ep. 24 + 25). Er
ist vor ep. 23 geschrieben; denn anderenfalls müßte ep. 23 in ep. 25
erwähnt sein. Er ist nach ep. 15—19 verfaßt; denn diese 5 Briefe
hat Cyprian bereits „plurimis collegis nostris" geschickt 3, und sie
haben in Antworten ihr Einverständnis erklärt. Da die Situation
noch dieselbe ist, wie in ep. 18—20, ist der Briefwechsel Ende Juli
oder Anfang August anzusetzen.
1) über ep. 8 und 0 s. meine Abhandlung: „Die Briefe des röm. Klenis
aus der Zeit der Sedisvakanz im J. 250** in d. Weizsäcker gewidmeten Abhand-
inngen, 1801, S. Iff., ferner Haußleiter, Gott. Gel. Anz. 1898, S. 350 flP.,
Nelke 8. 22 ff., Karl Müller, Ztschr. f. KGescb. Bd. 16, 1895, 8. Iff. Ich
bin jetzt mit Haußleiter (dessen übrige Aufstellungen ich freilich fiir sehr
gewagt halte) der Meinung, daß die Worte „quod utique recte fecerit, propterea
ciiiu sit persona insignis" interpoliert sind. Auch die Worte p. 486, 17 — 2()
f„tfed et Simoni .... oves meas"] sind schwerlich echt. Ganz verkehrt ist
freilich die Hypothese Haußleiters, die ep. 8 stamme nicht vom römischen
KloriiH, sondern von dem Märtyrer Celerinus, dem Verfasser des 21. Briefs (s.
dagegen Nelke 8.31 ff.).
2) Diese im Vulgärlatein verfaßten Briefe sind zusammen mit den eben-
falls im Vulgärlatein geschriebenen epp. 8. 23. 24 neu ediert von Miodonski,
Anonymus adv. aleatores, 1889.
3) Der „liber cum epistulis quinque" ist eben die Briefsammlung (viel-
leicht mit einer kurzen Einleitung). Ein besonderes (verlorenes) Buch über die
({efallenen-Frage außer den 5 Büchern anzunehmen (Nelke S. 39), ist unnötig.
344 I^e Litteratur des Abendlandes.
Ep. 23 (das anmaßende kurze Schreiben der Eonfessoreiii das
durch ep. 19 hervorgerufen ist) muß ganz kurz nach ep. 24 and 25
fallen ; denn in dem Schreiben 26, in welchem er auf ep. 23 Bfick-
sicht nimmt, schickt er seinem Klerus die ep. 24 o. 25. Wir be-
finden uns also gewiß noch im August 250. Die Briefe 19. 20.
24. 25. 23. 26 sind augenscheinlich in ganz wenigen WocheD einander
gefolgt.
Es folgen nun die beiden Schreiben Cyprians nach Born
(ep. 27* + 28), und zwar unmittelbar; denn Cyprian sendet den
B<}mern ep. 24. 25. 23. 26. 21. 22. Ep. 27 + 28 gehören also auch
noch in den August.
Der 26. Brief Cyprians rief in Karthago ein freches (verlorenes)
Antwortschreiben der Aufsässigen hervor. Dieses Schreiben beant-
wortet Cyprian in ep. 33 in kraftvoller Weise und instruiert gleich-
zeitig in ep. 29 den ihm treu gebliebenen Klerus, indem er ihm
das Schreiben der Aufsässigen und ep. 33 übersendet Beide Briefe
(33 u. 29) sowie den Brief seiner Gegner übersendet er mit einem
kurzen Begleitschreiben (ep. 35) auch den ROmem. Von diesen
hatte er persönlich noch keinen Brief erhalten^. Immer noch be-
finden wir uns etwa im August 250.
Die beiden römischen Schreiben an Cyprian — das erste ist
von Novatian verfaßt — (ep. 80 u. 31) sind streng gleichzeitig. Das
zweite (das der römischen Konfessoren) ist die der Natur der Sache
nach unigeliend abgesandte Antwort auf Cyprians ep. 28 ; das erste
ist die Antwort des röniisclien Klerus auf die epp. 20 u. 27. Diese
Briefe 27. 30. 31^ sandte Cyprian sofort — denn es waren seine
besten Verteidigungsmittel — mit einem kurzen Begleitschreiben
lep. 32) an den ihm treuen Teil des Klerus von Karthago. Also
sind auch diese Schreiben zeitlich aufs engste mit den vorigen zu
verbinden (August/Sept. 230). Es ist nicht unwahrscheinlich, daü
sich die nach Rom gesandte ep. 3r> mit den epp. 30 u. 31 gekreuzt
hat; denn weder nimmt jene auf diese Rücksicht^ noch umgekehrt
Die ep. 35 beantworten die Römer (Novatian) mit ep. 36, die also
auch Augus^Sept. oder Sept. geschrieben sein muß**.
1) Ein verlorenes röuiisclies Schreiben war vorangegangen, s. ej». 27, 4,
welches aber niclit an Cyi)rian selbdt gericht-«'t war.
2) DieHo Verhältnisse hat zuerst Nelke klargestellt (S, 43ff.), und Soden
(S. 20. 37) ist ihm gefolgt und hat die richtig«! Ordnung noch sicherer be-
wiesen. Ep. *J9 ist nach ep. i»i> zu ordnen, und nicht ep. 34 ist dem Brief K»
in Abschrift l)eig«'g»'ben wordi'n, sondern eben ep. 21>.
3) Wohl auch ep. 28, obgleich das nicht ausdrücklich gesagt ist.
4) Man beachte, daß auf Cyprians eigene Veranstaltung bereit« im iSep-
tember 250 alle diese Briefe, also 5 — 31. 33. 35. 30 in Rom sind. Das ist von
Cyprian und PseudocypriaidBcheB. 345
Nun tritt eine Pause in den KoiTespondenzen (für uns) ein;
denn ep. 34 gehört, wie Nelke und Soden gezeigt haben, nicht
zu der vorigen Gruppe, sondern zu der nächsten. Vier Monate
hören wir nichts. Die folgenden Briefe zeigen, daß die inneren
Verhältnisse nicht besser geworden sind^ Der erste derselben —
ein Schreiben Cyprians an die römischen Konfessoren — (ep. 37)
läßt sich genau datieren. In c. 2 heißt es: „Eant nunc magistratus
et cousules sive proconsules, annuae dignitatis insignibus et duo-
decira fascibus glorientur . ecce dignitas caelestis in vobis honoris
annui claritate signata est et iam revertentis anni volubilein cir-
c.ulum victricis gloriae diurnitate transgressa est . inluminabat mun-
dum sol oriens et luna decurrens . . . per vicissitudines mensium
transmeavit hibernum: sed vos inclusi tempora hiemis persecutionis
hieme pensatis"; es folgt die Schilderung des Frühlings, Sommers
und Herbstes; dann heißt es: „sie apud servos dei annus evol-
vitur". Hiernach ist es sicher, daß der Brief im Januar 251 ver-
faßt ist. Eben dorthin oder etwas später gehört die ep. 34, die
da zeigt, daß man wieder in Karthago klerische Zusammenkünfte
halten kann und eine akute Verfolgung nicht mehr besteht Die
hergebrachte Reihenfolge der sich anschließenden Briefe 38—43
ist nicht zu ändern. Sie fallen in die Monate Februar und März
251 ; der letzte von ihnen kurz vor Ostern (s. 0.). Bald darauf kehrte
C'yprian nach Karthago zurück. — Die chronologische Untersuchung
ergab ein fast vollständiges Einvernehmen mit Nelke und So den 2.
Ich setze die Ergebnisse hierher. Wo über die Ansätze bei
Nelke und Soden nichts bemerkt ist, stimmen sie mit den hier
gegebenen überein 3.
Wichtigkeit für die Geschichte der Sammhing und ihre Editionen. Die Briefe
32 und 34 können auch sehr wohl nach Rom von Cyprian gesandt worden
fc?ein; zu beweisen vermögen wir es nicht. Die Tatsache, daß keine Briefe
Cyprians nach Karthago von Sept. 250 — Januar 251 in der Sammlung vorhanden
sind, spricht dafür, daß die Edition der Briefe 5 — 3G von Rom ausgegangen
ifcft; denn Cyprian hat doch gewiß auch zwischen Sept. und Jan. Briefe nach
Karthago gerichtet. Waiiim fehlen sie in der Sammlung? Die nächstliegende
Antwort ist: Weil sie nicht nach Rom gekommen sind.
1) Daß zwischen den bisher betrachtet-en Briefen und epp. 37 ff. eine Pause
liegt, zeigt auch die wesentlich andere Lage in den letzteren Briefen: die Ver-
folgung ist im Abflauen, aber die innere Lage der Gemeinde zu Karthago hat
bich so entwickelt, daß das Schisma vor der Tür steht. Darauf war man in
den bisher betrachteten Briefen doch nicht gefaßt.
2) Beiden aber hat Ritschi sehr tüchtig vorgearbeitet.
3) Soden hat nur die Reihenfolge geben wollen, ohne sich um die abso-
lute Chronologie zu bekümmern. Kleine Differenzen mit Nelke bei der Fest-
stellung der Monate gebe ich nicht an.
346
Dio Litt-oratur (U*3 Abeudlaiid«.'!«.
Pearson-Hartel. Nelke', Soden, Harnack.
1
2
3
4
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7 1
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9
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9
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23
24
2()
2S
29
30
25
33
27
gehört enge zu ep. 1 0 (= 7 ).
Nelke setzt ep. 1 3 = 4, ep. 14 = 5
>
r Soden ordnet ep. 16 (= 12) vo;
j ep. 1 ö (= 1 1) nnd ep. 1 7 (= 1 3
I
I
gehört t'iige zu ep. 'M (== 25").
(
I
gehört enge zu ep. :'.3 { = 25^ um)
ep. 2i» I - 261
31
32
34
1} Nolkf:» Li.st«' (>. ■J'Mft'.} i^t l»*i«lrr iiirht itraUHsch, «la si*« an «lt*i
Hit sohl s (UKMit*K*rt i.-t.
Cyprian und Pseudocyprianisches. 347
Pearson-Hartel. Nelke, Soden, Harnack.
39 35
40 36
41 37
42 38
43 39
Ep. 7 gehört in den Jan./Febr. 250.
Ep. 5 und 6 folgen bald darauf.
Ep. 14. 13. 11. 10. 12 wohl im März und April 250 (die ep. 10
sicher nach dem 17. April).
Ep. 21. 22 April /Mai 250.
Ep. 15. 16. 17 Mai /Juni 250.
Ep. 8. 9 Ende Mai oder im Juni 250.
Ep. 18 Ende Juni oder Anfang Juli 250 („iam aestatem coe-
pisse").
Ep. 19. 20 Juli 250.
Ep. 24. 25 Ende Juli oder Anfang August 250.
Ep. 23. 26. 27. 28 August 250.
Ep. 33. 29. 35 August 250.
Ep. 30. 31 August 250.
Ep. 32 Ende August oder Sept. 250.
Ep. 35 Ende August od. Sept 250.
E^. 36 Ende August od. Sept 250.
Ep. 37 rlanuar 251 (ein volles Jahr ist seit der Verfolgung
herum).
Ep. 34. 38. 39. 40. 41. 42. 43 Ende Januar bis März 251.
2. Die nur unsicher oder überhaupt nicht bestimm-
baren Briefe 1—4. 62. 63. 05. 67. Ep. 1 ist ganz unbestimmbar;
denn einen der genannten Kleriker Geminius Victor oder Geminius
Faustinus mit dem Bischof Geminius von Furni der Sentent. oder
sonst einem bekannten Geminius zu identifizieren, fehlt jeder Grund.
Auf das „iam pridem" in c. 1 läßt sich auch nichts bauen, da es
durch ,,nuper** c. 2 neutralisiert wird.
Ep. 2 ist ebenfalls nicht zu bestimmen (Ritschis Versuch
S. 239 f. ist von Nelke S. 151 widerlegt).
Ep. 3 ist nach dem Schisma des Felicissimus und in der Zeit-
nähe von De unitate und ep. 59 geschrieben (s. c. 3 des Briefs).
Näheres läßt sich nicht sagen. Wer der Adressat Rogatianus ist,
weiß man nicht
Ep. 4 (über Syneisakten) ist nach c. 4 wohl aus der mittleren
Zeit Cyprians. „Jedenfalls darf der Brief nicht allzu nahe an De
hab. virg. gerückt werden. In diesem Libellus wird die Syneis-
348 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
akteu-Frage gar nicht berührt; sie muß damals entweder ganz
unbedeutend gewesen sein, oder Cyprian wagte nicht, gegen diese
Sitte vorzugehen (?). Das Maß von Autorität, mit dem er auftritt
ist in De hab. virg. weit geringer als in ep. 4" (Soden).
Ep. 62» (Brief an 8 numidische Bischöfe mit einer Geldunter-
stützung). Die 8 Bischöfe kommen sämtlich unter den 18 Adressaten
der ep. 70 vor. In die Zeitnähe dieses Briefs mag man unseren
setzen. Da aber acht Männer, sei es auch gereifteren Alters, nach
der Statistik sehr wohl c. 10 Jahre zusammenwirken können, ohne
daß der Tod eine Lücke reißt, so läßt sich nichts Bestimmtes sagen.
Ep. 63 (der Abendmahlsbrief) gehört nach der Definition der
Kirche in c. 13 (ecclesia = „plebs in ecclesia constituta fideliter
et firmiter in eo quod credidit perseverans**) vielleicht in die frühere
Zeit Cyprians (Ritschi, Soden); doch hat Nelke triftige Gründe
dagegen geltend gemacht, daß man die Definition preßt (S. 155f.).
Seine Berufung aber auf c. 15 ist hinfallig (es müsse die decianische
Verfolgung hinter dem Briefe liegen). Cyprian konnte, so wie er
hier schreibt, zu jeder Zeit schreiben. Auf die relative Zurück-
haltung Cyprians möchte ich mich für eine frühe Abfassung auch
nicht berufen. So ist nichts zu bestimmend
Ep. 65 (nach Assuras) ist nach c. 5 vor dem Konzil von 253,
nach c. 3 vielleicht vor dem Konzil von 251 geschrieben. Sonst ist
nichts auszumachen.
Ep. 67 (der Brief nach Spanien) muß auch zu den Briefen ge-
rechnet werden, die nicht sicher datiert werden können. Nach
c. 5 ist er z. Z. des römischen Bischofs Stephanus, also zwischen
Mai 254 und Juli 257 verfaßt (s. auch c. 6: Cornelius ist gestorben).
Aber ob er vor Beginn des Ketzertaufstreits oder während des-
selben geschrieben ist, läßt sich nicht ausmachen. Soden (S. 31)
plädiert für letzteres unter Berufung auf „Ton und Handlungs-
weise Cyprians", ähnlich Nelke (S. i;{6ff.), der sogar genau Früh-
ling oder Herbst 256 nennt und beweisen will, der Brief sei nach
dem Bruche der Kirchengemeinschaft zwischen Cyprian und
Stephanus verfaßt. Allein es ist mindestens unsicher, ob (mit
Nelke) die Schilderung der traurigen Gegenwart in c 7 — 9 haupt-
sächlich auf Stephanus und das Schisma zu beziehen ist, und es
ist ganz willkürlich zu den pflichtvergessenen Bischöfen auch
Stephanns zu rechnen. Nelkes später Ansatz des Briefs ist
übrigens letztlich durch eine irrige Vorstellung von dem Primat
des römischen Bischofs bestimmt. Er kann es sich nicht denken,
1) S. über ep. OhJ meine Abhandlung in den Texten u. Untere. Bd. 7
H. 2, 1890.
Gyprian und Pseudocjprianisches. 349
daß bei normalen Verhältnissen die Beziehung der spanischen
Eischöfe und des Gyprian zum römischen Stuhl eine solche gewesen
sei, wie der Brief sie voraussetzt; er meint, daß, wenn normale
Verhältnisse bestanden hätten, die Autorität des Stephanus in ganz
anderer Weise von den spanischen Bischöfen und Gyprian anerkannt
worden wäre. Da zu solcher Annahme kein Grund vorliegt, ist
auch kein sicherer Anlaß vorhanden, den Brief an das Ende der
Eegierungszeit des Stephanus zu rücken. Auch die Stelle, an die
die Überlieferung, wie sie Soden enthüllt hat, den Brief setzt,
kann nicht zum Beweise angerufen werden; denn daß der ganz
singulare Brief an den Schluß gei'ückt worden ist, ist wohl ver-
ständlich.
3. Die Briefe 44—61. 64. 66. Diese zwanzig Briefe gehören
(mit Ausnahme der ep. 66) der Zeit vom Frühling 251 bis Sommer
253 an und fallen also genau in die Regierungszeit der römischen
Bischöfe Gornelius und Lucius*. Das in Rom ausgebrochene nova-
tianische Schisma, welches bald eine universal-kirchliche Bedeutung
erhielt und in die Feststellung der Behandlung der Lapsi sowie
in das karthaginiensische Schisma hineinspielte, verleiht dieser
(Truppe von Briefen ein besonderes Interesse.
Die fünf Briefe 44—482 (drei an Gornelius, ep. 47 an die
römischen Konfessoren) gehören aufs engste zusammen; zumal die
epp. 45—47 sind durch Mettius zusammen nach Rom gesandt
1) Außerdem fallen in diesen Zeitraum von verlorenen Briefen die
Nrr. 7—10. 26-33. 48—58, die ich Texte u. Unters. Bd. 23 H. 2 besprochen
habe (die Nrr. 2—6. 25. 39—47 gehören der Zeit bis März 251 an; die Nrr. 17—21.
34. 35. 59 — 70 den letzten Jahren Cyprians; die Nrr. 1. 22. 23. 24 sind aus der
Zeit vor Cyprians Episkopat, und die Nrr. 36—38 sind zeitlich nicht zu be-
stimmen). Mindestens 5 Briefe des Cornelius an Cyprian (ep. 45, 1; 48, 1;
49, 1; 50; 59, 1. 2) und 3 Briefe Cyprians an Cornelius (ep. 45, 1; 55, 6; 59, 9)
sind verloren, dazu ein Zirkularschreiben Cyprians an die afrikanischen Bischöfe
in Sachen des Cornelius (ep. 45, 1; cf.*55, 1). Nicht erhalten ist auch der
afrikanische 83niodalbeschluß v. J. 251 und ein ihn begleitendes, nach Rom
gerichtetes Schreiben fep. 55, 6. 17). Auch der Brief (die Briefe) des römischen
Bischofs Lucius in der Lapsi-Frage (ep. 68, 5) fehlt. Die Chronologie der in
meiner Abhandlung verzeichneten 70 verlorenen Stücke ergibt sich nach der Chro-
nologie der erhaltenen fast überall von selbst. Hinzuzufügen ist noch (s. v. Soden
S. 20) als Nr. 29 b ein Brief Cyprians an seinen Klerus über Felicissimus und
dessen Presbyter, den Cyprian dann auch dem Cornelius mitgeteilt hat (ep.45,4),
eowie ein römisches Protokoll über die Aufnahme der schismatisch gewesenen
Konfessoren (ep. 49, 2), das Cornelius mit ep. 49 nach Karthago gesandt hat
( y. Soden S. 21). Ob ep. 5 (s. c. 1) Antwort auf einen Brief (v. Soden S. 21)
oder auf mündliche Nachricht ist, steht dahin.
2) Ritschi ordnet 45.44.46—48, s. gegen ihn Nelke S. 60f., So-
den S. 26 f.
350 ^i^ Littei*atur des AbendlandeB.
worden. Dem Briefe 44 ist sowohl iu Rom als in Karthago sehr
viel vorausgegangen, nämlich
(1) die Rückkehr Cyprians nach Karthago,
(2) die Wahl und Weihe des Cornelius in Rom zum Bischo£
(3) die Wahl und Weihe des Gegenbischofs Novatian in Rom,
(4) Briefe und Gesandte des Cornelius und Novatian nach
Karthago (Afrika) um Anerkennung. Der Brief des letzteren wurde
durch eine große Deputation (Maximus, Augendus, Machäus, Lon-
ginus) nach Afrika gebracht.
(5) Absendung von zwei afrikanischen Bischöfen nach Rom
(Caldonius und Fortunatus), um den Frieden und die Einheit in
Rom herzustellen; sie überbrachten auch einen Brief Cyprians.
Die Instruktion für diese Gesandten lautete nicht auf Anerkennung
des Cornelius, sondern auf Prüfung der Sachlage und Friedens-
stiftung.
(6) Ankunft von zwei italienischen Bischöfen in Karthago
(Pompejus und Stephanus), die für Cornelius wirken sollten [diese
haben sich mit jenen gekreuzt].
(7) Anerkennung des Cornelius seitens der Kirche in Hadrumet,
durch ein Schreiben an ihn bezeugt
(8) Reise des Cyprian nach Hadrumet.
(9) Die Gemeinde in Hadrumet suspendiert ihre Anerkennung
des Cornelius (Schreiben derselben an den Klerus von Rom).
(10) Eröflfnung der afrikanischen Synode in Karthago in Sachen
der Gefallenen und des Novatian \ nachdem schon seit einiger Zeit
„plurimi episcopi" daselbst versammelt waren, aber den Beschluß,
ob Cornelius oder Novatian anzuerkennen sei, auf den Rat Cyprians
noch aufgeschoben hatten. Jetzt wird Novatian, und zwar als
Häi'etiker, abgewiesen, obgleich die nach Rom gesandten Bischöfe
Caldonius und Fortunatus noch nicht zurückgekehrt waren.
(11) Agitation der novatianischen Deputation gegen diesen
Beschluß sowohl in Karthago selbst als auch in der Provinz („ostia-
tim per nmltorum domos vel oppidatim per quasdam civitates").
Nun erst schrieb Cyprian den kurzen 44. Brief an Cornelias
(Anerkennung seines Rechts) und übersendet ihn durch Primitivus,
der mündlich ausführlich berichten sollte. Cyprian muß diesen
Brief während der Tagung der afrikanischen Synode abgefaßt
haben; denn auf dieser wurde Felicissimus abgesetzt und der ei"st«
generelle Beschluß über die Gefallenen gefaßt. Jene Absetzung
aber ist in ep. 44 noch nicht erwähnt.
1) Der WoHlaut der Beschlüsse dieser Synode fehlt. In Sachen der Ge-
fallenen kam es nur erst zu einem vorläufigen Beschluß,
Cyprian und Pseudocyprianischds. 351
Noch bevor die afrikanischen Gesandten aus Rom zurückge-
kehrt waren und bevor Cyprian von dem Eindruck seiner ep. 44
auf Cornelius etwas wissen konnte, traf ein Brief des Cornelius
ein, der sich über die verzögerte Anerkennung (und wohl auch
über die Absendung der Gesandtschaft [s. Nr. 5], die nicht die
Instruktion hatte, mit ihm in Gemeinschaft zu treten) beklagte.
Cyprian beantwortete dieses Schreiben durch ep. 45, das Ent-
schuldigungen, Beschönigungen der verzögerten Anerkennung ent-
hält (in c 4 die Mitteilung der Verurteilung des Felicissimus).
Gleichzeitig, um seinen Eifer zu beweisen, richtete er ep. 46 an die
römischen Eonfessoren mit der Mahnung, zur Einheit zurückzu-
kehren. Diesen Brief aber — damit Cornelius nicht Verdacht
schöpfe — ließ er durch ihren Bischof den Eonfessoren zustellen
und gab ihm daher ein paar Zeilen an Cornelius mit (ep. 47)^
Noch bevor Cyprian eine Antwort auf die epp. 45—47 hatte, sah
er sich genötigt, ein weiteres Entschuldigungsschreiben an Cornelius
zu richten. Primitivus, der ep. 44 überbracht hatte, war zurück-
gekehrt und hatte Beschwerden des Cornelius über das Verhalten
der Gemeinde von Hadrumet mitgeteilt (s. o. Nr. 7—9), das er
[mit Recht] auf den Einfluß Cyprians zurückführte. Die ep. 48 ist
dieses Entschuldigungsschreiben, das (c. 4) nach Rückkehr der
afrikanischen Gesandten aus Rom, Caldonius und Fortunatus, ab-
gefaßt ist.
Die absolute Chronologie dieser 5 Schreiben ergibt sich aus
folgenden Erwägungen: Cyprian wollte (nach ep. 43, 7) „post
paschae diem" d. h. wohl unmittelbar nach Ostern nach Earthago
zurückkehren, und wir haben keine Veranlassung anzunehmen, daß
er den Plan nicht ausgeführt hat. Da Ostern auf den 23. März
im J. 251 fiel, wird Cyprian in den letzten Tagen dieses Monats
zurückgekehrt sein. Cornelius ist um den 15. März 251 gewählt
worden^, und unmittelbar darauf fand die Wahl des G^genbischofs
1) Pedanterie, und in diesem Falle schwerlich eine gerechtfertigte, ist es,
*'p. 47 vor ep. 40 zu stellen (Soden S. 27).
2) Seine Regierungszeit umfaßte 2 Jahre, 3 Monate? und 11 Tage. Sein
Nachfolger Lucius, der 8 Monate und 10 Tage regiert hat, hat sein Amt
um den 25. Juni 253 angetreten (denn der Endtermin, 5. Milrz 254, steht fest).
Von hier aus 2 Jahre, 8 Monate und 10 Tage aufwärts rechnend, kommt man
zur Zeit um den 15. März 251. Da aber einige Zeit zwischen Cornelius und
Lucius vei*8trichen sein kann, wird man vom 15. März wohl aufwärts, nicht
aber abwärts gehen dürfen. Nelke (S. Gl) setzt die Wahl des Cornelius auf
Anfang April 251. Die Argumente sind — abgesehen davon, daß man mit der
überlieferten Amtszeit des Cornelius in Konflikt kommt — nicht stichhaltig.
„Die Bischöfe mußten zu der Osterfeier zu Hause sein" (das konnten sie sehr
wohl, wenn die Wahl um den 15. März oder noch früher erfolgte). „Die Ver-
352 ^^6 Litterat ur des Abendlandes.
Novatian statt. In 1—2 Wochen konnten die Briefe bez. die Gre-
sandten beider Parteien in Karthago sein, d. h. als Cyprian dort-
hin zurückkehrte, empfing ihn bereits die Nachricht von der zwie-
spältigen Bischofswahl in Rom. Seine Rückkehr nach Karthago
veranlaßte sofort zahlreiche afrikanische Bischöfe, sich za ihm zu
begeben. Sie sammelten sich zugleich zur Synode, die, wie wir
nach ep. 59, 10 annehmen dürfen, am 15. Mai herkömmlich eröffnet
wurde, während vorher schon Beratungen Cyprians mit den früher
eingetroffenen Bischöfen stattfanden. In die Zeit vom + 1. April
bis 15. Mai fallen also die oben Nr. 5—9 aufgezeichneten Ereignisse,
so jedoch, daß Nr. 5 und 6 um den 1. April anzusetzen sind.
Hiernach ergibt sich weiter, daß ep. 44 gleich nach dem 15. Mai
abgefaßt ist. Nur wenige Tage später sind die epp. 45—47 ge-
schrieben. Das zweite Entschuldigungsschreiben (ep. 48), welches
nach der Rückkehr des Caldonius und Fortunatus erfolgte, ist ent-
weder noch in den letzten Tagen des Mai oder, wahrscheinlicher,
im Juni 251 abgefaßt
Enge zusammen gehören, als gemeinsam abgesandt, die drei
aus Rom an Cyprian gerichteten epp. 49. 50. 53 K Sie gehören der
2. Hälfte des Jahres 251 an; aber näher lassen sie sich (gegen
Nelke S. 68) nicht datieren. Die epp. 52. 51. 54 sind die drei
Antwortsschreiben Cyprians auf diese Briefe. Das Schreiben 52
geht voran und sollte ursprünglich alle drei Briefe beantworten,
aber Cyprian genügte es nicht, und er fügte ep. 51 und 54 hinzu.
Die drei Briefe wurden zusammen nach Rom gesandt.
hältnisse vor Ostern waren noch zu unsicher, als daß eine Wahl gewagt wer-
den konnte" (darüber weiß man nichts). Umgekehrt ist es vielmehr wahr-
scheinlich, daß die römische Gemeinde den lebhaften Wunsch hatte, daß die
lange Sedisvakanz endlich aufhöre und sie nicht noch ein zweites Osterfest
ohne einen Bischof verleben müsse. Dazu kommt noch folgendes: Nach ep. 45, 4
hat Cyprian in dem Schreiben, das den afrikanischen Gesandten Caldonius und
Fortunatus mitgegeben wurde, einen Bericht über das Schisma des Felicissi-
mus — und zwar augenscheinlich den ersten, den er nach Rom gelangen
ließ — erstattet. Da dieses Schisma jedenfalls schon im März 251 (s. ep. 43)
bestand und Cyprian wünschen mußte , die Römer sofort über dasselbe zu
orientieren, so ist es nicht ratsam, den Bericht über dasselbe bis in die
Mitte April zu schieben (das Gewicht dieses Arguments erkennt auch Nelke
S. 61 f. an).
1) Die beiden ersten sind von Cornelius (die einzigen erhaltenen, s. die
neue Ausgabe derselben von Mercati, D' alcuni nuovi sussidi per la eritica
del testo di S. Cypriano, 1899, p. 72 ff.), die dritte von den römischen Kon-
fessoren, die zu Cornelius übergingen. — Die Voranstellung der ep. 50 vor 49
(Ritschi und Nelke) begreife ich nicht; ep. 50 ist doch ein deutliches Post-
skript zu ep. 49.
Cyprion und PBeudocyprianischeB. 353
Schwierigkeiten macht die Reihenfolge und genauere Datierung
der Briefe 55—61. 64. Ritschi (dem Soden folgt) ordnet 55, 64,
59, 56, 57, 58, 60, 61. Nelke setzt 60 und 64 noch vor 49—54
und ordnet dann 55, 56, 57, 59, 58, 61^.
Zunächst ist der Versuch Nelkes, den 60. Brief, der bisher
allgemein als letzter Brief Cyprians an Cornelius galt, an den An-
fang der Regierung des Cornelius zu stellen (etwa Mitte Juli 251),
abzulehnen. Der Brief gratuliert dem Cornelius zur Ehi'e einer
Verfolgung. Nelke konstruiert nun aus ep. 55, 9 (wo nur Rheto-
risches steht), der pseudocyprianischen Schrift Ad Novatianum (die
er ohne haltbare Gründe hierher verlegt) und unserem Brief eine
zweite Verfolgung des Decius im Sommer 251. Da die erstge-
nannten Stellen nicht beweiskräftig sind, so schwebt diese zweite
Verfolgung des Decius, die den Cornelius 3—4 Monate nach seinem
Regierungsantritte betroffen haben soll, in der Luft Es bleibt
dabei, daß die in dem Brief vorausgesetzte Verfolgung die des
Gallus ist
Daß der Brief 04 heraufzusetzen ist, darüber sind Ritschi
und Nelke mit Recht einig; aber sie differieren darin, daß jener
die ep. 55 voranstellt, dieser die ep. 64 noch vor ep. 55 ansetzt.
Daß der Brief von einer großen Synode (66 Bischöfe) herrührt,
sagt er selbst in der Aufschrift. Daß solche Synoden in Karthago
in der Regel nur bald nach Ostern stattfanden, lehren die Stellen
ep. 47, 3; 56, 3; 59, 10. Von einer Herbstsynode (vor jener Synode,
auf der die 87 Bischöfe tagten) wissen wir schlechterdings nichts,
und daß zwischen der ep. 59, 10 vorausgesetzten Synode, die aus-
drücklich als Mai-Synode bezeichnet ist, und der Maisynode von
251 noch eine andere in Karthago getagt hat, ist uns unbekannt.
Der Annahme Nelkes ist also nicht beizupflichten, daß die Synode
der 66 Bischöfe, von der der 64. Brief stammt, im Herbst 251 ge-
halten sei'^, vielmehr ist er eben auf die Maisynode 252 zu ver-
Ic^gen-^ Ist dem aber so, so ist ep. 55 vor ep. 64 geschrieben; denn
1) Die größten Schwierigkeiten, bez. Verwirrungen, sind erst durch Nelke
hervorgerufen.
2) Wirkliche Gründe für diesen Ansatz habe ich bei Nelke nicht ge-
funden; auch er hängt übrigens zusammen mit seiner Annahme einer zweiten
Verfolgung unter Decius im Juli 251.
3) Auf die Synode eines späteren Jahres kann er aber auch nicht fallen,
da die Worte in c. 1 nur auf eine Synode (und zwar die von 251) zurück-
>>licken. In oder nach dem J. 253 hätte Cyprian nicht mehr so relativ streng
.-Nchreiben können: „quae res nos satis movit, recessum esse a decreti nostri
iiuctoritate, ut ante legitimum et pleuum tempus satisfactionis et sine petita
(it conscientia plebis nulla infirmitatc urgente ac necessitate cogente pax ei con-
cederetur".
Harnack, Altchristi. Litt^raturgesch. 11, 2. 23
354 ^6 Litteratur des Abendlandes.
dieser umfangreiche Brief (ad Antonianum) setzt den Übergang der
römischen Konfessoren zu Novatian als eine frische Tatsache
voraus* und zeigt die novatianische Verwirrung noch auf ihrem
Höhepunkt Der Brief hat — die Lapsi-Frage anlangend — nur
erst die allgemein gehaltenen Beschlüsse von 251 hinter sich^ und
gehört also in den Herbst 251 oder in den Winter 251/2.
Dagegen ist ep. 59 (an Cornelius) nach dem Konzil von 252,
von welchem der 64. Brief herrührt, verfaßte Dieses dezidierte
Verteidigungsschreiben setzt eine karthaginiensische Mai-Synode
(c. 10) voraus, die mit der des Jahres 251 nicht identisch sein
kann; denn die Vorgänge, die erwähnt werden (Gegenbischof
Fortunatus etc. in Karthago), können sich nicht im Mai 251 abge-
spielt haben, sonst müßten wir in früheren Briefen von ihnen
hören. Also ist das vorausgesetzte Konzil das von 252. Wie lange
nach der Synode vom Mai 252 der Brief verfaßt ist, läßt sich noch
ungefähr ermitteln. Da die Einsetzung des Fortunatus in Karthago
zum Gegenbischof im Mai 252 erfolgt ist da die schismatiscbe
Partei sich nun sofort um Sukkurs in Rom bemüht haben wird, da
es «ndlich c 59, 10 heißt: „Idibus Mais quae proxime fuerunt", so
ist der Brief wahrscheinlich noch im Sommer 252 geschrieben.
Der nun folgende 56. Brief führt uns vor das Osterfest 253;
denn in c. 3 wird auf die unmittelbar bevorstehende Synode, die
sich wieder mit der Gefallenen-Frage generell beschäf-
tigen soll, hingewiesen. Diese Synode kann aus folgenden
Gründen nicht die Synode des J. 252 sein (so Nelke): (1) daß auf
der Synode v. J. 252 generell über die Lapsi gehandelt worden
ist, ist nicht überliefert, (2) in unserem Brief heißt es, die Ge-
fallenen in der Stadt Capsa Numid. hätten „per hoc triennium''
fleißig Buße getan. Im März 252 konnte man aber unmöglich
sagen, daß bereits eine dreijährige Buße geleistet worden sei. Die
Verfolgung in der Provinz Afrika wird überhaupt erst März oder
April 250 begonnen haben (so richtig ßitschl und v. Soden;
jener führt auch noch andere Gründe ins Feld).
Die ep. 57 ist nun das Synodalsclireiben des (3.) cyprianischeii
1) Auch den Tod des Decius setzt er (c. 9) voraus. Derselbe ist im Herbr^t
oder Anfang Winter 251 erfolgt.
2) S. c. 6. 7, wo augenscheinlich nur von einer bisher gehaltenen Synodf
die Rede ist (auch c. 13\ Die Ereignisse der 1. Hälfte des J. 251 liegen augeu-
scheinlich sehr nahe hinter dem Brief.
3) Der 64. Brief ist nicht etwa der Synodalbeschluß; ein solcher fehlt.
Er betraf, wenn er überhaupt ergangen ist, nicht die Gefallenenfrage, die
generell auf dieser Synode überhaupt nicht verhandelt ist, sondern erst wie-
der im J. 253.
Cyprian und PseudocyprianiBches. 355
Konzils V. 253 (Mai) — nach Nelke vom Mai 252, da er ep. 64
auf ein supponiertes Herbstkonzil verlegt und das „triennium**
mißdeutet (s. o.). Diese ep. 57 ist also kurz nach 56 geschrieben.
Die Synode nahm die im J. 251 von ihr behandelte Lapsi-Frage
wieder auf und entschied nun im Angesicht der heraufziehenden
Verfolgung durch Gallus, daß nicht nur den todkranken Gefallenen,
sondern überhaupt allen, die bisher Buße getan, die Wiederauf-
nahme zu gewähren sei. Diesen Beschluß zeigte sie dem Cornelius
an und bat um Beitritt
Die ep. 58 (ad Thibaritanos) ist unmittelbar darauf geschrieben,
denn auch sie sieht die Verfolgung des Gallus heraufziehen (c 1 fT.).
Nun folgt der 60. Brief (ad Cornelium), aus welchem hervorgeht,
daß die Verfolgung in Rom wirklich begonnen hat und Cornelius
von ihr getroffen (verbannt) worden ist Nach der (wahrschein-
lichen) römischen Bischofs-Chronologie war das im Juni 253 ge-
schehen. In diese Zeit fällt also auch der Brief, bez. in den Juli
253. Die Verbannung und schnelle Rückkehr des Lucius von Rom
veranlaßte den Cyprian zu einem Qratulationsschreiben (ep. 61), das
also in den Herbst 253 fallen muß. Die Ritschlsche Ordnungkund
chronologische Ansetzung der Briefe hat sich hier durchweg
bewährt.
In das Jahr 254 gehört das peinliche Rechtfertigungsschreiben
des Cyprian (ep. 66); denn nach c. 5 ist Cyprian sechs Jahre
Bischof Nach ep. 59, 6 (geschrieben im Sommer 252) ist Cyprian
..plebi suae in episcopatu quadriennio iam probatus". Cyprian ist
also um den Anfang des J. 249 Bischof geworden. Also konnte
er im J. 254 ironisch sagen: „ecce iam sex annis nee fraternitas
habuit episcopum".
Resultate der Untersuchung:^
Pearson-Hartel. Ritschi, Soden, Harnack.
44 40
45 41 [
46 42 \
47 43 l Soden ordnet 41. 43. 42.
48 44
49 45
50 46
51 49
52 48
1) Ich sehe hier von Nelke ab; die nicht geringen Abweichungen sind
an ihren Stellen verzeichnet worden.
356 ^® Litleraiar des Abendlandes.
Pearson-Hartel. Ritschi, Soden, Harnack.
53 47 gehört enge mit ep. 49 («= 45) tL
ep. 50 (=== 46) znsammen.
54 50 gehört enge mit ep. 52 (= 48) iL
ep. 51 (=» 49) zusammen.
55 51
56 54
57 55
58 56
59 53
60 57
61 58
64 52
66 59
Ep. 44 ist gleich nach dem 15. Mai 251 abgefaßt
Ep. 45—47 wenige Tage später.
Ep. 48 Ende Mai oder wahrscheinlicher Juni 251.
Ep. 49. 50. 53 und die Antworten ep. 52. 51. 54 gehören in die
zweite Hälfte des J. 251.
Ep. 55 Herbst 251 oder Winter 251/2.
Ep. 64 Mai 252.
Ep. 59 wahrscheinlich Sommer 252.
Ep. 56 unmittelbar vor Ostern 253.
Ep. 57 Mai 253.
Ep. 58 sehr bald nach Mai 253.
Ep. 60 Juni oder Juli 253.
Ep. 61 Herbst 253.
Ep. 66 im Jahre 254.
4. Die Briefe 68—75 und die Sentent LXXXVII epi-
scoporum.
Kein Streit besteht darüber, daß ep. 68 (Brief an Stephanus
über Marcian von Arles) das erste Schreiben des Cyprian an
Stephanus ist und daß er es vor dem Ausbruch des Eetzertauf-
streits abgefaßt hat, also noch i. J. 254. Dagegen ist die Keihen-
folge und das Datum der folgenden sieben Schreiben und der Sen-
tent kontrovers.
Eitschl: 69 [i. J. 255]. 70 [Frühjahrskonzil v. 255]. 71 [bald
darauf). 73 [bald nach dem Frühjahrskonzil v. J. 256]. Sentent
episc. [September-Konzil 256]. 72 [Schreiben desselben Konzils an
Stephanus]. 74. 75 [beide Briefe bald darauf noch i. J. 256].
Nelke: 70 [Frühlingssynode 254]. 71 [Ende Juli oder Anfang
'^M]. 72 [etwa Sept 254]. 73 [um Neujahr 254/5]. 74 [etwa
Gyprian and PBeudocTprianisches. 357
Mäxz 255]. 69 [Juni oder Juli 255]. Sentent. [Sept - Konzil 255].
75 [etwa Ende Oktob. 255].
Soden folgt Bitschi; aber mit einer Ausnahme: auch er
setzt ep. 69 später, verzichtet aber auf eine nähere Datierung
und stellt den Brief, da er nur in ep. 75 benutzt ist, vor die-
sen Brief.
Die Differenzen zwischen Bitschi und Nelke sind also fol-
gende: (1) handelt es sich um die Stellung des 69. Briefs, (2) um
die Frage, ob der Streit i J. 254 oder 255 begonnen hat, bez. ob
die im Brief 70 vorausgesetzte Synode auf 254 oder 255 zu datieren
ist, (3) handelt es sich um die Stellung des 72. Briefs, (4) um die
Stellung der Sentent
An den zwei eraten Punkten haben meine Nachprüfungen
Bitschis Ansätze bestätigt. (Ad 1) vermag ich in ep. 69 keine
Anzeichen eines seit längerer Zeit schon bestehenden Streites zu
entdecken, im Gegenteil — der Brief müßte ganz anders lauten,
wenn bereits eine öffentliche und allgemeine Kontroverse
bestanden hätte oder wenn die Wellen des Streits gar schon bis
nach Born gegangen wären. Die Anspielungen, die Nelke und
Soden entdeckt zu haben meinen, sind keine. Aber bloße „An-
spielungen" erwartet man überhaupt nicht, wenn bereits die epp.
70 — 74 unserem Briefe vorangegangen wären.
(Ad 2) Es besteht m. E. die Möglichkeit, die Frage sicher zu
entscheiden, ob die Synode, deren Schreiben wir in ep. 70 be-
sitzen, im Frühjahr des Jahres 254 oder 255 abgehalten worden
ist und ob sich demgemäß der akute Streit in den JJ. 254 u. 255
oder 255 u. 256 abgespielt hat Folgende Erwägung spricht für
den hergebrachten Ansatz 255 u. 256. Stephanus ist im Mai 254
Bischof geworden. Hat nun die Frühjahrssynode, von der die
ep. 70 stammt, im Mai 254 (und nicht erst 255) stattgefunden, so
bleibt kein Raum mehr für ep. 68 (s. o.). Es ist nämlich gewiß
lep. 71), daß Stephanus sofort nach dem Beschluß der Frühjahrs-
synode eingegriffen hat, auch kann nicht zweifelhaft sein, daß
Cyprian wußte, daß er sich mit der Entscheidung (ep. 70) in Wider-
spruch zu Rom und Stephanus gesetzt hatte. Wie soll man da
den Brief 68 unterbringen, da Stephanus doch erst im Mai 254
Bischof geworden ist. Dagegen hebt sich diese kapitale Schwierig-
keit, wenn die Frühjahrssynode, die sich mit dem Ketzertaufstreit
zuerst beschäftigte, im Mai 255 stattfand ^
1) Auch Bardeiihewer (a. a. 0. Bd. 2 S. 401) schreibt: „Durchaus ver-
fehlt erscheint es, wenn Nelke annimmt, die Entächeidung des Papst-es sei
schon zu Anfang des .1. 255 erfolgt und die Septembersynode habe am 1. Sept.
'J.")5 stattgefunden".
356 ^® Litieraiar des Abendlandes.
Pearson-Hartel. Ritschi, Soden, Harnack.
53 47 gehört enge mit ep. 49 (*-= 45) Q.
ep. 50 (= 46) zusammen.
54 50 gehört enge mit ep. 52 (= 48) n.
ep. 51 (=» 49) zusammen.
55 51
56 54
57 55
58 56
59 53
60 57
61 58
64 52
66 59
Ep. 44 ist gleich nach dem 15. Mai 251 abgefaßt
Ep. 45—47 wenige Tage später.
Ep. 48 Ende Mai oder wahrscheinlicher Juni 251.
Ep. 49. 50. 53 und die Antworten ep. 52. 51. 54 gehören in die
zweite Hälfte des J. 251.
Ep. 55 Herbst 251 oder Winter 251/2.
Ep. 64 Mai 252.
Ep. 59 wahrscheinlich Sommer 252.
Ep. 56 unmittelbar vor Ostern 253.
Ep. 57 Mai 253.
Ep. 58 sehr bald nach Mai 253.
Ep. 60 Juni oder Juli 253.
Ep. 61 Herbst 253.
Ep. 66 im Jahre 254.
4. Die Briefe 68—75 und die Sentent LXXXVII epi-
scoporum.
Kein Streit besteht darüber, daß ep. 68 (Brief an Stephanus
über Marcian von Arles) das erste Schreiben des Cyprian an
Stephanus ist und daß er es vor dem Ausbruch des Eetzertauf-
streits abgefaßt hat, also noch i. J. 254. Dagegen ist die Beihen-
folge und das Datum der folgenden sieben Schreiben und der Sen-
tent. kontrovers.
Eitschl: 69 [i. J. 255]. 70 [Frühjahrskonzil v. 255]. 71 [bald
darauf). 73 [bald nach dem Frühjahrskonzil v. J. 256]. Sentent.
episc. [September-Konzil 256]. 72 [Schreiben desselben Konzils an
Stephanus]. 74. 75 [beide Briefe bald darauf noch i. J. 256].
Nelke: 70 [Frühlingssynode 254]. 71 [Ende Juli oder Anfang
August 254]. 72 [etwa Sept. 254]. 73 [um Neujahr 254/5]. 74 [etwa
Cyprian und FseudoiTpriaiiiBches. 359
nus zwar sicher vorausgesetzt ist (s. o.), daß es aber nicht so pole-
misch ausgebeutet wird, wie man erwarten dürfte (auch nr. 8 nicht
genannt ist), so daß man an einen früheren Brief des Stephanus
denken könnte. Allein das ist doch nur Schein: die außerordent-
liche Herbstsynode wäre schwerlich gehalten worden, wenn nicht
ein außerordentlicher Anlaß vorgelegen hätte, und daß dieser in
einem Briefe des römischen Bischofs zu suchen ist, ist nach der
ganzen Einleitung zu den Sententiae das Wahrscheinliche. Den
Brief des Stephanus hat man öffentlich nicht verlesen, weil er
beleidigend war und als ungerechtfertigt galt In solchen Fällen
unterblieb häufig auf Synoden, wie wir wissen, die Verlesung. Ich
muß es für überwiegend wahrscheinlich halten, daß der entschei-
dende Brief des Stephanus vor die Sentent. zu stellen ist (so auch
Nelke und die ältere Annahme). Ep. 74 (ad Pompej.) ist nach
der verlorenen epistula Stephani (s. 74, 1), aber ganz deutlich vor
die Sententiae zu setzen; denn diese Entscheidung müßte erwähnt
sein, wenn sie schon ergangen wäre.
Was die Briefe des Stephanus in der Ketzertauffrage nach
Afrika betrifft, so sind zwei, ja vielleicht drei anzunehmen. Ein
erstes Schreiben (vielleicht nach Mauretanien gerichtet) folgt aus
ep. 71, (2). 3, ein zweites aus Sentent Praef. und ep. 74, 1 (als
Antwort auf ep. 72); vielleicht ist aber (s. ep. 75, 17. 25) ein drittes,
noch heftigeres Schreiben ergangen.
Die absolute Chronologie kann, nachdem die relative mit Wahr-
scheinlichkeit gewonnen ist, nur so gegeben werden, wie sie
Ritschi (s. 0.) festgestellt hat
Noch ist ein Wort über den 76. Brief (Firmilian an Cyprian)
/u sagen. Seine Echtheit ist jetzt allgemein anerkannt; aber
Kitschi hat große Interpolationen (ein starkes Drittel), von zwei
Händen herrührend, nachzuweisen versuchte M. E. hat Ernst'
diese Annahme an den meisten Punkten sicher widerlegt (unter
anderem hat er in den angeblichen Interpolationen evidente Grä-
zismen nachgewiesen). A priori läßt sich bereits sagen, daß Nach-
Aveisungen von Interpolationen im Sinne Cyprians — so meint es
Kitschi — , sei es von Cyprian selbst, sei es von einem seiner
Anhänger, hier außerordentlich schwierig sind; denn da Firmilian
sich aller Wahrsclieinliclikeit nach Gedanken Cyprians angeeignet
hat und da uns nicht mehr sein griechisches Originalschreiben
1) Cypr. von Karthago S. 120 ff. Soden hat ihm beigestimmt, ohne sich
nälier auf die Frage einzuhisseu.
2) Ztschr. f. d. kath. Theol. Bd. IS (1894) S. 210 ff., Bd. 20 (1896) S. 364 ff*.
(s. aiK'h Bonsson y. .']77 ff".).
360 ^^® Litterafcur des Abendlandes.
vorliegt, sondern nur eine vielleicht von Cyprian selbst (oder
von einem Gesinnungsgenossen desselben) angefertigte lateinische
Übersetzung, so ist es nicht auffallend, daß der Brief ^cypria-
nische'' Haltung zeigt Hat er außerdem cyprianische Interpola-
tionen im eigentlichen Sinn des Worts erfahren, wie will man sie
ausscheiden? Der Brief kann interpoliert sein, aber ein zwingender
Beweis läßt sich nicht führen. Auch Schüler hat in seiner Schrift
De rebaptismate (Marburg 1897) 8. 12 die Integrität des Briefs
behauptet, desgleichen Benson, sowie Lfidemann, TheoL Jalir^-
bericht 1897, S. 196 ^
PearsoD-Har
■tel
Harnack
68
60
69
61
70
62
71
63
72
64
73
65
74
66
Sententiae
75
67
Ep. 68 i. J. 254.
Ep. 69 i. J. 255.
Ep. 70 vom Früjahrskonzil 255.
Erstes, verlorenes Schreiben des Stephanus (wohl nach Maure-
tanien).
Ep. 71 bald darauf
Frtihlingskonzil 256 der 71 Bischöfe.
Ep. 72 Schreiben vom Frühlingskonzil 256 an Stephanus.
Ep. 73 Schreiben an Jubajan gleich nach dem Frühlingskonzil 256.
Zweites peremptorisches, verlorenes Schreiben des Stephanus
nach Aft'ika im Sommer 256.
Ep. 74 Brief an Pompejus, gleich nach dem vorigen.
1) Der Brief Firmiliaiis ist ins Lateinische ü})ersetzt worden; umgekehrt
Bind die Hauptaktenstücke des Ketzortaufstreits frühe ins Ciriechische über-
tragen worden. Wir besitzen in griechischer Übersetzung die ei>p. (54 und 71
und die Sententiae (Lagarde, R<?liq. iur. Gr., 1850, p. 37 ff.)- Diese liegen auch
in syrischer SuperÜbersetzung vor (La gar de, Reliq. iur. Syr., 185(5, p. 02ff. .
Anderes in syrischer und armenischer Übersetzung s. im 1. Teil dieses Werk:;
S. 716 f. — Auf einen griechischen Palimpsest (Cod. 1 , 31) der Bibliot. comu-
nale von Perugia saec. IX., der die Sentent. enthalt, machte Rabe in dem
Zentralblatt f. Bibliothekswesen ISOS S. 215 ff. aufinerksara und markierte, was
er entziffert hat.
Cyprian und Pseudocyprianisches. 361
Sententiae, Sept-Konzil 256.
Ep. 75 ein paar Monate später.
5. Die Briefe 76—81.
Über diese Briefe besteht keine Kontroverse (ep. 76—81, bei
uns = 68— 73; es folgen dann die oben S. 347 fF. besprochenen 8 nicht
oder nicht sicher zu datierenden Briefe, so daß die Zahl 81 mit
ihnen erfüllt ist). Alle 6 Briefe gehören der valerianischen Ver-
folgung an. Die ep. 76 ist an die in den Bergwerken schmach-
tenden Bekenner Numidiens gegen Ende 267 verfaßt; denn das
1. Reskript Valerians, welches die Voraussetzung bildet, wird am
sichersten Anfang August angesetzt ^; am 30. August ist Cyprian
verbannt worden (s. seine Akten) *; als er den Brief schrieb, war
^tv bereits im Exil. Die epp. 77—79 sind die Antwoitschreiben 3.
Die epp. 80 u. 81 setzen das 2. Reskript, welches Ende Juli oder
Anfang August 258 erlassen wurde, voraus. Die ep. 80 teilt die
Hinrichtung des Sixtus von Rom als am 6. August und soeben
erfolgt mit* und ist noch vor dem Eintreffen des Reskripts in
Karthago, also Mitte August 258 verfaßt. Die ep. 81 ist kurz
vor dem Martyrium Cyprians, das am 14. Sept. 258 erfolgte, ge-
schrieben \
1) S. Texte u. Unters. Bd. 13 H. 1 S. 6.
2) Acta 1: „Imperatore Valeriano quartum et Gallieno tertium coss. tertio
Kai. Sept."
H) Ep. 77, 1 ist besonders interessant, weil es zeigt, daß die Briefe Cy-
prians bereits als Erbauungsschriften in Afrika kursierten.
4) Ep. 80, 1 : „Xistura autem in cimiterio aniniadversuni sciatis Vllf. id.
August, die et cum eo diacones quattuor".
j) ¥,{}. 81 : „Cum i)erlatura ad nos fuisset, commentarios esse missos qui
111«' Üticam perducerent et consilio carissimorum persuasum esset ut de hortis
iiiterim secederem, iusta interveniente causa consensi, eo quod congruat epi-
sropum in ea civitate in qua ccclesiae dominicae praeest illic dominum con-
ti t^M'i^'. 8. auch das Folgende. — — Es wurde bereits oben S. 333. 34U be-
in»*rkt, daß sich aus der Briefsammlung Cyprians vier Schriftstücke ergeben, die
in die vorcyprianische Zeit fallen (s. Texte u. Unters. Bd. 23 H. 2 S. 3 f. 6.
IS — 20), nämlich (1) -\- (2) je ein Schreiben des römischen Bischofs Fabian und
dos karthaginiensischen Bischofs Donatus in Sachen des Häretikers Privatus
von Lanibese. S. ep. 59, 10 (Cypr. ad Cornel.): „Privatus vetus haereticus in
Liimbesitana colonia ante multos fere annos ob nmlta et gravia delicta XC
e]>iscoponim sententia condemnatus, antecessorum etiam nostronim . . . .
Fabiani et Donati litteris severissime notatus". Näheres ist nicht bekannt, aber
die Verurteilung nmß in die vierziger Jahre fallen, und die Nachricht ist
deshalb wertvoll, weil sie zeigt, daß der enge Verkehr des römischen und kar-
tliaginiensischen Bischofs schon vor der Zeit Cyprians bestanden und Rom be-
n'its damals von einem afrikanischen Häretiker Notiz genommen hat. (3) Das
Dekret der unter Agrippinus von Karthago gehaltenen Synode über die Ketzer-
362 ^® Litteraiur des Abendlandes.
3. Chronologie der Libelli.
Ein ausgezeichnetes Hilfsmittel f&r die Chronologie der Libelli
besitzen wir in der Vita Cypriani des Pontius; denn Bettber;
(Cyprianus, Göttingen 1831, S. 212) und Götz (a. a. O. & 3ifL)
haben nachgewiesen, daß Pontius in c 7 einem Verzeichnis der
Libelli, das ihm vorlag, Schritt für Schritt folgt, daß dieses Ver-
zeichnis in seiner Ordnung fibereinstimmt, ja sich deckt mit der
Beihenfolge, wie sie in alten Handschriften gegeben ist \ und daS
(s. Götz S. 41 f., auch Monceaux u. Bardenhewer, übrigens
kommt schon Pamelius auf dieselbe Ordnung 2) die Reihenfolge
eine chronologische ist Alles das hat y. Soden in neuer Unter-
suchung mit umfassenderem Mjateriale (S. 52 ff. 196 ff.) noch sicherer
begründet. Er hat m. E. auch wahrscheinlich gemacht, daß die
Sätze in der Vita: „Quis martyres tantos exhortatione divini ser-
monis erigerat? quis denique tot confessores frontium notatamm
secunda inscriptione signatos et ad exemplum martyrii superstites
reseiTatos incentivo tubae caelestis animaret?'', sich auf die epp. 10.
28. 37. 11. 38. 39 (vielleicht auch ep. 6) beziehen, die wohl zu einem
libellus zusamraengeordnet waren ^
taufe. S. cp. 71, 4: „Quod qiiidem [die Ungültigkeit der Ketzertaufe] et
Agrippinus bonae mcnioriae vir cum ceteris coepiscopis suis qui illo tempore
in provincia Africa et Nuniidia [Mauretania fehlt] ecclesiam domini gubema*
bant statuit^S dazu cp. 73,3: „Anni sunt iam multi et longa aetas, ex quo
ßub Agrippino bouao niemoriae viro convenicnt^js in unum episcopi plurimi hoc
statuerunt [seil, die Ungültigkeit der Ketzertaufe] atque exinde in hodiemum
tot milia haereticorum in inovinciis noßtris ad ecclesiam conversi . . . rationa-
biliter et libentcr amplexi sunt, ut . . . baptismi gratiam consequerentur". Nach
Augustin (De unico bapt. 13 [22]) waren es 70 Bischöfe. Die Zeit der Sjnod«
läßt sich nur nach dem Ausdruck „anni iam multi et longa actas'* bestimmen;
über c. 225 wird man nicht lieruntergehen dürfen. (4) Da« Dekret einer afrikani-
schen Synode, welches verbot, daß Kleriker testamentarisch zu Kuratoren ein-
gesetzt werden (s. ep. 1, 1. _: „iam pridem in concilio episcoporum statatum
est", „episcopi antec^ssores nostri censuenint", „contra formam nuper in con-
cilio a sacerdotibus datam"). „Nuper** und „iam pridem" bedeuten hier das-
selbe! In ei>. 07, f) hat Cyprian „iam pridem" für ein Ereignis gebraucht, da»
nur 3 — 4 Jahre zurücklag. Auch diese Synode wird den vierziger Jahren
angehören.
1) Anders das Verzeichnis von Cheltenham.
2) Die Reilienfolge (Hartel) 1, II, III, IV, V, Vi, XI, X, VIII, VIT, XII.
XIII, IX hat Benson (1. c. p. XXI f.) zu erweisen versucht, aber ohne sich
das Gewicht der Cborliefenmg klar zu macheu und ohne hinreichende Be-
gründung.
3) Die überliefe mngsgeschichte macht das wahrscheinlich (auch Hauti-
leiter urteilt so i. Ilieol. Litt.-Blatt 1804 Nr. 41); aber volle Zuversicht kann
Cyprian und PBeudocyprianischeB. 353
Schwierigkeiten macht die Reihenfolge und genauere Datierung
der Briefe 55—61. 64. Eitschl (dem Soden folgt) ordnet 55, 64,
59, 56, 57, 58, 60, 61. Nelke setzt 60 und 64 noch vor 49—54
und ordnet dann 55, 56, 57, 59, 58, 6P.
Zunächst ist der Versuch Nelkes, den 60. Brief, der bisher
allgemein als letzter Brief Cyprians an Cornelius galt, an den An-
fang der Regierung des Cornelius zu stellen (etwa Mitte Juli 251),
abzulehnen. Der Brief gratuliert dem Cornelius zur Ehi*e einer
Verfolgung. Nelke konstruiert nun aus ep. 55, 9 (wo nur Rheto-
risches steht), der pseudocyprianischen Schrift Ad Novatianum (die
er ohne haltbare Gründe hierher verlegt) und unserem Brief eine
zweite Verfolgung des Decius im Sommer 251. Da die erstge-
nannten Stellen nicht beweiskräftig sind, so schwebt diese zweite
Verfolgung des Decius, die den Cornelius 3—4 Monate nach seinem
Begierungsantritte betroffen haben soll, in der Luft. Es bleibt
dabei, daß die in dem Brief vorausgesetzte Verfolgung die des
Gallus ist
Daß der Brief 04 heraufzusetzen ist, darüber sind Ritschi
und Nelke mit Recht einig; aber sie differieren darin, daß jener
die ep. 55 voranstellt, dieser die ep. 64 noch vor ep. 55 ansetzt.
Daß der Brief von einer großen Synode (66 Bischöfe) herrührt,
sagt er selbst in der Aufschrift. Daß solche Synoden in Karthago
in der Regel nur bald nach Ostern stattfanden, lehren die Stellen
ep. 47, 3; 56, 3; 59, 10. Von einer Herbstsynode (vor jener Synode,
auf der die 87 Bischöfe tagten) wissen wir schlechterdings nichts,
und daß zwischen der ep. 59, 10 vorausgesetzten Synode, die aus-
drücklich als Mai-Synode bezeichnet ist, und der Maisynode von
251 noch eine andere in Karthago getagt hat, ist uns unbekannt.
Der Annahme Nelkes ist also nicht beizupflichten, daß die Synode
der 66 Bischöfe, von der der 64. Brief stammt, im Herbst 251 ge-
halten sei*^, vielmehr ist er eben auf die Maisynode 252 zu ver-
bogen ^. Ist dem aber so, so ist ep. 55 vor ep. 64 geschrieben; denn
1) Die größten Schwierigkeiten, bez. Verwirrungen, sind erst durch Nelke
licrvorge rufen.
2) Wirkliche Gründe für diesen Ansatz habe ich bei Nelke nicht ge-
funden; auch er hängt übrigtjns zusammen mit seiner Annahme einer zweiten
Verfolgung unter Decius im Juli 251.
o) Auf die Synode eines späteren Jahres kann er aber auch nicht fallen,
<lii die Worte in c. 1 nur auf eine Synode (und zwar die von 251) zurück-
}»licken. In oder nach dem J. 253 hätte Cyprian nicht mehr so relativ streng
si-hreiben können: „quae res nos satis movit, recessum esse a decreti nostri
iiuctoritate, ut ante legitimum et plenum tempus satisfactionis et sine petitu
(ti conscientia plebis nulla infirmitate urgente ac necessitate cogente pax ei con-
cederetur^'.
Harnack, Altchristi. Litte ratnrgesch. II, 2. 23
364 ^^6 Litteratur des AbendlaDdes.
Cyprian hier nicht nur als Kleriker, sondern als Bischof spricht
Genauere Zeitspuren fehlen; aber in keiner anderen Schrift scheint
er als christlicher Stilist dem Tertullian so nahe zu stehen. Der
Anfang liest sich wie der Anfang einer Tertullian - Schrift. Ver-
folgungen werden nicht erwähnt. Auch hier läßt sich sagen, daß
Cyprian seinen Kirchenstil noch nicht gewonnen hat. Also recht-
fertigt sich die Stelle, die Pontius der Schrift angewiesen hat Sie
ist wahrscheinlich im ersten Jahr des Episkopats Cyprians, also
i. J. 249, verfaßt (so auch Monceaux und Bardenhewer).
(3) De lapsis und (4) De unitate ecclesiae. In dieser
Reihenfolge hat Cyprian selbst in dem in der 2. Hälfte d. J. 251
(s. 0. S. 356) verfaßten 54. Brief die beiden Schriften aufgezählt
Er schreibt den römischen Konfessoren (c. 4): „Quae omnia peni-
tus potestis inspicere lectis libellis, quos hie nuper legeram et
ad vos quoque legendos pro communi dilectione transmiseram, ubi
lapsis nee censura deest, quae increpet, nee medicina, quae sanet
sed et catholicae ecclesiae unitatem quantum potuit expressit
nostra mediocritas". Die beiden Schriften sind also im Laufe der
2. Hälfte d. J. 251 nach Rom gesandt Ausgearbeitet aber sind sie,
wenn nicht alles trügt, bereits in der allerletzten Zeit des frei-
willigen Exils Cyprians, unmittelbar nach Wiederherstellung des
Friedens und unter dem Eindruck des Schisma des Felicissimus
(nicht unter dem des Schisma des Novatian), aber noch vor dem
Maikonzil des J. 2')!. Für De unitate hat das Chapman (s. o.
S. 335) sehr wahrscheinlich gemacht; für De lapsis läßt sich nicht
derselbe Grad von Wahrscheinlichkeit erbringen K Aber warum
ist das Maikonzil nicht erwähnt? Diese beiden Schriften waren
es, mit denen sich Cyprian gerüstet hat, als er die gefährliche
Rückkehr in seine Gemeinde antrat \ Als er dann De unitate nach Rom
sandte, hatte sich die Situation sehr wesentlich verändei-t Es war
inzwischen das Schisma Novatians eingetreten. Mit Rücksicht auf
dasselbe hat er — nach der einleuchtenden Untersuchung Chap-
man s — die Schrift De unitate etwas redigiert und namentlich
die berühmte „Interpolation" in c 4 eingefügt. De unitate mag
in ihrer ersten Gestalt etwas früher als De lapsis sein (entscheiden
läßt sich nicht); in der zweiten (endgiltigen) folgt sie ihr nach.
1) Zum Texte (c. 24) s. Mercati, D'alcunl miovi sussidi etc., Rom 1899,
p. 30 f. — Auf einer jetzt im Lateran befindlichen hißchrifb findet man je einen
Satz aus De lapsis c. 3 und c. 16, s. de Rossi bei Fitra, Spie. Solesm. IV
p. 530 und Haupt, Monatsberichte der Preuß. Akad. d. W. 1805 S. 79ff.
2) De lapsis mag eine der ersten großen Fredigten gewesen sein, die er
in Karthago wieder gehalten hat.
Gyprian und PBeudoGyprianisclies. 355
Koozils V. 253 (Mai) — nach Nelke vom Mai 252, da er ep. 64
auf ein supponiertes Herbstkonzil verlegt und das „triennium''
mißdeutet (s. o.). Diese ep. 57 ist also kurz nach 56 geschrieben.
Die Synode nahm die im J. 251 von ihr behandelte Lapsi-Frage
wieder auf und entschied nun im Angesicht der heraufziehenden
Verfolgung durch Gallus, daß nicht nur den todkranken Gefallenen,
sondern überhaupt allen, die bisher Buße getan, die Wiederauf-
nahme zu gewähren sei. Diesen Beschluß zeigte sie dem Cornelius
an und bat um Beitritt
Die ep. 5S (ad Thibaritanos) ist unmittelbar darauf geschrieben,
denn auch sie sieht die Verfolgung des Gallus heraufziehen (c. 1 fif.).
Nun folgt der 60. Brief (ad Cornelium), aus welchem hervorgeht,
«laß die Verfolgung in Rom wirklich begonnen hat und Cornelius
von ihr getroffen (verbannt) worden ist. Nach der (wahrschein-
lichen) römischen Bischofs-Chronologie war das im Juni 253 ge-
schehen. In diese Zeit fällt also auch der Brief, bez. in den Juli
253. Die Verbannung und schnelle Rückkehr des Lucius von Rom
veranlaßte den Cyprian zu einem Gratulationsschreiben (ep. 61), das
also in den Herbst 253 fallen muß. Die Ritschlsche Ordnungkund
chronologische Ansetzung der Briefe hat sich hier durchweg
bewährt.
In das Jahr 254 gehört das peinliche Rechtfertigungsschreiben
des Cyprian (ep. 66); denn nach c. 5 ist Cyprian sechs Jahre
Bischof Nach ep. 59, 6 (geschrieben im Sommer 252) ist Cyprian
..plebi suae in episcopatu quadriennio iam probatus". Cyprian ist
also um den Anfang des J. 249 Bischof geworden. Also konnte
er im J. 254 ironisch sagen: „ecce iam sex annis nee fraternitas
habuit episcopum".
Resultate der Untersuchung:^
Pearson-Hartel. Ritschi, Soden, Harnack.
44 40
45 41 f
46 42 l
47 43 l Soden ordnet 41. 43. 42.
4S 44
49 45
50 46
51 49
52 48
1) Ich sehe hier von Nelke ab; die nicht geringen Abweichungen sind
an ihren Stellen verzeichnet worden.
9Q*
356 ^® Litteratur des Abendlandes.
Pearson-Hartel. Eitschl, Soden, Harnack.
53 47 gehört enge mit ep. 49 (= 45) o.
ep. 50 (= 46) zusammen.
54 50 gehört enge mit ep. 52 (= 4S) il
ep. 51 (=» 49) zusammen.
55 51
56 54
57 55
58 56
59 53
60 57
61 58
64 52
66 59
Ep. 44 ist gleich nach dem 15. Mai 251 abgefaßt.
Kp. 45—47 wenige Tage später.
Kp. 4S Ende Mai oder wahrscheinlicher Juni 251.
Ep. 49. 50. 53 und die Antworten ep. 52. 51. 54 gehören in die
zweite Hälfte des J. 251.
Ep. 55 Herbst 251 oder Winter 251/2.
Ep. 64 Mai 252.
Ep. 59 walirscheinlich Sommer 252.
Ep. 56 unmittelbar vor Ostern 253.
Ep. 57 Mai 253.
Ep. 58 sehr bald nach Mai 253.
Ep. 60 Juni oder Juli 253.
Ep. 61 Herbst 25:i.
F:p. 66 im .lahre 254.
4. Die Briefe 68—75 und die Sentent LXXXVII epi-
scoporum.
Kein Streit besteht darüber, daß ep. 68 (Brief an Stephanus
über Marcian von Ärles) das erste Schreiben des Cyprian au
Stephanus ist und daß er es vor dem Ausbruch des Eetzertauf-
streits abgefaßt hat, also noch i. J. 254. Dagegen ist die Reihen-
folge und das I )atum der folgenden sieben Schreiben und der Sen-
tent. kontrovers.
Ritschi: 69 [i. J. 255]. 70 [Frühjalirskonzil v. 255]. 71 [bald
darauf]. 73 [bald nach dem Frühjahrskonzil v. J. 256]. Sentent.
episc. [September-Konzil 256]. 72 [Schreiben desselben Konzils an
Stephanus]. 74. 75 [beide Briefe bald darauf noch i. J. 256].
Nelke: 70 [Frühlingssynode 254]. 71 [Ende Juli oder Anfang
August 254]. 72 [etwa Sept. 254]. 73 [um Neujahr 254/5]. 74 [etwa
Cyprian und PseudoGyprianisches. 367
(c. 11) liest man: „Quid sacerdos dei proconsule inten'ogante re-
sponderit, sunt acta quae referant"^ Zur Überlieferung der Acta
s. Soden S. 232f.
In bezug auf die „Vita Caecilii Cypriani" — in den Mss. fehlt,
soviel ich sehe, der Name des Pontius — liest man bei Hieronymus
(de vir. inl. 68): „Pontius, diaconus Cypriani, usque ad diem passionis
eins cum ipso exilium sustinens egregium volumen vitae et passionis
Cypriani reliquit*'. Wir kennen die Quelle des Hieronymus nicht
(doch s. c. 53), aber wir haben weder Grund, seiner Angabe zu
mißtrauen, noch das uns erhaltene Werk von dem, welches er im
Auge hatte, zu unterscheiden *. Die Schrift, obgleich ein Pane-
gyrikus im schlechten Stil des Zeitalters, ist für die Biographie
Cyprians von höchstem Werte und überall in historischen Dingen,
soweit wir sie zu kontrollieren vermögen, zuverlässig^ Sie zerfällt
in die beiden Teile „das Leben" und „die Passio". Die Beschreibung
bei Hieronymus ist also ganz korrekt Man kann nicht sagen, daß
nur ein Augenzeuge die Schrift schreiben konnte, aber ein dritter hätte
die Maske eines solchen unglaublich geschickt angenommen, und
nichts steht in ihr, was gegen den Diakon und Augenzeugen spricht.
Also ist sie wirklich, wie H. mitteilt, von einem Diakon Cyprians.
Wie bedauerlich ist es, daß er uns nicht mehr erzählt, daß der
Panegyriker den Biographen unterdrückt hat! Ge.schrieben ist die
„Vita" jedenfalls sehr bald nach dem Tode Cyprians, da sie von
der Redaktion der „Acta" keinen Gebrauch gemacht hat. Man
wird sie um das J. 259 ansetzen dürfen (so auch Monceaux,
1. c. p. 190fF., und Bardenhewer, a. a. 0. S. 634, der aber irr-
tümlich annimmt, in der „Vita" seien die uns erhaltenen „Acta"
benutzt).
5. Die Hauptdaten des Lebens des Cyprian.
Caecilius Cyprianus „qui et Thascius" ist etwa zwischen dem
J. 210 und 215 geboren. (Er hat schlechterdings keinen lebendigen
Zusammenhang mit der tertuUianischen Zeit gehabt. Etwas davon
müßte man doch spüren, auch wenn er sie als Heide durchlebt
hätte. Umgekehrt sagt die „Vita" nicht, daß er noch jung war,
1) Doch ist daiuit nicht die uns überlieferte Redaktion der Akten ge-
meint, 8. Monceaux p. 196.
2) Soden (S. 232) macht es wahrscheinlich, daß man die „Vita" um die
Mitte des 4, Jahrhunderts in Rom dem Corpus Cypr. beigegeben hat. Sie findet
sich schon in dem Verzeichnis von Cheltenham.
3) Die kleinen Differenzen mit den „Acta" bestätigen nur den Wert beider
S'chriften und erhöhen die Sicherheit der Schilderung der Passio Cyprians.
36S ^3 Litteratur des Abendlandes.
als er starb; sie sagt aber auch nicht, daß er alt war. Er war
also „ini besten Mannesalter^'. Aus der Schrift Ad Donatnm, die
bald nach der Bekehrung verfaßt ist, geht hervor [s. den echten
Anfang, gewöhnlich epistula falsata I genannt], daß er noch eben
„apud oratorem" gewesen ist, also um d. J. 246 ein junger Mann
war). Er war begütert, gehörte aber nicht dem vornehmen Stande
an. Laufbahn des Ehetors.
Um d. J. 246 getauft ^ bald darauf Presbyter, Ende 248 oder
Anfang 249 Bischof. (Von letzterem Datum ist auszugehen; denn
es steht nach ep. 59, 6 fest^; als Bischof im J. 248/9 war er aber
noch „neophytus et ut putabatur novellus" [Vita 5]; mithin ist er nur
kurze Zeit getaufter Laie und nur kurze Zeit Presbyter gewesen;
doch s. Vita 3: „multa sunt quae adhuc plebeius, multa quae iam
Presbyter fecerit". Ein Jahr etwa für die Zeit als Laie und ein
Jahr für die als Presbyter wird man höchstens ofifen lassen dürfen.
Die Wahl zum Bischof geschah nicht ohne Widerspruch und Murren
solcher, die sich übergangen glaubten).
Von Jan./Febr. 250 bis April/Mai 251 war Cyprian während
der Verfolgung des Decius im Exil (s. d. Briefe). Weitere Daten
s. oben (Briefsammlung und Libelli).
Sommer 252 bis Sommer 253 Verfolgungen des Gallns.
Ruhigere Zeiten seit der Thronbesteigung des Valerian und
Gallienus (Okt. 253).
Im J. 255 Ausbruch des Ketzei-taufstreits.
Herbst 256 Bruch mit Stephanus.
August 257 erstes Reskript des Valerian.
30. August 257 Cyprian wurde von dem Prokonsul Paternus
nach Curubis verbannt (Acta Cypr.).
Ende Juli oder Anfang August 258 zweites Reskript des
Valerian.
14. Sept. 258 Enthauptung Cyprians (Acta Cypr.).
6. Die dem Cyprian fälschlich beigelegten, noch aus der
vornicänischen Zeit stammenden Schriften.
Aus der großen Anzalil der pseudocyprianischen Schriften,
deren Überlieferungsgeschichte in den Mss. jüngst Soden (a, a. 0.
S. 204 ff.) sorgfältig untersucht hat, scheiden für uns diejenigen hier
1) Einfluß eines J*n'sbyterri Ciieeilianus (Ciieciliiis) auf ihn (Vita 4; Hieron.,
De vir. inl. 07).
2) Jedenfalls war Cyi>rian ;^chon zu Oi^tern 240 Bischof; dies folgt
Cyprian und Pseadocyprianisches. 35g
aas, deren nachnicänischer Ursprung sicher ist und m. W. von
niemand bezweifelt wird. Es sind das die Schriften: De singu-
laritate clericoruni\ De duodecim abusivis saeculi^, De duplici
raartyrio^ „Caena'*, zwei Orationes*, der zweite falsche Brief*, der
dritte falsche Briefe der vierte falsche Briefe und sechs Gedichte^.
Noch spätere Produkte unter Cyprians Namen übergehe ich, auch
die zum „Magier Cyprian" gehörigen Schriften. Dieser Magier von
Antiochien ist eine Figur des 4. Jahrhunderts, die mit unserem
Cyprian allerdings sehr frühe kombiniert worden ist^.
1) S. über sie meine Abhandlung in den Texten und Unters. Bd. 24
H. 3, 1908.
2) Nach einer gütigen Mitteilung taucht die Schrift nicht zuerst bei
Hincmar, sondern schon etwas früher auf der Pariser Synode von 829 (Mansi
Bd. 14 p. 565 f.) und bei Jonas von Orleans (Migne Bd. 105 Kol. 288 f.) L J.
829 bez. 834 auf.
3) Die Schrift ist eine Fälschung von Erasnius, s. Lezius in den Neuen
.Jahrbb. f. deutsche Theol. Bd. 4, 1895, S. 95ffl
4) Über diese drei Schriften s. meine Abhandlung in den Texten und
Unters. Bd. 19, H. 3, 1899, und Michel, Gebet und Bild in frühchristl. Zeit,
1902, S. 2 ff. Michel macht gute Gründe dafür geltend, daß die Gebete (Exorzis-
mus-Gebfitc) — hat Fell wirklich ein genau mit ihnen übereinstimmendes,
griechisches Original gesehen? s. Zahn, Cyprian von Antiochien, 1882, S. 127
— einen alten Kern haben. Das ist a priori wahrscheinlich, um nicht zu sagen
j^ewiß. Wilpert (Die Malereien der Katakomben Roms, 1903, S. 146) will die
(Tieb(ite in der uns vorliegenden Gestalt bis in oder an die Verfolgungszeit
nicken. Unmöglich ist auch das nicht, aber die Momente, die Wilpert geltend
macht, beweisen es nicht.
5) Hartel III p. 272. Diese dreiste Fälschung, in der der Bischof Cor-
neliuri (!) den Cyprian auffordert, seine Schriften gegen die Ketzeriaufe zu ver-
dammen, zu vertilgen und durch eine neue orthodoxe Schrift zu ersetzen, kann
unmöglich alt sein.
6) Ep. Cy[)r. ad plebem Carthag. Der Brief ist von einem Donatisten des
4. Jahrhunderts und nicht uninteressant, s. Mercati in den lombardischen
K^ndiconti Ser. 2, Bd. 32, 1890, Separatabzug.
7) Ep. ad Turasium ; der Brief ist schon deshalb verdächtig, weil er auch
dem Hieronymus beigelegt wird. Heiden waren noch vorhanden, als er ge-
schrieben wurde (s. Ilartel III p. 280), aber Spuren, daß (ir vornicänisch ist,
finden sich nicht.
8) Daß sie sämtlich mit Cyi)rian nichts zu tun haben, steht fest; z. T. sind
öie auch dem Tertullian beigelegt. In die vomicänische Zeit gehören sie nicht.
Vgl. auch Best, De Cypriani quae fenmtur metris in Heptateuchum, Mar-
burg, 1802.
9) S. Zahn, Cyprian v. Antioch. und die deutsche Faustsage, 1882. —
„Confessio Cypr." bez. „Faenitentia Cy])r." gibt es in vielen Sprachen. Eine
äthiopische hat Basset mit französischer Übersetzung ediert (Les Apocr.
^thiop., Paris, 1893ff., fasc. 0). Vgl. auch Soden S. 229.
Harnack, Altcbristl. Litteraturgesch. II, 2. 24
870 ^^® Litteratur des Abendlandes.
Es bleiben somit für die Untersuchung übrig die 1 3 Schriften * :
De trinitate,
De spectaculis,
De bono pudicitiae,
Adversus Judaeos,
De laude martyrii,
Quod idola dii non siiit,
Ad aleatores,
De pascha computus,
De montibus Sina et Sion,
Exhoilatio de paenitentia,
Ad Novatianum,
Ad Vigilium episcopum de Judaica incredulitate,
De rebaptismate.
Von diesen 13 Schriften werden aber die ersten sechs zweck-
mäßiger bei Novatian behandelt; denn die erste ist sicher von
ihm, und die folgenden fünf sind sämtlich für ihn in Anspruch
genommen worden. Somit haben wir hier nur die sieben Schriften
Adaleat, De pascha, De montibus, Exhort de paenitentia, Ad Novat,
Ad Vigilium und De rebapt. zu behandeln.
a) Ad aleatores.
Im J. 1888 habe ich zu zeigen versucht, daß diese Schrift dem
römischen Bischof Victor (189—199) gehöi-t^. Diese Hypothese hat
eine außerordentlich umfangreiche Litteratur hervorgerufen^. Nur
1) Daß auch Rufius Expositio de symbolo in die Cyprian-Oberlieferung
eingedrungen ist, sei nur angemerkt; s. Soden S. 229.
2) Von ihm sagt Hieronyraus (De vir. inl. 34): „Victor, XIII. Romanae
urbis episcopus, super quaestione paschae et alia quaedam scribens oput-
cula etc."; (c. 53): „Tertullianus presbyter nunc demum primus post Victoreiii
et Apollonium Latirorum ponitur". (Chron. ad aun. Pertin. imp. I -^ 2209 Abr.):
„Victor ann. X, cui US mediocria de religioue extant volumina". Merk-
würdig ist, daß Victor in der Aufzählung ep. 70 (ad Magnum), die sp&ter als
der Katalog verfaßt ist, fehlt.
3)S. Harnack, Der pseudocypr. Traktat De aleatoribus, die älteste
lateinische christliche Schrift: ein Werk des römischen Bischöfe Victor 1,
i. d. Text<3n u. Unters. A^, 1 (1H88). Neue (mit einem Kommentar versehene)
Ausgaben infolge dieser Schrift von Miodonski 1889, Hilgenfeld 1889, den
Mitgliedern des Löwener Kirchenhist. Seminars (Etüde critique sur ropusc De
aleatoribus, Löwen 1801).
Grjsar i. d. Ztschr. f. d. kathol. Theol. laSS S. 742f.; Bonwetsch im
Theol. Litt.-Blatt 1889 Nr. 1; Wölfflin im Archiv f. lat. Lexikogr. V, 3. 4
S. 487ff.; Harnack i. d. Theol. Litt-Ztg. 1889 Nr. 1; Funk im Histor. Jahrb.
1889 S. Iff., bereichert und verbessert abgedruckt in den Kirchengesch. Ab-
Cyprian und Pseudocyprianifiches. 371
wenige haben mir beigestimmt; aber in der positiven Beantwortung
des Problems gehen die anderen weit auseinander: Cyprian ist
der Verfasser (Langen); die Schrift ist aus Cyprians Zeit und
zwar von dem aus Afrika gebürtigen, römischen Konfessor Cele-
rinus (Haußleiter); die Schrift ist vorcyprianisch und römisch
und zwar von Kaliist (Mc Giffert), nein von flippolyt (Haller);
die Schrift ist nachcyprianisch (50—100 JJ.), aber sicher oder
höchst wahrscheinlich römischen Ursprungs, d. h. von einem
römischen Bischof (Weyman, die Löwen er, Miodonski, San-
day [die beiden letzteren weisen auf den Papst Melchiades], de
Rossi, Woelfflin, Bardenhewer u. a.); die Schrift ist nach-
cyprianisch (50—100 Jahre) und zwar aus einer unbekannten
Provinz — am nächsten liegt Afrika — , Rom ist als Abfassungs-
ort eben nur möglich (Funk, Schanz, früher Bardenhewer);
handl. und Unters. 1899 II S. 209ff., derselbe i. d. Tüb. Theol. Quartalschr.
1890 H. 1; Haußleiter L Theol. Litt.-Blatt 1889 Nr. 5. 6. 25; derselbe in
den Comment. Woelffl. 1891 S. 386 flF. u. i. d. Gott. Gel. Anz. 1898 S. 303;
Langen im Deutschen Merkur 1889 Nr. 5 u. i. d. Histor. Ztschr. 18S9 H. 3,
1890 H. 2; Mc Giffert i. d. Presb. Rev. 1889 Jan.; Lejay i. d. Rev. crit. 1889
Nr. 2, 1890 Nr. 47; Krüger im Litt. Zentr.-Bl. 1888 Nr. 45, 1890 Nr. 3, i. d.
Christi. Welt" 1889 Nr. Ü, i. d. Zt«chr. f. KGesch. X S. 618 u. in seiner Gesch.
d. altchristl. Litt. 1895 S. 188; Resch, Agrapha i. d. Texten u. Unters. V, 4
(1889); L. M. im Polybiblion 1889 Jan. 8. 37 f.; Massebieau i. d. Annal. de
Bibliogr. theolog. 1889 Nr. 2; Zahn, Gesch. d. NTlichen Kanons 1, 1 (1888) S. 546.
Giisqnet im London Tablet 1889 Jan.; Schaff im Independent 1889, 28 Febr.;
liyder i. d. Dublin Rev. 1889 Juli p. 82ff. (s, auch 1. c. Januar 8. 225); Chase
i. The clasaic. Rev. 1889 March; Sanday in The classical Rev. 1889 March;
Ililgenfeld i. d. Ztschr. f. wissensch. Theol. 1889 H. 4, 1890 H. 3, 1891 H. 2
u. i. d. Protest. KZtg. 1890 Nr. 12; Jülicher i. d. Theol. Litt.-Ztg. 1889
Nr. 13. 20, 1890 Nr. 2; Bäumer i. d. Litt. Rundschau 18S9 Nr. 7; Weyman
I. d. Litt. Rundschau 1889 Kol. 197 ff. u. i. Hist. Jahrb. 1891 8. rj4G, 1893 S. 426;
V. Hoensbroech i. d. Ztschr. f. d. kathol. Theol. 1890 8. Iff.; Haller i. d.
Württemb. Theol. Stud. 1890 H. 3; Miodoüski, Z. Kritik der ältest. lat.
Predigt in den Comment. Woelffl. 1891 8. 371 ff.; derselbe, Miscellanea Lat.
(Krakau\ 1892; Morin i. d. Rev. B6n6d. 1891 p. 234ff.; De Rossi im Bull, di
•arch. crist. 1891 p. 28; Minasi, L'opuscolo „c. aleat." scritto da un pontif.
Rom. del 11. sec. in La Civiltü, ciittolica Ser. 15, 2 (1892) p. 4G9ff.; Supplement
zur Löwoner Ausgabe (s. o.j: Une lettre perdue de S. Paul et Le De aleat. 1893
(Callewaert ist der Verf.^; Harnack, Gesch. d. altchristl. Litt. I (1893)
S. 595f. 719; Schanz, Gesch. der röm. Litt. 1896 8. 239f. 335f.; Corssen,
Bericht über d. lat. Bibel übers, im Jahresbericht der Alt^rtumswissensch. 1899
S. llf.; Harnack in d. Texten u. Unters. Bd. 20 H. 3 {19(X)) 8. 112tt*.; Ehrhard,
Die alt<;hri8tl. Litt, und ihre Erforschung v. 1884-1900 (1900) 8. 278ff.;
Bardenhewer Patrologie, 2. Aufl. (1901) 8. 174; Rauschen, Grandriß der
Patrologie (1903) S. 68; Monceaux, Hist. litt, de PAfrique T. II, 1902, p. 112.
Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. Bd. 2, 1903, 8. 446ft
»
372 ^® Litterator des Abendlandes.
die Schrift ist von einem Schüler Cyprians in der 2. Hälfte des
3. Jahrh. jn Afrika geschrieben (Monceaux); die Schrift ist nach-
cyprianisch und von einem novatianischen römischen Bischof
(Hilgenfeld); die Schrift ist nachcyprianisch, römischen Ursprungs,
aber donatistisch (Morin). Für die letztere Ansicht, daß der
Traktat, wenn er nachcyprianisch ist, von einem Häretiker stammt,
hat sich auch Ehrhard ausgesprochen; an dem römischen Ur-
sprung hält er wie Morin u. a. fest
In diesem Stimnjgewirr treten doch drei Punkte als stark
vertretene hervor, der römische Ui-sprung der Schrift (d. h. die
Abfassung durch einen römisclien Bischof), die Zeit nach Cyprian
und der häretische bez. schisniatische Verfasser. Auch den letzteren
Punkt nenne ich stark vertreten; denn Morin, Ehrhard und
Hilgenfeld, zu denen sich auch Haller gesellt, haben zusammen
ein bedeutendes Gewicht ^
Was den ersten Punkt betriflFt, so ist m. E. nach meinem in
den Texten und Unters. Bd. 20 H. 3 S. 112flF. gegebenen Nachweise
ein Zweifel nicht mehr möglich. Der Verfai^ser hat geschrieben (c. l):
„Kt quoniam in nobis divina et paterna pietas apostolatns
ducatum contulit et vicariam domini sedem caelesti dignatione
ordinavit, et originem authentici apostolatus, super quem Christus
fundavit (et) ecclesiam, in snperiore nostra portaraus accepta simul
potestate solvendi ac ligandi et cum ratione peccata dimittendi —
salutari doctrina adnjonemur, ne dum delinquentibus adsidue ignos-
cimus, ipsi cum eis pariter torqueanmr".
Die Handschrift D ist in diesem Abschnitt, wie ich gezeigt
habe, der beste Zeuge; er aber bietet „in superiore nostra". Das
ist bei oberflächlicher Lektüre eine anstößige, ja unerträgliche
1) J^'chon Pa melius hat an einen schismatischen römischen Bischof als Ver-
fasser gedacht. Daß Morin an das donatistische, Hilgenfeld an das nova-
tianische, Hai 1er an das hippolytische Schisma denkt, Ehrhard aber sich
hescheidet, irgendein römisches Schisma zu behaupten, erhöht nur das Gewicht
ihrer Stimmen. — Ob die Schrift eine wirkliche Homilie ist — dafür sprechen
die häufigen Anreden und die Lebhaftigkeit der Sprache — oder ein homi-
letischer Traktat, ist schwer zu entscheiden. Um der langen Einleitung willen,
die sich nicht recht zu dem Folgenden fügt (hier wendet sich der im Namen
der Bischöfe als Oberbischof sprechende Verfasser auch an die Bischöfe, um
ihnen das Gewissen zu schUrfen, von c. 5 an redet er nur zu den Gläubigen),
ist mir das letztere wahrscheinlicher. Ist die Homilie wirklich gehalten, so
ist sie doch für die Publikation ausgearbeitet worden. Ein eigentümliches
Problem bildet noch die Tatsache, da(i sie im vulgären Dialekt geschrieben ißt
und doch als Verfas8(»r einen Mann verrät, der durch die Schule der Rhetoren
hindurchgegangen ist und sich ihre Kunst angeeignet hat. Wie dieses Problem
zu erklären ist, weiß ich nicht.
Cyprian nnd PseudocyprianiBclieB. 373
LA, darum ist sie schon im Archetypus der anderen Handschriften
korrigiert worden („nostro"). Aber damit ist ein ganz unverständ-
licher, jedenfalls nur mit großer Kunst zu erklärender Ausdruck
geschaffen. Wer soll denn der superior sein, und inwiefern ;,tragen
Avir den Ursprung des authentischen Apostolats in unserem Superior?**
Die Bemühungen sind vergeblich gewesen, diese Fragen einleuch-
tend zu beantworten. Dagegen ist ^n supeiiore nostra" völlig
verständlich; zu ergänzen ist natürlich „ecclesia". Die Übersetzung
lautet nun: „Da wir den Ursprung des authentischen Apostolats
(bez. die Wurzel des Urapostolats), auf den Christus (auch) die
Kirche gegründet hat, in unserer älteren (= ältesten)* Kirche
führen (bez. haben 2)". Die ,,superior ecclesia" kann natürlich nur
die römische Kirche sein, und deshalb bekundet sich hier der Ver-
fasser als römischer Bischof^, mag er sich auch in den ersten
Kapp, seines Traktats mit anderen Bischöfen zusammenschließen.
Man soll doch irgendeinen abendländischen Bischof zu irgendeiner
Zeit außer dem römischen Bischof nachweisen, der so geschrieben
hat^ Unsere Schrift ist also von einem römischen Bischof verfaßt*
1 ) Den Komparativ „superior** wie einen Positiv bez. wie einen Superlativ
7M verstehen, hat keine Schwierigkeit. Beispiele dafür sind zahlreich, übrigens
ist 08 nicht einmal notwendig, die komparative Bedeutung ganz auszuschalten.
2) Zum Gebrauch von portare s. Cypr., De unit. 7: „unitatem ille [seil,
('hristns] portabat de superiore part-e venientem id est de caelo".
r>) S. auch Hilgenfeld S. 30ff. seiner Ausgabe und fast alle alten Litterar-
historiker (Pamelius, Bellarmin et<;. mit Ausnahme Dupins). Jüngst hat
Bardenhewer (a. a. 0. S. 447) das „nostra" und damit die Abftissung durch
einen römischen Bischof rund anerkannt. Dagegen hat Jülicher (Gott. Gel.
Anz. 10(X) Nr. 4 S. 271) Einspruch erhoben. Er schreibt: „Daß ein lateinischer
Hedner nach einer Erwähnung der fundatio ecclesiae durch ein bloßes „in
Huperiore nostra" die Kirche von Altrom für irgend jemanden verständlich hätte
bezeichnen können, darf man, bis Parallelen beigebracht sind, verneinen'*.
Demgegenüber ist zu sagen, (1) daß Jülicher die Parallelen, die ich angeführt
habe, m. E. nicht entkräftet hat, (2) daß die Bezeichung Roms als der alten
Kirche, zumal im Abendland — hat sie doch selbst Origenes so genannt! —
u'irht unverständlich sein konnto, (8) daß, mag der Ausdruck auch schwer ver-
Ktändlich «ein, der andere („in superiore nostro") es in noch viel höherem
iirude wäre.
4) Verwandte Aussagen Cyprians decken sich keineswegs mit den unsrigen.
Dagegen sagt Cyprian von Stephanus, dem römischen Bischof: „qui sie de
«»piricopatus sui loco gloriatur et se successionem Petri tenere cont^ndit, super
«juem fundamenta ecclesiae collocata sunt" (ep. 75, 7), cf. ep. 71, 3 (Cyprian über
.^t^phanus): „nam nee Petrus, quem primum dominus elegit et super quem aedi-
ficavit ecclesiam suam . . . vindicavit sibi aliquid insolenter aut Eidroganter
adsumpsit, ut diceret se primatum tenere et obtemperari a novellis et
posteris sibi potius oportere etc."
5) Die Einwendung Monceauxs (IT p. 115), der Verfasser spreche an den
374 ^^6 Litteraku: des Abendlandes.
Was den dritten Punkt betrifft, so haben mich Morin, Ehr-
hard, Haller und Hilgenfeld bedingt überzeugt: Ist diese Schrift
vorcyprianisch, so hindert nichts, sie als katholisch zu betrachten:
ist sie aber nachcyprianisch, so muß sie schismatisch sein. Ein
römischer Bischof nach der Zeit der Synoden der fünfziger Jahre
des 3. Jahrhunderts und nach der novatianischen Kontroverse
konnte nicht mehr schreiben (c 10): „Nam quod delicti in deum
nulla fit excusatio nee indulgentia ulla et nemini venia datar, in
evangelio dominus dicit, Si qui, inquit, dixerit blasphemiam in
filium hominis dimittetur ei: qui autem peccaverit in
spiritum sanctum, non dimittetur illi, nee hie nee in
futuro saeculo" (s. auch die folgenden vier ähnlichen Zitate) l
Das ist die Sprache der Novatianer oder Donatisten in Rom: kein
katholischer römischer Bischof hätte diesen ßigorismus nach
der Zeit des Cornelius mehr vertreten dürfen.
Durch die Feststellung dieser zwei Punkte ist das Problem
doch vereinfacht: es stehen sich nur noch zwei Hypothesen gegen-
über: unsere Schrift ist entweder von einem katholischen römi-
schen Bischof vor Cyprian- verfalit, oder sie stammt von einem
schismatischen römischen Bischof nach Cyprian. Daß Traktate
schismatischer römischer Bischöfe aus der Zeit nach Cyprian in
die Sammlung cypriauischer Werke gekommen sind, steht fest
(Traktate Novatians und auch eine Schrift des donatistischen römi-
schen Bischofs Macrobius); aber daß eine vorcyprianische Schrift
in jene Sammlung eingedrungen ist, steht ebenfalls fest (die Schrift
De pascha computus). Also läßt sich aus dieser Betrachtung nichts
Entscheidendes gewinnen. Auch das entscheidet nicht, daß die
TQM gemeinsamen Vorlagen der Cyprian- Werke, in denen sich
bereits Ad aleat. findet, sicher schon in das 4. Jahrhundert hinauf-
gehen und römischen Ursprungs sind; denn damals kann sowohl
anderen Stellen wie ein gewöhnlicher Bischof, ist ohne Gewicht. Römische
Bischöfe jener Zeit haben in der Regel wie die anderen Bischöfe ge-
sprochen.
1) In einer oder der anderen ahendländiBchen Provinz konnte von
katholischen Bischöfen um d. J. 3(X) so noch geschrieben werden (s. die Canones
von Elvira), nicht aber in Rom. Nicht berufen darf man sich mit Hilgenfeld
p. 74 fiir den katharischen Ursprung auf c. 2 Schluß ; denn so konnte auch ein
katholischer Bischof schreiben. Wohl aber ist es auffallend (Hilgenfeldp. 27),
daß in der plorophorischen und weitläufigen Beschreibung der Würde des
römischen Bischofs sowie überhaupt in dorn ganzen Traktat das Wort ,,caibo-
licus" fehlt.
2) Ein schisiuii tischer ist natürlich auch dann nicht ausgeschlossen; aber
die Annahme ist völlig überflüssig.
Cyprian und Pseudocypriamäohes. 375
eine vor- als nachcyprianische Schrift Aufnahme gefunden haben.
Auf die in anderer Hinsicht hochbedeutsame Stellung aber der
Schrift in jenen Vorlagen (gleich nach Adv. Judaeos und entweder
vor De duobus montibus [TJ oder vor De laude [QM]) ist in chro-
nologischer Hinsicht auch nichts Sicheres zu bauen; denn obgleich
zwei von diesen Schriften höchst wahrscheinlich dem Novatian
gebühren, so kann doch die Stellung unseres Traktats neben ihnen
für eine genauere Zeitbestimmung nicht ausgebeutet werden. Die
Tatsache aber, daß zuerst in unzweifelhaft römischen Samm-
lungen der Werke Cyprians Ad aleat auftaucht, ist von Wichtig-
keit; denn sie verstärkt die bereits gewonnene Einsicht, daß
unser Traktat römischen Ursprungs ist^
Welches sind nun die Argumente, die für den vor- und für
den nachcyprianischen Charakter der Schrift angeführt werden?
Die Antwort kann in Kürze gegeben werden: für jenen spricht
das Verhältnis des Verfassers zu den h. Schriften, für diesen wird
die Abhängigkeit von Cyprian und weiter der Stil der Schrift
angeführt.
Was das Verhältnis zur h. Schrift betrifft, so habe ich in
meiner ersten Abhandlung dasselbe so umfassend wie möglich
untersucht Die meisten Kritiker sind an dieser Untersuchung
vorbeigegangen, als seien die Ergebnisse unerheblich. Augenschein-
lich war man mit der Geschichte des Kanons im Abendland nicht
hinreichend vertraut, um das Gewicht der Nachweisungen zu
schätzen. Doch will ich nicht in Abrede stellen, daß ich in jener
Abhandlung an einigen Punkten der Gefahr erlegen bin, zu viel
zu beweisen, und daß daher der Eindruck des Nachweises abge-
schwächt worden ist. Ich fasse im folgenden die Beobachtungen,
die außer Zweifel stehen» zusammen:
1) Ein äuliereri Zeugiiitf für die Schrift keiiuc ich nicht, man müßte denn
i.*in solches in Hieron. adv. Lucifer. 5 sehen wollen: „Oro te, nonne legisti de
»»piscopis dictum: Vos estis sal terrae etc."; cf. ad aleat. 2, aber auch Cypr.,
de Unit. 1. — Die überliefening der i^^chrift in den Mss. hat soeben v. Soden
(a. a. 0. S. 217 fp.) jj^ündlich untersucht. Er hat sie in den ihm bekannten
Cyprian- Codd. 34 mal gefunden. „Jedenfalls", sagt er, „darf man, da Ad aleat.
in QMT so weit vorn und vor De laude mart. steht, seinen Eintritt nicht erst
in die Jahrhunderte jener Codd. (saec. VIIl/lX) setzen, sondern wird vielmehr
anzunehmen haben, daß derselbe sich etwa gleichzeitig mit der Bildung der
Briefkeilsammlung ^30 — 51 und mindestens gleichzeitig mit der Auhiahmc von
de laude mart. [s. das Verzeichnis von Cheltenham] vollzogen hat. Als seine
Zeit wird damit der Anfang des 4. Jahrh. sehr wahrscheinlich; als
sein Ort ist Rom durch das einheitliche Zeugnis der Überliefe-
rung gewiß". Demnach ist es sehr prekär, die Schrift in das 4. Jahrh.
zu setzen*
376 ^^ Litteratur dos Abendlandes.
Unser kurzer Traktat enthält 30 ausdiiickliche Bibelzitate
(daneben etwa 7 deutliche Anspielungen). Von diesen 30 Zitaten
sind nur 12 (aus dem A. T., den Evangelien und der Job. -Apo-
kalypse) unanstößig, und ihr Bibeltext ist dem Cyprians nahe ver-
wandt. Nicht weniger als 6 sind völlig apokryph und
nicht nachweisbar, ein weiteres ist aus dem Hirten des
Hermas, ein weiteres entweder auch aus diesem oder ans
einer unbekannten Schrift, eines aus den „Doctrinae
apostolorum^ eines vielleicht aus dem Leviticus, viel
wahrscheinlicher aber aus einer unbekannten Schrift,
8 endlich sind aus den paulinischen Briefen, die aber
mit der höchsten Freiheit behandelt sind^ Die apo-
kryphen Zitate, bez. die aus Hermas und den Doctrinae
1) Pia apokryphen Zitate lauten:
C. 2: Et itenim [scriptura dicit]: Existimate sacerdotem esse cultorem et
omnes esse apud enm .... grenaria plena, de quo quidquid dcsideraverit po-
]mlu8 meus saturetur.
C. 8: Monet dominus et dicit: Nolite contristare spiritum sanctum qui
in vobis est.
C. 3: Et [seil, monet dominus et dicit]: Nolite exstinguere lumen, qaod
in Yobis efiulsit.
C. 8: Et iterum: In iudicii die igne rotante torquebitur.
C. 9: Dominus dicit: Nolite, inquit, extendcre manus vestras iniuste, ne
i'xacerbetis me, et non sin am diu vos permanere super terram.
C. 9: Et iterum: Abstinete manus vestras ab iniusto, et ne feceritis quic-
quam mali.
Die Stelle aus dem Hirten des Hermas lautet (^Herm., Sim. IX, 31, 5£):
C. 2: Dicit enim scriptura divina: Vae erit pastoribus bis zu den Worten:
])unietur propter mendacium suum.
Die Stelle aus dem Hirten oder einer apokryphen Schrift lautet:
C. 4: Quicunque frater moro alienigenarum vivit et admittit res similes
factis eorum, desine in convictum eius esse; quod nisi feceris, et tu particeps
ciuB eris.
Die Stelle aus den Doctr. Apost. lautet:
C. 4: Et in doctrinis apostolorum: Si quis frat«r delinquit in ecclesia et
uon apparet legi, hie nee coUigatur, donec paonitontiam agat, et non reeipiatur,
ne inquinetur et inpediatur oratio vestra.
Die Stelle, die möglicherweise (aber nicht wahrscheinlich) aus dem Levi-
ticus stammt, lautet:
C. 8: Dominus dicit: Omnis iumundus non tangat sacrificii saneti.
Sämtliche Zitate aus dem Apostolus sind höchst frei, sehr viel freier als
die übrigen Zitate aus den h. Schriften. I Joh. 8, 8 ist zitiert (c. 10): „Omnis
qui poccat non est de deo, sed de diabolo est; et scitis quoniam ideo
venturus est filius dei, ut perdat filios diaboli". Mehr Freiheit kann man
sich wahrlich nicht nehmen. R<5m. 12, 2 lautet (c. 0): „videte fratres, ne ob-
ügurimini huic saeculo et pompis et deliciis et voluptatibus eius; sed
Gyprian und PseudocypriaiuBches. 377
apostolorum, stehen völlig gleichwertig unter den an-
deren; auch sie sind aus der „scriptura divina*' ge-
schöpft
Nach allem nun, was wir von der Geschichte des Kanons in
Rom wissen — und es genügt zur Entscheidung — , ist es aus-
geschlossen, daß ein katholischer römischer Bischof nach der
Mitte des 3. Jahrhunderts, ja nach dem- Anfang desselben diese
Schrift verfaßt hat. Ich will von den „Freiheiten*' in den Zitaten
aus dem Apostolus ganz absehen, obgleich dieselben etwas rätsel-
haftes haben, wenn man die Schwelle des 2. Jahrhunderts über-
schreitet — daß ein römischer Bischof in der angegebenen Zeit
unter 30 Bibelzitaten zehn apokr3n?he bringt, ist unter der Vor-
aussetzung, daß er der großen Kirche angehört, unglaublich. Man
kann darauf hinweisen, daß sich gelegentlich noch im 4. Jahr-
hundert im Abendland Zitate aus der Apostellehre finden (Funk)»
und daß der Hii*te damals noch nicht ganz vergessen war; aber
den offiziellen Kanon Karthagos und Korns in cyprianischer und
nachcyprianischer Zeit kennen wir zu genau, als daß wir den
Hirten und die Apostellehre in ihn noch einrechnen dürften \ Aber
darüber hinaus: es handelt sich in De aleat. nicht um ein oder
ein anderes apokryphes Zitat, sondern um die Tatsache , daß ein
Drittel aller Zitate in der kleinen Schrift apokryph ist. Die
Bibel des Verfassers darf also schlechterdings nicht mit der römi-
schen großkirchlichen Bibel um 250, ja sie darf nicht einmal
mit einer um 20 Jahre älteren solchen Bibel identifiziert werden.
Ist unsere Schrift daher von einem römischen Bischof verfaßt und
ist sie oithodox, so ist sie um das Jahr 200 zu rücken, und es ist
continete vos ab omni iniustitia saeciili"!! Gal. 4, 1 f. gibt unser Verf.
(c. 3) 80 wieder: ,,Quamdiu heres infane, Bub procuratores et actores est; at
cum creverit, tunc hereditatem suam expetit". Hier hat Luc. 15, 12,
an der vorigen Stelle das Taufritual eingewirkt. I Kor. 3, 16 f. lautet (c. 10):
„VoB estis templum dei, et in vobis GbristuB babitat [nur Tertullian bietet De
pudic 16 ähnlich: „Non scitis, vos templum dei esse et in vobis dominum
habitare] ; si quis templum dei violaverit, perdit illum deus". I Kor. 4, 1 f.
lautet (c. 3 u. 4 init.): „Hie quoque inter dispensatores et procuratores
qaaeritur, ut quis fidelis et iustus inveniatur". Sehr frei ist (c. 4) auch
1 Kor. 5, 11 zitiert: „Si quis frater fornicarius dicitur aut idolorum cultor aut
avarus aut raptor sive iniustus, cum huiusmodi quidem nee cibum capere",
und I Kor. 5, 13 wird (c. 4) wiedergegeben: „Eximite malos e medio vestro".
Dazu 8. das große Konvolut aus den Pastoralbriefen in c. 4.
1) S. meine Nachweisungen in d. Texten u. Unters. Bd. 13 H. 4 S. 48ff.
u. Bd. 24 H. 3 S. 58 ff., dazu die Bibel des Cyprian, das Mommsensche Ver-
zeichnis etc. S. auch die Nachweisungen in Zahns Grundriß d. Gesch. des
NTlichen Kanons (1901J S. 63 ff.
378 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
dann geradezu geboten, sie dem Victor, dem crsteu lateinischen
Schriftsteller Roms, wie ihn Hieronymus nennt, zu vindizieren;
denn der ungebildete Grieche Zephyrin kann überhaupt nicht in
Betracht kommen. Es ist ein sicheres Ergebnis der Unter-
suchung: wir haben es hier mit einer Bibel und einem
Bibelgebrauch zu tun, wie sie für die große römische
Kirche nach c. 210 nicht mehr glaublich sind.
Aber — und nun sehe ich mich zu einem Zugeständnis ge-
zwungen — es ist so, wie meine Gegner behauptet haben: es ist
allerdings recht unwahrscheinlich, daß die Schrift vorcyprianisch ist
Bedenklich gemacht hat mich nicht der Nachweis, daß in dem
Traktat die Testimonien Cyprians benutzt sind; denn dieser Nach-
weis kann keineswegs sicher erbracht werden. Auch die Behaup-
tung hat keinen entscheidenden Eindruck auf mich gemacht, dali
der Bibeltext des Verfassers, wenn er wörtlich zitiert, dem des
Gyprian nahe kommt; denn wir kennen die lateinischen römischen
Bibeltexte zwischen 250 und 350 (geschweige zwischen 200—250)
in ihrem Verhältnis zu den afrikanischen lange nicht genau genug,
um an solche Kenntnis weittragende Schlüsse heften zu dürfen.
Umgestimmt hat mich endlich auch nicht der Nachweis, daß der
Verfasser von dieser oder jener einzelnen Schrift Cyprians ab-
hängig sei; denn ich setze dieser Annahme die sichere nnd auf
gründlichster Prüfung aller Parallelen beruhende Einsicht entgegen,
daß die leitenden Gedanken auch nicht einer einzigen Cyprian-
Schrift bestimmt in unserem Traktat wiederkehren, sowie die
andere Beobachtung, daß das Material für jede einzelne Schrift
Cyprians in ihrem Verhältnis zu Ad aleat. zu schmal ist, um einen
Schluß von zweifelloser Stringenz zu erinögliclien. Aber was be-
denklich macht, ist erstlich das Ensemble. Das haben mir
namentlich die Löwen er Theologen in ihrer musterhaft gründ-
lichen Vergleichung (s. o. p. 61—101: „De Aleat et S. Cyprien"i
gezeigt, und fortgesetzte eigene Studien in der christlich-lateinischen
Litteratur haben mich darüber belehrt. Die Summe der rhetorisch
christlichen Wendungen in De aleat. in ihrer Verwandtschaft mit
den cyprianischen ist zu groß, als daß man Cyprian als Vorbild und
Lehrer des Verf. sicher ausschließen dürfte. Die Annahme des umge-
kehrten Verhältnisses aber scheint sich durch die Erwägung zu
verbieten, daß Cyprian fast in jedem seiner Traktate in einer ganz
undurchsichtigen und psychologisch schwer erklärlichen Abhängig-
keit von christlich-rhetorischen Details, die unser Verfasser zuerst
produziert hätte, gestanden haben müßte. Dazu kommt noch ein
anderes: nicht nur die Worte, in denen der römische Primat in
c. 1 unserer Schrift ausgedrückt und gefeiert ist, sind in ihrer
Cyprian und Pgeudacyprianisches. 379
Fülle' viel leichter zu verstehen, wenn sie nach Cornelius und
< 'yprian geschrieben sind, und der Ausdruck (c. 2) „sacerdotalis
dignitas" ist im 2. Jahrh. sehr unbequem (wenn auch nicht geradezu
nn möglich), sondern auch die Gesamthaltung der Schrift weist
wahrscheinlich über das 2. Jahrhundert hinaus. Diese Art der
christlichen Rhetorik in lateinischem Gewand scheint Überlieferung
und längere Übung vorauszusetzen. Nicht nur können wir sie
nicht über Cyprian und Novatian hinaufführen, sondern sie scheint
auch ihnen gegenüber fast noch als sekundär. Die allgemeinen
christlich-kirchlichen Verhältnisse aber, die der Verf. voraussetzt,
und die Mittel, mit denen er auf sie einzuwirken sucht, lassen
sich auch leichter nach als vor der Zeit Cyprians vei-stehen. In
das Einzelne hier einzugehen, darf ich mir versagen; denn ich
räume mit dem Gesagten etwas ein, was die große Mehrzahl der
Kritiker bereits anerkannt hat
Aber nun haben wir, scheint es, den vollkommenen Wider-
spruch: Die Schrift stammt wahrscheinlich von einem rö-
mischen Bischof nachcyprianischer Zeit, und dieser
Bischof erweist sich aus seiner Bibel und seinem Bibel-
gebrauch als ein Mann, der einen beträchtlich älteren
Zustand widerspiegelt
Auch wenn wir sonst nichts wüßten, ließe dieser Widerspinich
schlechterdings keine andere Lösung zu als die: unser Verfasser
gehörte nicht zur katholischen Kirche in Rom, sondern muß Bischof
einer schismatischen Partei gewesen sein. Freilich — da wir den
Bibelgebrauch der Schismatiker in Rom nicht oder so gut wie nicht
kennen, so ist der einzige Ausweg, den wir haben, eine Flucht ins
Dunkle; aber das kann uns nicht hindern, ihn, da er eben der ein-
zige ist, zu wählen. Nun aber haben Pamelius, Morin, Hil-
genfeld und Ehrhard, ohne den Bibelgebrauch des Ver-
fassers zu berücksichtigen, aus c. 10 seiner Schrift geschlossen,
daß er, wenn er nach Cyprian schrieb, Schismatiker gewesen sein
müsse, und dieser Nachweis schien auch uns einleuchtend zu sein.
Ks stützen sich also dieser Schluß und jenes p]rgebnis, das sich
uns aus konträren Beobachtungen aufgedrängt hat Wir können
somit schwerlich zweifeln, wenn wir nicht zu Victor doch zurück-
kehren wollen: unser Traktat gehört der Zeit nach Cyprian
1) Daß sich dtir römische Bischof die „vicaria domini sedes" beih;p^, kommt
7iim erstenmal in runder Ausprägung hier vor; denn nicht davon ist die Rede,
<laß jeder Bischof Stellvertreter Christi in seiner Gemeinde ist — das ist eine
;i.lte Anschauung — , sondern der, welcher den „apostolatus ducatus** und die
,.origo authentici apostolatus" in seiner alten Kirche besitzt, der römisch«'
Bisi^hof, l>esit'/t auch die „vicaria domini sedes".
380 ^^ Lüterafcnr des Abendlandes,
aD und stammt von einem Bischof einer schismatischen
Partei in Born. In dieser Partei muß sich ein Bibelgebranch
erhalten (oder wieder eingestellt) haben, wie er in der katholischoi
römischen Kirche seit c. 200 nicht mehr statthaft war.
Welche Partei war das? Nor zwischen zweien haben wir die
Auswahl: die novatianische nnd die donatistische. Eine ganx
sichere Entscheidang ist nicht möglich. Aber f&r jene spricht doch
sehr viel mehr als fOr diese; denn erstlich haben sich zwar die
Donatisten den Novatianern genähert und ihren nrsprflnglich sehr
partikularen Widersprach gegen die katholische Kirche erweitert
aber das, was wir c. 10 unserer Schrift lesen, ist doch stets mehr
f&r den Noyatianismas charakteristisch gewesen als fftr den Dona-
tismus. Zweitens ist bereits im 4. Jahrhundert die Aufnahme einer
größeren Anzahl von Novatian-Traktaten in die Werke Cypriaos
nachweisbar, während es mindestens ganz zweifelhaft bleibt, ob
im kirchlichen Altertum dem Cyprian jemals eine donatistische
Schrift beigelegt worden ist^ Drittens steht unser Traktat seit
altei*s, wahrscheinlich schon seit dem Anfang des 4. Jahrh. (8.O.),
bei der Schrift Adv. Judaeos; diese Schiift gehört aber hOchrt
wahrscheinlich dem Novatian. Ich muß es demnach mit Hil gen-
fei d für sehr wahrscheinlich halten, daß unser Traktat^ wenn er
nicht von Victor stammt, von einem novatianischen rOmischen
Bischof verfaßt ist. An Novatian selbst ist nicht zu denken: die
vulgäre Sprache, aber auch manche Stilverschiedenheiten trenneo
beide Verfasser. Wann er verfaßt ist, läßt sich nicht sagen; in
einer Friedeuszeit, wie es scheint Man kann aber mit Wahr-
scheinlichkeit nur bis zum Ende des 3. Jahrhunderts herabgehen.
Weiter herabzusteigen, verbieten Erwägungen, die aus der Ge-
schichte der Sammlungen der Cyprian-Werke sich ergeben. Auch
rät der Schrift gebrauch — vor allem der starke Einfluß, den der
„Hirte" augenscheinlich auf das Schriftstück ausgeübt hat — .
den Traktat innerhalb der JJ. c. 260—300 zu belassen. Dieser
Schriftgebrauch bleibt freilich, so lange man im 3. Jahrh. bleibt,
immer noch ein Rätsel. Wir sind, wenn wir von Victor absehen,
zu der Annahme gezwungen, daß in die novatianische römische
(jemeinde ein laxerer Schrittgebrauch] eingedrungen ist (oder ein
solcher trotz Novatian festgehalten wurde?). Griff man vielleicht
auf die Bibel und den Bibelgebrauch zurück, die in der kleinen
schismatisclien Gemeinde Hippolyts üblich gewesen waren? B^i
1) Dio Beilegung der donatistiecheu Schrift De singularitate clericoniiB
i«t nicht im kirchlichen Altertum erfolgt (b. Texte u. Unters. Bd, 24 H. S
8. Gf.j. Daßselbe gilt vom dritten der falschen Cyprianbriefe.
Cyprian nnd Pseudocyprianisohes. 381
Hippolyt findet sich in der Tat im Vergleich mit den Späteren
noch recht viel Apokryphes. Hat in bezug auf die Bibel die nova-
tianische Gemeinde eine ähnliche Bewegung erlebt, wie sie später
Priscillian in seinem Kreise in Szene gesetzt hat? Nur die Fragen
vermögen wir aufzuwerfen. Eine Antwort gibt es zurzeit nicht.
Bemerkenswert ist, daß der römische schismatische Bischof mit
demselben Selbstbewußtsein spricht, wie Kaliist, Stephanus und
ihre Nachfolger. Die Victor- Hypothese halte ich für schwer ge-
fährdet und kaum zu halten; aber wie sie einen Kern des Rich-
tigen enthält, so glaube ich mit ihr der fortschreitenden Erkenntnis
einen Dienst getan zu haben. Sie war wahrscheinlich ein Irrtum,
aber kein unfruchtbarer. Hält man die jetzt vorgeschlagene Hypo-
these für unannehmbar, so müßte man zu Victor zurückkehren.
Kann die Schrift Ad aleatores dem Victor nicht beigelegt
werden, so sind wir außer stände, des Hieronymus Behauptung zu
bestätigen, Victor sei der erste lateinische christliche Schriftsteller
gewesen. Es erhebt sich aber dann die Frage, ob wir dem Hiero-
nymus überhaupt hier trauen dürfen. Zwar im Schriftstellerkatalog
bezeichnet er indirekt (c. 34) und direkt (c. 53) Victor als den
ersten lateinischen Schriftsteller, aber in der einige Jahre später
geschriebenen Epistula ad Magnum (s. oben S. 370) räumt er diesen
Platz dem Tertullian ein nnd schweigt über Victor vollständig.
Dieser Rückzug ist am einfachsten so zu erklären, daß die „me-
diocria volumina de religione" (bez. die „alia quaedam opnscula"
über die opuscula in der Passahfrage hinaus) nicht selbständige
Traktate, sondern offizielle Schreiben (Enzyklika) waren, die grie-
chisch und lateinisch existierten und die man als schriftstellerische
Erzeugnisse sowohl zählen als auch nicht zählen konnte (s. Bar-
denhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. 1. Bd. S. 530 f., der darauf
aufmerksam macht, daß Hieron., de vir. inl. 45, in einem Atemzug
Polykrates' Brief gegen Victor „epistula synodica" und „opusculum**
nennt). Schwierigkeiten macht allerdings bei dieser Erklärung
der Ausdruck „De religione" K
b) De pascha computus.
Daß diese Schrift i. J. 243 (und zwar vor Ostern) verfaßt ist,
sagt sie selbst in c. 22: ,.a quo tempore id est a passione usque
1) J?ehr eingehend hat über die Notizen des Hieronymus, Victor betreffend,
Schöne gehandelt in seiner Schrift: Die Weltchronik des Eusebius in ihrer
Bearbeitung durch Hieronymus (1900) S. 181—201. Er sucht zu erweisen, daß
<lie beiden Eintrag\ingen über Victor schon dem Eusebius angehören, obgleich
sie im Armenier fehlen, und daß sie auf Schriften Victors im Osterstreit zu
beziehen sind.
382 -^^^ Litteratur des Abendlandes.
ad annum V. Oordiani Aniauo et Papo coss. sappleti sunt aim
CCXV. So ist sie ein kostbares Denkmal; denn sie ist die ein-
zige größere und noch dazu sicher zu datierende Schrift aus der
lateinischen Kirche, die wir nach Tertullian und Hippolyt und tot
Cyprian besitzen. Dem entspricht, daß ihr das lateinische Gewand
noch fremd ist; es liegt wie ein leichter Schleier auf ihren Aiu-
führungen und ihrem Stile. Daß die Schrift sich die Aufgabe
gestellt hat, den Osterkanon des Hippolyt zu berichtigen, hat Huf-
mayr, Die pseudocyprianische Schrift De pascha computos (Augs-
burg, 1896), erwiesen. Vor ihm hatten sich nur de Bossi (Inscr.
('hrist. I p. LXXXff.) und Dnchesne (Origines da cnlte chretieD
p. 247. 266 etc.) mit der Schrift beschäftigt K Dem Anonymus ist
die Korrektur nicht gelungen; auch seine Berechnung^ ist fehler-
haft 2, obgleich er ein anerkennenswertes Wissen zeigt und filtere
Arbeiten über das Problem gekannt und erwogen hat. Aber er
hat die Aufgabe unter falschen Prämissen zu lösen versacht Seiner
Sache aber ist er so sicher, daß er die Lösung auf die unendliche
Gute Gottes, die unbegreifliche Barmherzigkeit Christi, ja die In-
spiration Gottes (c 1) zurückfuhrt und nun Unfehlbarkeit Ar sie
in Anspruch nimmt: „nunquam posse Christanos a via veritads
errare". Eine eingehende Untersuchung des in mehr als einer
Hinsicht inhaltsreichen Traktats fehlt noch^ und vor einer solchen
wäre es gewagt, sich auf die Entstehungs Verhältnisse näher ein-
zulassen. Meine Bemühungen um ihn sind noch nicht zum Ab-
scliluL> gekommen. Monceaux (Hist. litt. II p. 99flF., cf. I p. 121;
hat einiges vom Inhalt des Werkes näher ins Auge gefaßt Er
1) Vgl. auch Schanz, Rom. Litt. III, 180(), S. 338f.
2) Er eiitfornt sich von Hippolyt nicht weit; denn auch er fußt auf einpui
öechzehnjährij^en Zyklus (genannt hat er übrigens keinen seiner „antecessores" .
Die astronomische Naivität des Verfassers zeigt sich sofort, nämlich in seinem
Ausgangspunkt. Der Fehler der früheren soll lediglich auf falscher Deutoii)^
der einschlagenden Schriftstellen beruhen; alles komme in Ordnung, wenn man
aus der h. Schrift den ersten Tag des ersten Monats bestimme. Die Entdeckonir
des A'^erfassers b(?ruht nun darin, daß man den ersten Mond nicht vom 1..
sondern vom 4. AVeit scliöpfungstage zu berechnen habe. C£ c. 1: „Multo qui-
dem non modico tempore anxii fin'mus et aestuantes non in saccularibus ee<l
in sanctis et divinis scrii)turis quaerent<«s invenire, quisnam esset primus die:-
novi niensis, in quo mense praeeeptum est Judaeis in Aegypto pro XIV. lunn
immolaie pascha".
3) Hufmayrs Arbeit wollte keine umfassende Monographie sein. —
Einzigartiges und Altertümliches findet sich genug in dem Büchlein: manmuO
sich wundern, daß es so vernachlässigt ist. Der Name des Verfiatssers muß den
ersten L<?sern bekannt gewesen sein; denn versteckt zu bleiben, hat der Ver-
fasser gewiß nicht angestrebt.
Gypriaii nnd PseudoGyprianischeB. 383
meint, der Bibeltext des Verfassers führe mit Sicherheit auf Afrika ^
Brieflich hat mich Hr. Pfarrer Kutter in Vinelz darauf auf-
merksam gemacht, daß in Migne Lat. Bd. 59 p. 545 ein anonymer,
zuerst von Baluze aus einem Cod. Luccensis saec. VIII. vel IX.
edierter Traktat „de computo paschali" abgedruckt ist (aus Afrika
V. J. 455), der sehr stark (in großen Partien wörtlich) unseren
Traktat ausgeschrieben hat.
Was die Überlieferung betrifft, so hat uns Soden darüber auf-
geklärt (S. 224 f.), daß heute unser Traktat, soviel bekannt, in keiner
eigentlichen Cyprian-Handschrift mehr nachweisbar ist. „In dem
in der Oxforder Ausgabe noch benutzten, uns verlorenen Rheimser
Kodex 133 saec. IX. war er bezeichnet als ,Caecilii Cypriani de
pascha comp.', während er im Cod. London. (Brit Mus. Cotton. Cal.
A XVI saec. IX.) ,Expositio Bissexti* heißt und der Name Cyprians
nicht erscheint". Da die ganze alte Überlieferung den Traktat
als cyprianisch nicht kennt, so kann man ihn zu den pseudo-
cyprianischen Schriften nur im weiteren Sinn rechnen: er ist im
frühen Mittelalter durch einen Zufall zum Namen „Cyprian" ge-
kommen.
c) De montibus Sina et Sion.
Die Überlieferung dieser Schrift — Soden (S. 219f.) hat sie
()6mal in Cyprian-Handschriften nachgewiesen — geht wie die von
De aleat. auf MQT zurück. „Damit ist der Eintritt des Traktats
in die Cyprianische Überlieferung örtlich sicher fixiert — Rom;
zeitlich bleibt ein weiterer Spielraum, da er zwar am Schluß von
MQT steht (also nicht sicher ist, wie lange vorher diese Typen
schon fertig waren), andererseits aber am Anfang des Schlußteils
(weshalb das Jahrhundert der Codd., saec. VIII, IX. anzunehmen,
wohl bereits eine zu späte Datierung ist)".
In den Texten u. Unters. Bd. 20 H. 3 S. 135 ff. (schon vorher
in meinem Lehrbuch der Dogmengesch. I * S. 584, PS. 676) habeich
diese durch ihr Vulgärlatein (wie Ad aleat., Cypr. ep. 8. 21. 22 etc.),
die Freiheit ihrer Bibelzitate ^ und ihren naiven Inhalt wertvolle,
bisher völlig vernachlässigte Schrift zu untei-suchen begonnen^.
1) Auch Thielmiinu hat sich für afrikanischen Ursprung ausgesprochen
auf Grund des von ihm gf^fiihrten Nachweises (Archiv f. lat. Lesikogr. Bd. 9,
1894, S. 150 ff.), daß der Bibeltext mit dem Augustins stimmt.
2) „Ein mit fremdartigen Wucherungen bedeckter Bibeltext" (Jülich er).
S) Einige textkritische Beiträge bei Mercati (D'alcuni nuovi sussidi et<5.,
1899, p. 41 ff.); er hat richtig (gegen Hartel) gezeigt, daß der Anfang der
Schrift intakt ist und daß der ursprüngliche Titel lautet: „De montibus Sina
et Sion. Probatio [Unt-ersuchung] capitulorum quae in scripturis deificis con-
tinentur".
384 ^io Litteratar des Abendlandes.
Die Zeitbestimmung, die ich als wahrscheinlichste empfohlen habe,
nämlich die Jahre c. 210— 240 (200—245), ist von Bardeohewer*
und Macholz anerkannt^. Jülicher^ hat die Beweisführung^ un-
verständlich gefunden, selbst aber auf eine Zeitbestimmung ver-
zichtet. Ich wiederhole die Grüipde: der terminus a quo ergibt
sich aus der wahrscheinlichen Benutzung des Apologetikums Ter-
tuUians (und vielleicht auch des Irenäus); ferner aus der Beobach-
tung, daß der Verf. in seiner Christologie zwar deutlich von Her-
mas abhängig ist, ihn aber nicht unter den h. Schriften erwähnt
Dazu kommt, wie ich jetzt hinzufüge, die Benutzung der Acta
Johannis; denn die Annahme liegt sehr nahe, daß das rätselhafte
Zitat in c. 13 aus einem apokryphen, sonst ganz unbekannten
„Brief* des Johannes (ad Paulum? ad populum?), wo Christas
spricht: „Ita me in vobis videte, quomodo quis vestrum se videt
in aquani aut in speculum", nicht unabhängig ist von der Stelle in
den Acta Johannis (James, Texts and Stud. V, p. 12): "Egoxtqov
elfil 001 tm vooovvTi fie. Diese Beziehung wird noch wahrschein-
licher, wenn man erwägt, daß ,,epistula' nicht „Brief* zu bedeuten
braucht ^ und daß es an unserer Stelle schwerlich diese Bedeutung
hat; denn daß Christus in einem Briefe in direkter Rede sprechend
eingeführt worden sei, ist unwahrscheinlich. Also wird „epistula*
als „Anweisung" zu verstehen sein (in diesem Falle ist „ad popu-
lum" zu lesen), und gemeint ist die hymnische Gebetsanweisung in
den Acta Johannis, in der die Stelle {Ioojitqov xtX.) steht und die
auch Augustin zitiert hat
Der terminus ad quem ergibt sich aus der Beobachtung, daB
der Verfasser in der Anfangszeit der christlich-lateinischen Littera-
tur schreibt, von Cyprian unabhängig ist und daß seine Bibel in
ihrem Textstande ein höchst altertüuiliches Gepräge trägt. A.a.O.
habe ich noch auf Benutzungen des Traktats in der Schrift De
pascha computus und bei Augustin aufmerksam gemacht, aber hin-
zugefügt (S. 146), daß uian diese Beziehungen auch für unsicher
halten kann. Es handelt sich um die (aus dem [slawischen] Henoch
stammende) Ableitung des Namens Adam aus den Anfangsbuch-
staben der vier Worte Anatole. Dvsis, Arctus, Mesembrion, sowie
1) Gcscb. a. altkirchl. Litt. Bd. J S. 442 („die These H.s mag das Richtige
treffen").
2) Spuren binitarischer Denkweise im Abendlande seit Tertullian, Jena
1902, S. 3 („Hamacks Ansetzung ist beizustimmen").
3) Gott. Gel. Anz. 1900 Nr. 4 S. 273.
4) Die allgemeinere Bedeutung des Wortes in der späteren christlichen
lateinischen Litte ratur ist bekannt.
Gyprian nnd PsendocyprianiBches. 3g5
um die Zahlen berechnung der Buchstaben dieses Namens (=» 46) ^
Beide Ausdeutungen des Namens Adam kennt auch Augustin und
bemerkt zu der zweiten: „Haec etiam ab anterioribus, maioribus
nostris, dicta sunt' (in Job. IX, t4, X, 12). Also scheint er unsere
Schrift gekannt zu haben, mit der er sich übrigens auch wörtlich
in diesem Abschnitt berührt'^. Er kannte sie nicht als cypria-
nisch; denn nach seiner Gewohnheit hätte er sonst wahrscheinlich
Cyprians Namen genannt Aber schon in der Schritt De pascha
computus c 16 lesen wir: ^^^titutum est templum in nomine proto-
plasti, qui dictus est Adam, sicut supra diximus, post annos XLVL
sie autem ostenditur in nomine Adam, cum apud Graecos prima
littera nominis eins dicitur alpha /i/a, secunda autem delta rioöaQeg,
tertia iterum alpha /ila et quarta mi reaoaQaxovra, et sie fit
numerus XLVI". Die Stellen sind schwerlich unabhängig vonein-
ander, wie die Form der Berechnung und die Kombination mit
Job. 2, 19flF. beweist Aber nicht der Verfasser der Schrift De
montibus ist der Spätere; denn er begeht den Fehler, den zweiten
Tempel mit dem ersten zu verwechseln, während der Verfasser der
anderen Schrift das Richtige bietet
Auf die Übereinstimmung zwischen unserer Schrift (c. 3) und
dem novatianischen Traktat Adv. Judaeos (c. 2), daß der Berg Sinai
in Kanaan liegt, hat Jnlicher (a. a.0. S. 273) aufmerksam gemacht,
und er sowohl wie Macholz (a. a. 0. S. 4) haben Berührungen
zwischen De montibus und den pseudo-origenistischen Tractatus
angenommen. Die Stellen freilich, auf die dieser verweist (De
mont 9 und Tract XII p. 138, 12flF.), beweisen nichts.
1) „Hie numerus XLVI passionem camis Adae designat, quam Adae camem
in se figuralem Christus portavit et eam in ligno suspendit • . • hie ergo
numerus XLVI passionem deelarat, eo quod VI. millesimo anno hora VI. passus,
resurgens a mortuis XL. die in eaelis ascendit, yel quia Salomon XLVI annis
templum deo fabricaverit, in cuius templi similitudinem Jesus eamem suam esse
dixit". Ich hatt« geglaubt, daß die Annahme, Christus lebe im 6000. Jahre
post creat. mundi einzigartig sei; aber v. D ob schütz hat mich darauf auf-
merksam gemacht, daß es auch die Rechnung xaxa ^AyztoxstQ ist (s. Geiz er,
Aftikanus Bd. 2 S. 1.30). Wie alt sie ist, ist unbekannt. Diodor polemisiert
gegen sie (PseudoJustin, Quaest. ad Orthod. 71).
2) Vgl. Macholz (S. 32ff.), der dies in bezug auf die Christologie aus-
führlich nachweist. Vergleicht man die Tabelle, die er gegeben hat, so drängt
sich die Annahme auf, daß De montibus in De pascha benutzt ist. — Auch im
frühen Mittelalter kannte man die Ableitung des Namens Adam. So heißt es
in den „Joea monachorum" saee. IX., hrsg. von Wölfflin (K. Preuß. Sitzungsber.
1872 S. 110): „Die mihi nomina IV stillarum (so nennt auch unsere Schrift die
Himmelsgegenden), unde ortum est nomen Adam. Responsio: Anatolem, Dysis,
Arctus, Misimbria".
Harnack, Altchrist). Litteraturgesch. n, 2. 25
386 Die Litteratnr des Abendlandes.
Das interessanteste in dem Büchlein ist die volkstümliche
Christologie. Ich habe sie a. a. 0. S. 141 flF. beschrieben. Auch um
ihretwillen (sowie des noch so stark zurücktretenden Gebrauchs
der paulinischen Briefe wegen) wird man nicht gern mit dem
Büchlein über die Mitte des 3. Jahrhunderts heruntersteigen. £twas
80 Naives liest man in der ganzen lateinisch-christlichen Litteratnr
sonst nicht. Indessen sind die Akten über die Schrift noch nicht
geschlossen: sie bedarf einer neuen Edition, die ihre ui*sprüngliche
Farbe rein herstellt, und eines genauen Kommentars. Afrikani-
scher (nicht römischer) Ursprung ist um des Bibeltextes willen
wahrscheinlich.
d) Exhortatio de paenitentia.
Dieser von Trombelli i. J. 1751 zum ersten Male edierte und
als cyprianisch verteidigte, von Hartel nicht abgedruckte, in seiner
Anlage an die beiden cyprianischen Testimonien -Sammlungen er-
innernde Traktat, der jüngst zweimal ediert worden ist (von Wun-
derer, Erlanger Gymn. Progi-amm, 1889 und von Miodonski,
Incerti auctoris Exhort. de paenit, Krakau, 1893), ist in den Cyprian-
Handschriften ziemlich selten und augenscheinlich spät in die
Cyprian-Überlieferung eingedrungen (s. Soden, a.a.O.S. 228f.)^. Da
er nur eine Bibelstellen-Sammlung ist, ist es nicht möglich, ihn mit
einiger Bestimmtheit zu datieren. Der Bibeltext verbietet es — ganz
abgesehen von dem so gut wie nichts bedeutenden Zeugnis der Hand-
schriften — ihn dem Cyprian selbst beizulegen. Dazu kommt das
völlige Schweigen der Überlieferung. Monceaux^ will ihn wenigstens
für einen Zeitgenossen Cyprians retten: „Elle est tres probable-
ment d'uncontemporain et dun compatriote. Si la Version biblique
de l'Exhortatio n'est pas celle de Cyprien, eile s'en rapproche pour-
tant et appartient nettement au meme groupe, celui des testes
„africains". De plus, le traite touche ä une question qni pas-
sionnait alors toute TAfrique, et il est construit sur le modele de
deux ouvrages authentiques de Tfeveque de Carthage. On en doit
conclure, semble-t-il, qu'il est Toeuvre d'un de ses partisans dans
latfaire des lapsi, peut etre d'un clerc de son entourage". Allein
diese Ausführungen beweisen nichts. Die Frage de paenitentia
1) Nicht zu verwechseln ißt er mit der „Paenitentia Cypriani" (s. o. S. 3G9^
die in einigen lateinischen Handschriften denselben Titel führt. Ein Cyprian-
Scholion bei Nicetas (Soden S. 181 f.) gehört wohl zu dieser, jedenfalls nicht
EU unserer Schrift.
2) ffist. litt. II p. 87.
Cyprian und Pseudocyprianisches. 387
liat noch das ganze 4. Jahrhundert beschäftigt, und der Bibeltext
berührt sich, wie Wunderer gezeigt hat, in den 45 Bibelstellen,
die das Schriftchen umfaßt ^ stark mit dem Text des Hilarius von
Poitiers und Lucifer von Calaris. Wunderer ist daher geneigt, die
Sammlung gegen Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrh. (Zeit
Pacians) zu setzen und macht auch eine Beobachtung geltend, die
f&r Spanien als Abfassungsort zu sprechen scheint. Indessen läßt
sich Bestimmteres nicht sagen, als daß die Sammlung vor der Zeit
des Durchdringens der Bibelübersetzung des Hieronymus entstan-
den, daß sie wahrscheinlich nicht römisch ist und daß sie aus der
Zeit herrühi*t, in der man noch mit den Novatianern kämpfen
mußte. Sie kann noch vornicänisch sein; aber irgendeine Gewähr
dafür gibt es nicht 2.
e) Ad Novatianum^.
Diese Schrift, deren Überlieferung der von De pudicitia (s. dort)
genau parallel ist, habe ich dem römischen Bischof Sixtus IL vin-
diziert (257/58), nachdem sie schon Erasmus dem römischen Bischof
Cornelius zugesprochen hatte. In der Kontroverse, die sich über
diese Frage erhoben hat, und in der ich (gegen Benson) noch ein-
mal das Wort genommen habe, handelt es sich um folgende
Fragen:
(1) Stammt die Schrift aus cyprianischer Zeit, aber vor dem
entscheidenden Reskript des Valerian i. J.258? Diese Frage wird
von allen bejaht.
(2) Kann die Schrift vor dem Juli des J. 253 geschrieben sein?
Benson und neuerlichst Nelke haben das gemeint; allein der
letztere auf Grund eines supponierten Nachspiels der decianischen
Verfolgung, das er auch sonst zu begründen strebt und stark aus-
1) Unter ihnen nur sieben aus dem N. T.
2) Auch Barden he wer (a. a. 0. II S. 451) begnügt sich damit, den yon
Wunderer empfohlenen Ansatz zu buchen.
3) Harnack, Eine bisher nicht erkannte Schrift des Papstes Sixtus II.
i. d. Texten u. Unters. Bd. 13 H. 1, 1895. Weyman, Litt. Rundschau 1895
Nr. 11. Jülicher, Theol. Litt.-Ztg. 1896 Kol. 19ff. Schanz, Gesch. der röm.
Litt m, 1896, S. 334f. Funk, Tüb. Quartalschr. Bd. 78, 1896, S. 691if. Benson,
Cyprian, 1897, S. 557 ff. Rombold, Über den Verf. der Schrift Ad Novat. in
d. Tüb. Quartalschr. Bd. 82 S. 546 ff. Harnack, Texte u. Unters. Bd. 20 H. 3,
1900, S. 116ff. (Gegen Benson). Haußleiter, i. Theol. Litt.-Bl. 1900 Kol. 521 ff.
Ehrhard, Die altchristl. Litt. 1900 S. 423ff. Jülicher i. d. Gott. Gel. Anz.
1900 Nr. 4 S. 271f. Nelke, Chronol. d. Korresp. Cyprians, 1902, S. 159ff.
Monceaux, ffist. litt. T. II, 1902, p. 87ft*. Bardenhewer, a. a. 0. Bd. 2, 1903,
S. 444f. V. Soden, a. a. 0. S. 216f.
25*
388 Die Litterator des Abendlandes.
beutet (S. 353), das aber völlig ia der Luft schwebt Unsere Schrift^
in eiuer relativen Friedenszeit geschrieben, setzt ganz deatlich
nicht nur zwei Verfolgnngszeiten, die eben vergangen sind, voraus,
sondern muß auch als zweite die Verfolgung des Gallus und Vo-
lusianus im Auge haben, wenn sie als erste die des De eins be-
zeichnet (c 6: „Duplex emissio [der Taube Noahs] duplicem nobis
persecutionis temptationem ostendit: prima in qua qui lapsi sunt
victi ceciderunt, secundain qua hi ipsi qui ceciderunt victores ezti-
terunt . nulli enim nostrum dubium vel incertum est, illos qui prima
acie, id est Deciana persecutione vulnerati fuerunt hos postea
id est secundo proelio [also ist dies eine andere Verfolgung] ita
fortiter perseverasse, ut contemnentes edicta saecularium prin-
cipum [man beachte den Plural] hoc invictum haberent" eta).
Pragmatisch setzt auch Cyprian eine zweite Verfolgung, nämlich
die des Gallus, genau in demselben Zusammenhang mit der ersten,
wie unser Autor. Also schreibt dieser nach Ablauf der zweiten
Verfolgung, d. h. nach dem Juli 253 und dem Tode des Cornelius.
Also ist unsere Schrift sicher zwischen August 253 und 258. ab-
gefaßt Diesem Nachweise haben auch Weyman, Jülicher, Rom-
bold und Monceaux beigestimmt
(3) Staramt die Schrift von Cyprian? Alle außer Bombold
haben diese Frage verneinte Schon der Bibeltext ist ein nnüber-
steigliches Hindernis. So urteilen auch Bardenhewer und
Haußleiter.
(4) Stammt die Schrift von einem Bischof? Alle haben die
J'rage bejaht; man vgl. bereits den Eingang der Schrift
(5) Stammt die Schrift aus Rom? Jülicher, Rombold, Bar-
denhewer und Monceaux haben das bestritten, Ehrhard, Ben-
son^, Weyman, Nelke' es mit mir bejaht. Der Bibeltext, wie
ich gezeigt habe, weist nach Rom*. Ferner, der Manu, der hier
spricht, spricht mit einer solchen Autorität, daß man nur an Cyprian
1) Doch findet Jalicher, 1806 Kol. 20, daß die Unmöglichkeit, den Trak-
tat Cyprian zuzuschreiben, noch nicht ausreichend dargetan sei. Für den, der
die Konstanz des Bibeltextes Cyprians kennt und der sich mit dem Stil Gyprians
völlig vertraut gemacht hat, kann hier keine Frage mehr bestehen. Der Verf.
hat Cyprian aufs fleißigste gelesen und sich an ihm gebildet, aber man kann
aus mehreren Kapiteln beweisen, daß er nicht Cyprian selbst sein kann. Dasa
müßte die Geschichte des Traktats in der Überlieferung und in den Hand*
Schriften eine ganz andere sein, wenn er von Cyprian selbst herröhrte.
2) Rom oder Italien.
3) Nelke sucht zu erweisen, daß der Bischof Cornelius der Yerf&saer sei
(wie Erasmus), was aber durch die Zeit ausgeschlossen ist.
4) Auch die Verfolgung des Gallus ist, soviel wir wissen, nur für Rom
wirklich von Bedeutung gewesen, nicht für Afrika.
Gyprian und Pseadocypriaiiisohes. 3g9
oder an einen romischen Bischof denken kann (s. anch Nelke).
Wo sollte denn sonst in diesem geistig ganz armen Zeitalter des
Abendlandes ein solcher Mann gefunden werden? Selbst Novatian
hat keine geistig bedeutenden Bischöfe im Abendland um sich zu
sammeln vermocht Es wai*en eben keine vorhanden. Unsere
Schrift stammt aber wie von einem höchst autoritativen, so auch
von einem geistig recht bedeutenden Autor. Endlich — man kann
es niemandem andemonstrieren, daß der Bischof, der hier spricht,
Novatian selbst neben sich hat und nicht nur eine novatianische
Kirche. Mir ist dieser Eindruck ein ganz sicherer, und deshalb
lassen mich alle die vagen Hinweise, die Schrift könnte auch in
irgend einer Provinzialstadt verfaßt sein, völlig unerschüttert ^
Da nun die Schiift zwischen Aug. 253 und 258 abgefaßt ist und
von einem römischen Bischof herrührt, so kann sie, weil Stephanus aus-
geschlossen ist (er kann nicht in dieser Weise von Cyprian gelernt
und seine Gedanken sich angeeignet haben) und weil auch an
Lucius nicht zu denken ist (er wurde selbst zuerst noch von den
Nachwehen der Gallus- Verfolgung betroffen, regierte nur einige
Monate, und Cyprian hätte ihn als Autor dieser Schrift nennen
müssen, wenn er sie geschrieben hätte), nur von Sixtus IL her-
rühren^. Ich glaube, daß eben die Stringenz dieses Schlusses —
wir sind in der Kritik selten in der Lage, so stringente
Schlüsse ziehen zu können — manche Kritiker abgeschreckt hat
Sie wollen sich nicht gefangen geben, argwöhnend, daß ein so
sicherer Beweis eine Falle sein müsse. Der Beweis aber hat kein
punctum minoris resistentiae ; denn auch die Voraussetzung, der
Traktat stamme aus Bom, ist, wie bemerkt, zuverlässig. Es gibt
nur eine Möglichkeit zu entfliehen: man kann versuchen, den Trak-
tat als eine unter dem Namen Cyprians angefertigte Stilübung auf-
zufassen. Daran ist auch schon gedacht worden, aber, wie mir
scheint, läßt sich diese Hypothese schlechterdings nicht glaubhaft
machen.
Ich habe in meiner ersten größeren Abhandlung noch manches
Einzelne angeführt, um die Abfassung durch Sixtus (257/58) zu
1) Hat man anderBWO als in Rom gettchrieben: „unde et dominus Christus
Petro sed et ceteris discipulis suis mandat dicens: Euntes evangelizate gentibus,
baptizantes'' etc.? — Monceaux (p. 89) behauptet, entscheidend sei für Afrika,
daß es c. 3 heiße: „Sacramentum baptismatis quod in salutem generis humani
provisum et soli ecclesiae caelesti ratione celebrare [permissum]". Als ob man
in Rom das nicht behauptet hätte, obgleich man die Ketzertaufe gelten ließ!
2) Daß das Verhältnis des Sixtus zu Cyprian ein anderes war als das des
Stephanus läßt sich aus Cypr. ep. 80 und aus der Vita Cypriani schließen, wo
Sixtus ,,bonus et pacificus" genannt wird.
390 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
erhärten und die Abfassungsverhältnisse unter Berücksichtigang
dessen, was wir sonst von Novatian und seiner Bewegung wissen,
zu erläutern. Es würde zu weit führen, diese Ausführungen hier
zu wiederholen und die kleinen Korrekturen vorzunehmen, die mir
jetzt nötig erscheinen. Bemerkt sei nur noch, daß im Praedestin.
c. 38 zu lesen steht: „Contra Novatum beatus Xystus martyr et
episcopus et venerabilis Cyprianus martyr Christi, tuncCarthagi-
niensis pontifex, scripsit contra Novatum librum de lapsis, quod
possint per paenitentiam recuperai*e gratiam quam labende perdi-
derant, quod Novatus adserebat fieri omnino non posse". Dieses
Zeugnis ist auch nach den wichtigen Nach Weisungen, die von
Schubert^ über den schon früher sattsam bekannten Unwert der
geschichtlichen Angaben des Prädestinatus gegeben hat, doch nicht
einfach beiseite zu schieben. So spärlich die nicht erfundeneu,
sondern überlieferten Angaben des Buchs sind, so gewiß ist es,
daß die Angabe, Cyprian habe gegen Novatus (Novatian) geschrie-
ben, nicht erfunden ist Also kann auch die Nachricht, daß Sixtns
gegen ihn aufgetreten ist bez. gegen ihn geschrieben hat (letzteres
folgt nicht ganz sicher aus dem Text), auf Überlieferung beruhen,
ja mir scheint das um des Zusammenhangs willen sehr naheliegend
zu sein 2. Prädestinatus hat der Oberlieferung entnommen, daß
Sixtus und Cyprian gegen Novatian aufgetreten sind. Wäre er
der Briefsammlung Cyprians gefolgt, so hätte er Cornelius und
Cyprian nennen müssen. Warum nennt er jenen nicht, sondern
8ixtus? Weil Cornelius keinen Traktat gegen Novatian ver-
faßt hat».
f) Ad Vigilium de Judaica incredulitate^
Die handschriftliche Überlieferung dieses noch am wenigsten
untersuchten pseudocyprianischen Traktats führt auf Cod. T zurück.
1) Der sog. Pi-ädestinatus, i. d. Texten u. Unters. Bd. 24 H. 4, 1903.
2) Schubert hat auch gezeigt, daß der Autor dieses Buchs in Rom
schrieb.
3) Ehrhard schreibt (a. a. 0. S. 426): „Tch halte Hamacks Resultat für
gesichert" (s. auch seine Gegenbemerkungen gegen die Einwürfe von Jülicher).
Weyman, Krüger (Litt. Zentralbl. 1895 Kol. 1393 f.), Loofs (Deutsche liti-
Ztg. 1895 Nr. 47), Krüger und Haußleiter erklärten es für sehr wahrschein-
lich. Schanz vermißte völlig durchschlagende Argumente noch. Bedenken
äußerte auch Funk (Tüb. Quartalschrift 1896 S. 691 fF. KGesch. AbhandL u.
Unters. Bd. 2, 1899, S. 236).
4) S. Hartel, Opp. Cypr., Praef. p. LXIII. Harnack, Texte u. Unters.
1, 1, 1883, S. 119ff. Zahn, Forschungen Bd. 4, 1891, S. 310flF. 320f. Macholz,
Spuren binitarischer Denkweise im Abendland, Jena 1902, S. öflf. Soden,
a. a. 0. S. 220 f. Ficker, Studien zu Vigilius von Thapsus, Leipzig 1897.
Cyprian und PBeadocvprianisches. 381
Hippolyt findet sich in der Tat im Vergleich mit den Späteren
noch recht viel Apokryphes. Hat in bezag auf die Bibel die nova-
tianische Gemeinde eine ähnliche Bewegung erlebt, wie sie später
Priscillian in seinem Kreise in Szene gesetzt hat? Nur die Fragen
vermögen wir aufzuwerfen. Eine Antwort gibt es zurzeit nicht
Bemerkenswert ist, daß der römische schismatische Bischof mit
demselben Selbstbewußtsein spricht, wie Kailist, Stephanus und
ihre Nachfolger. Die Victor -Hypothese halte ich für schwer ge-
fährdet und kaum zu halten; aber wie sie einen Kern des Rich-
tigen enthält, so glaube ich mit ihr der fortschreitenden Erkenntnis
einen Dienst getan zu haben. Sie war wahrscheinlich ein Irrtum,
aber kein unfruchtbarer. Hält man die jetzt vorgeschlagene Hypo-
these fiir unannehmbar, so müßte man zu Victor zurückkehren.
Kann die Schrift Ad aleatores dem Victor nicht beigelegt
werden, so sind wir außer stände, des Hieronymus Behauptung zu
bestätigen, Victor sei der erste lateinische christliche Schriftsteller
gewesen. Es erhebt sich aber dann die Frage, ob wir dem Hiero-
nymus überhaupt hier trauen dürfen. Zwar im Schriftstellerkatalog
bezeichnet er indirekt (c. 34) und direkt (c. 53) Victor als den
ersten lateinischen Schriftsteller, aber in der einige Jahre später
geschriebenen Epistula ad Magnum (s. oben S. 370) räumt er diesen
Platz dem TertuUian ein und schweigt über Victor vollständig.
Dieser Rückzug ist am einfachsten so zu erklären, daß die „me-
diocria Volumina de religione" (bez. die „alia quaedam opuscula"
über die opuscula in der Passahfrage hinaus) nicht selbständige
Traktate, sondern offizielle Schreiben (Enzyklika) waren, die grie-
chisch und lateinisch existierten und die man als schriftstellerische
Erzeugnisse sowohl zählen als auch nicht zählen konnte (s. Bar-
den he wer, Gesch. der altkirchl. Litt. l. Bd. S. 530 f., der darauf
aufmerksam macht, daß Hieron., de vir. inl. 45, in einem Atemzug
Polykrates' Brief gegen Victor „epistula synodica" imd „opusculum**
nennt). Schwierigkeiten macht allerdings bei dieser Erklärung
der Ausdruck „De religione" ^
b) De pascha computus.
Daß diese Schrift i. J. 243 (und zwar vor Ostern) verfaßt ist,
sagt sie selbst in c. 22: ,,a quo tempore id est a passione usque
1) Sehr eingehend hat über die Notizen des Hieronymus, Victor betreffend,
Schöne gehandelt in seiner Schrift: Die Welt<jhronik des Eusebius in ihrer
Bearbeitung durch Hieronymus (1900) S. 181—201. Er sucht zu erweisen, daß
ilie beiden Eintragungen über Victor schon dem Eusebius angehören, obgleich
sie im Armenier fehlen, und daß sie auf Schriften Victors im Osterstreit zu
}»eziehen sind.
382 ^1^ Litteratur des Abendlandes.
ad annum V. Gordiani Aniauo et Papo coss. soppleti sunt ann
CCXV^'. So ist sie eiu kostbares Denkmal; denn sie ist die ein-
zige größere und noch dazu sicher zu datierende Schrift aus der
lateinischen Kirche, die wir nach Tertullian und Hippolyt und tot
Cyprian besitzen. Dem entspricht, daß ihr das lateinische Gewand
noch fremd ist; es liegt wie ein leichter Schleier auf ihren Äo»-
fuhrungen und ihrem Stile. Daß die Schrift sich die Au^abe
gestellt hat, den Osterkanon des Hippolyt zu berichtigen, hat Huf-
mayr, Die pseudocyprianische Schrift De pascha computus (Aog»-
bürg, 1896), erwiesen. Vor ihm hatten sich nur de Rossi (Inscr.
(•hrist. I p. LXXXff.) und Duchesne (Origines da culte chretien
p. 247. 266 etc.) mit der Schrift beschäftigt K Dem Anonymus ist
die Korrektur nicht gelungen; auch seine Berechnung ist fehler-
haft^, obgleich er ein anerkennenswertes Wissen zeigt und filtere
Arbeiten über das Problem gekannt und erwogen hat. Aber er
hat die Aufgabe unter falschen Prämissen zu lösen versucht. Seiner
Sache aber ist er so sicher, daß er die Lösung auf die unendliche
(jüte Gottes, die unbegreifliche Barmherzigkeit Christi, ja die In-
spiration Gottes (c 1) zurückführt und nun Unfehlbarkeit f&r sie
in Anspruch nimmt: „nunquam posse Christanos a via veritatis
errare''. Eine eingehende Untersuchung des in mehr als einer
Hinsicht inhaltsreichen Traktats fehlt noch ^, und vor einer solchen
wäre es gewagt, sich auf die Entstehungsverhältnisse näher ein-
zulassen. Meine Bemühungen um ihn sind noch nicht zum Ab-
schluß gekommen. Monceaux (Hist. litt II p. 99flF., cf. I p. 121?
hat einiges vom Inhalt des Werkes näher ins Auge gefaßt Er
1) Vgl. auch Schanz, Rom. Litt. Ill, 181)0, S. 3:«f.
2) Er entfiTut sicli von lIii)polyt nicht weit; denn auch er fußt auf eineui
sechzehn jährigen Zykhis (genannt hat er übrigens keinen seiner „antecessoree*" .
Die astronomische Naivität des Verfassers zeigt sich sofort, nämlich in seinem
Ausgangspunkt. Der Fehler der früheren soll lediglich auf falscher Deutan^
der einschlagenden Schriftstellen beruhen; alles komme in Ordnung, wenn man
ans der h. Schritt den ersten Tag des ersten Monats bestimme. Die Entdeckung'
des Verfassers beniht nun darin, daß man den ersten Mond nicht vom 1.,
sondern vom 4. Weltschöpfungstage zu berechnen habe. Cf c. 1: „Malte qui-
dem non niodico tempore anxii fnimus et aestuantes non in sacculajibus seil
in sanctis et divinis scripturis quaerentes invenire, quisnam esset primns di^>
novi mensis, in ([uo niense praeceptum est ludaeis in Aegypto pro XIV. lun;«
iramolare ])a8cha".
3) Hufmayrs Arbeit wollte keine umfassende Monographie sein. —
Einzigartiges und Altertümliches findet sich genug in dem Büchlein: man muß
sich wundern, daß es so vernachlässigt ist. Der Name des Verfassers muß deü
ersten Lesern bekannt gewesen sein; denn versteckt zu bleiben, hat der Ver-
fasser gewiß nicht angestrebt.
Gyprian und Pseudocyprianisches. 393
(5) Die Christologie ist, wie Macholz gezeigt hat, höchst
altertümlich, und zwar nicht nur an einer Stelle S sondern darch-
gehends. Der „Spiritus sanctus" und „Christus" werden einfach
identifiziert (c. 7: „Spiritus sanctus id est Christus dominus noster"',
cf. c. 1: „loquitur Spiritus sanctus: Hierusalem, Hierusalem etc."
Christus der Paraklet; der h. Geist hat sein Kommen [nämlich in
Christus] selbst vorausgesagt etc.). Mit der Schrift „De monti-
bus" stimmt die unsrige in dieser Christologie zusammen 2. Sollte
sie noch am Ende des 5. Jahrh. in Afrika gegolten haben??
(6) Nach c 3 ist der alte Simeon, der den Herrn auf die Arme
genommen hat, blind gewesen und dann sehend geworden? Sind
solche Targume im 3. Jahrhundert nicht leichter verständlich als
im fünften?
(7) Der Bibeltext ist — worauf ich schon früher aufmerksam
gemacht habe — vorhieronymianisch. Macholz hat ihn S. 11—15
zu untersuchen begonnen und jedenfalls gezeigt, daß der Bibeltext
kein Hindernis bildet, die Schrift ins 3. Jahrb. zu versetzen.
Ich halte diese Gründe für stärker als die schmalen Beobach-
tungen, die für eine sehr viel spätere Zeit zu sprechen scheinen.
Genauere sprachliche Untersuchungen vorbehalten, um die ich
Weyman, den besten Kenner dieser Latinität, ersuche, glaube ich
zurzeit den Traktat der Valerianischen oder Maximianischen Ver-
folgung zuweisen zu müssen \ Die tertuUianisch-cyprianische Büß-,
Verdienst- und Satisfaktions- Anschauungen liegen dem Schriftchen
jedenfalls zugrunde.
g) De rebaptismate^.
Der liber de rebaptismate ist die aktuellste Schrift unter den
1) Zahn sah in ihr einen Einfluß des alten Dialogs auf den Verfasser.
2) Auch mit Abschnitten der Tractatus Pseudoorigenis berührt sie sich
und mit Pseudocyprian, Adv. Jud. Eine interessante Parellele hat Macholz
(S. 11) zu Hippolyt, De antichristo c. 61 mit Ad Vigil. c. 6 entdeckt.
3) Für Vigilius v. Trident (saec. V init.) spricht noch weniger als flir
Vigilius von Thapsus.
4) Nach den Arbeiten Tillemonts, Höflings, Rouths und Fechtrups
?. Ernst, Wann und wo wurde der Liber de rebapt. verfaßt? in d. Ztschr. f.
kathol. Theol. Bd. 20, 1896, S. 193ff. 360ff. Bd. 22, 1898, S. 179f. Benson,
€yprian, 1897, S. 390 ff. Schüler, Der pseudocypr. Traktat de rebapt., Marburg
1897 (auch abgedruckt i. d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 40, 1897, S. 555 ff.).
Lüdemann i. Theol. Jahresbericht 1897 S. 196. 1898 S. 208f. Czapla,
<iennadiu8 als Litterarhistoriker, Münster 1898, S. 66ft'. Ernst, Wann und wo
wurde der Lib. de rebapt. verfaßt? i. d. Histor. Jahrbuch Bd. 19, 1898, 8.499 ff.
737 ff Zahn i. Theol. Litt.-Blatt 1899 Nr. 27 und in seinem Kommentar zu
Matth. (1903) S. 24. Beck, Der Liber de rebapt. und die Taufe, im „Katholik"
384 ^0 Litteraiur dei AbencDandei,
Die Zeitbestimmung, die ich als wahrscheinlichste empfohlen habe,
nämlich die Jahre 0.210—240 (200—245), IstYon Bardenhewer^
und Macholz anerkannt^. Jülicher' hat die Beweisführnng nii-
yerständlich gefunden, selbst aber auf eine Zeitbestimmung lre^
ziehtet Ich wiederhole die GrQiide: der terminns a quo ergibt
sich aus der wahrscheinlichen Benutzung des Apologetikums Ter-
tuUians (und vielleicht auch des Irenftus); ferner aus der Beobach-
tung, daß der Verf. in seiner Christologie zwar deutlich von Her-
mas abhängig ist, ihn aber nicht unter den h. Schriften erwIhnL
Dazu kommt, wie ich jetzt hinzufOge, die Benutzung der Acta
Johannis; denn die Annahme liegt sehr nahe, daß das rätselhafte
Zitat in c. 13 aus einem apokryphen, sonst ganz nnbekanntea
„Brief des Johannes (ad Paulum? ad populum?), wo Christus
spricht: „Ita me in vobis videte, quomodo quis vestrnm se videt
in aquam aut in speculum'*, nicht unabhängig ist von der Stelle in
den Acta Johannis (James, Texts and Stud. V, p. 12): 'EkHUirQOP
sl/il 601 T<p voGovvxi (iB, Dicso Bcziehung wird noch wabrschein-
liclier, wenn man erwägt, daß „epistula'^ nicht „Brief zu bedeuten
braucht \ und daß es an unserer Stelle schwerlich diese Bedentang
hat; denn daß Christus in einem Briefe in direkter Bede sprechend
eingefühii; worden sei, ist unwahrscheinlich. Also wird „epistola'^
als „Anweisung"' zu verstehen sein (in diesem {"alle ist „ad popu-
lum" zu lesen), und genieint ist die hymnische Gtebetsanweisung in
den Acta Johannis, in der die Stelle {JboonxQov xtX.) steht und die
auch Augustin zitiert hat
Der terminns ad quem ergibt sich aus der Beobachtung, daS
der Verfasser in der Anfangszeit der christlich-lateinischen Littera-
tnr schreibt, von Cyprian unabhängig ist und daß seine Bibel in
ihrem Textstande ein höchst altertümliches Gepräge trägt. A.a.O.
habe ich noch auf Benutzungen des Traktats in der Schrift De
pascha compiitus und bei Augustin aufmerksam gemacht, aber hin-
zugefügt (S. 146), daß man diese Beziehungen auch für unsicher
halten kann. Es handelt sich um die (aus dem [slawischen] Henoch
stammende) Ableitung des Namens Adam aus den Anfangsbuch-
staben der vier Worte Anatole, Dysis, Arctus, Mesembrion, sowie
1) Gesch. d. altkirchl. Litt. Bd. 2 S. 442 („die These H.8 mag das Richtig«
treflfen").
2) Spuren bini tarischer Denkweise im Abendlande seit Teitullian, Jen»
1902, S. 3 („Harnacks Ansetzung ist beizustimmen").
3) Gott Gel. Anz. 1900 Nr. 4 S. 273.
4) Die allgemeinere Bedeutung des Wortes in der sp&teren chrigtlichen
lateinischen Litteratur ist bekannt.
Gyprian nnd PBeadocyprianiBches. 3g5
um die Zahlenberechnang der Buchstaben dieses Namens («= 46) ^
Beide Ausdeutungen des Namens Adam kennt auch Augustin und
bemerkt zu der zweiten: ^Haec etiam ab anterioribus, maioribus
nostris, dicta sunt*' (in Joh. IX, t4, X, 12). Also scheint er unsere
Schrift gekannt zu haben, mit der er sich übiigens auch wörtlich
in diesem Abschnitt berührt'^. Er kannte sie nicht als cypria-
nisch; denn nach seiner Gewohnheit hätte er sonst wahrscheinlich
Cyprians Namen genannt Aber schon in der Schrift De pascha
computus c 16 lesen wir: ,3^stitutum est templum in nomine proto-
plasti, qui dictus est Adam, sicut supra diximus, post annos XLVL
sie autem ostenditur in nomine Adam, cum apud Graecos prima
littera nominis eins dicitur alpha /lea, secunda autem delta riooaQeg^
tertia iterum alpha iila et quarta mi xBOoaQoxovxa, et sie fit
numerus XLVI". Die Stellen sind schwerlich unabhängig vonein-
ander, wie die Form der Berechnung und die Kombination mit
Joh. 2, 19flF. beweist Aber nicht der Verfasser der Schrift De
montibus ist der Spätere; denn er begeht den Fehler, den zweiten
Tempel mit dem ersten zu verwechseln, während der Verfasser der
anderen Schrift das Richtige bietet
Auf die Übereinstimmung zwischen unserer Schrift (c. 3) und
dem novatianischen Traktat Adv. Judaeos (c. 2), daß der Berg Sinai
in Kanaan liegt, hat Jülich er (a. a.O. S. 273) aufmerksam gemacht,
und er sowohl wie Macholz (a. a. 0. S. 4) haben Berührungen
zwischen De montibus und den pseudo-origenistischen Tractatus
angenommen. Die Stellen freilich, auf die dieser verweist (De
mont 9 und Tract XII p. 138, 12flF.), beweisen nichts.
1) „Hie numerus XLVI passionem camis Adae designat, quam Adae camem
in se figuralem ChristuB portavit et eam in ligno suspendit • . • hie ergo
numerus XLVI passionem deelarat, eo quod VI. mülesimo anno hora VI. passus,
resurgens a mortuis XL. die in eaelis aseendit, vel quia Salomon XLVI annis
templum deo fabricavcrit, in euius templi similitudinem Jesus eamem suam esse
dixit". Ich hatt« geglaubt, daß die Annahme, Christus lebe im 6000. Jahre
post creat. mundi einzigartig sei; aber y. Dobsehütz hat mieh darauf auf-
merksam gemacht, daß es auch die Rechnung xaxä ^AvxtoxslQ ist (s. Geiz er,
Afrikanus Bd. 2 S. 130). Wie alt sie ist, ist unbekannt. Diodor polemisiert
gegen sie (PseudoJustin, Quaest. ad Orthod. 71).
2) Vgl. Macholz (S. 32 ff.), der dies in bezug auf die Christologie aus-
liihrlich nachweist. Vergleicht man die Tabelle, die er gegeben hat, so drftngfe
sich die Annahme auf, daß De montibus in De pascha benutzt ist. — Auch im
frühen Mittelalter kannte man die Ableitung des Namens Adam. So heißt es
in den „Joca monachorum" saec. IX., hrsg. von Wölfflin (K. Preuß. Sitzungsber.
1872 S. 110): „Die mihi nomina IV stillarum (so nennt auch unsere Schrift die
Himmelsgegenden), unde ortum est nomen Adam. Responsio: Anatolem, Dysis,
Aretus, Misimbria".
Harnack, Altchristi. Litteraturgesch. II, 2. 25
386 Die Litteratnr des Abendlandes.
Das interessanteste in dem Büchlein ist die volkstfimlicbe
Cliristologie. Ich habe sie a. a. 0. S. 141 ff. beschrieben. Auch nm
ihretwillen (sowie des noch so stark zurücktretenden Gebrauchs
der paulinischen Briefe wegen) wird man nicht gern mit dem
Büchlein über die Mitte des S.Jahrhunderts heruntersteigen. £twas
so Naives liest man in der ganzen lateinisch-christlichen Litteratiur
sonst nicht. Indessen sind die Akten über die Schrift noch nicht
geschlossen: sie bedarf einer neuen Edition, die ihre ursprüngliche
Farbe rein herstellt, und eines genauen Kommentars. Afrikani-
scher (nicht römischer) Ursprung ist um des Bibeltextes willen
wahrscheinlich.
d) Exhortatio de paenitentia.
Dieser von Trombelli i. J. 1751 zum ersten Male edierte und
als cyprianisch verteidigte, von Hartel nicht abgedruckte, in seiner
Anlage an die beiden cyprianischen Testimonien -Sammlungen e^
innernde Traktat, der jüngst zweimal ediert worden ist (von Wun-
derer, Erlanger Gymn. Progi-amm, 1889 und von Miodonski,
Incerti auctoris Exhort. de paenit, Krakau, 1893), ist in den Cyprian-
Handschriften ziemlich selten und augenscheinlich spät in die
Cyprian-Überlieferungeingedrungen(s. Soden, a.a.O.S. 228f.)^ Da
er nur eine Bibelstellen-Sammlung ist, ist es nicht möglich, ihn mit
einiger Bestimmtheit zu datieren. Der Bibeltext verbietet es — ganz
abgesehen von dem so gut wie nichts bedeutenden Zeugnis der Hand-
schriften — ihn dem Cyprian selbst beizulegen. Dazu kommt das
völlige Schweigen der Überlieferung. Monceaux^ will ihn wenigstens
für einen Zeitgenossen Cyprians retten: „Elle est tres probable-
ment d'uncontemporain et d'un compatriote. Si la Version biblique
de l'Exhortatio n'est pas celle de Cyprien, eile s'en rapproche poar-
tant et appartient nettement au meme groupe, celui des testes
„africains". De plus, le traite touche ä une question qui pas-
sionnait alors toute TAfrique, et il est construit sur le modele de
deux ouvrages authentiques de l'öveque de Carthage. On en doit
eonclure, semble-t-il, quil est Toeuvre d'un de ses partisans dans
latf'aire des lapsi, peut etre d'un clerc de son entonrage". Allein
diese Ausführungen beweisen nichts. Die Frage de paenitentia
1) Nicht zu verwechseln ist er mit der „Paenitentia Cypriani" (g, o. S. 360'.
die in einigen lateinischen Handschriften denselben Titel führt. Ein Gyprian-
Scholion bei Nicetas (Soden S. 181 f.) gehört wohl zu dieser, jeden&lls nicht
SU unserer Schrift.
2) Hist. litt. II p. 87.
Gyprian und PaendocypriaiuBches. 387
hat noch das ganze 4. Jahrhandert beschäftigt, und der Bibeltext
berührt sich, wie Wunderer gezeigt hat; in den 45 Bibelstellen,
die das Schriftchen umfaßt ^ stark mit dem Text des Hilarius yon
Poitiers und Lucifer yon Calaris. Wunderer ist daher geneigt, die
Sammlung gegen Ende des 4. oder Anfang des 5. Jahrh. (Zeit
Padans) zu setzen und macht auch eine Beobachtung geltend, die
f&r Spanien als Äbfassungsort zu sprechen scheint Indessen läßt
sich Bestimmteres nicht sagen, als daß die Sammlung vor der Zeit
des Durchdringens der Bibelübersetzung des Hieronymus entstan-
den, daß sie wahrscheinlich nicht römisch ist und daß sie aus der
Zeit herrührt, in der man noch mit den Novatianem kämpfen
mußte. Sie kann noch vomicänisch sein; aber irgendeine Gewähr
dafär gibt es nicht 2.
e) Ad Novatianum^
. Diese Schrift, dei*en Überlieferung der von De pudicitia (s. dort)
genau parallel ist, habe ich dem römischen Bischof Sixtus IL vin-
diziert (257/58), nachdem sie schon Erasmus dem römischen Bischof
Cornelius zugesprochen hatte. In der Kontroverse, die sich über
diese Frage erhoben hat, und in der ich (gegen Benson) noch ein-
mal das Wort genommen habCi handelt es sich um folgende
Fragen:
(1) Stammt die Schrift aus cyprianischer Zeit, aber vor dem
entscheidenden Reskript des Valerian i. J.258? Diese Frage wird
von allen bejaht.
(2) Kann die Schrift vor dem Juli des J. 253 geschrieben sein?
Benson und neuerlichst Nelke haben das gemeint; allein der
letztere auf Grund eines supponierten Nachspiels der decianischen
Verfolgung, das er auch sonst zu begründen strebt und stark aus-
1) Unter ihnen nur sieben aus dem N. T.
2) Auch Bardenhewer (a. a. 0. II S. 451) begnügt sich damit, den von
Wunderer empfohlenen Ansatz zu buchen.
3) Harnacky Eine bisher nicht erkannte Schrift des Papstes Sixtus II.
i. d. Texten u. Unters. Bd. 13 H. 1, 1895. Weyman, Litt. Rundschau 1895
Nr. 11. Jülicher, Theol. Litt.-Ztg. 1896 Kol. 19ff. Schanz, Gesch. der röm.
Litt m, 1896, S. 334f. Funk, Tüb. Quartalschr. Bd. 78, 1896, S. 691ff. Benson,
Cyprian, 1897, S. 557 ff. Rombold, Über den Verf. der Schrift Ad Novat. in
d. Tüb. Quartalschr. Bd. 82 S. 546ff. Harnack, Texte u. Unters. Bd. 20H. 3,
1900, S. 116ff. (Gegen Benson). Haußleiter, i. Theol. Litt.-Bl. 1900 KoL 621ff.
Ehrhard, Die altchristl. Litt. 1900 S. 423ff. Jülicher i. d. GOtt. Gel. Anz.
1900 Nr. 4 S. 271f. Nelke, Chronol. d. Korresp. Cyprians, 1902, S. 159ff.
Monceaux, Hist. litt. T. II, 1902, p. 87ff. Bardenhewer, a. a. 0. Bd. 2, 1903,
S. 444f. y. Soden, a. a. 0. S. 216£
3gg Die Litteratur des Abendlandes.
beutet (S. 353), das aber völlig In der Luft schwebt unsere Schrift^
in einer relativen Friedenszeit geschrieben, setzt ganz deatlich
nicht nur zwei Verfolgungszeiten, die eben vergangen sind, voran
sondern muß auch als zweite die Verfolgung des Gallas nnd Vo-
lusianus im Auge haben, wenn sie als erste die des Decius be-
zeichnet (c 6: „Duplex emissio [der Taube Noahs] duplicem nobis
persecutionis temptationem ostendit: prima in qua qoi lapsi sont
victi ceciderunt, secundain qua hi ipsi qui ceddemnt victores wti-
terunt . nulli enim nostrum dubium vel incertum est, illos qoi prima
acie, id est Deciana persecutione vulnerati foerunt hos postea
id est secundo proelio [also ist dies eine andere Verfolgung] ita
fortiter pei*severasse, ut contemnentes edicta saecularinm prin-
cipum [man beachte den Plural] hoc invictum haberent*' ^c).
Pragmatisch setzt auch Cyprian eine zweite Verfolgung, nämlich
die des Gallus, genau in demselben Zusammenhang mit der ersten,
wie unser Autor. Also schreibt dieser nach Ablauf der zweiten
Verfolgung, d. h. nach dem Juli 253 und dem Tode des Cionieliiis.
Also ist unsere Schrift sicher zwischen August 253 und 258. ab-
gefaßt Diesem Nachweise haben auch Weyman, Jülicher, Rom-
bold und Monceaux beigestimmt
(3) Stammt die Schrift von Cyprian? Alle außer Bombold
haben diese Frage verneinte Schon der Bibeltext ist ein nnfiber-
steigliches Hindernis. So urteilen auch Bardenhewer und
Haußleiter.
(4) Stammt die Schrift von einem Bischof? Alle haben die
Frage bejaht; man vgl. bereits den Eingang der Schrift
(5) Stammt die Schrift aus Rom? Jülicher, Rombold, Bar-
denhewer und Monceaux haben das bestritten, Ehrhard, Ben-
son^, Weyman, Nelke ^ es mit mir bejaht Der Bibeltext, wie
ich gezeigt habe, weist nach Rom*. Ferner, der Manu, der hier
spricht, spricht mit einer solchen Autorität, daß man nur an Cyprian
1) Doch findet J flu eher, 1800 Kol. 20, daß die Unmöglichkeit, den Trak-
tat Cyprian zuzuschreiben, noch nicht ausreichend dargetan sei. Für den, der
die Konstanz des Bibeltextes Cyprians kennt und der sich mit dem Stil Gyprians
völlig vertraut gemacht hat, kann hier keine Frage mehr bestehen. Der Ver£
hat Cyprian aufs fleißigst^i gelesen und sich an ihm gebildet, aber man kann
aus mehreren Kapiteln beweisen, daß er nicht Cyprian selbst sein kann. Dan
müßte die Geschichte des Traktats in der Überlieferung und in den Ebuid-
Schriften eine ganz andere sein, wenn er von Cyprian selbst herrührte.
2) Rom oder Italien.
3) Nelke sucht zu erweisen, daß der Bischof Cornelius der Verfiuaer sei
(wie Erasmus), was aber durch die Zeit ausgeschlossen ist.
4) Auch die Verfolgung des Gallus ist, soviel wir wissen, nur för Rom
wirklich von Bedeutung gewesen, nicht für Afrika.
Cyprian und PBeadocjpiiamsQhes. 3g9
oder an eiDen römischen Bischof denken kann (s. auch Nelke).
Wo sollte denn sonst in diesem geistig ganz armen Zeitalter des
Abendlandes ein solcher Mann gefanden werden? Selbst Novatian
hat keine geistig bedeutenden Bischöfe im Abendland um sich zu
sammeln vermocht Es wai*en eben keine vorhanden. Unsere
Schrift stammt aber wie von einem höchst autoritativen, so auch
von einem geistig recht bedeutenden Autor. Endlich — man kann
es niemandem andemonstrieren, daß der Bischof, der hier spricht,
Novatian selbst neben sich hat und nicht nur eine novatianische
Kirche. Mir ist dieser Eindruck ein ganz sicherer, und deshalb
lassen mich alle die vagen Hinweise, die Schrift könnte auch in
irgend einer Provinzialstadt verfaßt sein, völlig unerschüttert ^.
Da nun die Schiift zwischen Aug. 253 und 258 abgefaßt ist und
von einem römischen Bischof herrührt, so kann sie, weil Stephanus aus-
geschlossen ist (er kann nicht in dieser Weise von Cyprian gelernt
und seine Gedanken sich angeeignet haben) und weil auch an
Lucius nicht zu denken ist (er wurde selbst zuerst noch von den
Nachwehen der Gallus- Verfolgung betroffen, regierte nur einige
Monate, und Cyprian hätte ihn als Autor dieser Schrift nennen
müssen, wenn er sie geschrieben hätte), nur von Sixtus IL her-
rühren 2. Ich glaube, daß eben die Stringenz dieses Schlusses —
wir sind in der Kritik selten in der Lage, so stringente
Schlüsse ziehen zu können — manche Kritiker abgeschreckt hat
Sie wollen sich nicht gefangen geben, argwöhnend, daß ein so
sicherer Beweis eine Falle sein müsse. Der Beweis aber hat kein
punctum minoris resistentiae; denn auch die Voraussetzung, der
Traktat stamme aus Bom, ist, wie bemerkt, zuverlässig. Es gibt
nur eine Möglichkeit zu entfliehen: man kann versuchen, den Trak-
tat als eine unter dem Namen Cyprians angefertigte Stilübung auf-
zufassen. Daran ist auch schon gedacht worden, aber, wie mir
scheint, läßt sich diese Hypothese schlechterdings nicht glaubhaft
machen.
Ich habe in meiner ersten größeren Abhandlung noch manches
Kinzelne angeführt, um die Abfassung durch Sixtus (257/58) zu
1) Hat man anderswo als in Rom geschrieben: „unde et dominus Christus
Petro sed et ceteris discipulis suis mandat dicens: Euntes evangelizate gentibus,
bapÜzantes'' etc.? — Monceaux (p. 89) behauptet, entscheidend sei fiir Afrika,
daß es c. 3 heiße: ,ySacramentum baptismatis quod in saiutem generis humani
proWsum et soli ecclcsiae caelesti ratione celebrare [permissum]". Als ob man
in Rom das nicht behauptet hätte, obgleich man die Ketzertaufe gelten ließ!
2) Daß das Verhältnis des Sixtus zu Cyprian ein anderes war als das des
Stephanus läßt sich aus Cypr. ep. 80 und aus der Vita Cypriani schließen, wo
Sixtus „bonus et pacificus'' genannt wird.
10 Die Litteratur des Abendlandes.
härteu und die Abfassungsverhältnisse unter BerücksichtJgiiDg
issen, was wir sonst von Noyatian und seiner Bewegung irissen,
i erläutern. Es wurde zu weit fähren, diese Ausfuhrungen hi^
i wiederholen und die kleinen Korrekturen vorzunehmen, die mir
tzt nötig erscheinen. Bemerkt sei nur noch, daß im Praedestin.
38 zu lesen steht: „Contra Novatum beatus Xystus martjr et
)iscopus et venerabilis Cyprianus martyr Christi, tuncCarthagi-
ensis pontifex, scripsit contra Novatum librum de lapsis, quod
)ssint per paenitentiam recuperai*e gratiam quam labende perdi-
^rant, quod Novatus adserebat fieri omnino non posse''. Dieses
eugnis ist auch nach den wichtigen Nach Weisungen, die von
chubert^ über den schon früher sattsam bekannten Unwert der
3schichtlichen Angaben des Prädestinatus gegeben hat^ doch nicht
nfach beiseite zu schieben. So spärlich die nicht erfandenen,
Indern überlieferten Angaben des Buchs sind, so gewiß ist es,
iß die Angabe, Cyprian habe gegen Novatus (Novatian) geschrie-
BU, nicht erfunden ist Also kann auch die Nachricht, daß Sixtus
^en ihn aufgetreten ist bez. gegen ihn geschrieben hat (letztere»
•Igt nicht ganz sicher aus dem Text), auf Überlieferung beruhen,
k mir scheint das um des Zusammenhangs willen sehr naheliegend
1 sein^. Prädestinatus hat der Überlieferung entnommen, daB
ixtus und Cyprian gegen Novatian aufgetreten sind. Wäre er
3r Briefsammlung Cyprians gefolgt, so hätte er Cornelius und
yprian nennen müssen. Warum nennt er jenen nicht, sondern
ixtus? Weil Cornelius keinen Traktat gegen Novatian ver-
ißt hat 3.
f) Ad Vigilium de Judaica incredulitate^.
Die handschriftliche Überlieferung dieses noch am wenigsten
ntersuchten pseudocyprianischen Traktats führt auf Cod. T zurück.
1) Der BOg. rradestinatus, i. d. Texten u. Unters. Bd. 24 H. 4, 1903.
2) Schubert hat auch gezeigt, daß der Autor dieses Buchs in Rom
hrieb.
3) Ehrhard schreibt (a. a. 0. S. 420): „Ich halt« Hamacks Resultat für
^sichert" (s. auch seine Oegenbemerkungen gegen die Einwürfe von Jfi Hoher).
reyman, Krüger (Litt. Zentralbl. ]895 Kol. 1393f.), Loofs (Deutsche Liti-
bg. 1895 Nr. 47), Krüger und Haußlciter erklärten es für sehr wahrschein-
eh. Schanz vermißte völlig durchschlagende Argumente noch. Bedenken
ißerte auch Funk (Tüb. Quartalschrifl 1896 S. G91ff. KGesch. Abbandi u.
nters. Bd. 2, 1899, S. 230).
4) S. Hartel, Opp. Cjpr., Praef. p. LXIH. Harnack, Texte u. unten.
1, 1883, S. llOff. Zahn, Forschungen Bd. 4, 1891, S. 3 10 ff. 320f. Macholz.
puren bini tarischer Denkweise im Abendland, Jena 1902, S. 5 ff. Soden,
^~ 0. S. 220 f. Ficker, Studien zu Vigilius von Tliapsus, Leipzig 1897.
Cyprian und Pseudocyprianisches. 391
Dort steht die Schrift in folgender Umgebung: Adv. Jud., Ad aleat,
De mont- (dann unser Traktat), Vita Pontii, Carmen de resurr^
Caena, Orat. I u. II, Passio. „Man erkennt deutlich die Geschichte
dieses Anhangs. Sie hat zwei Stadien. Das ältere reicht bis zu
unserer Schrift, an die dann die ,Vita', ein deutliches Schluß-
signal, angeschlossen wui'de. Damit ist gegeben: Ad Yigilium ist
in Rom und zwar vor saec. IX. — denn es steht im älteren
Teil des Anhangs von T — in die cyprianische Über-
lieferung eingetreten" (Soden). Da Adv. Jud. dem Novatian
gebührt und Ad aleat und De mont. nicht jünger sind als das
3. Jahrhundert, besteht zunächst ein gewisses Vorurteil zu Recht,
daß auch unsere Schrift nicht später ist als saec. III.
Die Untersuchung der Schrift hat bis zum J. 1902 in eine
andere Richtung geführt Zahn und ich haben Gründe geltend
zu machen versucht, die dafQr sprechen, daß der Bischof Vigilius,
dem unsere Schrift (als Begleitschreiben zu einer vom Verfasser
angefertigten lateinischen Übersetzung des Dialogs von lason und
Papiskus) gewidmet ist, der bekannte Vigilius von Thapsus ist
Allein Mac holz hat in neuer Untei-suchung schwerwiegende Ar-
gumente für die Annahme (die durch Überlieferung nahe gelegt
ist) beigebracht, daß unsere Schrift dem 3. Jahrhundert oder dem
Anfang des 4. angehörte Worüber ich immer noch nicht ganz
hinwegkomme, das sind die Stellen, die eine Abhängigkeit von
Augustin nahelegen und die Macholz m. E. nicht völlig beseitigt
hat (S. 8) 2. Allein ich gestehe zu, daß die Gründe von Macholz
schwerwiegender sind als diese Beobachtungen:
(1) Die von einem Celsus^ wahrscheinlich in Afrika* verfaßte
1) Auf ^yAltertümliches'' hatte ich selbst schon hingewiesen im L Teil
(lieses "Werkes S. 719.
2) Vor allem c. 1: die Menschen sind „pari merito nequitiae genitalis
obnoxii'', und c.G: „inde iam fit ut credendo intellegas, intellegendo quod credis". —
Die Anrede „sanctissime" (init. et fin.) ist im 3. Jahrh. auffallend; doch mindert
eich das Auffallende, da der Schreiber in dem Bischof den zukünftigen MSxtyrer
sieht. Übrigens redet Novatian, De cibis c. 1, seine Gemeindeglieder ^^fratres
sanctissimi'' an.
3) So nennt er sich selbst am Schlüsse; aber der Remigianus und Cod. t
bieten ,,Cecilium". Dies ist wohl eine Korrektur, um den Namen Gyprians zu
gewinnen; unwahrscheinlicher ist, daß der Mann wii'klich Gaecilius hieß, und
er deshalb mit Cyprian identifiziert worden ist. In diesem Falle wäre „Celsum"
ein schwer erklärlicher alter Schreibfehler.
4) Jedenfalls nicht in Rom. Hier würde man das Latein nicht als „Ro-
manus sermo" bezeichnet (c. 8), auch nicht von .„alia pars huius provinciae"
(1. c.) gesprochen haben. Die „Provinz", in der der Verf. lebt, scheint an der
Küste zu liegen (c. 9: „transmarina peregrinatio").
392 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
Zuschrift ^ ist zur Zeit einer chronischen und blutigen Verfolgung
geschrieben, die — wenn nicht ftti- jeden Bischof, so doch für den,
an den sich die Schrift richtet — eine sichere Aussicht auf das
Martyrium eröffnete. Diese Situation wird von der Vandalen- Ver-
folgung weniger gut gedeckt Man sieht sich vielmehr an die
Verfolgung des Valerian oder des Maximianus Herculias erinnert
(2) Von „Barbaren" ist nirgends die Rede, auch nicht von
Arianern — das aber müßte man erwarten, wenn die Schrift aus
der Vandalen-Zeit stammte.
(3) Trotz der von den Heiden (der Obrigkeit) ausgehenden
Verfolgung erregt den Verfasser der Unglaube und Haß der Juden
viel mehr als der der „gentiles". Das ist bei den Verfolgungen
der vorkonstantinischen Zeit nicht beispiellos, bei der Vandalen-
Verfolgung auffallender.
(4) Das Interesse für das uralte Büchlein „lason und Papis-
ku8^ (im Abendland) ist mit jedem Jahrzehnt, um das man den
Traktat herunterrückt, litterargeschichtlich schwerer verständlich.
1) Was man der Zuschrift in bezug auf den Verfasser und den Adressaten
entnehmen kann, hat Macholz (S. 9f.) gut zuBammengestellt. (1) Der Verl war
ein Greis, (2) er lebte in einer abendländischen Provinz, in der er mit seiner
Kenntnis des Griechischen eine Ausnahme bildete (Hartel schließt aus den
Gräzismen, daß der Verfasser ein geborener Grieche war), (3) er interessierte
sich mehr noch als für den Unglauben der Heiden für den der Juden, (4) aus
diesem Interesse hat er den alten Dialot? des lason und Papiskus übersetzt^
(5) er hat, um den Vigilius zu sehen und ihm seine Übersetzung zur Begut-
achtung zu unterbreiten, eine weite Reise zu ihm gemacht, (6) er stellt unter
den größten Komplimenten sein Werk dem Vigilius zur Verfügung, (7) er will
an den Worten seineä Mundes hängen und „dem Licht, das der Herr zeigt" in
den Predigten des Vigilius folgen, (8) er will in den Schülerkreis des Vigilius
eintreten, (9) er sieht mit Bestimmtheit den Märtyrertod des Bischofs voraus
und erheischt für diesen Fall seine Fürbitte. — Von Vigilius hören wir: (1) er
war Bischof, (2) er war des Griechischen mächtig, (3) er ist, kaum von einer
unerwartet schnell zurückgelegten, überseeischen, gefahrvollen Reise zurück-
gekehrt, vom Volke zum Bischof berufen worden, und dies kann noch nicht
weit zurückliegen [die panegyrische und gezierte Sprache macht die Aus-
führungen in c. 9 schwer verständlich; Zahn hat sie so verstanden, daß Vigilius
als Fremdling in seine zukünftige Bischofsstadt kam], (4) er war als heiliger
Mann und Prediger bekannt (also schon Kleriker), (5) er hatte einen Kreis von
Schülern, (6) er war — augenscheinlich eben durch seine Wahl zum Bischof —
den Gefahren des Zeugentodes so ausgesetzt, daß ihn Gelsus als prädestinierten
Märtyrer bezeichnen konnte (Zahns Interpretation des 9. Kapitels, nach welcher
Vigilius bereits ein zeitweiliges Martyrium, bestehend in Gefängnis oder Exil,
hinter sich hatte, scheint auf den ersten Blick zutreffend, bewährt sich aber
bei näherer Erwägung des Textes doch nicht. Möglich, vielleicht wahrschein-
lich ist, daß die ersten Schritte des Staates gegen Vigilius schon unternommen
waren, als Celsus schrieb). .
Gyprian und PBeudocyprianisches. 393
(5) Die Cbristologie ist, wie Macholz gezeigt hat, höchst
altertümlich, und zwar nicht nur an einer Stelle \ sondern durch-
gehends. Der „spiritos sanctus"* nnd „Christus'' werden einfach
identiflziei*t (c. 7: „Spiritus sanctus id est Christus dominus noster'\
cf. c. 1: „loquitur Spiritus sanctus: Hierusalem, Hierusalem etc."
Christus der Paraklet; der h. Geist hat sein Kommen [nämlich in
Christus] selbst vorausgesagt etc.). Mit der Schrift „De monti-
bus** stimmt die unsrige in dieser Christologie zusammen^. Sollte
sie noch am Ende des 5. Jahrh. in Afrika gegolten haben??
(6) Nach c 3 ist der alte Simeon, der den Herrn auf die Arme
genommen hat, blind gewesen und dann sehend geworden? Sind
solche Targume im 3. Jahrhundert nicht leichter verständlich als
im fünften?
(7) Der Bibeltext ist — worauf ich schon früher aufmerksam
gemacht habe — vorhieronymianisch. Macholz hat ihn S. 11—15
zu untersuchen begonnen und jedenfalls gezeigt, daß der Bibeltext
kein Hindernis bildet, die Schrift ins 3. Jahrb. zu versetzen.
Ich halte diese Gründe für stärker als die schmalen Beobach-
tungen, die für eine sehr viel spätere Zeit zu sprechen scheinen.
Genauere sprachliche Untersuchungen vorbehalten, um die ich
Weyman, den besten Kenner dieser Latinität, ersuche, glaube ich
zurzeit den Traktat der Valerianischen oder Maximianischen Ver-
folgung zuweisen zu müssen K Die tertuUianisch-cyprianische Büß-,
Verdienst- und Satisfaktions- Anschauungen liegen dem Schriftchen
jedenfalls zugrunde.
g) De rebaptismate^
Der Über de rebaptismate ist die aktuellste Schrift unter den
1) Zahn Bah in ihr einen Einfluß des alten Dialogs auf den Verfasser.
2) Auch mit Abschnitten der Tractatus Pseudoorigenis berührt sie sich
uud mit Pseudocyprian, Adv. Jud. Eine interessante Parellele hat Macholz
iS. 11) zu Hippolyt, De antichristo c. 61 mit Ad Vigil. c. 6 entdeckt.
:i) Für Vigilius v. Trident (saec. V init.) spricht noch weniger als fiir
Vigilius von Thapsus.
4) Nach den Arbeiten Tillemonts, Höflings, Rouths und Fechtrups
<!. Ernst, Wann und wo wurde der Liber de rebapt. verfaßt? in d. Ztschr. f.
kathol. Theol. Bd. 20, 1896, S. 193ff. 360ff. Bd. 22, 1898, S. 179f. Benson,
Uyprian, 1897, S. 390ff. Schüler, Der pseudocypr. Traktat de rebapt., Marburg
1897 (auch abgedruckt i. d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 40, 1897, S. 555 fif.).
Lüdemann i. Theol. Jahresbericht 1897 S. 196. 1898 S. 208f. Czapla,
«Jennadius als Litterarhistoriker, Münster 1898, S. 66ff. Ernst, Wann und wo
wurde der Lib. de rebapt. verfaßt? i. d. Histor. Jahrbuch Bd. 19, 1898, S. 499fiF.
737ff: Zahn i. Theol. Litt.-Blatt 1899 Nr. 27 und in seinem Kommentar zu
Matth. riOOS) S. 24. Beck, Der Liber de rebapt. und die Taufe, im „Katholik"
394 ^6 Litteratur des Abendlandes.
pseudocyprianischen Traktaten ^ gehört dem breanenden Streit
zwischen Stephanus und Cyprian an und stammt wahrscheinlich
von einem Ursinus, „homo Romanus" \ den aber Qennadius irrtüm-
lich um c. 150 Jahre zu spät ansetzt^. Der Traktat, der für die
1900, Januar S. 40ff. Ernst, Die Lehre des Lib. de rebapt. von der Taofe,
i. d. Ztschr. f. kathol. Theol. Bd. 24, 1900, S.425ff. Ehrhard, AltchristL Litt,
1900, S. 464 ff. Nelke, Die Chronologie der Korrespondenz Cyprians, 1902,
S. 171ff. Monceaux, Eist. litt, de TAfrique, T. U, 1902, p. 91ff. Barden-
hewer, Gesch. d. altkirchl. Litt. Bd. 2, 1903, S. 448ff. v. Soden, a. a. O. S. 217.
1) Ober die ganz schmale Überlieferung s. Ernst und y. Soden, a. a. 0.
2) So Gennadius; die Schrift selbst zeigt, daß sie von einem Bischof her-
rührt (s. c. 1. 4 und 10). Woher Gennadius seine Nachricht hat, weiß man nicht.
Das „homo Romanus" stammt vielleicht nur aus der Einsicht, daß ürsinos den
römischen Standpunkt vertritt. Ernst will nachgewiesen haben, daß der Ver-
fasser in Mauretanien zu suchen sei (ähnlich Monceaux); Schüler denkt an
einen italienischen Bischof. Sicher läßt sich nicht entscheiden; aber ein Italiener
hätte wohl Roms Ansehen stärker betont. An Afrika (s. Cypr. ep. 73) wird in
erster Linie zu denken sein. Stephanus (so Fleury) wäre auch dann aussu-
schließen, wenn die Schrift aus Italien stammen sollte; denn er hätte die
Autorität des römischen Stuhls in ganz anderer Weise geltend gemacht. —
Übrigens bleibt es möglich, daß Gennadius irrtümlich den YerfiEMser unserer
Schrift und Ursinus, den Verfasser einer andern ähnlichen Schrift, identifiziert, oder
daß er zu Unrecht unsere Schrift mit Ursinus in Verbindung gebracht hat
3) Gennadius charakterisiert (De vir. inl. 27) eine Schrift gegen die Wieder-
taufe so, daß man mit Wahrscheinlichkeit imsere Schrift in ihr sehen darf (so
Ernst, Schüler, Czapla, Zahn u. a.). Er legt sie einem „Ursinus, homo
Romanus'' bei, glaubt aber augenscheinlich, daß derselbe um 400 gelebt habe.
Letzteres — obgleich Zahn nach dem Vorgang Oudins, Ronth8u.a.far
diesen Ansatz eingetreten ist, aber ohne seine Gründe zu nennen — ist m. K
nicht möglich (c. 1 : „nova quaestio'') ; die Schrift zeigt die zwischen Stephanus
und Cyprian schwebende Kontroverse, obgleich keine Namen genannt sind.
Über ein vatikanisches Manuskript, welches die Beischrift getragen hat „Ursinas
monachus Afer", s. Ernst, Ztschr. f. kathol. Theol. 1896 S. 3(>0ff. — Die Argu-
mente, welche Oudin, Routh etc. für den Ursprung um 400 geltend gemacht
haben, sind nicht ganz belanglos, aber von Ernst und Schüler (a. a. O. S. 14£)
m. E. ausreichend widerlegt. Die stärksten Argumente gegen einen so späten
Ansatz scheinen mir zu sein, daß (c. 11 — 14) die Kirche sich in einer Zeit be-
findet, in der es Märtyrer gibt, und daß auf den früheren Ketzertaufstreit unter
Cyprian ganz bestimmt hätte zurückgeblickt werden müssen (man vgL, wie
Augustin den Donatisten gegenüber verfahren ist), wenn wir uns mit unserem
Traktat in der Zeit um 400 befänden. Statt dessen liest man nur von „prisca
consulta", gegen die man sich jetzt „post tot saeculorum tantam seriem'* erhebe
und „auctoritati tot annorum totque ecclesiarum itemque apostolonim et epi-
scoporum** widerspreche. Vom berühmten cyprianischen Ketzertaufistreit ist hier
augenscheinlich nicht die Rede, und die übertriebenen Zeitausdrücke fordern,
da die Apostel ausdrücklich genannt sind, nicht die Annahme einer längeren
Zeitdauer als 200 Jahre. Daß die Gegner Cyprians hauptsächlich die „consue-
tudo" für ihre These angerufen haben, weiß man auch aus den Briefen Cyprians.
Unter den „prisca consulta" die Synoden von Arles, Nicäa usw. zu verstehen,
Cyprian und PseudocyprianischeB. 395
römische Praxis eintritt ^ aber z. T. auf eine sehr anfechtbare
Weise ^ ist geschrieben, als der Streit bereits stark vorgeschritten
war und Schriften gewechselt worden waren ^. Die Kontroverse,
die sich zwischen Ernst, Schüler und Nelke erhoben hat, in
welchen Moment des Streits und nach welchen Briefen Cyprians
man den Traktat einzuschieben hat, scheint mir nicht sicher lös-
bar. Ernst rückt ihn nach ep. 69—72, aber unmittelbar vor das
Septemberkonzil v. J. 256 und vor die Briefe 73. 74; in ihnen und
auf jenem Konzil sei die Schrift bereits berücksichtigt und be-
kämpft. Schüler und Nelke lassen das Konzil unserer Schrift
vorhergehen. Volle Sicherheit, daß in irgend einem der cypriani-
schen Briefe unsere Schrift berücksichtigt sei, läßt sich nicht ge-
winnen; aber Ernst hat diese Berücksichtigung im 73- u. 74. Brief
allerdings recht wahrscheinlich gemacht In diesem Falle ist der
lYaktat auf den Sommer 256 (als^ vor das letzte der afrikanischen
Konzilien im Ketzertaufstreit) anzusetzen. Auf Cyprian wird (c. 1)
ganz deutlich in folgenden Worten polemisch angespielt: „. . . ubi
nuUus alius fructus reperiatur nisi hie solus, ut unus homo, qui-
c'umque ille est, magnae prudentiae et constantiae esse apud quos-
dam leves homines inani gloria praedicetur et haereticorum stupore
praeditus, quibus hoc unicum perditionis solacium est, si non soll
peccare videantur, errores et vitia universarum ecclesiarura cor-
rexisse apud simillimos sui et compares celebretur*' (man vgl. das
Folgende). Auch c. 3 wird er angeredet: „Ad quae forte tu, qui
novum quid inducis, continuo impatienter respondeas ut soles dixisse
in evangelio dominum: Nisi quis denuo natus fuerit etc.", ferner
c. 4 ff.: „Quid tibi, frater, videtur? etc. etc." „Sed adhaec ut soles
contradices, etc. etc.", cf. c. 10: „sed non tam ornato ut tu et com-
posite isti quoque simpliciores homines mysterium fidei tradant;
dicturus es enim utique pro tua singulari diligentia etc. . . . sed
enim, virorum optime, reddamus et permittamus virtutibus caelesti-
bus vires suas etc." c. 11. Der Traktat ist auch seines Zitats
die sich mit der Ketzertauffrage beschäftigt haben, liegt nicht nahe; denn
schwerlich wären sie als „prisca'^ bezeichnet worden. Auch begreift man nicht,
warum sie nicht ausdrücklich genannt sind, wenn sie gemeint waren. Der
YerfELsser denkt augenscheinlich in nebelhafter Weise an apostolische Fest-
setzungen (so auch Schüler).
1) „Yetustissima consuetudo ac traditio ecclesiastica".
2] Die Wassertaufe wird überhaupt herabgesetzt zugunsten der Geistes-
taufe (= Handauflegung), die allein die Sündenvergebung und den Heils-
empfiäng vermittelt.
3) c. 1: „nonnulla super hac nova quaestione scripta aut reacripta esse
iactabantur, quibus utraque pars ad destrucnda aliena summe studio nit^b^^ox'^ .
396 ^^ Litierator des Abendlandes.
des „confictus liber qui inscribitur Pauli Praedicatio" (c. 17) wegen
von Interesse. „Ratio" und „consuetudo" (gegen Cypr.) c. 19.
Daß der Verf. unseres Traktats in bezug auf die Grefallenen
der Ansicht Novatians nahe stehe, hat Schüler (S. 48flr.) zu er-
kennen gemeint, aber Ernst hat mit Recht dagegen eingewandt,
daß es sich an der betreffenden Stelle (c. 13) nicht um Gefallene
überhaupt, sondern um Häretiker-Märtyrer handle.
Gegen die nicht einleuchtende und in sich unwahrscheinliche
Interpolationshypothese von Beck (c. 16—18 sollen ein Einschub
sein) s. die Ausführung von Ernst (1900 S. 425ff.).
2) Novatian^
Den Ausgangspunkt für die Untersuchung der Schriften Nova-
tians hat man bei den beiden Briefen (Cypr. 30 u. 36) zu nehmen.
t
1) Walch, Eetzerhistorie II, S. 185 — 288 (die grundlegende Arbeit neben
Tillemonts Darstellung), vgl. femer Caspari, Quellen z. Gesch. des Tauf*
Symbols Bd. III; Hagemann, Die römische Kirche und ihr Einfluß usw. (1864)
S. 371 ff.; Fechtrup, Gyprian I (1878). S. auch Harnack, in den AbhandL,
G. y. Weizsäcker gewidmet, 1892 (die Briefe des römischen Klerus aus der Zeit
der Sedisvakanz i. J. 250); Wehofer, Zur Decischen Christen Verfolgung und
zur Charakteristik Novatians, in der Ephemeris Salonitana (1894) S. 13 ff.; der-
selbe. Sprachliche Eigentümlichkeiten des klassischen Juristenlateins in No-
vatians Briefen, in den Wiener Studien, Bd. 23 (1901) S. 269 ff.; Preuschen
bei Harnack, Gesch. der altchristl. Litt., Teil I, S. 652—656; Harnack, Ab-
handl., von Oettingen gewidmet, 1897 (der pseudoaugustinische Traktat contra
Novatianum); Schanz, Gesch. der römischen Litt. Bd. III (1896) S. 342 ff.; Katten-
busch, Apost. Symbol, 2. Bd. (1900) passim; Ehrhard, AltchristL Litt. (19(X>)
S. 417 ff. ; Bardenhewer, Geschichte der altkirchlichen Litterator, 2. Bd.
(1903) S. 559ff.; Harnack in der Protest. REnzyklop.3 Bd. 14, 1904: ,^ova-
tian". Zur Überlieferungsgeschichte der pseudocyprianischen, dem Novatian
gebührenden Schriften s. v. Soden in d. Texten u. Unters. Bd. 25 H. 3 S. 205 ff.
Griechische Urschrift des Traktats De trinitate und AbÜELssung durch
Hippolyt behauptete Quarry in der Hermathena X, Nr. 23 (1897) S. 36ff.
(Novatiani de trinitate liber in its probable history). Weyman, Archiv f
lat. Lexikogr. Bd. XI, 1808/1900 S. 225) hat diese Hypothese mit Recht abge-
lehnt. Auch Hagemann wollte Novatian nicht als Verfasser der Schrift
gelten lassen.
Ober das Alter der Zusammenstellung (Philastrius), Novatian (Tertullian,
so in der Handschrift) de cibis Jud. (Neue Ausgabe von Landgraf und Wey-
man, Archiv f. lat. Lexikogr. Bd. XI S. 221 ff.), Bamabae epist. und Jacobi
epist. 8. Zahn, Gesch. des neutestamentl. Kanons I, S. 324, vgl. Wordsworth
und Sanday in den Studia Bibl. Oxon. I (1885) p. 113 ff., die Prolegomena m
Philastrius von Marx im Wiener Corpus Scriptorum 1898 und Weyman,
Phüol. Bd. 52 S. 7-28 ff.; derselbe, MiszeUen zu lat. Dichtem (1898) S. 8.
De spectaculis hat Weyman Novatian beigelegt, s. Historisches Jahrbuch
Novatian. 397
der GörreageseUschaft 1892 Bd. XllI, S. 737 ff. vgl. 1893 Bd. XIV, S. 330 f. ; Hau ß -
leiter, Theol. Litt.-Blatt 1892 Bd. 13 Nr. 37, ia94 Bd. 15 Nr. 41; Demmler,
Über den Verf. der unter Cyprians Namen überlieferten Traktate De bono pud.
und De spect., Tübingen 1894 (dazu Weyman in d. Wochenschr. f. klasa.
Philol. 1894, Separatabzug]. Gegen Wolf flin, Cyprianus de spect., im Archiv
f. lat. Lexikogr. 1892 Bd. VII S. 1 ff., der für Cyprian als Verfasser eintrat, s.
Weyman a. a. 0.; Monceaux, Hist. litt, de l'Afrique Vol. II (1902) p. 106 ff.,
ist für afrikanischen Ursprung. Schanz, ^ a. 0. III S. 331 f
De bono pudic. hat ebenfalls Weyman dem Novatian beigelegt; Litte-
ratur wie bei De spectaculis. Gegen Matzinger, Des h. Cyprianus Traktat
De bono pud., Nürnberg 1892 s. Weyman a. a. 0.; Schanz, a. a. 0. III
S. 332 f.
Quod idola dii non sint hat Haußleiter dem Novatian beigelegt, ThLB.
lid. 15 Nr. 41, dazu Litt. Rundschau f. d. kathol. Deutschland 1895 Nr. 11 S. 330.
De laude mart. hat Harnack dem Novatian beigelegt, s. Texte u. Unters.
1895 Bd. 13, Hefk 4, dagegen Weyman im Archiv f. lat. Lexikographie Bd. XI
S. 553 f. und Litt. Rundschau 1895 Nr. HS. 331 ff., s. auch Wiener Studien
1896 S. 317; Loofs, Deutsche Litt.-Ztg. 1895 Nr. 47 (für die Hypothese); Hil-
genfeld, Berliner Philol. Wochenschrift 1896 Nr. 30 (die Hypothese ist sehr
wahrscheinlich); Monceaux a. a. 0. S. 1020*.; Schanz, a. a. 0. III S. 333
(gegen die Hypothese).
Ad versus .Tudaeos hat Landgraf dem novatianischen Kreise bez. Novatian
selbst beigelegt, im Archiv f. lat. Lexikogr. Bd. XI, S. 87 ff. Harnack ist
für Novatian eingetreten in den Texten u. Unters. 1900 Bd. 20, Heft 3, S. 126 ff.,
8. auch Jülicher in den Gott. Gel. Anz. 1900 Nr. 4 und Jordan im Archiv
f. lat. Lexikogr. Bd. XIH, S. 59 ff.; Schanz, a. a. 0. III S. 337 f.
Die unter dem Namen des Origenes stehenden, jüngst von Batiffol ent-
deckten und edierten (Paris, 1900) biblischen Traktate hat Weyman dem
Novatian vindiziert (Archiv f. lat. Lexikogr., Bd. XI, S. 467 f. u. S. 545—576,
Hist. Jahrbuch 1900, Bd. XXI, S. 212ft*). Beigestimmt haben ihm Haußleiter
(ThLB. Bd. 21, 1900, Nr. 14—16 u. Neue kirchl. Ztschr. Bd. 13, Heft 2, S. 119 ff.:
,,Novatians Predigt üb. d. Kundschafter"; s. auch S. 270 ff.: die Stelle 2. Kor. 5, 21
in d Predigten N.s), Zahn (Neue kirchl. Ztschr. 1900, Bd. XI, S. 347 ff. und
Grundriß der Gesch. des neutestam. Kanons S. 18) imd Jordan (Die Theologie
der neuentdeckten Predigten Novatians, Leipzig 1892, vgl. „Melito und Novatian"
im Archiv f. lat. Lexikographie Bd. XIII, H. 1, S. 59 ff.). Gegen Novatian als
Verfasser haben sich entschieden: Funk (Tüb. Quartalschr. 1900, Bd. 82,
8. 534 ff.), Morin (Rev. B6n6dictine 1900 T. XVII, p. 232, 1902 T. XIX p. 225ff.,
Rev. d'histoire et de litt^rature relig., 1900 T. V, p. 145 ff.), Künstle (Litt.
Rundschau 1900 S. 169 ff.), Ehrhard (Die altchristl. Litt, und ihre Erforschung
von 1884—1900, 1. Abt., S. 328 ff.), der Rezensent im LCB. 1900, Nr. 49 fer
meint, die Verfasserfrage sei noch nicht zu entscheiden), Butler (The new
tractatus Origenis im Joum. of theological studies. Vol. II, 1901, p. 113 ff. u.
254 ff.), derselbe (in der Ztschr. f. die NTliche Wissensch. Bd. 4, 1903,
S. 79 ff.), Batiffol (Bull, de litt. eccl^. 1900 Nr. 6 Juin p. 190 ff. 1900
Nr. 9 Nov. p. 283 ff., derselbe (in der Rev. biblique Bd. 12, 1903, S. 81 ff.),
Ammundsen (Novatianus og Novatianismen etc., Kopenhagen 1901 S. 97 ff.),
Torrn (En kritisk Fremstilling af Novatianus' Liv og Forfatter virk-
Bomhed etc., Kopenhagen 1901, S. 112 ff.) und Andersen (Novatian. Kon-
kurrenzah« etc., Kopenhagen 1901, S. 186 ff.). Die drei letztgenannten Arbeiten
398 ^^® Litteratur des Abendlandes.
Daß sie (nicht aber ep. 8) von ihm herrfthren, habe ich in den
„Abhandlungen für Weizsäcker" gezeigt (1892) — für ep. 30
hat es Cyprian ep. 55, 5 bezeugt — , und niemand hat m. W. da
Beweis bestritten. Die Briefe, obgleich sie nicht sehr nmfangreick
sind, enthalten doch recht Vieles zar Kenntnis der Eigenart» ds
Stils und des Bibeltexts N.s. Geschrieben sind sie (s. o. S. 347) ii
der Zeit der Sedisvakanz in Rom (zwischen dem Tode Fabians ood
dem Antritt des Cornelius), näher im August bez. September 250.
Unter dem Namen Novatians ist uns nichts überliefert; denn er
war Schismatiker; aber noch Hieronymus bemerkt (De vir. inL 70):
„Scripsit
De pascha,
De sabbato,
De circumcisione,
De sacerdote,
De oratione [nicht de ordinatione].
De cibis iudaicis [wohl = de mundis atque immundis animili-
bus, Hieron. ep. 36, 1],
De instantia,
De Attalo,
multaque alia et
De trinitate gi'aude volumen, quasi kmtofitiv operis Tertnlliani
faciens, (luod i)leri(iue nescientes Cypriani existimant'*.
In der ep. 10, 3 spricht Hieronymus im allgemeinen von „epi-
stolae Novatiani". Alle diese Werke sind bis auf zwei spurlos
verschwunden. Unter Tertullians Namen haben sich De trinitate
und De cibis Iudaicis erhaltend
In bezug auf De cibis Iudaicis steht es fest (durch den Inhalt,
vgl. bereits die Aufschrift: „Novatianus plebi in evangelio per-
staiiti saluteni''), dali das Büchlein von Novatian als schismatischem
Bischof verfallt ist^: er ist von seiner — der römischen -
Gemeinde seit längerer Zeit getrennt; höchst wahrscheinUch
hat ihn eine ^'erfolgung vertrieben ^ und er sendet ihr diesen
kenne ich nur aus dem Referate von Jordan (a. a. 0. S. 11 fF. 65 ff.); Bihl-
meyer, Zu den so^, Novatian-Homilien (Tüb. Quartalschr. 1904 S. 38 ff.).
Armcllini (De prisca refut. Origenis 1862) hat Novatian als Verfii«e:
der Bog. Philosophumona vorgeschlagen; s. gegen ihn Jungmann, Diss. Beleci.
in bist. eccl. I, p. 225 ff. und Grisar in der Innsbrucker Ztschr. 1878 S. öCöf
1) Schon Rufin glaubte, De trinitate sei von Tertullian, s. Ruf, de
adulter. libr. Orig. Hieron., c. Ruf. II, 10.
2) Also nach dem Frühjahr 2:>1, s. o. S. B49 ff.
3) Ob diese Verfolgung die des Gallus oder die des Valerian ist, \W^
sich nicht ausmachen. DaÜ Novatian zwischen 257 u. 258 noch gelebt h^
Novatian. 399
Brief K Die UbereinstimmungeD mit den Briefen im Stil sind z. T.
frappant; die Echtheit ist nicht zu bezweifeln.
Daß Novatian bereits vor dem Schisma sich als Prediger,
Schriftsteller, Lehrer der kirchlichen Wissenschaft und Verteidiger
des Evangeliums sehr hervorgetan hat, folgt aus dem Brief des
Cornelius an Fabius von Antiochien (Euseb., h. e. VI, 43), aus den
Briefen Cyprians (bes. ep. 44. 55. 60) und aus der Schrift Sixtus IP.
Wir können das noch bestätigen; denn die Schrift De trinitate
legt es nirgendwo nahe, daß sie von Novatian als Schismatiker
verfaßt sei, sondern zeigt ihn uns als in der Kirche stehend. Auch
sie ist durch zahlreiche Übereinstimmungen im Wortvorrat, Stil
und theologischen Denken mit epp. 30. 36 und De cibis ludaicis
verbunden, so daß man an diesen vier Schriftstücken einen sicheren
Maßstab für andere Werke besitzt, die als von Novatian herrührend
sich melden. Wie lange vor Ausbruch der Verfolgung des Decius
das Werk De trinitate verfaßt ist, weiß man nicht. Hippolyts Zeit
liegt jedenfalls schon weit hinter ihm, so daß man bei den vier-
ziger Jahren des 3. Jahrhunderts stehen bleiben muß. Hieronymus'
Behauptung, De trinitate sei eine Epitome eines Werks Tertullians
(nur an Adv. Prax. läßt sich denken), bestätigt sich nicht; doch
zeigt die Schrift des Sixtus IT. an ihn (s. o. S. 387 S.). Wann er gestorben ist,
weiß man nicht sicher. Sokrates (IV, 28) will wissen, daß er als Märtyrer in
der Verfolgung Valerians gestorben sei (so auch die späteren Novatianer). Die
Märtyrerakten, die im (>. Jahrhundert umliefen, waren gefälscht (s. £ulogiu8 Alex,
bei rhotius, Cod. 182. 208. 280). Wenige Notizen über ihn als Schismatiker
bei Dionysius v. Alex, (im 0. u. 7. Buch der h. e. des Eusebius) und bei Sixtus,
ad Novatianum.
1) Am Schluß von c. 1 sagt der Verfasser, er habe der Gemeinde bereits
früher zwei Briefe geschrieben, „quae sit vera circumcisio et quod verum
sabbatum", an die sich dieses Schreiben anschließe. Schriften unter diesen
Titeln hat Hieron. als dem Novatian gehörig genannt. Dies verstärkt die
Überzeugung von der Echtheit unserer Epistel.
2) Von seinem früheren Leben wissen wir nur, daß er trotz der Kliniker-
taufe, die er erhalten, und der mangelnden Bestätigung derselben von Fabian
oder einem älteren römischen Bischof zum Presbyter geweiht worden ist und
im Kollegium so angesehen war, daß er im Sommer 250 zur Zeit der Sedis-
vakanz die offizielle Korrespondenz geführt hat. Philosophische (stoische) Bil-
dung und treffliche rhetorische Schulung geht aus seinen Schriften hervor und
wird auch — fi-eilich als Tadel — von den Gegnern bezeugt. Feiges Ver-
halten in einer Verfolgung, welches ihm Cornelius vorwirft, ist schwer glaub-
lich; denn Cornelius verleumdete den Novatian auch sonst. Dagegen ist nicht
zu leugnen, daß er dem Rigorismus in bezug auf die Gefallenen ursprünglich
nicht so strikt gehuldigt hat, wie seit Ausbruch des Schismas. Sixtus II. wirft
ihm das direkt vor, und ep. 30 bestätigt es. — Die Nachricht des Philo-
storgius, er sei ein geborener Phrygier gewesen (h. e. VFIF, 15), ist schwer
glaublich.
400 ^6 Litteratur des Abendlandes.
bestehen sachliche ZusammenhäDge zwischen beiden Schriften \ die
auch sonst zwischen der Schriftstellerei beider Männer nicht fehlen
(man vgl. die Titel der Werke, die oben genannt sind, und daza
die Schriften De spectaculis und De bono pudicitiae» die im Fol-
genden als novatianische erwiesen werden sollen). Das Werk De
trinitate zeigt, wie zu erwarten, philosophische, theologische nnd
rhetorische Schulung 2.
Unter den pseudocyprianischen Werken sind oben (S. 370) sechs
genannt worden, die man dem Noyatian vindiziert hat Über das
erste haben wir soeben gesprochen (De trinitate): es gebührt ihm
wirklich, und schon Hieronymns hat das gewußt. Mit den f&nf
übrigen verhält es sich anders: sie sind erst in allerneuester Zeit
dem N. beigelegt worden, lediglich auf Grund innerer Eriterien.
Nur insofern ist auch ein — freilich sehi* allgemeines — änfieres
vorhanden, als De trinitate bezeugt, daß novatianische Werke
(oder doch mindestens ein Werk) in früher Zeit dem Cyprian bei-
gelegt worden sind. Es ist also nicht nnmethodisch, wenn wir
die diesem beigelegten, sicher unechten und herrenlosen SchrUteu
daraufhin untersuchen, ob sie nicht novatianisches Gut enthaltend
(a) und (b) De spectaculis und De bono pndicitiae. Diese
beiden kleinen Briefe sind durch ihre Situation und stilistische
Eigenart enge verbunden, haben aber eine ganz verschiedene Über-
lieferungsgeschichte in den Mss. Als Wurzel der Bezeugungen
von De spect. hat Soden (S. 2llflF.) den Typus 504, wie er ihn
nennt, nachgewiesen. Wann die Schrift in die Cyprian - Über-
lieferung eingetreten ist, läßt sich nicht ermitteln. Den Ort an-
langend, „so läßt sich Rom aus der Überlieferung außerordentlich
wahrscheinlich machen: das Spurium steht unmittelbar vor dem
im Original stark verstümmelten, aus römischen Quellen ergänzten
1) Aber unverkennbar ist auch die Einwirkung von Irenäus.
2) Die Versuche, das Werk, das durch äußere und innere Gründe als no-
vatianisch gesichert ist, dem Hippolyt zuzusprechen und gar eine griechiache
Grundschrift anzunehmen, darf man sich selbst überlassen. Die Schrift enthält
übrigens, wie es einer streng sachlichen Darlegung gebührt, keine direkten
Zeitspuren. Nur aus der Behandlung des Modalismus als einer erklärten Hi-
resie kann man schließen, daß es nach dem 1. Viertel des 3. Jahrhunderts
verfaßt ist.
3) Umsonst würden wir bei Tertullian jetzt suchen. Zwar wissen wir.
daß auch ihm früher De trinitate und femer De cibis ludaicis beigelegt wor-
den ist (wir hätten diese Schriften nicht mehr, wenn sie sich nicht in ter-
tullianischer Überlieferung erhalten hatten), aber unter den seinen Namen
heute in der Überlieferung tragenden Schriften ist keine einzige, bei der man
die Frage aufwerfen könnte, ob sie von Novatian sei*
Novaüan. 401
letzten Teil von 504". Dagegen steht De bono pud. in 6 Codd. des
Typus 91 und zwar neben Dehabitu virg., also in einer sachlichen
Verbindung ^
Beide Briefe haben mit De cibis Indaicis das gemein, daß sie
Hirtenschreiben eines von seiner Gemeinde entfernten Bischofs
(so ausdrücklich De bono pud. 1) sind (De spect. 1: „üt me satis
contristat et animum nostrum graviter affligit cum nuUa mihi scri-
bendi ad vos porrigitur occasio — detrimentum est enim meum vo-
biscum non coUoqui — , ita nihil mihi tantam laetitiam hilaritatemque
restituit quam cum adest rursus occasio . vobiscum me esse arbi-
tror, cum vobis per litteras loquor". De bono pud. 1: „hoc certe
mei et operis et muneris cotidianum votivum negotium absens licet
optinere conitor et praesentiam mei vobis reddere per litteras
conor**. c. 14: „ego pauca dictavi, quoniam non est propositum
Volumina scribere, sed adlocutionem transmittere"). Sie gehören
also einer Situation an, die wir für Novatian zu belegen ver-
mögen 2.
De spect trägt die Aufschrift: „[Cyprianus] plebi in evan-
gelio stantem salutera". De cibis ludaicis beginnt: „[TertuUianus]
plebi in evangelio perstanti salutem" (der Anfang von De
pudic. fehlt leider). Diese Hervorhebung des Evangeliums (in der
Adresse!) ist echt novatianisch und findet sich so m. W. nur bei
ihm. Das Zusammenstimmen von De spect. und De cibis ist höchst
bedeutsam.
Die Gedankenbildung und der Stil der beiden Schriften haben
nirgendwo in der ganzen lateinisch-christlichen Litteratur so schla-
gende Parallelen wie bei Novatian. Die rhetorische Schulung, die
Kürze der Darlegung, die poetische, an Virgil gebildete Sprache
ist genau dieselbe sowie die (leichte) Abhängigkeit von Tertullian.
Diese Verbindung virgilischer Elegantien und klarer rhetorischer
Disposition mit dem „vigor ecclesiasticae disciplinae" (De spect. 1),
der „Annitas evangelicae radicis**, dem Wertlegen auf die christ-
liche „perfectio" findet sich sonst bei niemandem als bei Novatian.
Im einzelnen haben Weyman (namentlich 1892 S. 743flF. u.
in seiner mit Landgraf besorgten Ausgabe von De cibis lud.,
1798) und Demmler (1804 S. 25ff.) noch eine Fülle von begriif-
lichen und sprachlichen Übereinstimmungen unserer Briefe mit den
sicher echten Schriften Novatians nachgewiesen. Infolge des
geradezu überwältigenden Eindrucks, den diese Parallelen machen
1 ) Daß die Schrift De bono pvid. echon dem Zeno Veron. bekannt gewesen
ißt, zeigt« Weyman aus Caspari, Briefe und Abhandl. usw., 1890, S. 21.
Für De spect. gibt es kein Zeugnis.
2) Für Italien (Rom) als Ort der Abfassung s. De spect. 5 (Juppiter Latiaris).
Harnack, Altchristi. Litte raturResch. II, 2. 20
402 I)i6 Litteratur des Abendlandes.
(auch in bezug auf den Bibeltext), hat die Annahme, die Briefe
gehörten dem Novatian, mit Recht fast überall Anerkennung ge-
funden ^ Doch Monceaux erklärte sich nicht für überzeugt und
denkt an einen afrikanischen Kleriker aus der Umgebung Cyprians^.
Daß die beiden Briefe von Hieronymus nicht genannt sind, ist
keine durchschlagende Gegeninstanz; denn er hat ausdrücklich
bemerkt, daß er nicht alle Briefe Novatians einzeln angeführt habe.
Wir dürfen De spect. und De bono pudic als novatianische SchrifteD
bezeichnen.
(c) Adversus Judaeos. Schon in dem Verzeichnis von Chel-
tenham vom J. 359 steht diese Schrift unter den cyprianischen.
„Die Überlieferung ist enge mit der von Ad aleat. verknüpfte Vor
dieser Schrift steht Adv. Jud. in MQT, ist also wohl mit oder nicht
lange vor ihr jedenfalls auch in Rom in die Überlieferung
Cyprians eingetreten". Im Verzeichnis von Cheltenham steht Adv.
Jud. zwischen der novatianischen ep. 30 und der römischen
Corneliusbriefsammlung. „Damit ist als die Zeit ihres Eintritts
die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts und als Ort Rom gesichert"
(Soden S. 221).
Nach den Untersuchungen von Landgraf (Archiv f. Lexikogr.
Bd. 11 H. 1 S. 87ff.) und mir (Texte u. Unters. Bd. 20 H. 3 S. 126ft)
ist erwiesen, daß diese Schrift entweder von einem Freunde und
Zeitgenossen Novatians oder von diesem selbst ist*. Ich habe
daraus den Schluß gezogen, daß das letztere allein gilt^ und auch
Jülicher ist dieser Meinung (Gott Gel. Anz. 1900 Nr. 4). Ab-
hängigkeit von Cyprian ist nicht nachweisbar^ Damit ist, was die
Zeit betrifft, eine ziemlich bestimmte Grenze gesteckt^ und ebenso
ist die Auswahl der Personen, die in Betracht kommen können,
sehr beschränkt. Eine römische (jedenfalls nicht afrikanische)
Schrift "^^ die, wie die unsrige, bereits in der Mitte des 4. Jahr-
1) Ist je durch innere Kriteiien ein Autor siclier identifiziert worden, so
ist es hier geschehen.
2) Zweifel sind auch Funk übrig geblieben (Tüb. Quartalschr. 1900 S. 545\
Doch 8. seine „Kirchengescli. Abb. u. Unters." Bd. 2 (1899) S. 236: „Immerhin
mag die Autorschaft Novatians bei De spect. und De bono pud. als sehr wahr-
echeinlich gelten".
3) Auch mit der von De laude martyrii.
4) Don original lateinischen Ursprung hat Landgraf über jeden Zweifel
erhoben.
5) Wohl aber von Tertullian (wie bei Novatian), s. c. 2 u. Tert., Scorp. 8.
ü) Diese ergibt sich auch aus der merkwürdigen Schilderung in c. 10. So
demokratisch ging es später nicht mehr zu.
7) Auch der Zweck der Schrift, der nach einer scharfen Verurteilung auf
Judenl)ekehrung ausgeht, macht es gewiß, daß sie aus einer großen Stadt des
Abendlandes stammt, in der zahlreiche Juden lebten.
Novatian« 403
hunderts in einem römischen Bücherverzeichnis unter den Cyprian-
Schriften gestanden hat, kann nicht wohl nach dem J. 300 ge-
schrieben sein, und, da sie keine Abhängigkeit von Gyprian aufweist
und überhaupt in mehr als einer Hinsicht archaistisch anmutet,
ist es wahrscheinlicher, daß sie vor als daß sie nach 260 entstan-
den ist^ Da nun aber ihr Verfasser nicht nur ein geschulter
Ehetor ist, der mit den rhetorischen Mitteln in geschicktester Weise
wechselt, sondern auch ein Dialektiker, wie das kunstvoll gebaute
Eingangskapitel erweist, sich auf die stoische Erkenntnistheorie
stützt und sich des poetischen Prosastils, aber mit Kraft, bedient,
so ist es wahrscheinlich, daß sie von Novatian stammt. Land-
graf hat hierfür auch eine große Eeihe sehr beachtenswerter
Einzelbeobachtungen geltend gemacht, die nicht widerlegt und nicht
leicht anders gedeutet werden können 2. Ich füge hinzu, daß ^ die
Schrift De laude martyrii, mit der zusammen unsere Predigt in
der Überlieferung auftaucht, aller Wahrscheinlichkeit nach auch
von Novatian herrührt (s. unten). Auf das besondere Interesse an
den „cibis" (in c. 2) sei noch verwiesen , desgleichen auf die Vor-
liebe für Jesajas (vgl. die Schrift De trinitate). Wann unsere Pre-
digt gehalten ist, läßt sich nicht näher bestimmen; Novatian (oder
sein Doppelgänger) kann sie vor oder nach dem Schisma gehalten
haben; denn in der polemisch-apologetischen Predigt spiegeln sich
innerkirchliche Verhältnisse nicht ab. Höchstens darauf wäre zu
verweisen, daß der Verf. im N. T. noch wenig zu Hause ist und
daß er selbst in der evangelischen Geschichte nicht sicher bewan-
dert ist, sondern Konfusion macht.
Weyman^ und Bardenhewer (II S. 442) haben sich nicht
für übei-zeugt erklärt^: Die Abfassung durch Novatian soll nur
eine Möglichkeit sein; „greifbare Merkmale der Hand Novatians
sind nicht aufzuzeigen". Ich weiß nicht, warum die beiden Ge-
lehrten die Novatian-Hypothese bei De spect. und De bono pud.
mit anderem Maßstabe messen als bei unserer Schrift. Bibelstellen
lassen hier freilich keinen Vergleich zu; denn sie fehlen in Adv.
Jud. so gut wie ganz; aber in bezug auf Stil, Rhetorik, Reinheit
der Sprache, Virgilismen usw. steht es bei Adv. Jud. genau so wie
bei den beiden anderen Schriften. Das ist um so auflallender, als
1) Hat man sie doch fiir hippoly tisch halten können.
J) Sie hier mitzuteilen, würde zu weit führen. Mau überschlage sie aber,
indem man dabei erwägt, wie kurz die Schrift ist und wie zahlreich die Menge
der Cbereinstimmungen!
3) In den Hist.-pol. Blättern Bd. 123 S. G44 [ich zitiere hier nach Barden-
hewer; ich selbst habe den Aufsatz nicht eingesehen].
1) Ehrbar d S. 420 läßt die Frage auch zweifelhaft.
9n*
404 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
De spect und De bono pud. wie ep. 30. 36 und De cibis Briefe
(briefliche Ansprachen), also durch ihr litterarisches Genre diesen
von vornherein verwandt sind, während Adv. Jud. eine polemische
Predigt ist Trotzdem ist die Blutsverwandtschaft mit den unbe-
zweifelten Novatian-Schriften unverkennbar. Adv. Jud. aber hat
gegenüber De spect und De bono pud. den hohen Vorzug, daß die
Schrift eine viel ältere Bezeugung besitzt und daß sie, wo sie zu-
erst auftaucht, neben der novatianischen ep. 30 erscheint!
(d) De laude martyrii. Die Überlieferung dieses in den
Handschriften 73 mal bezeugten Traktats lehrt, daß er in dem
Archetypus der ältesten drei Typen am Schluß der großen kursie-
renden Sammlung stand, aber schon geraume Zeit vor der Mitte
des 4. Jahrhunderts (s. das Verzeichnis von Cheltenham v. J. 359,
Lucifer von Cagliari und den sog. Typus 504) zu ep. 6 und vor
ep. 10 gestellt worden ist Sein Anschluß an die Cyprian- Samm-
lung ist in Rom erfolgt (Soden S. 214ff.). Deutet schon dies darauf
hin, daß er in Bom entstanden ist und zwar sicher nicht später
als in der 2. Hälfte des 3. Jahrhundeiiis , so lehrt die Tatsache,
daß er zusammen mit Adv. Jud. und Ad aleat auftaucht — denn
das sind die ältesten und zusammengehörigen unechten Stucke
innerhalb der Cyprian-Sammlung — noch mehr. Sie macht es
überaus wahrscheinlich, daß auch unser Traktat zur novatianischen
Litteratur gehört, da Adv. Jud. von Novatian selbst herrührt und
Ad aleat wahrscheinlich die Schrift eines alten römischen nova-
tianischen Bischofs ist Bedenkt man weiter, daß das Verzeichnis
von Cheltenham (abgesehen von De laude) außer Adv. Jud. nur
noch eine nicht-cyprianische enthält \ nämlich die ep. 30, dal^
diese ebenfalls von Novatian herrührt, daß die Sammlun?
des J. 359 also (abgesehen von De laude) eine lediglich durch No-
vatian-Schriften bereicherte Cyprian-Sammlung ist so haben eigent-
lich die die Beweislast welche die Abfassung von De laude durch
Novatian in Zweifel ziehen.
Die inneren (i runde unterstützen die Annahme des novatiani-
schen Ui-sprungs. Hier spricht ein rhetorisch hochgebildeter Mann
wie Novatian — daß er viel schwülstiger redet als sonst, ist nicht
auffallend; ists doch ein Panegyrikus! man vgl. den panegyrischen
76. Brief Cyprians an die nuniidischen Märtyrer mit seinen anderen
Briefen und Schriften — ; hier spricht ein alter römischer Christ,
der aufs stärkste von Virgil abliängig ist — wie viel Christen mag
1) Die Vita per Pontium kommt nicht in l^otracbt. — Ad iileat. stobt im
(•heltenhamor VerztMchnis nicht, al>t*r Rcino Stellung unmitt'elbar nach Adv.
Judaooö in TQM und vor De hiude (QM) ist von höchst<?r Bedentiing.
NovaÜan. 405
es in Rom in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts oder um die
Mitte desselben gegeben haben, die so schrieben? wir kennen nur
einen, Novatian — ; hier spricht ein christlicher Lehrer,
der Luc. 12, 8 zitiert: ;,qui me confessus fuerit iit terram
coram hominibus, et ego confitebor eum coram patre meo
et coram angelis eins** (c. 11); wir wissen, daß Novatian
(ep. 30, 7) das ganz singulare „coram angelis eins" bietet^;
liier spricht ein Mann, der den Cyprian nicht benutzt hat, wohl
aber den Irenäus und TertuUian, ganz wie Novatian.
Was die Umstände der Abfassung anlangt, so ist die An-
sprache deutlich im Beginn einer Verfolgungszeit — nach einem
längeren relativen Friedenszustand — in Rom von einem Manne
geschrieben, der zwar ein kirchliches Amt bekleidet haben kann,
aber nicht Bischof gewesen ist Wäre er der „Hirte** der Gemeinde,
so müßt« das in der Ansprache hervortreten. Als er schrieb,
wütete in der Stadt und auch im Reiche eine schwere Seuche.
Er betrachtete das öffentliche Bekenntnis Christi als
den eigentlichen Christenstand, die Märtyrer als compares
et consortes Christi, das Blutzeugnis als die rechte, ja einzige
imitatio Christi. Er bevorzugte Luc. 12, 8f. (Matth. 10, 32f.) resp.
ähnlich lautende evangelische Stellen (aus den synoptischen Ew.
zitierte er nur Matth. 3, 10*; 5, 26; 10, 39; 16, 26; 19, 29; Luc. 12, 8;
das ist höchst bezeichnend); außerdem erklärte er es als göttlichen
Befehl, daß die Christen dem (geläuterten) Gold ähnlich seien
(s. c. 16 und Novatian bei Sixtus, ad Novat 1). Er selbst befand
sich nicht unter den Gefangenen, sondern war frei, als er seine
Ansprache niederschrieb. Mit Schmerz gedenkt er selbst dessen
am Schluß seiner Rede. Der Stil derselben, die schulmäßig dis-
poniert ist, ist korrekter und „klassischer" als der irgendeiner
anderen lateinischen Schrift des 3. Jahrhunderts mit Ausnahme des
Octavius des Minucius und der Schriften Novatians.
Auf Grund dieses Tatbestandes habe ich in der Abhandlung
über diese Schrift (Texte u. Unters. Bd. 13 H. 4) mit Zuversicht
den Schluß gezogen, daß sie von Novatian stamme, und habe durch
eine Reihe von Einzelbeobachtungen^ dies Ergebnis verstärkte Nova-
1) Dioso Konibiiiation von Matth. 10, 32 und Luc. 12, 8 war bisher über-
liau]>t nicht außer in Dt? laude 11 und cp. 30, 7 nachgewiesen. Dann zeigt«*
Wcyman (Rundschau ISU7) Nr. 11 und Wiener Studien 1S90 S. 317), daß sie
sich auch im Syr. Curet. und bei Victriciuö von Ronen findet (y c. 407: „Di*
laude t>anctoniin" c. 8 Migne Bd. 20). Die Bedeutung des Arguments ist da-
mit natürlich nicht vernichtet. Keiner der Landsleuto und Zeitgenossen Nova-
tiim^< — auch im weiteren Sinne — bietet sie.
2) Ein [»aju: unter ihnen gebe ich preis.
:j) Direkte Beweise tiir Sprachverwandtschaft der Schrift mit den sicher
406 ^6 Littcratur des Abendlondce.
tian hat diese Anrede gehalten, als er noch nicht Schismatiker wai\
gleich nach Anbruch der decianischen Verfolgung und noch vor
dem Tode des Bischofs Fabian (der am 20. Januar 250 erfolgte),
also im Dezember 249 oder Januar 250. Diese Rede wird seinen
für das Jahr 250 bereits bezeugten Ruf als christlicher Redner
ebenso begründet haben wie seine Schrift De ü-initate sein Ansehen
als kirchlicher Lehrer. Die Zeitbestimmung wird durch die Tat-
sache noch verstärkt, daß anscheinend in mehreren Handschriften,
jedenfalls im Cod. 6 saec. XL, Moses und Maximus als die
Adressaten der Anrede ausdrücklich in der Aufschrift genannt
werden. Diese sind aber die frühesten und berühmtesten Opfer
der decianischen Verfolgung (neben dem Bischof Fabian) und wai'en
die Kollegen des Novatian im Presbyterium *.
Loofs und Hilgenfeld haben diese Ausführungen als beweis-
kräftig anerkannt bez. für sehr wahrscheinlich erklärt, aber Wey-
man, Bardenhewer und Monceaux haben Widerspruch erhoben-.
Monceauxs Widerspruch will nichts besagen; denn er erkennt
auch die Wey mansche These in bezug auf De spect. und Debon«»
pud. nicht an und hat die pseudocyprianischen Schriften trotz der
Breite seiner Darstellung überhaupt nicht gründlich untersucht
Bardenhewer begnügte sich mit dem Verdikt: „Ein solches
Machwerk — er bezeichnet es mit Rettberg als verworren, un-
klar, geschraubt, affektiert, kurz schlecht — darf man nicht einem
Schriftsteller wie Novatian aufs Konto setzen. Die Argumente
Harnacks, die ausgedehnte Virgilbenutzung, die Verwandtschaft
des beiderseitigen Bibeltextes usw. hat ^^'eynlan entkräftet". Ge-
schraubt und affektiert ist die Schrift gewiß, aber nicht verworren
und „schlecht". In bezug auf Panegyriken empfand man eben im
3. Jahrhundert anders als im 20.; auch originale Schriftsteller
wurden im Altertum nach unserem (leschmack affektiert und
schwülstig, wenn sie Ruhmesreden hielten. Wie aber Weyman die
ausgedehnte Virgilbenutzung und die Verwandtschaft des beider-
seitigen Bibeltextes entkräftet haben soll, weiß ich nicht Diese
Art von Virgilbenutzung, gewiß im 3. Jahrhundert sonst häufig,
ist in bezug auf christliche Schriftsteller dieser Zeit nur für No-
vatian nachzuweisen — mau vgl. Adv. Jud. mit De laude. Daß die
Benutzung Mrgils in De laude viel aufdringlicher ist, erklärt sich
echten Traktaten Novatians habi' ich nielit ^egeheu, wolil aber zahlreiche
indirekte'.
1) Eine genaue Prüfung der Handsrliriften in bezug auf diesen Beisatz
f<'hlt noch. An Ach hat er das Präjudiz hohen Alters fiir sieh wie die Br'^i-
sehriften in den „Sententiae", die sich in t'inigeu Hand«?ehrift^?n finden.
2) Ehrhard drückt sich zweifelhaft aus.
Novatian. 407
doch genügend ans dem poetischen Stil des Panegyrikus. Den
Bibeltext anlangend, so habe ich nur behauptet, daß der locus classicus
des späteren Novatian sich auch in De laude findet und zwar in
der singulären Fassung Novatians. Der Nachweis, daß diese
Fassung im Syr. Curet steht und 150 Jahre nach Novatian noch
einmal vorkommt, den Weyman gegeben hat, ist dankenswert,
kann aber das Gewicht dieses Arguments nur um weniges ver-
mindern.
(e) Quod idola dii non sint. Wir haben oben S. 336 f. gezeigt,
daß diese Schrift nicht von Cyprian herrührt Es erübrigt noch
die Frage, ob sie nicht von Novatian stammt Haußleiter (Theol.
Litt-Blatt 1894 Nr. 41 Kol. 484 f.) hat das für wahrscheinlich ge-
halten, und nach dem, was wir bisher über novatianisches Eigen-
tum innerhalb der Cyprianischen Sammlung gelernt haben, liegt
diese These (angesichts einer Schrift, die so frühe den cyprianischen
beigesellt worden ist) nahe. Haußleiter hat auch ein paar Be-
obachtungen beigebracht, die da zeigen, daß in der Sprache zwischen
Quod idola und Novatian Übereinstimmungen bestehen, die in bezug
auf Cyprian fehlen. Allein da der größte Teil des Inhalts in Quod
idola abgeschrieben ist, so ist das Material, welches sich zur Ver-
gleichung darbietet, außerordentlich schmal, und die schrift-
stellerische Individualität des Verfassers von Quod idola ist nicht
näher zu bestimmen. Daher bleibt die Abfassung der Schrift von
Novatian eine bloße Möglichkeit, aber behaupten läßt sie sich
nicht — sie läßt sich um so weniger behaupten, als die Gattung
dieser Schrift für Novatian nicht bezeugt ist Niemand hat ihn
unter die Apologeten gerechnete
Die unter dem Namen des Origenes stehenden 20 Traktate de
libris SS. scrinturarum (Predigten) hatte ihr Entdecker und Editor,
Batiffol, dem Origenes vindiziert aber angenommen, daß sie von
1) Die 13 pseudocyprianischen Schriften, die wir untersucht haben, ver-
teilen sich also: De trinitate, De spect.. De bouo pud., Adv. Jud., De laude ge-
liören dem Novatian an; novatianisch (im weiteren Sinne) ist höchstwahrschein-
lich Ad aleat. und vielleicht Quod idola. Yorcyprianisch sind De pascha und
.«ehr wahrscheinlich De montibus. Römisch und zwar von dem Zeitgenossen
Cyprians Sixtus ist Ad Novatianum. Von einem Zeitgenossen ist auch De rebapt.
In die Zeit Valerians oder Diokletians gehört voraussichtlich Ad Vigilium.
Nichts Bestimmtes läßt sich über De paenit. sagen. Von keiner dieser Schriften
ist also ausgemacht, daß sie später als im M. Jahrhundert verfaßt ist; bei 10
Schriften ist die Abfassung in diesem Jahrhundert sicher. Sicher afrikanisch
ist keine einzige Schrift, aber für Ad Yigilium ist afrikanischer Ursprung
wahrscheinlich, wahrscheinlich auch für De rebapt. und De montibus. Zweifellos
römisch sind acht Traktate.
408 ^^6 Littcratur des Abendlandes.
Victorinus von Pettau übersetzt und bearbeitet seien. Ich hatte
(Theol. Litt-Ztg. 1900 Nr. 5) diese Hypothese akzeptiert, aber
hinzugefügt, daß man die Bemerkung des Hieronymus über Victorin
nicht außer acht lassen dürfe, Victorin habe die „Tractatns Ori-
genis non ut interpres, sed ut auctor proprii operis'^ übersetzt
„Das gibt einen Fingerzeig, daß wir in zweifelhaften Fällen den
Text als Eigentum nicht des Origenes, sondern des Victorin an-
zusehen haben. Deshalb kann man fragen, ob man diese Homilien
unter die Werke des Origenes aufnehmen soll". Femer: „Die
Trinitätslehre ist nicht rein origenistisch, sondern durch Tertallian
stark in der Richtung auf das Nicänum beeinflußte^ „TertuUians
Traktat De resurr, ist (tract. 1 7) so stark ausgeschrieben, daß diese
Homilie für die Textkritik Tertullians etwas ausü'ägt*'. Butler
bestätigte es, daß sich Parallelen zwischen den Werken des Ori-
genes und diesen Traktaten finden.
Allein die Untersuchung trat in ein neues Stadium, als W^ey-
man nachwies, daß diese Predigten ein lateinisches Originalwerk
(der Form nach) sind. Dieser Nachweis wai' einleuchtend und
durch die Fülle der Argumente abschließend. „Selten ist", sagt
Bardenhewer mit Recht, „eine bestrittene Frage der altkirch-
lichen Litteraturgeschichte so glatt und rasch zu endgültiger Ent-
scheidung gebracht worden wie die Originalität des lateinischen
Textes der Predigten durch die Nachweise Weymans. Der Pre-
diger ist, daran läßt sich nicht mehr rütteln, ein stilistisch und
rhetorisch wohlgeschulter Lateiner". Damit wurde die Annahme
hinfällig, daß die Traktate eine, sei es auch noch so freie, Be-
arbeitung griechischer Predigten darstellen. Griechische Quellen
(s. die Gräzismen) liegen mit zugrunde; Origenes ist (direkt oder
indirekt) benutzt, aber er ist nicht die Vorlage. Es ergab sich
aber auch die weitere Konsequenz, daß man die Predigten —
zahlreiche Vorlagen vorbehalten — als einheitliches Werk aufzu-
fassen habe.
Weynum u.a. zeigten ferner, daß die Benutzung lateinischer
Litteratur in den Predigten viel weiter reicht, als Batiffol dies
gesehen hatte. TertuUian, Minucius, namentlich aber Novatian
sind von dem auch mit den lateinischen Klassikern vertrauten Ver-
fasser stark und z. T. sklavisch ausgebeutet, auch Hilarius, Rufin
u. a. — doch hier erhebt sich die Frage, ob sie nicht viel mehr
die Ausschreiber sind.
Wevman nahm letzteres an und suchte den Nachweis zu
führen, daß Novatian der Verfasser der Predigten sei Dieselben
seien, abgesehen von den zahlreichen wörtlichen oder fast wört-
lichen Entlehnungen aus den Schriften Novatians, „in ihrer Totali-
Novation. 409
t^it mit Eigentümlichkeiten des novatianischen Sprachgebraachs
durchsetzt und darunter mit solchen, die nicht an der Oberfläche
liegen, sondern sich erst nach wiederholter Lektüre dem philo-
logischen Auge erschließen".
Dieser Nachweis erschien Haußleiter, Jordan und Zahn
einleuchtend, und die beiden ersteren bemühten sich, ihn durch
neue Argumente zu bekräftigen. Allein Funk, Morin, Batiffol,
Künstle, Ehrhard, Butler, Ammundsen, Torm, Andersen
lind Bardenhewer erhoben Widerspruch, und zwar mit Recht
Entscheidend ist schon, daß sich, wie Weyman und Jordan selbst
zugestehen, die Abfassung durch Novatian nur halten läßt, wenn
man sich zur Annahme christologischer Interpolationen entschließt.
Interpolationen aber lediglich deshalb anzunehmen, weil der Text
zu einer vorgefaßten Meinung nicht paßt, ist methodisch unstatt-
hafte Es können aber folgende Sätze nicht (oder so gut wie sicher
nicht) vornicänisch sein. Trakt 3 p. 33: „(Christus) deus secundum
naturam patris, quia vere deus est nuucupatur; filius etenim dei,
deus verus de deo vero, unigenitus ab ingenito, non potest alius
esse quam deus. Trakt. 14 p. 157: „Nemo vincit nisi qui patrem
et filiiim et spiritum s. aequali potestate et indifferent! vir-
tute crediderit". Trakt 20 p. 571: „In hoc spiritu positus nemo
uegat Christum verum deum et verum filium unigenitum de
ingenito natum"". Diese Sätze auszuschalten, liegt im Zusammen-
hang des Ganzen, wie bemerkt, kein Anlaß vor. Die Ei^wähnung
des Praxeas und Sabellius in tract 3 und die Nichterwähnung
des Arius ist kein solcher; denn Anus ist im Abendland überhaupt
nicht viel erwähnt worden (abgesehen von den Streitschriften), und
zur Bekämpfung des Modalismus war auch später noch im Abend-
lande Ursache genug vorhanden. Es hat aber Funk noch zwei
Beobachtungen geltend gemacht, die für das 4. Jahrh. (bez. den
Ausgang desselben) sprechen. In tract 12 werden von den Kate-
chumenen und Gläubigen als eine besondere Klasse „competentes"
unterschieden (p. 135). Das ist erst für die 2. Hälfte des 4. Jahr-
hunderts zu belegen. Ferner wird Christus als „omni pulchritudine
pulchrior, omni formositate formosior" in tract 7 (p. 80) gefeiert
Diese Anschauung läßt sich auch erst für das 4. Jahrh. belegen.
Weiter ist zwai* der terminus „trinitas" im 3. Jahrh. nachweisbar
(doch nicht in den Schriften Novatians), aber ein solch umfang-
reicher Gebrauch, wie er in diesen Predigten vorliegt, ist in vor-
nicänischer Zeit höchst auffallend. Endlich, die Hauptsache —
1) Die christolopfischcn iStellen sind formell dem Ganzen gut eingegliedert
lind geben in dieser Hinsicht keinen Anlali zu I5edenken.
410 ^6 Litteratur des Abendlandes.
die exegetische Methode und Technik, die in den Traktaten offen-
bar ist, ist für das Abendland und die lateinische Kirche vor
Victorin von Pettau nicht zu belegen. Wäre Novatian oder ein,
sei es auch etwas späterer Zeitgenosse der Verfasser, so müßte er
uns bekannt sein.
Demgemäß und weil Zeitspuren, die auf das 3. Jahrhundert
weisen, überhaupt nicht vorhanden sindS ist es angezeigt, diese
Predigten mit den genannten Gelehrten mindestens tief in das 4.
Jahrhundert zu rücken^. Daß sie den Novatian besonders stark
und sklavisch wörtlich ausgeschrieben haben — vermutlich auch
an solchen Stellen, wo wir es nicht zu beweisen vermögen^; denn
viele Schriften Novatians fehlen uns — , spricht mehr gegen als for
ihn als Verfasser; denn daß er sich selbst in dieser Weise ge-
plündert haben soll, ist nicht glaublich*. Auch nicht wenige der
allegorischen Auslegungen befremden bei einem lateinischen Schrift-
steller um die Mitte des 3. Jahrhundeils und speziell bei Novatian.
Was Geist und Art anlangt, so erscheint mir der Verfasser der
Predigten dem echten Novatian ganz fremd gegenüberzustehen.
— Gehören die Predigten nicht dem Novatian und nicht in die
vornicänische Zeit, so haben wir an dieser Stelle keine Veranlassung,
näher auf sie einzugehen und uns au den bisher noch aussichtslosen
Versuchen, ihren Verfasser aufzuspüren, zu beteiligend
3) Römische Bischöfe und Kleriker von Cornelias
bis Miltiades.
Was sich in bezug auf Abhandlungen und Schreiben römisclier
Bischöfe, Kleriker und Konfessoren aus der Briefsammlung Cyprians
bez. den Corpora Opp. Cypr. ergeben hat, s. dort und Texte und
1) Die „Verfolgungen" gehören teils zur Fa<^on des homiletischen StiU,
teils sind wirkliche Verfolgungen ins Auge gefaßt, die aber partikular auch
noch in nachkoustantinischer Zeit stattgefunden haben (ähnlich Funk).
2) An Yictorin ist auch nicht mehr zu denken, da er schon in der di->-
kletianischen Verfolgung gestorben ist.
3) Hierfür hat Haußleiter manches beigebracht.
4) Wohl aber erkläi-t sich so vortreft'lich, daß ein so femer Sprachkennt*r
wie Weyman sich täuschen lassen konnte. Die Predigten haben wirklich vi«*!
Novatianisches, aber sie haben es übernommen. Andererseits fehlen auch Ab-
weichungen von der Weise Novatians nicht.
5) Morin hat i==eine Hypothese, Gregor von Elvira sei der Verfasser,
zurückgezogen imd sucht den Autor jetzt im 5. Jahrhundert. Batiffol siebt
jetzt in einem Novatianer aus dem Anfang des 4. Jahrh. den Urheber, und a-
einen solchen doukt auch Torrn.
Römisclie BiscliOfe und Kleriker von Cornelius bis Miltiades. 411
Unters. Bd. 23 H. 2 S. Iflf. Hier wird hinzugefügt, was wir un-
abhängig von denselben wissen.
Cornelius (März 251— Juni 253)^ Die drei Briefe des Cor-
nelius an den antiochenischen Bischof Fabius (Euseb. VI, 43, 3 f.,
nicht 4 Briefe, wie Hieron., de vir. inl. 66 iiTtümlich angibt) fallen
in den Anfang seiner Regierung, da sie sich auf die Wahl des
(iregenbischofs Novatian und seine Exkommunikation auf einer römi-
schen Synode beziehen 2; nur von dem dritten besitzen wir Fragmente.
Ungefähr gleichzeitig wird der verlorene Brief an Dionysius von
Alexandrien sein (Euseb. VI, 46, 3). Von Briefen des Cornelius an
alle Kirchen, in denen er seinen Standpunkt in der Gefallenen-
Frage dargelegt und aus der Schrift begründet habe, spricht Sokrates,
h. e. IV, 28. Briefe italienischer Bischöfe, die ihm ihre Zustimmung
zur Exkommunikation des Novatian ausgesprochen haben, erwähnt
Cornelius in seinem Brief an Fabius (Euseb., 1. c § 22).
Stephanus ([12. Mai] 254—2. Aug. 257). Briefe des St an
syrische und arabische Gemeinden (Dionys. Alex, bei Euseb.,
li. e. VII, 5, 2; nicht erhalten) unbestimmten Inhalts (mit einer
Geldunterstützung), Briefe an die orientalischen Bischöfe im Ketzer-
taufstreit, ihnen mit der Exkommunikation drohend (Dionys. ep. ad
Sixtum, 1. c. § 4, cf. Firmil. bei Cypr. ep. 75, 25). Unter ihm ist
wahrscheinlich die offizielle römische Bischofsliste fortgeführt worden,
die wir im Catal. Liber. besitzend
Sixtus II ^31. [24.??] Aug. 257—6. Aug. 25S). Briefe an die
< )rientalen in Sachen der Ketzertaufe sind sehr wahrscheinlich
( Euseb., h. e. VII, 9). Über ihn als Verfasser der pseudocyprianischen
Schrift Ad Novatianum s. o. S. 387. Über die Sixtus-Sprüche s. o. S. 190.
Phileraon, Römischer Presbyter, Schreiben an Dionysius v.
Alex. Von diesem verlorenen Schreiben wissen wir nur aus den
beiden Antwortschreiben des Dionysius (Euseb., h. e. VII, 5, 6;
7, 1). Der Brief ist, wie der Zusammenhang mit anderen Briefen
zeigt, im J. 257/8 geschrieben.
Dionysius v. Rom (22. Juli 259--26. [27.] Dez. 268). Als
T^resbyter war Dionysius Mitverfasser des eben genannten Schreibens
an Dionysius von Alex. (Euseb., 1. c), als Bischof hat er an den-
selben zwei Schreiben gerichtet über Subordinatianismus und
1) Zur Chronologie s. Senfelder in d. Ttib. QuartaLschr. Bd. 7-J, 1801,
S. (>Sff. Er setzt April 251 bis Juli 253 an.
2) Die Mitteilungen im Koptischen Synaxarium zum 12. Kihak (Wüsten-
l'eld II S. 172 f.) über diese Synode scheinen auf einer guten Quelle zu be-
ruhen. Neben den 00 Bischöfen, die auch Kusebius als Teilnehmer nennt,
werden 18 römische Presbyter erwähnt,
:{) S. T. H Bd. 1 dieses Werks S. l.VJ.
412 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
Sabellianismus (Athan^ De sentent Dionys. 13 und De synod. 43).
Da der alexandrinische Dionysius im J. 264 (oder erst 265) ge-
storben ist, so fallen diese Schreiben zwischen 259 und 264; ein
längeres, anzweifelhaft echtes Stück aus dem einen bei Äthan.,
De decr. syn. Nie. 26. Das Schreiben nach Cäsarea Eapp., welches
Basilias Magn. (ep. 70 ad Damas.) erwähnt, läßt sich nicht näher
datieren.
Felix ([5.J Jan. 269—30. Dez. 274). Das zu Ephesus auf dem
Konzil verlesene Glaubensbekenntnis des Felix ist eine. apoUina-
ristische Fälschung*. Da es sich als Bestandteil eines Briefs des
Felix an den Bischof Maximus y. Alex, produziert und es an sich
sehr glaublich ist, daß Felix einen solchen Brief in Sachen des
Paul von Samosata an Maximus gerichtet hat, so wird man an-
nehmen dürfen, daß die Äpollinaristen einen vorhandenen Brief des
Felix mit dieser Adresse für ihre Zwecke verfälscht oder ihn als
Deckung gebraucht haben. Dieser verlorene echte Brief wird dem
Anfang des J. 269 angehört haben (Euseb., h. e. VII, 30). Daß
Felix litterae communic. an Domnus, den Nachfolger Pauls, gerichtet
hat, ist aus Euseb. VII, 30, 19 gewiß^
Melchiades = Miltiades (2. Juli 310—10. [11.] Jan. 314). Die
uns aus Optat I, 22 ff. und aus dem Brief Konstantins ad Aelafiuni
(Routh, Reliq. Sacr. IV -^ p. 297 ff.) bekannte Synodalentscheidung
dieses Papstes in der Donatistensache erfolgte am 2. Okt. 313, bez.
au diesem Tage begann die Synode im Palast der Kaiserin Fausta.
— De Rossi und Duchesne (Martyrol. Hieronym., 1894, p. L
haben gezeigt, daß die letzte Quelle des Martyrolog. Hieronym. ein
römischer Kalender ist, der z. Z. des Melchiades (also unmittelbar
nach der Verfolgung) angelegt worden ist.
4) Römische ünostiker in der Mitte des 3. Jahrhanderts.
(Ol jcsqI \i6iXq)L0v xal \lxx'iXlvov^)
Die im 1. Teil dieses Werks S. 173f. u. 661 ff. bezeichneten
Gnostiker sind die, mit denen sich die römischen Neuplatoniker
1) S. Ciisiuiri, Alt« und neue Quellen z. liCöch. des Taufsymbols IST!»
S. 111 — VI?,. Tber die C herliefe run<^ des Stücks s. außer den im 1. Teil diesrs
Werks f;!;enannten (Quellen Maassen, (ieseli. d. Quollen usw. 1 S. 231.
*J) Auf die Papste zwischen Felix und Melchiades, auf den Papst Silvester
sowie auf den dunklen Häretiker Heraclius (Damasusinschrift auf Bischof Eu-
sebius) gehe ich nicht ein, da wir nicht wissen, daß sie etwas Schriftliches
hinterlassen haben. — Daß ein anonymer römischer Bericht über die Tanslatii*
app. Petri et Pauli wahrscheinlich dem 'i\. Jahrhundert angehört, darüber s.
den 1. Teil dieses AVerks S. ÜOO und vgl. de Waal, Die Apostelgruft Ad cata-
cumbas (3. Suppl.-lleft z. Hörn. Quartalschr. 1S91 S. 22 ff.).
Römische Gnosfdker in der Mitte des 3. Jabrhanderts. 413
auseinandergesetzt haben. Plotin kam i. J. 244 nach Rom ^ und
blieb daselbst bis zu seinem Tode (270). Nach der Vita Plotini
des Porphyrias (c 16) hat er sich mit Gnostikern wissenschaftlich
auseinandergesetzt, die in Rom lebten^, unter ihnen Adelphius und
Aquilinus. Von Aquilinus hören wir auch durch Eunapius^; ihm
haben noch Schriften (oder eine Schrift) des Aquilinus vorgelegen \
Eine Schrift unter dem Titel jcsq! agid^nAv von ihm zitiert Joh.
Laurent Lydus*. Porphyrius teilt uns auch (I.e.) aus der bei
diesen Gnostikern hoch angesehenen Litteratur etwas mit, wissen-
schaftliche Werke und Apokalypsen. Plotin hat die des Zoroaster
und des Zostrianus seinen Schülern Amelius und Porphyrius zur
Untersuchung übergeben. Er selbst aber schrieb — wie es scheint,
bevor jene ihre Prüfung beendet hatten — eine eigene Abhandlung
„gegen die Gnostiker** (9. Buch der 2. Enneade). Die Zeit der
Gegner ist nicht näher als 250 — 270 zu bestimmen; jene Abhand-
lung des Plotin (der Titel ist späterer Zusatz) fallt zwischen 262
und 268 — denn das sind die Jahre der litterarischen Produktivi-
tät Plotins ^ — , wahrscheinlich aber i. d, J. 264 ^ Als ein Fragment
aus den Schriften dieser Gnostiker, die mit den Prodicianern des
Clemens Alex. bez. mit den „Gnostikern" im spezifischen Sinne ver-
wandt sind, ist das große und intei*essante Zitat des Porphyrius
(De abstin. I, 42) in Anspruch zu nehmen. Wir erfahren übrigens
auch, daß die Gnostiker, um zu hören und zu disputieren, in die
Schule Plotins eingetreten sind^. Dies muß im Anfang des 7. oder
am Ende des 6. Jahrzehnts geschehen sein und war natürlich nur
von kürzerer Dauer. Plotins Stellung gegenüber den Gnostikern
ist allmählich schroffer geworden; den Abschluß kann man in den
15 Büchern des Porphyrius xaxa XQioriavoiv sehen. Dieser ging
eines Nervenleidens wegen i. J. 268/9 nach Lilybäum und liat bald
darauf sein polemisches Werk erscheinen lassen, das natürlich auf
den römischen Eindrücken und den Studien in Eom ruht.
1) S. Karl Schmidt in d. Texten ii. Unters. IUI. 'J(» Heft 4 S. 11.
2) S. Schmidt, a. a. 0. S. 14.
3) S. Schmidt, a. a. 0. S. 15 ff. Er nennt ihn unter den Anhängern des
l'lotin; aber das ist Konfusion; es sei denn, daß Aquilin später zum Neuplato-
lüsmus übergegangen ist, was nach Plotin, Knneade 2, Buch 9 c. 10 nicht ganz
unwahrscheinlich ist.
4) De mensibus IV, 52 p. 2:38 ed. Röther.
5) Vita Plotini c. 5: „sechs Jahre".
G) S. Schmidt, a. a. 0. S. 8Uf. Daß Plotin auch sonst gegen diese Gno-
stiker polemisiert hat, zeigt Schmidt S. G3ff.
7) Enneade 2, Buch 9 c. 10; Plotin würdigt sie sogar des Namens „Freunde".
414 ^^3 Litteratur des Abendlandes.
5) Arnobiusy Ady. Nationes.
Das schnell komponierte und flüchtig hingeworfene Werk Ad?.
Nationes (Gentes?), dessen Anlage am Schluß ganz verworren wird*,
gehört nach dem unverwerflichen Zeugnis des Hieronymus dem in
Sicca in Nordafrika lebenden Rhetor Amobius, der es (s. Hieron.
Chron. ad ann. 2343) zum Erweise seiner jüngst gewonnenen Christ-
lichkeit geschrieben haben soll („qui cum Siccae ad declamandum
invenes erudiret et adhuc ethnicus ad credulitatem somniis com-
pelleretur neque ab episcopo impetraret fidem quam semper im-
pugnaverat, elucubravit adversum pristinam religionem luculentis-
simos libros et tandem veluti quibusdam obsidibus pietatis foedns
impetravit''). Der als Schüler des Arnobius bezeichnete Lactantins
(Hieron. De vir. inl. 80) hat es nie zitiert; auch stillschweigende
Benutzungen, die man nachweisen wollte, sind ganz ansicher-;
trotzdem liegt zur Bezweiflung der Schülerschaft des Lactantius
kein Grund vor 3. Das Buch ist, wie es scheint, nicht viel gelesen
worden; außer von Hieronymus wird es nur von „Gelasius" er-
wähnt und — es war in der Tat nicht unbedenklich — verworfen.
Hieronymus hat in seiner Chronik den Arnobius zum J. 326/7
gestellt, d. h. er hat seine Fortsetzung der Chronik des Eusebios, der
den Arnobius nicht erwähnt hatte, mit dieser Notiz begonnen *. Sie
ist um so weniger streng zu nehmen, als Hieron. De vir. inL 79 selbst
schreibt: „Arnobius sub Diocletiano principe". Dies bestätigt sich
durch den Inhalt des Buchs. L I, 13 heißt es: „Trecenti sunt anni
ferme minus vel plus aliquid, ex quo coepimus esse Christiani et
terrarum in orbe censeri"^ Vertrüge sich diese Notiz zur Not
1) S. Reifferscheid, Arnob. Adv. Nat. 1. VII (1875) p. XIV. Die Inte-
grität des Buchs ist aber nicht zu beanstanden.
2) Altere Nachweise bei Le Brun-Lenglet und Buenemann; vgl. auch
Brandt in der 3. seiner 4 dem Lactantius gewidmeten Abhandlungen (Sitiungs-
her. d. Wiener Akad. 1889—1891), 1890, S. 19 f. Auffallende Übereinstimmung
zeigen nur zwei Stellen, die evangelische Berichte enthalten.
3) Nicht in seiner christlichen, sondern noch in der heidnischen Periode
muß Amobius der Lehrer des Lactantius gewesen sein. Das folgt aas der
Chronologie des Lebens beider Männer mit Sicherheit. Daher hatte Lactantius
wenig Grund, den Arnobius zu erwähnen. Die Notiz hat aber doch wahr-
scheinlich in einem verlorenen Werk jenes gestanden. Woher hatte sie Hie-
ronymus sonst?
4) Damit erledigt sich auch die Annahme, 326/7 sei das Todesjahr des
Arnobius. Hieronymus hat den Arnobius einfach in das erste Jahr gestellt,
welches den Anfang seiner Zusätze bildet.
5) Cf. II, 71: „Ante CCC annos religio, inquit, vestra non fuit".
LactantiuB. 415
auch noch mit der Zeit um d. J. 326, so folgt aus IV, 36, daß die
diokletianischen Edikte kürzlich ergangen und noch nicht zurück-
genommen sind^; dasselbe ergibt sich ganz klar aus II, 5^. Also
stammt das Werk aus der Zeit 304— 310^. Rechnet Ai'nobius selbst
II, 71 seit der Gründung der Stadt Rom 1050 Jahre „aut non mul-
tum ab his minus*', so kann gegenüber der Gewißheit, daß Diokle-
tian bereits seine Edikte erlassen hatte, diese Berechnung, die auf
c. 295 führen würde, nicht aufkommen^. Weiteres ist nicht bekannt;
aber da Lactantius schwerlich später als c. 250 geboren (s. u.) und
ein Schüler des Arnobius gewesen ist, so muß das Greburtsjahr
des letzteren noch in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts fallen.
Für die psychologische Würdigung seines Werks * ist die Erkennt-
nis nicht gleichgültig, daß es Arnobius als Mann von c. 60 Jahren
geschrieben hat Auch die Greschichte, die Hieron. berichtet (s. o.),
gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit: man begreift daß der Bischof
der Konversion des alten Heiden zunächst Mißtrauen entgegen-
setzte, und daß die Konversion solches Aufsehen erregte, daß sich
die Kunde bis zur Zeit des Hieronymus erhalten hat
6) Lactantins.
L. Caecilius (schwerlich Caelius) Firmianus Lactantius * ist von
(Teburt. Afrikaner gewesen; denn nach Hieron., De vir. inL 80 war
er Schüler des Arnobius, der in Sicca Numid. die Rhetorik lehrte,
1) „Nam nostra quldem scripta cur ignibiis menierunt dari? cur imma-
Biter conventicula dirtii?"
2) „Quod cum genera poenarum tanta sint a vobis proposita religionis
liuius sequentibus leges, augeatur res magis et contra omnes luinas atque inter-
flicta formidinum animosius populus obnitatur".
3) Erzählt die von Hieron. bewahrte Überlieferung, daß Arnobius durch
Träume zugunsten des Christentums erschüttert worden sei, so mag man sich
erinnern, daß die Verfolgungszeit — in dieser geschah es — öfters in die
Reihen der Verfolger eingegriffen und Saulus zu Paulus gemacht hat.
4) Gegen Brandt,
5) Es zeigt die Lektüre des Protrepticus des Clemens Alex. (s. Röhricht.
IJe Clemente Alex. Arnobii .... auctore, 1892) und des Cicero. Juristische
Kenntnisse hat Ferrini nachgewiesen (Die Jurist. Kenntnisse des Amob. u.
Lact, in d. Ztschr. d. Savigny-Stiftung f. Recht^gesch. Bd. 15, Roman. Abt.,
1894, S. 343 fF.). Die Litteratur zur Text- u. Quellenkritik des Arnobius s. bei
Ehrhard, Die altchristl. Litt., 19()0 S. 481 flP.
6) Die Handschriften schwanken zwischen „Caecilius" (die jüngeren) und
„Caelius" (Bononiensis); aber auf einer afrikanischen Inschrift findet sich ein
L. Caecilius Firmianus (CIL VIII 7241 : Cirta). Da Hieron. „qui et Lactantius"
schreibt, so muß dieser Name als Signum gelten, gebildet von „Lactans", wie
Fidentius von Fidens, usw.
416 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
und schrieb in Afi*ika als adalescentulus ein ^Symposium". Auch
seine verlorene Reisebeschreibung („Hodoeporicum*') „von Afrika
nach Nikomedien" zeugt fftr jenes Land. Daß die Familie ^ nach
Cirta gehörte, darf man vielleicht aus der soeben zitierten Inschrift
schließen \
Als Heide geboren ^ Lehrer der Rhetorik* in seiner Heimat,
berief ihn zusammen mit dem Grammatiker Flavius Diokletian als
Lehrer der Rhetorik nach Nikomedien ^ Ob er schon in der letzten
Zeit seines Lebens in Afrika oder erst in Nikomedien Christ ge-
worden ist, läßt sich nicht entscheiden; ebensowenig ist das Jahr
seiner Übersiedelung nach Asien bekannt Seine drei frühesten
Werke, die Hieronymus nennt (I.e.): „Symposium, qnod ada-
lescentulus scripsit Africae, et Hodoeporicum Africa usque Ni-
comediam hexametris scriptum versibus, et alium librum, qoi in-
scribitur Grammaticus", sind verloren gegangen^. Die beiden
letzteren kann er bereits als Christ geschrieben haben, ja es ist
nicht einmal notwendig, den „Grammaticus** zu den frühesten Schrif-
ten zu rechnen.
1) Vermutungen, daß der im Eingang der Epitome genannt« „Pentadiu>
frater*' mit einem anderen der uns bekannten Pentadii identisch sei, sind um
80 nichtiger, als man gar nicht weiß, ob jener Pentadius ein leiblicher Bruder
des Lactantius oder ein christlicher Bnider war oder ein Freund.
*J) Italienischer Lokalpatriotismus hat ihn für Fermo reklamiert, aber
Firmianus stammt von Firmus; von Fii-mum kann es nicht gebildet sein (s. die
Widerlegung bei Brandt, in der '->. seiner 4 dem Lact, gewidmeten Abhand-
lungen [Sitzungsber. d. Wiener Akad. laSO— 91], 1800 S. off.). Solche Namen.---
ableitungen (Flaccianus, Severianus, Verianus, Priscillianus, Fuscianus) waren
damals ganz geläutig.
3) Ganz sicher ist das nicht, aber (1) er war Schüler des Amobius, al>
dieser noch Heide war, (2) er venii-t^iilt Instit. I, 1, 8 die Art, wie er früher
seinen Beruf ausgeübt hat, (o) Augustin rechnet ihn (De doctr. II, 61) zu de«
Lehrern, die ursprünglich dem Heidentum angehört haben.
4) Aber nur Tlieoretiker , s. Inst. div. III, 13, 12: „Eloquens uunquam fui
(luippe qui forum ne adtigerim quidem".
5) Hieron., De vir. inl. 80 und Jnstit. div. V, 2, 2.
G) Von dem zweiten fehlt jede J^pur, ebenso von dem erst-en; denn es isT
unwahrscheinlich, daß die hexameti-ische Rätselsammlung des Synip[h]osin5
(Teuffei -Schwabe, <iesch. d. röm. Litt. * S.1152j das gesucht« Werk ist^ Zwar
ist diese lUltselsammlung schon in karolingischer Zeit dem Lactantiiis beige-
legt worden; allein der Gleichklang der Namen „Symposion" und „SyTnp[h]o-
sius" hat wohl dazu vorführt. Allerdings ist der Name Symp[h]o8iu8 etwa^
auffallend, und die reine Sprache jener I^ätsel legt es nahe, sie ins 3. oder
•1. Jahrh. zu verlegen. Aber sie sind in Versen geschrieben; nach Hieron. aber
muß man annehmen, daß das Symposion ein Prosawerk war (s. Brandt, Lact.
Opp. II, 1 p. XXXVIllf. u. 4. Abhandl. ISiil S. 120 ff.). Vom „Grammaticiir
haben sich vielleicht zwei, ])e/w. ein Fragment erhalten (s. Brandt S. 12^7).
Laota&tuii. 4X7
Nach Inst div. V, 2, 2 war L. nicht mehr in Biihynien, als
er das 5. Bach schrieb („ego com in Bithynia oratorias litteras
acdtas docerem*"); nach V, 11, 15 war er L J. 305, vielleicht aach
noch i. J. 306, daselbst Die öffentliche Tätigkeit hat er noch beim
Ausbrach der diokletiamschen Verfolgung ausgeübt, dann aber,
infolge des Edikts natürlich, aufgegeben ^ da die private nichts
mehr eintrug, hat er sich ganz der Schriftstellerei zugewandt
(Hieron. 1. c: „penuria discipulorum [Nicomediae] ob Graecam
videlicet civitatem ad scribendum se contulit^)^ Als ihm der Boden
in Nikomedien zu heiß wurde, verließ er die Stadt und Provinz;
aber nach Demort persec 35 (u. 48) ist er in den JJ. 311—313 wie-
der in Bithynien gewesen; also war es das Toleranzedikt, welches
ihn wieder dorthin zurückführte. „Eztrema senectute" wurde er
als Lehrer der litterae Latinae für Crispus, den Sohn des Kon-
stantin, nach Gallien (Trier) berufen (Hieron. L cu. Chronik ad
ann. 2333)^. Da Crispus L J. 307 oder um dieses Jahr geboren ist'
und wahrscheinlich um d. J. 317 nach Gallien geschickt wurde,
so ist Lactantius um diese Zeit dorthin gegangen ^. War er damals
bereits hocbbetagt, so fällt seine Geburt schwerlich nach d. J. 250 ^
tJber das Todesjahr und die letzten Lebensumstände des L. ist
nichts bekannt.
Unter den uns erhaltenen Schriften geht De opifido dei* den
Institutiones voraus; denn diese blicken auf jenes Werk zurück'',
werden aber in De opificio bereits angekündigt^. De ii*a dei folgte
1) Hieron. hat Über die Kunde, daß Lactantius ans Mangel an Schülern
sich der Schriftstellerei zuwandte, hinaus keine Nachricht besessen. Die Worte
„ob Graecam videlicet civitatem" sind seine Erklärung der Sache. Solange
L. staatlich angestellter Lehrer war, konnte es ihm an Schülern nicht fehlen,
die in Nikomedien die Reichssprache lernen wollten. £s ist mOglich, daß die
Schüler ausblieben, als er sich gezwungen sah, ins Privatleben zurückzukehren.
Nun wurde er arm. S. auch Hieron. ad ann. 2333: „adeo in hac vita pauper,
nt plerumque etiam necessariis indiguerit".
2) Das war wohl die Belohnung für die Schrift De mortibus persecutorum.
3) Seeck bei Pauly-Wissowa IV Kol. 1722fc
4) Seine Abwesenheit von Bithynien in der Zeit vor d. J. 311 darf also
mit der Übersiedlung nach Gallien nicht identifiziert werden.
5) Doch ist der Ausdruck des Hieron. „extrema senectute" um des Zusam-
menhangs willen — L. macht die Reise von Bithynien nach Trier, und seine
ganze Lebenslage ändert sich — nicht zu pressen. Umgekehrt ergibt sich aus
Inst. I, 1, 11 u. VIT, 27, 8, daß L. schon ein sehr gereifter, in höherem Alter
stehender Mann gewesen sein muß, als er die Institutionen schrieb.
6) De opificio dei vel formatione hominis ad Demetrianum auditorem snum.
7) Inst. II, 10, 15: „Quam [materiam] ego nunc idcirco praetereo, quia
nuper proprium de ea re libellum ad Demetrianum auditorem meum scripsi".
8) G. 15, 6: „Sed erit nobis contra philosophos integra disputatio''; 20, 2:
Harnack, Altchristi. Litteraturgesch. II, 2. 27
4 IS Die Litteratur des AbendlandeB.
beiden engverbundenen Werken auf dem Fuße K Die drei Schriften,
die der unfreiwilligen Muße des Verfassers und dem im J. 303 neu
hervorgetretenen Hasse und den Angriffen seitens der Heiden ihren
Ursprung verdanken, sind mit wünschenswerter Sicherheit zu da-
tieren. Bereits De opiflcio setzt die diokletianische Verfolgung
voraus^, ja auch schon philosophische Gegenschriften gegen das
Christentum, welche die Verfolgung motivieren und rechtfertigen
sollten \ Diese Gegenschriften zweier Philosophen ^ sind sehr bald
nach der Zerstörung der Kirche in Nikomedien, die am 23. Febr. 303
erfolgte, erschienen (Inst V, 2, 2 : „Ego cum in Bithynia oratorias
litteras accitus docerem contigissetque ut eodem tempore dei tem-
plum everteretui**' — die geistige Deutung dieser Angabe ist
schlechthin unstatthaft — „duo extiterunt ibidem qni iacenti et
abiectae veritati nescio utrum superbius an importunins insultar
rent"). Die Schrift De opiflcio kann also nicht vor Ende des
Jahres 303 entstanden sein. Sie ist aber auch nicht erheblich
später zu setzen; denn noch das 6. Buch der Instit (und danun
wohl auch das ihm enge verbundene 7.) ist zur Zeit der Verfolgung
geschrieben (VI, 17, 6: „Spectatae sunt enim semper spectan-
turque adhuc per orbem poenae cultorum dei, in quibus
excruciandis nova et invisitata tormenta excogitata sunt"). Also
fallt der Abschluß der Institutionen vor das Toleranzedikt des
Galerius, d. h. vor April 311 ^ Im J. 305, vielleicht auch L J. 306,
„statui enim quam multa potero litteris tradere quae ad beaiae vitae stahmi
spectant, et quidem contra philoaophos".
1) Inst. 2, 17, 5: „Sed seponatur interim nobis hie locus de ira dei dissf-
rendi, quod et uberior est materia et opere proprio latius exequenda". IHe
Inst, werden in De ira mehrmals nach Büchern zitiert, s. 2, 5. 6. Wie nahe
sich beide Schriften stehen, geht auch daraus hervor, daß in beiden ein Sp*'-
zialwerk gegen alle Häretiker angekündigt wird (s. Instit. IV, 80, 14; De ira
2, 6). Ob dasselbe und die gleichfalls (Vli, 1, 26) angekündigte Spezialschrift
gegen die Juden je erschienen ist, wissen wir nicht.
2) C. 20, 1: „Haec ad t«, Demetriane, interim paucis et obscurius for-
tasse quam decuit pro remm ac t^mporis necessitate peronivi". Mit den
Worten (1, 1): „Quam minimo sim quietus etiam in summis necessitatibus, »a
hoc libello poteris aestimare". C. 1, 7: „Nam illo conluctator et adversariu>
noster scis (juam sit astutus et idom saepe violentus, sicuti nunc videmus".
3) Lactantiuß geht auf sie in den Instit. ein, aber in De opiticio kennt
er sie bereits; denn er kündigt ja (s. Note S S. 417) ihre Widerlegung? an.
4) Der eine ist unbekannt, der zweite ist wahrscheinlich Hierokles. >.
diese Litt.-Gescb. T. \ S. 87r{ f.
5) S. auch V, 2.'>: „veniet rabiosis ac voracibus lupis (den Kaisem
merces sua, qui iustas et Rim]>liccs animas nullis facinoribus admiseis excni-
ciavenint" (vgl. das ganze Kapit«*l: „mali principes", „iniustissinii persei'u-
tores"). Also hatten sie ihren Lohn noch nicht bekommen. Die Sprache ii^t
LactaniioB. . 419
war L. noch in Nikomedien K Es ist wahrscheinlicher, daß er dort
De opificio abgefaßt und die Institutiones begonnen hat, als daß er,
seiner Lehrtätigkeit beraubt, ein paar Jahre ganz untätig war.
Dazu kommt, daß die Haltung in De opificio ganz latitudinarisch
ist und sich von der in den Institutionen beobachteten dadurch
chai*akteristisch unterscheidet. Es scheint, daß Lactantius, als er
De opificio schrieb, noch glaubte, der Sturm werde schnell vorfiber-
gehen und ein direktes Bekenntnis zum Christentum sei in der
akuten Krise nicht opportun. Daher wird De opificio i J. 303/4
entstanden sein. Gleich darauf ftberzeugte er sich^ daß er mit
offenem Visir den litterarischen Gtegnern des Christentums ent-
gegentreten müsse. Muß man den ganzen Zeitraum von 304 bis
April 311 ffir die Institutionen offen lassen, so ist es — da das
Werk in De opificio angekündigt ist, und Lactantius augenschein-
lich ein routinierter Schriftsteller war — doch wahrscheinlich, daß
der Abschluß des Buchs, der nicht mehr in Bithynien, sondern
an einem unbekannten Ort erfolgte, dem Jahre 305/6 näher zu
rücken ist, als dem J. 311 (Lactantius hat also wohl gleichzeitig
mit Arnobius seine Institutionen geschrieben). Näheres läßt sich
zunächst nicht angeben; doch. s. unten.
Ein eigentümliches Rätsel bilden die dualistischen und die
I)anegyrischen Zusätze in den Institutionen (eine auch in De opi-
ficio), die sich in den Handschriften finden. Brandt 2, der sie sehr
sorgfältig untersucht hat, kommt zu dem Ergebnisse, daß sie einem
und demselben Verfasser angehören, aber nicht dem Lactantius,
sondern einem sehr bald nach der Zeit des Lactantius schreiben-
den Interpolator (vielleicht in Trier). Daß sie aus einer Feder
siud, ist auf Grund der gemeinsamen Überlieferung nicht unwahr-
scheinlich, aber nicht gewiß. Mit Sicherheit aber kann m. E. Lac-
tantius selbst als Verfasser nicht abgelehnt werden; denn die Stücke
zeigen seinen Stil, und auch der Dualismus in der Metaphysik ist
dem Lactantius nicht fremd, wenn er auch in jenen Stücken sehr
viel stärker erscheint. Man könnte also an nachträgliche Zusätze
durch den Verfasser denken — wer hätte in späterer Zeit sonst
ein Interesse gehabt, gerade Stücke dieser Art hinzuzufügen? — ,
fil>rigen8 dieselbe hier wie in De morfcibus. — Daß die Verfolgung, auf welche
die Institutionen Micken, nicht die des Licinius ist, ist an sich klar und hat
Kbert zum Cberfluß bewiesen (über den Verf. d. Buchs De mort. S. 125 flf.)»
1) S. o. S. 417. Die Stelle (V, 11, 15) lautet: „Vidi ego in Bithynia
juaebidem gaudio mirabiliter elatum tamquam barbarorum gentem aliquam
subegisset, quod unus qui per biennium magna virtute restiterat, postremo
cedere visus esset".
2) Abhandlung 1 u. 2 (Sltzungsber. d. Wiener Akad. 1889).
07*
420 ^^® Litteraiur des Abendlandes.
aber bequem ist natürlich eine solche Hypothese nicht Sind sie
unecht, so müssen sie doch dem 4., spätestens dem Anfang des
5. Jahrh. zugewiesen und als Dokumente jener verhältnismäßig
kurzen Epoche der lateinischen Kirche betrachtet werden, in der
gebildete Christen für den Manichäismus und ihm verwandte Ge-
danken empfänglich waren.
Die Schrift De ira dei ad Donatum kann nicht näher datiert
werden, als oben S. 4 17 f bereits angegeben: sie folgte den Institu-
tionen bald.
Geraume Zeit nach den Institutionen^ hat Lactantius dieEpi-
tome Divinarum Institutionum ad Pentadium fratrem herausgegeben.
Ihre Echtheit (Brandt, 4. Abh. S. 2ff.) — schon Hieronymus kannte
sie als Werk des Lactantius^ — ist nicht zu bestreiten und hat an
der Freiheit dem Hauptwerk gegenüber ihr Siegel. In c. 61 (66)
wird so gesprochen, als hätte der christliche Glaube noch immer
die Probe der Verfolgung zu bestehen. Doch ist das abstrakt
geredet. Daß alle Verfolger bereits ihren Lohn haben, ist c, 48 (53)
ausdrücklich gesagt: „eorum omnium qui hoc facinus ausi sunt
miserabilus exitus partim cognovimus partim vidimus (Augenzeuge)
nee ullus habuit iupune quod deum laesit, sed qui sit verus dens
qui verbo discere noluit, supplicio suo didicit". Die Epitome ist
also nach 313 geschrieben, näheres s. u. — Über Verwandtschaft
der Epitome mit De ira s. Brandt, 4. Abhandl. S. 10.
Das Fragment aus der Schrift De motibus animi, dessen Echt-
heit kein Bedenken gegen sich hat, ist nicht datierbar ^ Übrigens
kann das Stück auch Teil eines Briefs des L. sein, da eine beson-
dere Schrift unter dem Titel De motibus animi sonst nicht ge-
nannt wird.
Die beiden verlorenen Bücher ad Asclepiadem sind ebensowenig
datierbar, wie die Schrift dieses Asklepiades De Providentia,
welche derselbe an L. gerichtet hat^ und wie die umfangreichen.
1) Epit., Praef.: „Quarnquam Divinarum Institutionum libri, quos iam
I^ridem . . . conscripsimus etc."
2) Aber auch er kannte sie, wie er De vir. inl. 80 ausdrucklich bemerkt,
nur verstümmelt (dxiipaXog). Um so wunderbarer war es, daß man L J. 1711
noch ein vollständiges Exemplar in Turin entdeckte.
3) S. Brandts Heidelberger Gymnasialprogramm 1891 imd die 4. Abhandl.
in den "Wiener Sitzungsberichten (1891) S. 126 f.
4) Wir wissen nur, daß diese Schrift älter ist als Instit. VU, s. VII, 4, 17 :
,,Optime Asclepiades noster de Providentia summi dei disserens in eo libro
quem scripsit ad me". — De vir. inl. 80 erzählt Hieron., daß Diokletian zusammen
mit Lactantius, dem Rhetor, auch Flavius, den Grammatiker, nach Nikomedien
auf Lehrstühle berufen habe. Gewiß hätte Hieron. ihn und sein Werk „De
luedicinalibus" („cuius De medicinalibus versu compositi exBtant libri") nicht
LactantiuB. 42 1
ganze AbhaDdlungen umfassenden, fast spurlos untergegangenen
Briefsammlungen des Lactantius Ad Probum epp. 1. IV, Ad Deme-
trianum epp. 1. II (VIII oder mehr? schwerlich; s. Brandt, Ab-
handl. 4 S. 123), Ad Severuni epp. L IL Sie handelten (nach Hieron.)
„raro de nostro dogmate", sondern waren vielmehr profan-wissen-
schaftlichen Inhalts. Warum sie untergegangen sind, zeigt Hieron.
ep. 84, 7 und Comment in ep. ad GaL lib. II (in c. 4; VII
p. 450 Vall.) K
Hieronymus legt (De vir. inl. 80) dem L. ein Werk „De perse-
cutione lib. un." bei; unter dem Namen „Lucius Caecilius" findet
sich ein solches Werk von einem Buch mit dem Titel „De mor-
tibns persecutorum" -. Da De persecutione eine nahe liegende Ver-
kürzung jenes Titels ist^ der Verfassername stimmt, die Buchzahl
dieselbe ist und dazu De mort pers. einem Donatos gewidmet ist,
wir aber wissen, daß L. einen Freund dieses Namens besaß, so
besteht zunächst ein starkes Vorurteil, daß beide Werke identisch
^iind. Dieses Vorurteil bestätigt sich durch die Zeitlage des über-
lieferten Buchs. Dasselbe ist nämlich dem Eusebius bei Abfassung
der letzten Bücher seiner KGeschichte bekannt gewesen*, ja ist
sicher noch vor dem Ausbruch der Verfolgung des Licinius ge-
schrieben; denn dieser wird c. 1, 3 in (legensatz zu den verfolgen-
den Kaisern gestellt und zusammen mit Konstantin gefeiert Die
erwähnt, wenn Flavius nicht Christ gewesen wäre (hätte das Buch christlichen
Inhalt gehabt, so hätt« Flavius einen besonderen Platz in dem Schriftsteller-
katalog erhalten; es war also indifferent). Evident ist das Christentum des
Flavius nach Hieron., Adv. Jovin. IT, 6: „Legat qui vult Aristotelem et Theo-
phrastum prosa, Marcellum Sidetem et nostrum Flavium hexametris versibus
disserentes". Näheres wissen wir über das Werk nicht. Wie verbreitet aber
muß das Christentum in Afrika gewesen sein — ganz sicher ist es freilich nicht,
daß auch Flavius aus Afrika berufen wurde, doch legt der Ausdruck des Hieron.
es nahe — , wenn die beiden Gelehrten, die Diokletian in die Hauptstadt Niko-
luedien berief, entweder schon Christen waren oder dem Christentum so nahe
standen, daß sie es bald darauf wurden!
1) Die Briefe ad Probum sind vielleicht in Gallien verfaßt, da L. in ihnen
nach Hieron. Comra. in Gal. 1. II praef. den Namen der gens Galatarum (Gallo-
rum) erklärt hat. Doch ist es nicht einmal sicher, ob sie in die christl. Zeit
«les L. fallen. — Tn bezug auf die Briefe ad Severum s. Hieron., De vir. inl. 111.
— Über ein angebliches Buch De spectaculis s. Brandt, -1. Aühandl. J*^. 128.
2) In einer Handschr. saec. IX.
H) Hieron. ist auch sonst in Wiedergabe von Buchtiteln ungenau.
-1) Der Beweis würde hier zu weitläufig sein; es genügt übrigens, daß
auch Brandt (-1. Abhandlung unter seinen Wiener Abh. S. 75. 121) derselben
Meinung ist. Material in bezug auf das Abhängigkeitsverhältnis des Eusebius
von L. hat Antoniades, Kaiser Licinius (1884) S. 6ff. zusammengestellt (man
vgl. auch Tnstit. V, 11, 10 mit Euseb., h. e. VlII, 11).
422 ^ie Litteratur des Abendlandes.
Licinius-Veifolgung ist, ihren Ausbruch anlangend, nicht sicher zu
datieren (319. 321, gar schon 315); aber das ist auch für das uns
beschäftigende Problem nicht notwendig; denn unser Werk setzt
voraus, daß zwischen Konstantin und Licinius noch keine Feind-
schaft bestand. Das führt auf die Zeit vor dem Oktober 314 (dem
cibalischen Krieg)'. Andererseits erzählt das Werk die Ereignisse
zweifellos bis zum Sommer 313 (Tod des Maximinus Daza, c. 49
und Tod des Diokletian, c. 42), ist also 313/4 geschrieben. Hier-
zu fügt sich trefflich die Bemerkung (c. 48, 13): „His litteris
(Toleranzedikt des Konstantin und Licinius) propositis etiam verbo
hortatus est, ut conventicula [in] statum pristinum redderentur . sie
ab eversa ecclesia usque ad restitutam fuerunt anni decem, menses
plus minus quattuor'' ; denn wenn auch nicht gesagt ist, daß damals
bez. gleich darauf der Schreibende sein Werk geschrieben hat sn
macht doch die genaue Monatsangabe es wahrscheinlich, daß er
bald darauf zur Feder gegriffen hat; er hätte sich sonst doch wohl
mit der Angabe „zehn Jahre*" begnügt'^. Dazu kommt, daß das
ganze Büchlein einen so impressionistischen Eindnick macht, daß
es den erzählten Ereignissen auf dem Fuße gefolgt sein muß.
Indessen hat diese Zeitbestimmung zwei Einwürfe gegen sich.
In c. 50. 51 sind Ereignisse mitgeteilt, die vielleicht nach 314
fallen, und nach Seeck ist Diokletian erst am 3.Dez.316(nicht3l3)
gestorben. Allein Seeck hat mich nicht überzeugt, daß die alte
Annahme (313) im Unrecht sei, und jene Ereignisse brauchen nicht
notwendig nach dem Herbst 314 angesetzt zu werdend Man wird
1) Es sind in. E. bloße Ausflüchte (Brandt S. 107 ff.), venuöge deren man
das leugnet. Wären Konstantin und Licinius sich bereits in die Haare geraten,
so hätte L. die ganze Schrift nicht mehr so schreiben können, wie er sie jr«*-
schrieben hat. Und wie konnte er dann den herrlichen „Frieden", der bleiben
möge, preisen?
2) Man vgl. auch den Schlußsatz: „Celcbremus [1. supplicemus oder fibn-
lich], ut pacem post annos decem plebi suae datam confirmet [deus] in saecu-
lum" (c. 52, 4). Hätte der Verfasser so schreiben können, wenn seitdem mehrere
Jahre verflossen wären? Auch diese Stelle zeigt doch klärlich, daß unsen-
Schrift imraittelbar nach dem Siege, d. h. in das Jahr Herbst 313 — 314 f&llt
und daß der Ansatz Seecks ;]17— 321 nicht möglich ist.
3) Daß sie (Brandt, kleine Ausgabe 1897, p. 4(>, 5—9. 13—10. 22—2?
Interi)olationen sind, dafür spricht manches. Doch mag das dahingest-ellt bleiben.
Die 15 Monate, die Valeria umhergeirrt sein soll (c. 51), fuhren, auch wenn
man sie genau nimmt, nicht weiter als bis zum Oktob. 314. Die Schlacht bei
Cibalae fand am 8. Okt. 314 statt. Man muß daran festhalten, daß die Mortv>
unmittelbar vorher geschrieben sind. Die 15 Monate passen dann gerade nocli
— zu genau! — , aber, wie bemerkt, das ganze Stück ist, vie auch Ebert
(S. 124 not. 10) gesehen hat, verdächtig. Ich lasse es fallen und beschränke
mich auf den Ansatz Herbst 313 bis Herbst 314. Ebert wiU 313 oder 314 An-
Lactantius. 423
daher bei dem Ansatz Herbst 313 bis Herbst 314 verharren dürfen.
Der äußerste terminus ad quem ist jedenfalls, wie alle zugestehen,
das J. 321. Auch die, welche irrtümlich so weit heruntergehen zu
müssen meinen (Seeck), können von der Chronologie aus keine
Einwendung gegen die Abfassung durch Lactantius erheben.
Aber diese wird noch durch folgende Beobachtung verstärkt.
Der Verfasser des Büchleins ist ein lateinischer Gelehrter im
Orient, wie Lactantius, und zwar lebte er, wie Lactantius, in Niko-
medien; denn aus dem Werk geht mit Klarheit zwar nicht die
Abfassung in dieser Stadt hervor, wohl aber, daß sein Verfasser
die JJ. 303f. 311—313 in Nikodemien verbracht hat (c. 12. 35. 48,
s. 0. S.417) und dort Augenzeuge der Bewegung war. Wir haben
aber festgestellt (s. S. 4 18 f.), daß L. noch L J. 305 (vielleicht auch
noch 306) in Nikomedien gewesen ist, und nichts hindert, daß er
auch 311—313 dort war; denn nach Gallien ist er erst später
tibergesiedelt. Da nun an eine verschmitzte Fälschung unter dem
Namen und unter den Augen des Lactantius nicht gedacht
werden kann, so ist die Entscheidung durch das Gewicht der
äußeren Gründe zwingend: der lateinische Gelehrte und Christ
Lucius Caecilius, der i. J. 303 f. in Nikomedien lebte, einen Freund
Donatus besaß und ein Werk De mortibus persecutomm in einem
Buche im J. 313/4 (oder einige Jahre später) geschrieben hat, kann
nicht ein Doppelgänger gewesen sein des lateinischen Gelehrten
und Christen Lucius Caecilius Firmianus Lactantius, der im J. 303 f.
in Nikomedien lebte, einen Freund Donatus besaß, im. J. 313;4 und
auch noch mehrere Jahre später am Leben war und ein Werk
De persecutione in einem Buche verfaßt hat. Sie müssen identisch
sein. Trotzdem wird die Identität noch immer bekämpft, am
schärfsten in der Neuzeit von dem um L. hochverdienten Brandt*.
Die chronologischen Schwierigkeiten sind, wie gezeigt, ohne Be-
lang; es sind überhaupt keine vorhanden; es sei denn man behaup-
tet, De mortibus müsse in Nikomedien im J. 314 oder 315 ge-
schrieben sein, Lactantius sei aber schon vorher nach Gallien
übergesiedelt. Beides ist unrichtig: die Schrift braucht nicht not-
Avendig in Nikomedien verfaßt zu sein (obgleich die Abfassung dort
fang, Görres Sept. 314, Keim urteilt wie ich. Alle drei erkennen an, daß der
cibalißche Krieg noch nicht begonnen hat. Brandt will April 315 oder einige
Monate später, Belser (Tüb. Quartalschr. 1802 S. 252ff.) Dezember 314.
1) Brandt sieht die Schrift De mort. wie einen Schandfleck an, von
-welchem er seinen' Helden reinigen muß. Durch die verhilngnisvoUe, ganz
jri-undlose Annahme, L. müsse um 300 nach Gallien gegangen sein, ist von ihm
l«'ider das Leben des L. verwirrt worden.
424 ^16 Litteratur des Abendlandes.
das Wahrscheinlichere ist)*, und daß Lactantius schon vor c. 317
nach Gallien übergesiedelt ist, ist ein Irrtum (s. o. S. 417). Die
inneren Gründe, die man gegen die Abfassung der Schrift De mort
durch L. geltend gemacht hat (Roheit der Auffassung, Ungerech-
tigkeit des Urteils, Lügen, Stilverschiedenheiten 2), sind nicht nur
nicht zwingend, sondern erledigen sich leicht, sobald man die Ver-
schiedenheit des Zwecks und der Situation dieser Schrift im Ver-
gleich mit den anderen würdigt Das geschieht in der Gegenwart
immer mehr, und seitdem haben auch die unverständigen „Ent-
rüstungen" über die Schrift gerechteren Erwägungen Platz ge-
macht Im Gegensatz zu früheren Verwerfungsurteilen ist der aus-
gezeichnete Quellenwert des Büchleins immer deutlicher geworden.
Natürlich ist es eine Parteischrift, aber keine der schlechten Sorte.
Das, was abzuziehen ist, gewahrt ein geschultes Auge leicht; das
übrige ist fast alles ein Komplex von zuverlässigen Nachrichten,
durch die Brille eines Christen gesehen.
Ist aber De mort von Lact verfaßt (wahrscheinlich in dem Jahre
313—314) und ist der Donatus der „Mortes" identisch mit dem der
Schrift De ira, so besitzen wir ein ausgezeichnetes Hilfsmittel, um
die Trias De opif., Inst und De ira ganz genau zu datieren. Es
wurde oben bemerkt, daß De opif. höchst wahrscheinlich dem
J. 303/4 angehört, daß die Institutionen innerhalb des Zeitraumes
304— April 311 dem J. 305/6 näher zu rücken sind als dem J. 311
und daß De ira, welche Schrift dem Donatus gewidmet ist, ihnen
schnell gefolgt ist Nun erfahren Avir aber aus den „Mortes", daK
Donatus im J. 311 (s. c. 35) nach 6 jähriger Kerkerhaft entlassen
wurdet In De ira ist er noch frei. Also ist er zwischen April 305 bis
Jan. 306 gefänglich eingezogen worden. Also ist De ira spätestens
am Ende 305 geschrieben. Mithin fällt die Trias: De opific, Instit.
und De ira in die JJ. 303—305^. Dieser Ansatz ist auch der
1) Sc eck setzt sie nacli Gallien, weil sie geraume Zeit nach Dez. 316 ab-
gefaßt sein müsse, damals aber L. in Ciallien weilte. An der Abfassung durch
L. zweifelt auch er nicht.
2) Die Stil Verschiedenheiten sind so gerin j^, daß sie überhaupt nicht in
Betracht kommen. Das lernt man am besten aurf Brandts Bemühungen (Ab-
handl. 4 S. 2t)ff.), die das (Tegenteil erweisen wollen. Dagegen sind die Oberein -
Stimmungen im Stil, im Wortschatz und in zahlreichen Sätzen und Satzgruppen
eo groß, daß Brandt sich genötigt sieht, in dem Verf. der Mortes einen Nach-
ahmer und einen Plagiator dos L. zugleich anzuerkennen. Das ist um so un-
wahrscheinlicher, als, wie Kbert mit Recht (S. 125 f.) betont hat, die ganze
Idee der mortes prrsecutorum bereits in den Institutionen ausge-
sprochen liegt, s. besonders V, 2.).
3) S. auch c. 10.
4) niernach ist in bezug auf die Stelle Inst. V, 11, 15.. die das J. 306 offen
läßt, dieses Jahr in Wegfall zu bringen.
LaetantiuB. 425
natürlichste, und der Zeitraam von 3 Jahren erscheint aasreichend
lang, um jene Schriften entstehen zu lassen. Lactantius ist im
J. 305 (Anfang) noch in Ilikomedien gewesen. Dort hat er den
nach zweijähriger Kerkerhaft abgefallenen Bruder gesehen; bald
darauf hat er Bithynien verlassen und die Institutionen anderswo
vollendet und De ira geschrieben (beides noch im J. 305).
Noch ist ein Wort über das Verhältnis der Epitome zu den
Mortes zu sagen. Die Epitome ist nach dem Sommer 313 (Tod
des Maximinus Daza und damit aller Verfolger, s. o. S. 420) ab-
gefaßt und die Mortes ebenfalls. Nun aber bestehen zwischen
ihnen so starke Übereinstimmungen ^ daß in der einen Schrift
notwendig die andere benutzt ist Die Mortes sind, wie wii*
gesehen haben, höchst wahrscheinlich zwischen Herbst 313 u. 314
geschrieben. Also wird die Epitome, die nach ihrem Selbstzeugnis
geraume Zeit nach den lust fällt, nach den Moi-tes verfaßt sein.
Brandt kehrt das Verhältnis um. Es wird ihm zuzugeben sein''',
daß „iam pridem'' unter Umständen auch nur wenige Jahre aus-
drücken kann; aber das Nächstliegendste ist das nicht Die Art
der Übereinstimmungen verlangt aber m. E. nicht, daß die Epitome
die frühere Schrift ist Entweder sind sie also ungefähr gleich-
zeitig ausgearbeitet oder, da die Mortes gewiß in einem Zuge ge-
schrieben sind, wahrscheinlicher ist die Epitome ihnen gefolgt
Daß Lactantius auch Dichter gewesen ist, ist nach dem in
Hexametern abgefaßten „Hodoeporicum" (s. o. S. 416) gewiß. Die
Überlieferung der Handschriften und Drucke legt ihm auch noch
andere Gedichte bei, so ein Gedicht „De resurrectione" (auch „De
Pascha") genannt; aber es ist von Venantius Fortunatus^; so ein
Oedicht „De passione Domini" (oder: „De benefieiis suis Christus"),
aber es fehlt hier jede Handschrift; das Gedicht ist wohl die Arbeit
eines italienischen Humanisten^; endlich das Gedicht De Phoenice
in 85 Distichen. Dieses Carmen hat Anspruch darauf, für ein echtes
Werk des L. zu gelten. Es ist christlich (die lat Übersetzung des
1. Clemensbriefs ist benutzt, s. o. S. 304, und es sind auch sonst,
freilich versteckte, christliche Züge zu konstatieren) •'. Es war schon
1) S. Brandt, 4. Abhandlung S. OQfF.
2) S. Brandt, a. a. 0. S. 114.
3) Brandt, Lact. Opp. N, 1 p. XXXIII-XXXVin.
4) Brandt, 1. c. p. XXII, p. 148—151, 8. auch dessen Abhandlung in dem
für Wölfflin geschriebenen Comment., 1891 8. 77—84. Manitius, Gesch. d.
ehristl.-lat. Poesie (1891) S. bO hält das Gedicht fiir alt, legt es aber nicht dem
Lactantius beL Mir scheint es, wie Brandt, von einem Humanisten zu sein.
')) S. Z. 25. r4. 9;J.
426 ^^® Litteratur des Abendlandes.
dem Claudian bekannt K Zwei alte Handschriften (des 9. u. 10. Jahrb.)
legen es dem Lactantius bei, femer höchst wahrscheinlich Alcuin,
wenn er (Poet lat aevi Carolini, ed. Dümmler I p. 204) den L. zu
den lateinischen Dichtem zählt, weiter und unzweideutig der Ano-
nymus De dubiis nominibus, der zwischen Isidor und dem 9. Jahrh.
schrieb (Gr. L. V 565 K), endlich ebenso zweifellos Gregor von Tours
(De cursu stellarum c. 12) 2. Diese starke Bezeugung wird durch
innere Momente bekräftigt. Entscheidende Beobachtungen, die
gegen L. als Verfasser sprechen, gibt es nicht; die Anschauungen
aber, die das Gedicht enthält, fügen sich zwanglos zu denen des
Lactantius; man kann sogar in manchen Wendungen dem L. eigen-
tümliche Ideen vermuten; doch ist darauf kein Gewicht zu legen.
Mit Ebert, Riese, Dechent, Birt, Scholl», Lobe*, Brandt^
und Schanz^ ist an der Echtheit des Gedichts festzuhalten. Eine
nähere Zeitbestimmung ist unmöglich, nur die Annahme Brandts
ist abzulehnen, es stamme aus der vorchristlichen Periode des Lac-
tantius '.
7) Yictorin, Bischof Yon Pettan.
Es ist eine merkwürdige Tatsache, daß der älteste Exeget
der lateinischen Kirche Bischof in Pannonien gewesen ist und zwar
in der heutigen Steiermark. So kompliziert die Fragen sind, die
sich an die Reste der uns von Victorin erhaltenen Schrift knüpfen,
so einfach ist es, seine Zeit zu bestimmen^. Nachdem Zeugnis des
Hieronymus (De vir. inl. 74; ep. 58,10; 70, 5; Adv.librosRuflnil, 2 u.
sonst) ist er als Märtyrer (in der diokletianischen Verfolgung) ge-
1) Riese, Rhein. Museum Bd. :U (187()) S. llOff. Birt, ebendorfc, Bd. o4
(1879) S. 8. Dechent, ebcndort Bd. ;J5 (1880) S. 80 und Ebert, Gesch. der
rliristl.-lat. Litt. 12 S. 100 f.
2) Script, rer. Merov. I, 2 S. 801 ed. Krusch.
3) Vom Vogel Phönix, Heidelb. Programm 1890.
4) In den Jahrbb. f. protest. Theol. Bd. 18 (1892) S. :-Uff.
5) Lact. Opp. 11, 1 p. XVlllfl*., in der 4. der vier Wiener Abhandl. S. 131 f.
und im Rhein. Mus. Bd. 47 (1S02) S. 390ff.
(1) Rom. Litt.-aesch. III S. 383if.
7) Von dem Werk Pichon's „Lactance" (Paris, 1901) habe ich erst Kenut-
nis genommen, als diese Blätter geschrieben waren (s. die Charakteristik von
Wen dl and i. d. Deutschen Litt.-Ztg. 1903 Nr. 40). In wie vielen Punkten
wir übereinstimmen, werden die Leser ersehen.
8) über sein Leben wissen wir nichts Sicheres; denn die Angabe Cassio-
dors, er sei früher Rhetor gewesen (Inst. J, 5, 7 ), scheint auf einer Verwechslunfr
mit Marius Victorinus zu beruhen. Wie Victorin mit Origenes* Werken ver-
tmut geworden ist, wäre interessant zu erfahren. In Pettau wird er sie
schwerlich kennen gelernt haben; er wird ihre Kenntnis dorthin gebracht haben.
Victorin, Bbcbof von Pettau. 427
storben (in welchem Jahre, ist unbekannt). Weit über die Zeit
Diokletians hinauf werden seine Schriften, wenn überhaupt, nicht
reichen; denn Hieron. hat ihn nach Malchion, Archelaus und Ana-
tolius und vor Pamphilus, Pierius und Lucian gestellt; er bezeichnet
ihn damit als einen Schriftsteller der diokletianischen Zeit^ Was
man a priori vermutet, nämlich daß Victorin für seine exegetischen
Arbeiten den ältesten griechischen Exegeten des Abendlands, Hip-
polyt, benutzt haben wird, das bestätigt Hieronymus. Aber er
bringt uns darüber hinaus auch noch die Kunde, daß Victorin die
Arbeiten des Origenes verwertet hat. Zwar schweigt er von dem
Verhältnis des V. zu beiden im Schriftstellerkatalog, aber ep. 84,7;
61, 2; Adv. 1. Rufini III, 14; comm. in Eccles. zu 4, 13 konstatiert
er, daß Victorin den Origenes benutzt habe, und zwar muß man
nach ep. 84, 7 schließen, daß er sich (trotz verschiedener dogma-
tischer Anschauungen) eng an ihn angeschlossen hat 2. Für Hip-
polyt aber s. ep. 36, 16 . . . „Hippolyti martyris verba ponamus, a
(luo et Victorinus noster non plurimum discrepat, non quod omnia
plenius exsecutus sit, sed quod possit occasionem praebere lectori
ad intelligentiam latiorem". Zufrieden mit dem Exegeten Victorin
konnte Hieron. schon deshalb nicht sein, weil er sein Vorgänger
war. „Non aeque Latine ut Graece noverat, unde opera eins
grandia sensibus viliora videntur compositione verborum"* (De vir.
inl.74) — war Victorin Grieche? schwerlich; die Bemerkung ist eine
kleine Bosheit des Hieron.^ — ; „quod intellegit, eloqui non potest"
(ep. 58, 10); „in libris Victorini, licet desit eruditio, tamen non
deest eruditionis voluntas" (ep. 70, 5); „Victorinus simplicitatem
1) Nichts ist darauf zu geben, daß Ambrosiaster zu Rom. 5, 14 den Vic-
torin zwischen TertuUian und Cyprian gesteUt hat.
2) Hierzu vgl. die bisher übersehene merkwürdige Stelle im Commonitorium
des Paulus Orosius c. 3 (Schepß im 18. Bande des Wiener Coq>u8 Script, p. 155),
wo Origenes und Victorinus scheinbar zufällig und vielleicht doch nicht zuföUig
zusammenstehen: „Tunc duo cives mei Avitus et alius Avitus, cum iam tam
turi)em confusionem (seil, durch Priscillian verursacht) per se ipsam veritas sola
Tiiidaret, peregrina petierunt. nam unus Hierosolymam, alius Romam profectus
t'st; reversi unus rettulit Origenem alius Victorinum; ex his duobus alter alteri
cessit: Priscillianum t^men ambo damnanmt. Victorinum parum novirous (aber
in Rom wurden damals seine Schriften vorgelegt, wenn man lateinische
Kommentare zur h. Schrift begehrte; das erfahren wir aus unserer Stelle;
andere Kommentare gab es freilich auch kaum), quia adhuc paene ante editiones
suas Victorini sectator cessit Origeni. coeperunt ergo ex Origene magnifica
jilura proponi etc."
3) Richtig wird sein, daß Victorin mehr griechisch als lateinisch gi»-
bildet war. Auch ein geborener Lateiner kann in der Kenntnis und Litteratur
♦■iner fremden Sprache, der griechischen, gebildeter gewesen sein als in seiner
eigenen.
428 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
suam in eo probat, dum nulli molitor insidias*' (Adv. lib. Bufini I, 2;;
„sanctae memoriae martyr Victorinus cum apostolo dicere poterat-
— die giftige Pille wird versüßt — : „etsi imperitus sermone, non
tarnen scientia". Doch wird man nicht zweifeln können, daß Vic-
torins Kommentare wirklich weit hinter denen zui*ückblieben, die
nachmals Hieron. geschrieben hat, und daß sein Eigentümliches
gegenüber Origenes wesentlich in der realistischen Eschatologie
bestanden haben wird (s. de vir. inl. 18).
Kommentarwerke des Victorin zählt Hieron. im Schriftsteller-
katalog neun auf, nämlich zu den di*ei ersten Büchern Mosis, zn
Jesajas, Hezechiel und Habakuk, zum Ekklesiastes, dem Hohen-
lied und der Offenbarung Johannis. Er bat den Kommentar zu
Matth. vergessen; denn nach seiner eigenen Praefatio zu diesem
Evangelisten, nach der Praefatio in Translat Hom. Origenis in
Lucam ^ nach Adv. Helvid. 17 u. nach Cassiodor ist es gewiß, daf>
Victoriii auch einen solchen abgefaßt hat Die Auswahl zeigt, daß
Victorin die h. Schrift in ihren Hauptteilen den Lateinern durch
exegetische Bemühungen nahe bringen wollte; nur an Paulas hat
er sich nicht gewagt. Ob und in welchem Maße aus späteren
lateinischen Kommentaren diese — bis auf den Apok.-Kommentar —
verlorenen Kommentare hergestellt werden können, bez. Victorini-
sches herausgeschält werden kann, ist noch zu untersuchen. Am
meisten verspricht, soviel ich sehe, der Kommentar des Hierony-
mus zum Ekklesiastes. An dem unbeholfenen (nicht vulgären'
Latein ist \'ictoriii, wenn er nicht überarbeitet worden ist, zu er-
kennen 2.
1) Die St^'llt» ist Ti*il 1 S. 734 übersehen worden; sie lautet: „Commentari""*
viri eloquentiüsimi Hilarii et b. martyris Victorini, quos in Alatthaeum divers«»
sennone, sed una j^'atia spiritus ediderunt, post paucos dies ad vos mittlre
disposui".
2) Nachdem dies niedergeschrieben war, erschien das 11. Stück der „Studi
e Testi" Mercatis (auch u. (L T.: „Varia Sacra fasc. 1"), 1903. In ihnen sin«!
die „Anonymi Chiliastae in Matthaeum fragmentji" abgedruckt und mit einer
Einleitung versehen, die im Cod. Ambros. 1 101 sup. (dem Kodex, der das Mu-
rat. Fragment enthält) stehen und auf die Mercati in den „Rendiconti" de*
Istituto Lomb. di scienze e lettere (Serie II Vol. XXXI [189S] p. 1208-8, dell"
estrato p. /).'i — 38) hingi'wiesen hatt^». Diese Stücke gehören einem milden
lateinischen Chiliast<?n (wie M. richtig sieht, nicht später als des 4. Jahr-
hunderts), und, wie M. ebenfalls richtig gesehen hat, spricht alles dafür und
nichts dagegen, dali sie dem Victorin gebühren (die Stücke tragen besondere
Überschriften: „Orate ue fiat fuga vestra etc.", „De adventu domini Christi",
„De die et hora nemo seit" etc. Stück 1: Zu Matth. 24, 20— 20; Stück II: Zu
Matth. 24, 27— :U; Stück Hl: Zu Matth. 24, :;2— 44; es folgen noch zwei gani
kurze Stücke: ,J^»^ tribus mensuris" [Matth. 1,'>, IkJ] und „De Petro apostolo"
[Marc. 14, 47\. di«* vielleicht nicht von demselben Verf. sind). Irgend welche
Victorin, Bischof von Pettau. . 429
Der Kommentar zur Apokalypse des Victorin ist die Grund-
lage zweier uns erhaltenen Apokalypsen-Kommentare, eines kür-
zeren (Lonicerus 1543, de la Eigne) und eines längeren (Gal-
land i, Migne), die einen echten Prolog des Hieronymus haben*.
Hier ist der Victorin-Kommentar verkürzt, verlängeit, Stücke aus
Tichonius und aus eigenem Vermögen hinzugefügt, korrigiert und neu
herausgegeben. Was uns aber in jenen beiden Rezensionen vor-
liegt, ist selbst wieder interpoliert 2. Doch läßt sich das victori-
nische Gut nach dem oben angemerkten Maßstabe (dazu zahlreiche
Gräzismen, auch in der Syntax) einigennaßen ausscheiden. Ganz
victorinisch ist der umfangreiche, streng chiliastische Schluß-
abschnitt, den Haußleiter entdeckt und herausgegeben hat^ Er
darf materiell und formell geradezu als die Norm gelten, nach
der man Zweifelhaftes zu bestimmen hat^.
In einem Kodex der Lambeth-Bibliothek (Nr. 414) saec, IX. ist
unter dem Namen des Victorin ein Stück »De fabrica raundi" er-
halten». Obgleicli sonst unbezeugt, erweist sich das Stück nach
Anschauung und Sprache als echt Eben die Vergleichung mit
historische Material enthalten sie nicht, wohl aber zeigen sie an einigen Stellen
CSX, hat sie bemerkt) charakteristische Verwandtschaft mit den Gedanken
Hippolyts. Die Sprache ist — auch wenn man Verschlechterungen der Ab-
schreiber in Anschlag bringt — unbeholfen und dürftig, wie man es bei Victorin
erwarten muß.
1) Die längere Rezension auch abgedruckt in der Bibliotb. Casin. V, 1,
1894, p. Iff.
2) S. Haußleiter in d. Ztschr. f. kirchl. Wissensch. und kirchl. Leben
Bd. 7 (1886) S. 239ff. Einschränkungen bei Kattenbusch, Das apostol. Sym-
bol I S. 21 2 ff. Auch in späteren lateinischen Kommentaren zur Apok. findet
sich Victorinisches. Über die Abhängigkeit des irischen Patricius von Victorin
B. Kattenbusch, a. a. 0. und Haußleiter, Der Aufbau der altchristl. Litte-
ratur (1898) S. 35 f.
3) In dem Theol. Litt.-Blatt 1895 Nr. 17 nach dem Cod. Ottob. 3288 A.
Dazu Harris, A new patristic fragment in The Expositor, 1895 p. 448 ff. (Ob
die Ausführungen letztlich auf Papias bez. die Presbyter des Irenäus zurück-
drehen?).
4) Die in dem Apok.-Kommentar enthalt<?ne regula fidei (Hahn, Bibliothek
<1. Symbole 3 S. 17 f.) ist morgenländisch und nicht abendländisch. — Merk-
würdig ist, daß der paulinische Thessalonicherbrief als Brief an die Kirche
Macedoniens bezeichnet und der Hebräerbrief benutzt ist. Daß Victorin den
1 renäus gekannt hat, ist sehr wahrscheinlich. Die Verwandtschaft, die zwischen
Gedanken des Apokal.-Kommentars und den Carmfna adv. Marcionem besteht
(Haußleiter S. 254ff.), wird so zu deuten sein, daß beide dem Hippolyt
folgten falls nicht doch der Verfasser der Carmina (Commodian) den Victorin
benutzt hat.
5) Eine Handschrift fehlt nicht; danach ist das Teil I S. 733 Gesagte zu
berichtigen.
430 ^id Litteratur des Abendlandes.
den ans erhaltenen apokalyptischen Stücken Victorins entscheidet ^
Aus einem exegetischen Werk kann es nicht genommen sein; aber
nach Hieronymus hat Yictorin „multa alia" geschrieben, und in
dem frühestens dem 6. Jahrh. angehörigen Dialog zwischen Hieron.
und Augustin (Hieron. Opp. XXX p. 261 flf. Migne) c 7 lesen wir, dal»
Hieronymus in seiner Lehre von der Entstehung der Seele dem
Yictorin folge. Das Stück De fabrica mundi ist vielleicht nur ein
Fragment \
Hieronymus und Optatus legen dem Victorin ein Werk „ad-
versum omnes haereses*" bei. Das unter den Werken des Tertnllian
stehende, den Präskriptionen angehängte und durch einen am An-
fang zugefügten Satz mit ihnen künstlich verbundene^ Büchlein
mit demselben Titel, welches jedenfalls schon dem Pacian (s. ad
Sympron. I, Iff.) und dem Hieron. (adv. Lucifer 23) bekannt war^.
ist vielleicht, ja wahrscheinlich eben das Werk des Victorin ^; denn
(1) beide Werke sind gegen alle Häretiker geschrieben und
tragen diesen Titel,
(2) Victorins Buch ist um 300 oder etwas früher entstanden;
1) S. den Abdruck bei Ron th, Reliq. Sacr.» III p. 455 ff. Das Sfcfick ist in der
Überlieferang verwahrlost, aber daß es in unbeholfenem, gräzisierendem Latein
geschrieben ist, ist noch jetzt deutlich. Die p. 456 aufgestellte Behauptung.
Jesus sei am Mittwoch gefangen gesetzt worden, findet sich auch bei Orientalen.
2) Macholz hat in seiner Schrift „Spuren binitarischer Denkweise im
Abendlande" (Jena, 1902) S. lüff. dieses Stück sowie den Apokal.- Kommentar
behandelt.
3) „Quorum haereticorum" (bezieht sich auf den Schluß von De praescr.',
„ut plura praeteream, pauca perstringam".
4) Hieron. schreibt: „Taceo de Judaismi haereticis, qui ante adventum
Christi legem traditam dissiparunt: quod Dositlieus Samaritanorum princep»
prophetas repudiavit, quod Sadducaei ex illius ra<lice nascentes etiam resurrec-
tionem carnis negaverunt, quod Pharisaei a Judaeis divisi propter quasdam
observationes superfluas nomen quoque a dissidio susceperunt, quod Herodiani
Herodem regem susceperunt pro Christo, ad eos venio haereticos qui evangeUa
laniaverunt". S. auch d.as Folgende. Diese Worte (vgl. auch die unmittelbar
vorhergehenden und nachfolgenden) sind ein fönnliches Plagiat an dem pseudo-
tertull. Libellus; Hieronymus hat nur den schlechten Stil durchweg korrigiert.
In dem Libellus heißt es : „Taceo enim Judaismi haereticos, Dositheum inquaiu,
Samaritanum, qui piimus ausus est pro]>heta8 quasi non in spiritu sancto locut^s
repudiare; taceo Sadducaeos, qui ex huius erroris radice surgentes ausi sunt ad
han(5 haeresim etiam resurrectionem camis negare; praetermitto Pharisaeos,
qui additamenta quaedam legis adstniondo a Judaeis divisi sunt, unde etiam
hoc accipere ipsum quod habent nomen digni fuerunt, cum his etiam Herodianos
qui Christum Herodem esse dixerunt. ad eos me converto qui ex evangelio
haeretici esse v(>luenmt".
5) S. meine Abhandl. i. d. Ztschr. f. wisseusch. ITieol. Bd. 19 (ISTü;
S. llOf. Schon Öhler in der Edit. Opp. Tert. hat für Victorin plädiert.
Victorin, BiBchof von Pettan. 43 X
der pseudotertullianische Libellus war bereits im 4. Jahrb. vor-
handen,
(3) Victorin hat Werke des Hippolyt benutzt (s. 0.) ; der Li-
bellus ist, wie Lipsius zuerst gezeigt hat, ein lateinischer Aus-
zug aus dem Syntagma Hippolyts gegen alle Häresien \ für den
aber als Sekundärquellen, wie ich nachgewiesen habe^, tertuUiani-
sche Schriften benutzt worden sind 3.
Gegen die Verfasserschaft des Victorin* kann eingewendet
werden, daß der Stil nicht so schlecht ist wie der der unzweifel-
haft victorinischen Stücke; allein da fast alles in ganz kurzen
Sätzen gegeben ist, so war der Anlaß zu Verstößen spärlicher. Ist
man geneigt, das Büchlein dem Victorin abzusprechen, so kann
man mit ihm zwei Menschenalter weiter hinaufsteigen; denn es
kommt nichts in ihm vor, was die Abfassung nach c. 220 notwen-
dig macht Leichter begreiflich — das ist zuzugestehen — ist
das Büchlein, wenn man es schon als um 220 entstanden ansieht
1) Ob er uns genau in der Gestalt vorliegt, in der ihn der Exzerptor ge-
macht hat, oder ob er — was wahrscheinlicher — korrigiert wurde, als man
ihn den Präskriptionen Tertullians anhängte, läßt sich nicht ausmachen. Ober
die Frage, ob nicht sowohl ein Auszug als eine Obersetzung einer griechischen
Epitome des Syntagmas vorliegt, s. unter Hippolyt.
2) De Apellis gnosi monarchica (1874) p. 20 ff. Es ist hier gezeigt, daß,
wenn Pseudotertullian nicht den TertuUian benutzt hat, er Tertullian selbst
sein müsse.
3) Auch verlorene, sicher adv. Apell.
4) Für Victorin darf angeführt werden, daß derselbe Hieronymus, der
stillschweigend den pseudotertuU. Libellus Adv. omnes haereticos ausplündert,
uns der Gewährsmann för ein Werk des Victorin unter diesem Namen ist.
Wenn Hieronymus zwei Werke unter dem Titel Adv. omnes haereses gekannt
hat, warum hat er dieser Kenntnis niemals Ausdruck gegeben? Lateinische
ketzerbestreitende Werke aus älterer Zeit waren doch große Seltenheiten! —
Ein neckischer Zufall, dem gar keine Bedeutung beizumessen ist, ist es, daß
gegen Schluß des Libellus sich der Satz findet: „etiam Prazeas quidam haeresim
introduxit, quam Victorinus corroborare curavit". Daß unter diesem „Vic-
torinus" kein Victorin, sondern der römische Papst Victor zu verstehen ist, ist
sehr wahrscheinlich. Da aber in Adv. Prax. 1 der römische Bischof, den
Prazeas beeinflußt hat, nicht genannt ist, so zeigt sich hier sei es eine selb-
ständige Kenntnis des Verfassers des Libellus — denn im Syntagma des Hippo-
lyt stand überhaupt nichts über Praxeas — sei es eine selbständige Konjektur.
Selbständige Kenntnis römischer Verhältnisse zeigt auch die Unterscheidung
der Montanisten (sec. Proclum und sec. Aeschinem), wenn sie nicht aus dem
Syntagma stammt; doch bieten Epiphanius und Philastrius die Namen nicht.
Gegen Teil I dieser Litt.-Gesch. S. 238 muß ich es für wahrscheinlich halten
daß Proclus und Aeschines auf Rom weisen. Der Verf. des Libellus war wahr-
scheinlich Römer bez. für römische Verhältnisse interessiert. Aber Victorin
kann sehr wohl mit Rom vertraut gewesen sein.
432 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
und zwar entstanden, um die Präskriptionen Tertnllians zu er-
gänzend Das Fehlen des Sabellius bleibt in beiden Fällen auf-
fallend. Sollte dem Rechnung getragen werden, daß ihn Tertullian
nicht bekämpft hat?^
Was man sonst dem Victorin beilegen zu sollen gemeint hat
vor allem verschiedene Gedichte, erweist sich als ihm fremd. Latei-
nischer Dichter ist er sicher nicht gewesen. Über die Tractatos
Origenis s. unter Novatian.
Daß die lateinische Kirche fast sämtliche Werke ihres ersten
Exegeten hat untergehen lassen, ist traurig. Die Gründe kann
man aus der Weise herauslesen, in der Hieronymus (zu dessen Zeit
sie noch sehr bekannt waren) über sie geurteilt hat: diese Kom-
mentare waren sehr schlecht stilisiert An ihrem schlechten Stil
sind sie untergegangen; die Kommentare des Hieronymus haben
sie ersetzt. Der Chiliasmus, den sie vertraten, war ihnen in späterer
Zeit allerdings auch gefährlich, vielleicht auch ihr Verhältnis zn
Origenes. Im sog. Gelasianum sind sie verworfen.
1) Nach Lipsiuß, Chronol. d. rörn. Bischöfe S. 176, ist das Büchlein Bchon
c. 211 — 215 in Rom verfaßt worden.
2) Spezielle Beobachtungen, die den Libellus mit den wenigen Fragmenten
Victorins verbinden, kenne ich nicht, man müßte denn darauf verweisen, daß
sowohl im Traktat De fabrica mundi als im Libellus (c. 1) von 7 „Diakonen'*
(zu Act. 0) gesprochen wird. Aber das beweist so wenig wie die mehr morgen-
als abendländisch klingende Fpnnel: „crucifixum passumque et mortauEi*'
(s. auch die merkwürdige Formel : „ex spiritu sancto et virgine Maria concephiiE
et natum"; sie findet sich m. W. nur in dem Glaubensbekenntnis Gregors L
s. Hahn, Symbol.^ S. 28. 387). — Die Möglichkeit (von alteren Kritikern ver-
teidigt), daß TertuUian selbst der Verf. des Libellus ist und seinem Werke D*
praescr. nachträglich diesen Anhang gegeben hat, ist ausgeschlossen — die
Sprache ist zwar, wenn auch ein schweres, so doch kein unüberwindUche?
Hindernis, und das Verhältnis zwischen dem Libellus, dem Syntagma Hippolyt».
den PhOosophumenen und TertuUian würde einfacher, wenn Tertullian selbst der
Verfasser des Libellus wäre — , aber unmöglich ist die Annahme; denn (1) wider-
spricht diese Art der Schriftstellerei (ein anderes Werk einfach zu exzerpiere::
und sich dabei einer bis an Ünverständlichkeit reichenden Kürze zu befleißigen^
dem, was wir sonst von Tertullian wissen; (2) ist es unglaublich, daß Tert
dem Ordo alles das zugeschrieben hat, was dem Marcion gebührt (das tut ab»*r
der Verf. des Libellus), und daß (?r die im Libell. c. 6 erzählte Geschichte.
Marcion sei der f^ohn eines Bischofs und wegen einer groben ünzucht-sünde aß?
der Kirche ausgeschlossen worden, gekannt hat; hätte er sie gekannt, so hätt^
er in dem grolien Werk Adv. Marc, von ihr Gebrauch gemacht; (H) der Ver-
fasser des Libellus rechnet die Montanisten zu den Häretikern; das hat Ttri.
niemals — auch nicht in seiner vormontanistischen Zeit — getan. I^
Libellus harrt übrigens noch einer genauen text- und historisch-kritisclh*:
Untersuchung; er bietet nicht wenige noch ungelöste Probleme.
Reticins von Auian usw. — CommodianB Instructiones usw. 433
8) Beticins Ton Antnn^ Kommentar zam Hohenlied nnd
Streitschrift gegen NoTatian.
Was über des Beticins Werke bis 1893 bekannt war, habe
ich im 1. T. dieser Lit. Gesch. S. 751 f zusammengestellt. Seitdem
hat Morin (Rev. Ben^d. 1896 Aug. S. 340) das von Tillemont
(M6m. T. VI p. 29) signalisierte Fragment aus dem Hohelied-Kom-
mentai* bei dem Schüler Abälards, B6renger, nachgewiesen^. Es
ergibt sich hieraus, daß dieser Kommentar, den Hieron. nach den
Proben mit Orund sehr abschätzig charakterisiert hat, noch im
12. Jahrh. existierte. Über die genauere Abfassungszeit desselben
sowie die der Schrift gegen Novatian, auf die Augustins Zitate wohl
zurückgehen, läßt sich nichts sagen. Wir wissen nur, daß Reticius
auf den Synoden zu Rom (313; s. Euseb., h. e. X, 5; die Donatisten
hatten um gallische Schiedsrichter gebeten, Optat I, 23) und Arles zu-
gegen gewesen ist Bei der hohen Auszeichnung, welche die Berufung
nach Rom bedeutete, muß er damals ein in großem Ansehen stehender
Mann gewesen sein. Die Ansätze flir sein Todesjahr, die in der
Hist litt de la France (Paris, 1733, 1, 2 p.95f. cf. 59—63) und sonst
versucht worden sind, schweben in der Luft. Von einem Wunder
bei seinem Begräbnis erzählt Gregor v. Tours (De gloria b. con-
fess. c. 75): der Leichnam des Bischofs erzwingt die Beisetzung
bei der Leiche seiner Gattin, und als er in das Grab zu ihr gelegt
wird, rücken die Gebeine der Frau von selbst zur Seite. — Nahe
liegt die Annahme, daß der Hohelied- Kommentar des R. nicht un-
abhängig ist von dem des Hippolyt, aber es fehlt uns jedes Mittel,
diese Vermutung zu begründen. Auch das wissen wir nicht, ob er
vor oder nach dem Kommentar des Victorin v. Pettau zum Hohen-
lied geschrieben ist
9) Commodians Instructiones nnd das sog. Carmen
apologeticnm \
Außer Gennadius, der Commodian in seinen Schriftstellerkatalog
aufgenommen hat (De vir. inl. 15), und dem Gelasianum, welches
seine Werke zu den Apokryphen zählt, ist dieser Dichter niemals
ini christlichen Altertum erwähnt worden. Da nicht auszumachen
ist, ob Gennadius (er schrieb sicher zwischen 477 u. 494, wahr-
1) In der Apologie desselben für seinen Lehrer, Migne Bd. 178 Kol. 1864.
Das Fragment zeigt den gebildeten, schwülstigen gallischen Rhetor.
2) Pitra, Spicil. Solesm. I (1852) p. 21-49. 537—543; IV (1858) p. 222f.;
Jacobi i. d. Deutschen Ztschr. f. christl. Wiss. u. christl. Leben, Bd. IV (1853)
Harnack, Altchristl. Litteraturgesch. II, 2. 28
434 ^^ Litteratur des Abendlandes.
scheinlich zwischen 491 u. 494)^ füi' seine MitteiluDgen irgend-
welche anderen Grundlagen besaß als die Werke des Commodian
— die Möglichkeit ist freilich nicht ausgeschlossen — , so sind wir
ganz auf diese Werke angewiesen. Daß das Buch, welches den
Titel „Instructiones" trägt, von Commodian ist^ bezeugt es selbst;
denn die von hinten nach vorn gelesenen Anfangsbuchstaben der
26 Verse des 39. Gedichts des 2. Buchs ergeben die Worte „Com-
modianus, mendicus Christi". Einschiebungen in dieses Werk ans
zwei Büchern und 80 Gedichten lassen sich nicht nachweisen, viel-
mehr erscheinen alle Gedichte in bezug auf Geist, Anschauung und
Sprache als blutsverwandt — Daß das 1060 Zeilen lange Gedicht,
dem in der einen Handschrift, in der es auf uns gekommen ist,
jede Überschrift fehlt und dessen verlöschte Subscriptio nur die
Worte „Explic [t]ractat sei epsc" erkennen läßt^ von dem Verfasser
der Instruktionen stammt, kann nur aus inneren Gründen er-
schlossen werden. Sie sind allerdings sehr stark. Dieses von
Pitra zuerst edierte und „Carmen apologeticum ad versus Judaeos
et Gentes" genannte Werk ist durch so zahlreiche Klammem
(Sprache, Stil, Anschauung, Halbverse und ganze Verse 2) mit den
Instruktionen verbunden, daß die Identität der Verfasser sehr wahr-
scheinlich ist. Gennadius hat in seinem Bericht Buchtitel über-
haupt nichl genannt, 'sondern sich auf die Mitteilung beschränkt
Nr. 26; Ebert i. d. Abhandl. der K. Sachs. Gesellßch. d. Wiss. 186S Nr. T-
S. 387-420; Lipsius, Litt. Zeiitral.-Bl. 1809 Nr. 4; F. X. Kraus im Bonner
Litt.-Bl. 1871 Nr. 22; Leimbach, Über Commodians Carmen Apol., Schmal-
kalden, 1871 ; Rönsch, Ztschr. f. d. histor. Theol. N. F. 36. Bd. (1872) S. 163—302:
Hilgenfeld, Ztschr. f. wiss. Theol. Bd. 15(1872) S. 604ff.; Jen. Litt-Ztg. 18h
S. 796f.; Ludwig, Ausgabe, Leipzig, 1877 f., derselbe im Philol. Bd. 36 (1S77-
S. 285fiF.; Harnack, Theol. Litt.-Ztg. 1879 Kol. 51ff.; Dombart, Ztschr. f.
wiss. Theol. Bd. 26 (1879) S. 374ff.; derselbe, Sitzungsber. d. Wiener Akad.
Bd. 96 (1880) S. 447 f., Bd. 107 (1884) S. 713f.; derselbe i. d. Blattern £ d.
bayerische Gymnasialschulwesen Bd. 16 (1880) S. 341 ff; derselbe im Archir f
lat. Lexikogr. Bd. 6 (18S9) S. 5S6ff.; derselbe, Ausgabe i. d. Wiener Sammlung:
18S7; Boissier, Commodien, Paris, 1886 und in den M^langes Renier, 1887.
dazu La fin du paganisme (1891) II p. 33ff.; Aub6, L'öglise et Tötat (iSsTf
p. 517—544; Harnack, Theol. Litt.-Ztg. 1888 Kol. 521; Manitius, Gesch. der
Christi, lat. Poesie 1891 und i. d. Wiener Sitzungsberichten Bd. 117 (1889) XH
S. 22ff.; Bewer i. d. Ztschr. f. kathol. Theol. Bd. 23 (1899) S. 759—763; Jü-
licher in Pauly-Wissowas REnzykl. Bd. 4 (1901) Kol. 773; Hanssen, De
arte metrica Commod. Argentor. 1881; W. Meyer i. d. Abhandl. d. Müncheoff
Akad. 17. Bd. 2. Abt. (1885) S. 2880'.; Bousset, Der Antichrist (1895) S. 49i
1) S. Czapla, Gennadius als Litterarhistoriker (1898) S. 209.
2) Instr. 1, 38, 1 = Carmen 229: „Inprobi (inprovidi) semper et dura eff
▼ice recalces".
Commodians Instractiones und das sog. Carmen apologeticom* 435
Commodian habe „mediocri sermone quasi veräu * adversus paganos'^
geschrieben. Man hat darüber gestritten, ob darunter das I. Buch
der Instruktionen oder das Carmen apolog. oder beide oder diese
und auch das zweite Buch der Instruktionen zu verstehen sind^.
Entscheiden läßt sich nicht; aber die gleich folgende nähere Cha-
rakteristik^ macht es wahi*scheinlich, daß er sowohl die Instructi-
ones als das Carmen gemeint hat Doch kann er auch andere,
uns nicht erhaltene Gedichte Commodians mit im Auge gehabt
haben *.
Die Gedichte sagen uns über die Pei*son C.s nicht mehr, als
daß er früher Heide war, sich eine gute Bildung erworben hatte *,
und durch die Lektüre der „lex" Christiana zum Christentum be-
wogen worden ist ^. Aus der yerlöschten Unterschrift zu schließen,
daß er Bischof war, ist sehr prekär, da die Gedichte selbst nichts
davon andeuten, obgleich Anlaß genug dazu in den Instruktionen
gegeben war. Wahrscheinlich ist das „mendicus Christi" nicht nui-
als „servus Christi" zu verstehen, sondern im Sinne von Asket".
1] Eine sehr glückliche Bezeichnung; die Verse Commodians sind rhyth-
mische Prosa^
2) S. Czapla, a. a. 0. S. 37—41.
3) „De divinis repromissionibns" ist so wenig Buchtitel wie „adversus
I)aganos".
4) „Et quia parum nostrarum adtigerat litteranim, magis illorum destruere
potuit quam nostra ürmare. uade et de divinis repromissionibus adversus illos
(igens vili satis et crasso ut ita dixerim sensu disseruit^ illis stuporem nobis
desperationem incutiens. Tertullianum et Lactantium et Papiam auctores se-
cutus moralem sane doctrinam et maxime voluntariae paupertatis amorem optime
prosecutus studentibus iuculcavit". Die Instruktionen sind hier jedenfalls ge-
meint („moralem doctrinam'') und das Carmen wohl auch; denn wenn auch die
Instruktionen eschatologischen Stoff enthalten, so tritt er in ihnen doch zurück.
Der Schlußsatz ist durch beide Schriften nicht vollkommen gerechtfertigt. Apo-
logetisch ist der Hauptteil beider Schriften. Das hat G. richtig gesehen.
5) Die vulgare Sprache ist gewollt; C. schrieb für das Volk. Seine Bildung
folgt aus seiner klassischen Lektüre (s. Dombart, Ausgabe p. IV f.: Horatius,
Lncretius, Virgil, Cicero, Terentius) und aus dem nicht geringen Geschick, mit
welchem im Carmen apol. ein großer Stoff bewältigt ist.
6) Auch christlicher Litteratur ist er nicht fremd. Neben der Kenntnis
der Bibel, die nicht nur durch Cyprians Testimonien vermittelt ist (s. u.), ist
die Benutzung des Hirten (häufig, s. z. B. Instr. II, 25, 4; I, 30, 16), der Acta
Fetri (Carmen 626 ff.), des Tertullian — doch ist die Verwertung einzelner
h> teilen desselben nicht sicher nachweisbar — u. a. Sehr, (ob Barnabas? IrenäusV
Theophilus?) zu bemerken, über das Verhältnis zu Lactantius s.u. — Mani-
tius meinte in C. einen früheren Rechtsgelehrten sehen zu müssen (vornehmlich
auf Grund von Carmen 730 ff.), was nicht unwahrscheinlich ist.
7) Vgl. zu „mendicus" die Nach Weisung von Weyman, Miscellanea z.
lat. Dichtem, 1898, S. 9 f. (Separatabdruck aus demCompte rendu du 4. Congr^s
2ft*
436 » ^^^ Litteratur des Abendlandes.
Demselben Gedicht, in dem er sich so nennt, hat er die Auf-
schrift: „Nomen Gasei'' gegeben. Man hat das auf die Stadt Gaza
gedeutet, aber dann hätte Commodian, der den Buchstaben Z nicht
meidet, sondern bevorzugt, „Gazeus" geschrieben. Es wäre auch
seltsam, wenn dieser waschechte Abendländer — denn als solcher
erweist er sich — aus Gaza stammte! Die Sache scheint mir ein-
fach zu liegen. Die Aufschrift und das Akrostich bilden eine
Gleichung: „Nomen Gasei = Commodianus mendicos Chiisti'', d. h.
so will er, der Gasei heißt, genannt sein; Commodianus ist Signum:
der Verfasser hieß also wirklich „Gasei". Das ist ein semitischer
Name, s. I Chron. 2, 31: Gases, griechisch — Gasei oder Gazei (so
Lucian). Commodian war also, da an Afrika als sein Heimatland
sehr wohl gedacht werden kann, ein latinisierter Punier *.
Wann sind diese Gedichte geschrieben? Vor Eber t schwankten
die Gelehrten zwischen dem 3. u. 4. Jahrhundert Eberts Abhand-
lung, in welcher d. J. 249 als Jahr der Abfassung des Carmen an-
geblich erwiesen worden ist, schien der Unsicherheit ein Ende
gemacht zu haben. Fast alle Gelehrten, die sich mit der Frage
beschäftigt haben, stimmten ihm bei^. Doch Aub6 trat für das
J. 260 ein. Kraus erklärte, das Gedicht könne frühestens am An-
fang des 4. Jahrhunderts entstanden sein^ Brewer ging bis 458/466
hinunter, und Jülicher wollte das Jahrhundert zwischen 250 — 350
ofiFen gelassen wissen^.
scientifique international des Catholiques), aus der 10. Collatio CoseiodorB (p. 30%
10 £F. ed. Petschenig): „et re vera quae maior aut sanctior potest esse pauj»ertas
quam illius, qui nihil se praesidii, nihil virium habere cognoscens de aliena
largitat« cotidianum poscit auxilium, et vitam suam atque Bubstantiam singnli»
quibusque momentis divina ope intellegens sustentari verum se mendicum
domini non inmerito profit^tur, suppliciter ad cum quotidie clamens: Eg-^
autem mendicus et pauper sum" (Ps. 39, 18).
1) Hält man das „s" in „Gasei" für gleichgültig, so könnt« man sich
daran erinnern, daß Commodian zweimal (Instr. II, 14, 12 und 31, 14) „Gasum"
im Sinne von „aerarium ecclesiae" braucht, und hiemach den Namen „gazeus"
erklären. Wahrscheinlich aber ist diese Erklärung nicht.
2)S. Dombart, Ausgabe Praef. p. II: „nunc quidem tantum non inte'
omnes constat".
3) Ich habe (a. a. 0.) t"iir die Instniktionen die Zeit bis 311 offen gelasdeD.
4) So in der RKnzykl.; in der fast gleichzeitig erschienenen Anzeige von
Waitz (Das pseudotertull. Gedicht adv. Marc, 1901) hält er die These diese?
Gelehrten, das pseudotertullianische Gedicht sei von Commodian (jedoch nacb
den Instruct. und dem Carra. apol. verfaßt), für sehr probabel und fögt hinzu:
„Hoffentlich ist die Annahme einer Entstehung unseres Poems in der nich-
nicänischen Zeit deßnitiv abgetan" (Gott. Gel. Anz. 1901 S. 632). Ehrhard idit:
altchristl. Litt., 1900, S. 480) bemerkt zu der bisher nicht erwiesenen Hypothek
Commodians Instructiones und das sog. Carmen apologeticnm. 437
Welche Gründe gibt es für den Ansatz Eberts und seiner An-
hänger? Zunächst sind alle Argumente, die von der Christologie
(scharfer Modalismus), dem Verhältnis zur heidnischen Umgebung,
dem Martyrium \ dem „Novatianismus"* usw. hergenommen sind,
für die Einschränkung der Abfassungszeit auf die Mitte des
3. Jahrh. (oder gar d. J. 249) nicht beweiskräftig. Ich habe in
dieser Hinsicht nicht eine Stelle gefunden, die nicht, sei es zur
Not, sei es passender, um 350 geschrieben sein könnte. Man darf
nicht vergessen, daß sich bis zur Mitte des 4. Jahrh., ja über sie
hinaus, die Christen noch immer auf Martyrien präpariert und vor
allem so gesprochen haben, als würden sie noch eintreten. Ebenso
sind die wunderlichsten Christologien über die Mitte des 4. Jahrh.
hinaus in den katholischen Kirchen des Abendlandes verbreitet
gewesen, die modalistische vor allem, aber auch die adoptianische
und andere \ Auch aus der Tatsache, daß der Verf. sich fast ebenso
oft mit seiner Polemik und Apologetik gegen die Juden zu richten
scheint wie gegen die Heiden, läßt sich der terminus ad quem
nicht gewinnen: gewiß müssen auch wirkliche Juden in der Um-
gebung der ersten Leser gewesen sein, aber daß die Apologetik,
wenn sie gegen Heiden kämpft, sich stets auch gegen die Juden
richtet, ja manchmal sie allein zu berücksichtigen scheint, ist bekannt
und aus der apologetischen Praxis vieler Jahrhunderte zu belegen.
Der terminus ad quem ist aber in der Tatsache gegeben, daß das
grobe Heidentum die Christenheit noch rings umgibt und eine
verführerische Macht ist. Deshalb scheint es nicht geraten, sich
abwärts weit von der Mitte des 4. Jahrhunderts zu entfernen. Ja
man wird zugestehen müssen, daß zwar nicht Stellen wie Instr. I,
24, 11 ff. — die Leute laufen bald in die „Synagogen", d. h. Kirchen,
bald in die Tempel — , wohl aber U, 17, 19 f.: „Si refrigerare cupis
animam, ad martyres i! expecta requiem futurorum transitu mortis",
die Zeit vor 311 näher legen — wenn nicht „martyres" die Grä-
ber der Märtyrer sind. Das besondere Interesse an dem Senat,
(1. h. das Interesse, daß der Rächer über ihn kommen möge (cami.
Bewers: „Ich würde mich nicht wundern, wenn der Beweis gelänge; denn
Comniodian in vomicänischer. Zeit hat mich immer etwas seltsam angemutet,
trotzdem so manche einzelne Züge, insbesondere seine Vertrautheit mit der
ältesten christlichen Litteratur und der altertümliche Charakter seiner Schriften,
die herrschende Meinung in hohem Grade empfehlen".
1) Das Gedicht U, 21 spricht mehr dafür, daß die Zeiten des Martyriums
abgelaufen sind.
2) Auch das „sursum corda" (Instr. II, 35, 14: „Sacerdos domini cum
j.Sursum corda* praecepit") bietet keinen chronologischen Anhaltspunkt; denn
dieses Wort als Bestandteil der Messe ist schon für das 3. Jahrh. nachweiabax«
438 ^6 Litteratar des Abendlandes.
apoL 815. 820. 824. 831. 849. 851. 855. 910), zeigt den Senat als
Hochburg des Heidentums, schließt also das 5. Jahrb. wohl aus.
Daß der Verf. aber voraussetzt, die Juden hätten noch Einfluß auf
den Seuat (849 f.), ist nach d. J. 311 nicht wohl denkbar. Hier also
erschiene ein sicherer terminus ad quem — wenn nicht anzunehmen
ist, daß der Verfasser die' Züge der neronischeu Verfolgung, bez.
ihre Vorbereitung, auf die Verfolgung der Endzeit übertragen hat,
unbekümmert ob sie noch passen. Das liegt in der Tat nahe\
und deshalb verschlägt auch dieses Argument nichts.
Der Ebertsche Ansatz aber (249) ist unhaltbar. Die Verse 805ff.
Sed quidam hoc aiunt: Quando haec Ventura pntamus?
Accipite paucis, quibus actis illa sequantur.
Multa quidem Signa fient tantae termini pesti,
Sed erit initium septima persecutio nostra.
Ecce(iam) ianua(m> pulsat et cingitur ense,
810 Qui cito traiciet Gothis inrumpentibus amne
Eex ApoUyon erit cum ipsis, nomine dirus,
Qui persecutionem dissipet sanctorum in amiis.
Pergit ad Eomam cum multa milia gentis etc.
sollen den Übergang der Goten über die Donau z. Z. des Phi-
lippus Arabs anzeigen, und daß es eben diese Zeit sei, lehre
Augustin; denn nach De civ. dei XVIII, 52 sei die decianische
Christen Verfolgung die siebente! Aber ist es denn nur wahrschein-
lich, um nicht zu fragen, ist es möglich, daß im J. 249 die deciani-
sche Christenverfolgung als die siebente gezählt worden ist? Davon
ist nichts bekannt; diese Art Zählungen sind überhaupt spät. Ver-
folgungen wie die decianische muß es, als der Verfasser schrieb,
längst gegeben haben; denn nach ihr (oder der verwandten diokle
tiauischen) ist das allgemeine Bild der Verfolgungen wie in den
Instruktionen, so Carmen 873 fF., gezeichnet:
Mittunt [seil, die Kaiser] et edicta per iudices omnes nbique,
Ut genus hoc hominum faciant sine nomine Christi.
1) Die ganz singulare und seltsame Schilderung 847—856: „Ista quiafaciat
[der wiedergekehrte Elias], cruciati nempe ludaei | Multa adversus eura conflant
in crimina falsa | Incenduntque prius senatum consurgere in ira j Et dicunt
Heliam inimicum esse Romanis. | Tunc inde confestim motus senatus ab Ulis |
Exorant Neronem precibus et donis iniquis: | Tolle inimicos populi de rebus
humanis | Per quos et di nostri conculcantur neque coluntur. | At ille suppletus
furia precibusque senatus | Yehiculo publice rapit ab Oriente prophetas** — ist
nicht leicht anders erklärlich als durch die Annahme, daß Commodian eine
uns unbekannte Quelle für die neronische Verfolgung besaß. An andei'er Stelle
werde ich darauf näher eingehen.
Commodians InBtractiones und das sog. Carmen apologeticam« 43g
Praecipinnt qaoqne simulacris tura ponenda
Et, ne qais lateat, omnes coronati procedant^
Die Siebenzahl ist die heilige Zahl; die letzte Verfolgung wird
daher die siebente sein. Das ist die Meinung des Verfassers. Aus
dem dunklen 810. Vers kann man aber nicht mehr herauslesen als:
die Goten werden über Rom kommen. Diese Drohung ist nicht
nnr in der zweiten Hälfte des S.Jahrhunderts verständlich; sie
paßt ebensogut für das ganze 4. Jahrhundert
Die politische Eschatologie Commodians 791—1060 ist so kom-
pliziert (speziell auch Lactantius gegenüber, s. u.), so zusammen-
gestückt aus verschiedenen Bestandteilen, daß man schon deshalb
auf eine verhältnismäßig späte Zeit sich gewiesen sieht Man muß
sich hüten, sie auszudeuten ; das einzelne ist zu abrupt Aber wenn
nicht alles trügt, so sind doch Diokletian und seine beiden Mit-
kaiser, welche die Christen verfolgten, angedeutet in den Wor-
ten (871 f.):
Participes autem duo sibi Caesares addit [seil, der Kaiser-
Antichrist],
Cum quibus hunc populum persequatur diro furore^.
Wie kann der Verfasser auf den ganz singulären Zug, der
Antichrist nehme sich zwei Cäsaren als Genossen, gekommen sein,
wenn er nicht das Vorbild Diokletians hatte?
Und zittert nicht noch die Verfolgung Diokletians nach, wenn
man (879 ff.) liest:
NuUa dies pacis tunc erat nee oblatio Christo,
Sed cruor utique manat, quam describere vincor;
Vincunt enim lacrimae, deficit manus, corda tremescunt,
Quamquam sit martyribus aptum tot funera ferre;
Per mare, per terras, per insulas atque latebras
Scrutanturque diu, exsecratos victima(m) ducunt
Will man auf diese, wie mir scheint nicht unwichtigen Zeit-
spuren, die auf die nächsten Jahre nach dem Erlöschen der gi'oßen
Verfolgung im Abendland führen, nichts geben und hält man ander-
seits die decianische Verfolgung als Folie der Ausführungen des
Verfassers für genügend, so muß man sich mit der weiten Zeit-
bestimmung: bald nach 250 und bis um 350 begnügen. Jedenfalls
schrieb er beide Werke in einer Friedenszeit ^.
1) Diese Anordnung, sonst unbekannt, kann aber nur unter Decius oder in der
diokletianischen Verfolgung stattgefunden haben, wenn sie nicht Erfindung ist.
2) S, auch 911: „tres Caesares". Constantius fehlt natürlich.
3) Cf. Instruct. II, 25 („De pace subdola"). — Leider läßt eine der wenigen
440 ^^ Liiteraiiur des Abendlandes.
Aber die Ebertsche Hypothese wird noch durch eine andere
Erwägung als unhaltbar erwiesen. Dombart hat gezeigt, di(
Conimodian die Cyprianischen Testimonien reichlich benatzt hat,
und die Benutzung ist evident. Eine Zeitlang konnte man sich
darauf zurückziehen, nur das 1. u. 2. Buch der Testimonien sei im
Carmen apolog. verwertet und diese Bflcher seien kurz vor 249 tod
Cyprian geschrieben. Das war freilich auch schon prek&r. Allein
es ist von Dombart selbst zugestanden (Ausgabe p. IV), daB Con-
modian an zahlreichen Stellen auch andere Schriften Cypiiaib
ausgebeutet hat K Also kann er nicht vor c. 260 geschrieben haben.
Gennadius setzt den Commodian zu den christlichen Schrift-
stellern um 400 und behauptet, er sei in seinen Ausführungen dem
Lactantius gefolgt. Das ei*stere ist unerheblich; denn augenscheiih
lieh hat Gennadius die Zeit des Commodian nicht gekannt, sonst
hätte er doch irgendeine chronologische Bemerkung gemacht Aber
stellen, in denen Commodian Zeitgeschichtliches und ganz Konkretes bringt,
einen sicheren Schluß nicht zu. Das 18. Gedicht (Instr. J) handelt Ton dem
syrischen Gott Ammudates [= Elagabal], und es heißt von ihm: „Ammadttes
quem [?] suum cultores more colebant | Magnus erat iUis, quando fbit aorum in
aede; | Mittebant capita sub numine quasi praesenti. | Ventuui est ad BummiiDi
ut Caesar tolleret aurum: | Defecit numen yel fiigit aut transit in ignem".
S. über diesen Gott Hamann i. d. Ausgabe des C. von Ludwig p. XXXIIl:
Mordtmiuin und Redslob i. d. Ztschr. d. deutschen morgen!. Gesellsch. Bd. 2'
S. 91 ff., Bd. :Jl' S. 733, Ed. Meyer in Roschers Lexik. S. 291, Tümpel in
Pauly-WLssowas Rfhizykl. I Kol. 18(Wff. Da nach dem Sturze Klogabal?.
des Kaisers, der Gott wechselnde Schicksale gehabt hat und wir nicht wisaec-
wo Commodian schrieb, so kann man weder behaui)ten, der hier genannte Cäiar
sei Macrinus oder Alex. Scvenis, noch es müsse ein christlicher Kaiser sein 'S-
Brewer». Aufgehört hat der Kult des Gottes sicher noch nicht überall in
3. Jahrhundert.
1) Wer erinnert sich z. B. nicht an Cyprian, wenn er Instr. II, 14, l-t-
liest: „Non operas facitis, non donum gazo parotis | Et sie promereri douiinuui
putatis inanes". — Dombart nimmt freilich noch immer an, im Carmen seien
nur die Testim. T und II benutzt, in den Instruktionen der ganze Cyprian (inki.
Testim. Uli, imd somit sei das Cannen i. J. 249, die Instruktionen einige Jahre
später geschrieben. Wer sieht nicht das Künstliche und gänzlich ünbefrieiligenJ^
dieser Konstruktion ein? Erstlich wissen wir nicht, daß die Instruktionen nacl
dem Carmen geschriebon sind (Eb(^rt nahm für Instr. I das Umgekehrte iil-^
sicher an und behauptetf? für Buch II nur die Möglichkeit, daß ea nach dew
Carmen entstanden sei): es nuifi das ad hoc einfach behauptet werden; zweitens
war im Cannen, Roviol icli sehe, überhaupt kein Anlaß, Testim. III zu zitieren:
drittens wissen wir nicht, weder wann Cyi)rian Testim. I und II geschrieben
hat, noch wie groU drr zeitliche Abstand zwischen diesen Büchern und Buch 11 f
gewesen ist; viertens, wie prekär ist eine Hypothese, die die Abhängigkeit de»
Schriftstellers B vom Schriftstfllor A iinnimmt, aber behauptet, die Bücher von
A, welche B nicht benutzt, seien noch nicht geschrieben gewesen!
Commodians Instructiones und das sog. Carmen apologeticmu. 441
auch die andere Bemerkung kann belanglos sein; sie braucht
nämlich nichts anderes zu bedeuten, als daß Commodian Chiliast
gewesen ist wie Lactantius (und die neben ihm genannten Schrift-
steller Tertullian und Papias). Immerhin ist dem Gennadius der
(bedanke gar nicht gekommen, Lactantius könne junger als Com-
modian sein, und vielleicht las er in einem uns nicht erhaltenen
Gedicht des Lactantius Namen. Dem sei wie ihm wolle — wie
verhalten sich unsere Gedichte tatsächlich zu den Werken des
Lactantius?
Dombart (Praef. p. II) leugnet, daß Lactantius bei C. benutzt
sei. Zunächst kommen das bei beiden sich findende Material und
die Grundzüge der Anschauung in Betracht. Die Übereinstimmung
ist sehr groß — besonders in der Eschatologie, in der aber L. der
minder komplizierte ist — , so daß die Annahme, sie seien von ein-
ander unabhängig, nicht wohl möglich ist. Hätte aber Lactantius
den Commodian gekannt, so hätte er ihn wohl genannt wie seine
anderen Vorgänger. Wer Carmen 191 ff. mit Inst. div. IV, 10. 11,
Carmen 267 ff. mit Inst. div. IV, 18, 28. 29, Carmen 791 ff. mit Inst,
div. VII, 25 u. Carmen 927 ff. mit Inst. div. VII, 17, 4—6 vergleicht,
wird sich der Vermutung nicht entschlagen können', daß Commo-
dian hier von Lactantius abhängig ist Auch den Phönix erwähnt
er Carmen 139. Brewer macht dazu auf Einzelheiten aufmerk-
sam, von denen aber m. E. nur eine einzige in Betracht kommt:
Inst. div. IV, 10, 6. Carmen 192 f.
Tum . . . deus eduxit eos . . . Inde deus illos eiecit duce Moyse,
'dnce Moyse, per quem postea lex per quem dedit illis legem,
illis a deo data est
Aber auch das kann Zufall sein. Dagegen scheint folgendes
von Bedeutung zu sein: Carmen 612 liest man die auffallende Be-
merkung: „Nam qui deum sequitur, ^copria* iudicatur ab ipsis"
(seil, den Heiden). Wir wissen nicht, daß die Christen generell
mit diesem Schimpfnamen (der sich bei Sueton, Tib. 61 u. Claud. 8
findet) belegt worden sind, aber Lactantius (V, 1, 27) sagt uns,
daß die Heiden den Cyprian „Coprianus" genannt haben. Steht
nicht Commodians Vers hiermit in Verbindung? Ganz durchschla-
gend ist das auch nicht, und man wird daher das Urteil dahin
zusammenfassen müssen: es ist wahrscheinlich, daß Commodian
den Lactantius benutzt hat
Wie dieses wahrscheinlich ist, so ist es wahrscheinlich,
daß Commodian nach der diokletianischen Verfolgung geschrieben
hat. Weiter vermögen wir nicht zu kommen, und somit ist das
442 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
Urteil dahin zusammenzufassen: die Gedichte Commodians sind der
Zeit 260— c. 350 zuzuweisen; wahrscheinlich sind sie nicht lange
nach der diokletianischen Verfolgung entstanden *. In welche Provinz
des Abendlandes der Verf. gehört — von Geburt (Afrika?) und als
Schriftsteller — , läßt sich nicht sicher ausmachen. Das besondere
Interesse fQr Rom, das er im Carmen bezeugt, kann rein escha-
tologisch sein; doch ist es bemerkenswert, daß es durch keine
Teilnahme für irgendeine bestimmte Provinz begrenzt erscheintj
und daß die besondere Berücksichtigung des Senats bei einem
Provinzialen jener Zeit etwas Auffallendes hat Mehr läßt sich
nicht sagen oder vielmehr — es läßt sich doch noch etwas sagen,
wenn wir die pseudotertullianischen Gedichte Adv. Marcionem her-
beiziehen \
10) Das pseudotertulliauische Carmen Adversns Marcionem'
und das Gedicht Landes Domini.
Während die übrigen, dem Tert. beigelegten Gedichte weder
ihm gehören, noch aus der vorkonstantinischen Zeit stammen, be-
darf es der Untersuchung, ob die 1300 Hexameter gegen Marcion
in 5 Büchern, für die es heute keine Handschrift mehr gibt^ und
die seit der editio princeps v. J. 1564 (Fabricius Chemnicensis) unter
den Opp. TertuUiani abgedruckt werden, der vorkonstantinischen
1) Will mau den Goteneinfall, von dem in dem Carmen apolog. die Retie
ist, spezialisieren, so kann man an die Furcht denken, die sie im J. 331 2 Tor
dem Siege Konstantins über sie erregt haben müssen. — Brewer schreibt'
(a. a. 0. S. 7G3): „In der späteren Abhandlung hoffe ich zu zeigen, dalJ
Commodian der Mitte des 5. Jahrh. angehört und daß er seine Dichtungren um
458—460 in Südgallien abfaßte". Diese Abhandlung ist bis jetzt nicht er-
schienen, und ich ahne nicht, worauf Brewer diesen paradoxen Ansatz stützen
will. In Kürze bemerke ich nur, daß des Gennadius' Bericht rätselhaft wird,
wenn Commodian sein Zeitgenosse gewesen ist, und daß auch die Stellung, die
er ihm im Katalog gegeben hat, bei dem Ansatz 458/00 unerklärlich ist. Femer,
soll um jene Zeit das Heidentum noch eine solche Macht gewesen sein, wie C.
es schildert? Und wie steht es mit dem Martyrium?
2) Dort wird auch über das Verhältnis Commodians zu Victorin von Pett;m
gehandelt werden.
3) Ob dieser Titel handschriftlich ist, ist fraglich.
4) Doch hat sich vor einigen Jahren im Cod. Vatic. 582 ein Gedicht „Vic-
torini versus de lege domini" gefunden, das sich als Cento aus dem Carmen
adv. Marc, darstellt. Von den 210 Versen sind c. 100 aus diesem abgeschrieben.
Damit ist ein sehr dankenswertes Hilfsmittel zur Kritik des vom ersten
Herausgeber greulich entstellten Carmen adv. Marc, gewonnen. Schon früher
war ein Gedicht desselben Verfassers bekannt geworden über das Leben Jesu
(in derselben Handschrift), das c. 20 Verse unserer Gedichte enthält.
Das pseadotertollianiBclie Carmen Adyersus Marcionem usw. 443
Epoche zuzuweisen sind oder nicht'. Letzteres behaupteten
Hückstädt, Harnack und 0x6^^ jenes Hilgenfeld, Waitz
und Jülicher.
Mit einer sehr erfi*eulichen Tatsache können wir beginnen:
0x6 (Prolegg. p. 40— 51) und Waitz (S. 112—158), die beiden um
das Gedicht verdientesten Gelehi1;en, haben es erwiesen, soweit
sich ein solches Ergebnis ohne äußere Zeugnisse erweisen läßt, daß
Commodian der Verf. unserer Gedichte ist. 0x6 hat zuerst die
hierher gehörigen Beobachtungen zusammengestellt, ohne den
Schluß auf Identität zu ziehen 3, Waitz hat sie vermehrt und das
Fazit gezogen. Auch wenn man nicht wenige Beobachtungen, die
aus der Freude an der Entdeckung stammen, abzieht, bleibt so
außerordentlich vieles in jeder Richtung, in der Vergleiche über-
haupt möglich sind, übrig, daß das Resultat sich förmlich auf-
drängt. Da ich den Beweis, wie ihn Waitz geführt hat, nicht zu
verstäi-ken, sondern nur zu reinigen vennag, so darf ich mich be-
gnügen, einfach auf ihn zu verweisen*. Vorsichtigerweise wird
man sagen, der Verfasser unsrer Carmina ist entweder Commodian
selbst — das ist das Wahrscheinliche — oder ein Schüler und
jSachahmer Commodians, der in seinen Anschauungen und seinem
Kreise lebte, ihm also auch zeitlich nahe stand. An einen späten
Plagiator kann nicht gedacht werdend
1) Vgl. über sie Hückstädt, Cber das pseudoteHull. Gedicht Ad?. Marc,
1S75; Harnack, Theol. Litt.-Ztg. 1876 Kol. 2ü5f. 1888 Kol. 520f. und in der
Ztschr. f. wiss. Theol. Bd. 19 (187Ü) S. 11 3 ff.; Hilgenfeld, a. a. 0. Bd. 19
S. 154 ff.; 0x6, Prolegg. de carniine Adv. Marcionitas, 1888; ders., Victorini
versus de lege domini. Ein unedierter Cento aus dem Carmen Adv. Marcionit.,
Krefelder Programm, 1894; Koffmane, Entsteh, u. Entw. des Kirchenlateins,
1S79 S. 151ff.; Haußleiter i. d. Ztschr. f. kirchl. Wiss. u. kirchl. Leben Bd. 7
(1886) S. 2:^ff.; Brandes in den Wiener Stud. Bd. 12 (1890) S. 310ff.; Krüger,
Oesch. d. altchristl. Litt. (1898) S. 173 und in d. Protest. REnzykl. Bd. 68,
S. 406 f.; Waitz, Das pseudotertull. Gedicht Adv. Marc, 1901; Jülicher,
Gott. Gel. Anz. 1901 Nr. 8. Dazu die Werke von Ebert, Bahr, Manitius.
Die filr die Wiener Sammlung von Oxe übernommene Ausgabe steht noch aus.
\^\. auch Macholz, a. a. O. S. 20ff.
2) Manitius und Brandes setzen es sogar erst ins 5., ja 6. Jahrh.
3) Nach Oxe ist Commodian nachgeahmt.
i) Jülicher hat mit Recht die Beweise Waitzs an mehreren Stellen
bemängelt und auf Punkte hingewiesen, auf die sich die Untersuchung noch
zu erstrecken hat; aber ich kann nicht finden, dalJ das Ergebnis der Waitz-
8chen Untersuchung erschüttert ist.
5) Macholz (S. 21 f.) will sich zu der Commodian-Hypothese abwartend
verhalten. Er schreibt: „Daß diese Annahme ,durch einen Vergleich der
christologischen Anschauungen beider mehr als probabel* wird, kann ich nicht
finden, zumal Waitz selbst zu der weiteren Hypothese einer theologischen
444 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
Aber zwei Punkte bedürfen doch noch einer Prüfung, erstlich:
welche Zeitspuren weisen unsere Gedichte aufi und zweitens: was
sagt uns die Überlieferung über den Verfasser?*
Fortentwicklung derselben Persönlichkeit von den cbrlstologischen Formu-
lierungen der unter Commodians Namen erhaltenen Scbriften zu denen des Ge-
dicbts adv. Marcionem seine Zuflucht nehmen muß (a. a. 0. S. 126), weil er
trotz der — übrigens nicht sehr überzeugenden — Ann&herangsTersache beider
Christologien (a. a. 0. S. 124) die christologische Differenz nicht ganz zu be-
seitigen vermag. Im Gedicht adv. Marc, haben wir eine, wenn auch nnans-
gebildete und von modalistischen Ausdrucksweisen nicht freie Hypostaaea-
christologie — der Verf. ist eben binitarischer Monotheist — , bei Commodian
fehlt etwas dem ,,genitum de lumine lumen" auch dem „cum patre aemper erat
unitus gloria et aevo" wirklich Entsprechendes, und Äußerungen wie Commo-
dian, Carm. apol. 804 ff. 277 wären m. E. in adv. Marc, nicht denkbar". Ich
kann die christologischen Varietäten nicht so hoch einschätzen. Die Grund-
Züge der Christologic sind dort und hier dieselben, und sie sind in sich yariabel.
Die abendländischen Christologen der voraugustinischen Zeit sind, soweit sie
nicht erklärte Anhänger der Logos- Christologie waren, sämtlich in sich wider-
spruchsvoll, wenn man sie an einer christologischen Theorie mißt.
1) Die Quellen der Schrift anlangend, vgl. die sorgfältigen Untersuchungen
von Waitz S. 33 — 75 (in bezug auf die starke Abhängigkeit von Virgil s.
Ox^). Benutzt ist Tertullian (nicht nur die BB. Adv. Marc, sondern auch
andere Schriften); benutzt ist auch Irenäus. In beiden Fällen ist der Verf.
aber so wenig Plagiator, daß Waitz die Hypothese vertreten konnte, imstr
Verf. habe in den wichtigsten Partien, die ihm mit beiden gemeinsam sin«i.
weder den einen noch den andern in der Hand gehabt, sondern eine Quelle,
die auch sie benutzt haben, nämlich das Werk des Theophilus von Antiochien
gegen Marcion (Waitz sucht außerdem den Theophilus mit jenem Presbyter
des Irenäus zu identifizieren, der De duobus testamentis gesclirieben hat-.
Hieraus folgt, daß der Verf. griechisch verstanden hat (was übrigens auch aii>
der Benutzung des griechischen Irenäus folgt, s. oben S. 320). Sicherheit
läßt sich aber über Theophilus als Quelle keineswegs gewinnen. Noch ein-*
zweite, unserem Verfasser und Irenäus gemeinsame Quelle scheidet Waitz
aus, nämlich einen mit Zusätzen ausgestatteten Katalog römischer Bischofs.
Hier hat er vielleicht recht: die Annahme, daß Irenäus in dieser Partie direkt
benutzt ist, macht einige Schwierigkeit. Auch das ist nicht unwahrscheinlich«
daß der Katalog, bez. die Zusätze, an einigen Stellen bei unserem Verfasser
ursprünglicher erhalten sind als bei Irenäus. Allein weder vermag ich die^♦'
Quelle als eine vollständige Ketzerbestreitung anzusehen, in die ein BischotV-
katalog aufgenommen ist (so nämlich stellt Waitz die Sache dar), noch, kann
ich zugeben, daß der Biscliofskatalog in ursprünglicher Gestalt von dem Ver-
fasser wiedergegeben ist. Vielmehr hatte derselbe bereits einen starken Ein-
griff erlitten; denn die Aufzählung eines besonderen Bischofs „Cletus** neb'^a
„Anacletus" ist trotz allem, was Waitz darüber sagt, ein Beweis einer ver-
hältnismäßig späten Korruption der Liste. — Benutzt sind femer der Hirte df>
Hennas und Barnabas (Oxe). Sichere Spuren der Benutzung Cyprians sind nicht
nachweisbar (auch nicht der Testimonia). Die von 0x6 behauptete Abhängig-
keit unseres Dichters von Juvencus hat Waitz mit schlagenden Gründen auf
Das pseudotertullianiBche Carmen Adversus Marcionem usw. 445
Bei Hilgenfeld und Waitz finden sich folgende Erwägungen,
welche die 2. Hälfte des 3. Jahrh. als Zeit der Abfassung empfehlen
sollen:
(1) Der Marcionitismus erecheint als die einzige nennenswerte
Häresie im Abendland; „wir befinden uns also noch nicht in dem
durch ganz andere Lehrstreitigkeiten zerspaltenen 4. Jahrh." Ari-
aner und Manichäer sind nicht genannt
(2) Der Marcionitismus wird noch nicht ganz abstrakt als
Dualismus behandelt, sondern wesentlich richtig aufgefaßt, und der
Sieg über ihn gilt dem Verf. noch als schwer: er ist noch ein re-
spektabler Gegner,
(3) Der Dichter hat von der Erbsünde im strengen Sinn des
Woi-ts noch keinen Begriff.
(4) Durch I, 109. 190 u. 212ff. ist die Märtyrei-zeit indiziert.
(5) Das Heidentum herrscht noch (I, 136— 138 ^ und III, 6—9),
wenn auch die Zeit nahe erscheine, da die Völker christlich werden.
(6) Der Kirchenbegriff verlange eine Abfassungszeit bald nach
Cyprian (s. Waitz S. 14ff.).
(7) Das Gedicht nennt die Kleriker nicht, wie Cyprian, Priester,
und außer dem Opfer Christi kennt es kein anderes; die kultischen
Handlungen fallen dem Dichter — ganz anders wie Cyprian —
nicht unter den Begriff eines Opfers (S. 16ff.).
(8) Die Logoslehre tritt noch zurück, und in der Auffassung
von dem Wesen und dem Werk Christi fehlen unserem Autor Be-
griffe und Vorstellungen, die in der nachnicänischen Zeit Gemein-
gut der kirchlichen Theologie geworden sind, während die Theorien
des Irenäus, Tertullian und des Modalismus sich finden (S. 22 — 29).
Andere Argumente habe ich nicht gefunden, nur bei Waitz
ein par noch schlechtere als die unter Nr. 3. 6 und 7 genannten^;
gemeinsame profan-poetische Quellen zurückgeführt. Dasselbe gilt von dem
Verhältnis des Commodian und Juvencus und von angeblichen Abhängig-
keiten unseres Dichters von noch späteren lateinischen Dichtern, wie sie
Manitius behauptet hat. "Ober das Verhältnis zu Victorin v. Pettau und die
Abhängigkeit von Hippolyt s. u.
1) „Quem [deum] stultae quam vis gentes errore copertae | Florentes opibus
alieno nomine laudent | Factoremque tamen gnari culpare verentur".
2) S. 42 wird noch das Argument nachgebracht, das Gedicht nenne die
römischen Bischofsnamen nach griechischer Weise und das spreche für das
3, Jahrb., „da noch in Rom die griechische Sprache herrschte". Allein dann
müßte man für das Gedicht die erste Hälfte des 3. Jahrh. als Abfassungszeit
ansetzen. Warum muß übrigens ein Lateiner notwendig „Aristus" schreiben
ßtatt „Euaristus" oder „Iginus" (Higinus) statt „Hyginus"? Auch schreibt der
Verf. „Sixtus", nicht „Xystus". Endlich — welcher Verlaß ist auf die Schreibung
446 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
auf die letzteren gehe ich nicht ein, weil aach sie ganz belanglos
sind. Die unter Nr. 4 und 5 stehenden beruhen auf einer falschen
Beurteilung der Stimmung der Kirche im Abendland in den nächsten
Jahrzehnten nach d. J. 311. Dorfc ist, da Eonstantius Chlorus vor-
gearbeitet hatte, der Sieg des Christentums unter Konstantin nicht als
so eminent empfunden worden, wie im Morgenland, and die Unpartei-
lichkeit der Yorgratianischen Kaiser, das Heidentum der Aristo-
kratie und Bureaukratie und die Zähigkeit des Heidentums (aacb
das Auftreten des Staats gegen die Donatisten) ließen VerfolgUDgen
noch immer als möglich erscheinen, ließen jedenfalls die Stimmung
nicht aufkommen, daß das Christentum bereits herrsche. Wie die
oben untersuchten Gedichte Commodians, so können auch unsere
Carmina sehr wohl einige Dezennien nach 311 geschrieben sein;
die äußere Situation ist dort und hier dieselbe. Alles das aber,
was Waitz unter Nr. 8 ausgeführt hat, beweist nur, daß die Car-
mina in der 2. Hälfte des 3. Jahrh. geschrieben sein können,
nicht aber, daß sie damals geschrieben sind. Ich wage zu be
haupten, daß die Christologie im Abendland nach Kailist bis
Damasus wesentlich unverändert geblieben ist und daß es daher
schlechthin unmöglich ist, auf Grund christologischer Indiaen
die Abfassung einer lateinischen christlichen Schrift in ein be-
stimmtes Dezennium zwischen 230 und 370 zu setzen, wenn nicht
Formeln der nicänischen Synode oder einer nachnicänischen in ilir
benutzt sind oder falsche Christologieen bekämpft werden.
Es bleiben also nur die beiden eng zusammengehörigen Argu-
mente Nr. 1 und 2. Sie schließen das Ende des 4. Jahrhundert^
sicher, das dritte Viertel höchst wahrscheinlich aus'; aber mehr
läßt sich nach dem Stande unserer Kenntnisse nicht sagen. Die
Manichäer brauchten vor c. 350 nicht erwähnt zu werden, denn
damals haben sie schwerlich schon im Vordergi'unde gestandeu,
und die Arianer sind dem Abendland erst nach dem Tode des Kon-
stans wirklich bemerkbar geworden, d. h. seit 350. Gewiß ist, daü
eine Polemik gegen die Marcioniten als gegen einen zur Zeit noch
gefährlichen Feind in jedem Jahrzehnt, das man von 350 aufwärts
steigt, begreiflicher wird; allein wir wissen viel zu wenig vod
der Geschichte dieser Kirchengemeinschaft zwischen 250 und So*»
im Abendland, speziell in Rom, als daß wir behaupten könnten,
eine Polemik wie die unseres Verfassers sei um 340 oder 350 in
der Namen, da doch Fabricius, auf dessen Ausgabe wir angewiesen sind, der
Text und die Schreibung nachweisbar eigenmächtig geglättet hat?
1) Denn unser Gedicht ist keine Stilübung, sondern hat es mit eiiwc
wirklichen Gegner zu tun.
Das pseudotertuHianische Carmen Adversus Marcionem usw. 447
Rom oder in jeder Provinz des Abendlandes deplaciert und über-
flüssig gewesen.
Somit erweisen sich alle Argumente, die für die Abfassung in
den JJ. 260—300 angeführt werden, als unzureichend; man muß
noch die folgenden 50 Jahre hinzunehmen, d. h. wir sehen uns auf
dieselben Grenzen angewiesen, die wir für die unzweifelhaft dem
f'Om median angehörigen Werke festgestellt haben.
Aber wie wir es dort für wahrscheinlich halten mußten, daß
die Gedichte nicht lange nach der diokletianischen Verfolgung ab-
gefaßt sind, so gibt es auch hier ein Argument, das für diese Zeit
spricht Der Verfasser schreibt IV^, 29 und V, 199 übereinstimmend:
„Filius, immense genitum de lumine lumen" („De patre prin-
cipium, genitum de lumine lumen"). Nun bekennt zwar Ter-
p tullian, Apol. 21: „ita de spiritu Spiritus est, dedeo deus ut lumen
de lumine ftccensum**; aber das wichtige „genitum" fehlt, und durch
das „ut" erscheint das Ganze als ein Vergleich. Im Nicänum da-
gegen heißt es: ysppijO-ipta ix rov xaxQoq .... (pciq ix gxorog
.... yBvvrid^kvra ov JtoiijO-ivra. Vor dem Nicänum weiß ich keinen
Beleg für diese wichtige Formel. Die Annahme liegt daher nahe,
daß unser Verfasser nach dem J. 325 geschrieben hat. Sicher ist
dies freilich nichts nur eben wahrscheinlich. Weiteres vermag ich
über die Zeitlage nicht zu sagen; nui' daran erinnere ich noch ein-
mal, daß die Verdoppelung Anacletus und Cletus in der römischen
Bischofsliste im vierten Jahrh. erklärlicher ist als im dritten ^
Als Autor unserer Gedichte war in der einzigen, verlorenen
Handschrift höchst wahrscheinlich TertuUian angegeben 2. Diese
Angabe, die sich aufs leichteste erklärt, erledigt sich eben dadurch.
Viele Bemühungen und Hypothesen haben die Nachrichten hervor-
gerufen, (1) daß die beiden Plagiate aus unseren Gedichten („De
nativitate, vita, passione et resurrectione domini" und „De lege
domini", Cod. Vatic. 582) den Namen des Victorinus tragen, (2) daß
ein spanischer Anonymus in der 2. Hälfte des 7. Jahrhundeiis
schreibt^: „Victorinus episcopus composuit et ipse versibus duo
opuscula admodum brevia, unum adversus Manichaeos, reprobrantes
veteris testamenti deum veramque Christi incarnationera contra-
dicentes, aliud autem adversus Marcionistas, qui duo principia
i. e. duos deos fingunt, unum malum, iustum, creaturarum condi-
1) Der Versuch von Hückstädt, die Zeit Julians in den Gedichten nach-
zuweisen, ist von Waitz mit Recht beseitigt worden.
2) S. Waitz S. 76f.
3) De XII Script, eccl., Appendix zu lldefonsus' kirchlichem Schriftsteller-
Irn.falncr
448 ^^ Litteratur des Abendlandea.
torem et retributorem factorum, alter am bonum, animarum snseep-
torem et indultorem criminum". Die Kombination dieser bdda
Nachrichten und ihre Beziehung auf unsere Gedichte schien nahe
zu liegen. Allein erstlich war im 3.-6. Jahrhundert der Nune
Yictorinus (Victor) sehr häufig, zweitens sind unsere Gedichte nickt
„admodum brevia'S drittens ist es doch nicht das NächstUegendCL
einen für Gedichte gebotenen Verfassemamen vielmehr auf dk
Quelle dieser Gedichte zu beziehen. Es bleibt also, wie Waitz*
richtig sieht, nur eine abstrakte Möglichkeit^ daß ein VictoriniB
der Verfasser unserer Gedichte ist. Läßt man nun die uns be-
kannten Victoiini, die als Schriftsteller bekannt sind, Bemr
passieren, so scheiden alle aus^ und es bleibt nur dei* von Pettti
nach. Zwischen seinen Schriften und unseren Gedichten bestehen,
wie zuerst Haußleiter nachwies, in der Tat frappante Überein-
stiuiniungen'. Allein auch an ihn kann nicht gedacht werden;
denn er ist einer der am stärksten gräzisierenden Lateiner, und
es kann ihm deshalb auch die naive Theologie nicht zugesprochen
werden, welche unsere Gedichte aufweisen. Ferner aber — und
das ist das Wichtigste — zeigte Waitz, daß genau dasselbe Ver-
hältnis, welches zwischen Victorin und unseren Gedichten waltet«
auch zwischen Conimodian und Victorin besteht Commodian müEte
also mit Victorin ebenfalls identisch sein! Da das nicht möglieb
ist, scheint gefolgert werden zu müssen, daß sowohl in unseren
Gedichten wie bei Commodian Victorin in gleicher Weise benutzt
ist. Aber auch diese Annahme ist, wie Waitz uns belehrt hai.
unzutreifend. Die Übereinstimmung zwischen den dreien oder riei-
mehr zweien (denn es zeigt sich hier aufs neue, daß Commodian
und der Verf unserer Gedichte höchst wahrscheinlich identisch
sind) erklärt sich vielmehr nur so, daß sie einer gemeinsamen
Quelle, nämlich dem griechischen Apokalypse-Kommentar HippoljU
gefolgt sind; denn nur in dem apokalyptischen Material ist die
Übereinstimmung vorhanden, und dort nicht so, daß Victorin dem
Commodian g(*gentiber überall als das Original erscheint. Die Resi^
jenes Hippolyt- Kommentars aber zeigen uns die Quelle.
Also ist die Victorin-Hypnthese in jeder Gestalt für unserr
(iediclite abzulehnen. Der einzige Gewinn der IiTgänge liegt, darin
daß auch an diesem Punkt die Hypothese der Identität unseres
1) S. TS ff. Der Abschnitt ist besonders sorgiMtig gearbeitiit.
'J) Auch der l^hetor Miirius Victorinus Afer, den Hückstädt ins Au^"^
gefaßt hatte, s. Waitz S. SU f.
;{) Aus dem , was uns von diesem Yictorin erhalten ist, ersieht man, d.«'
auch er gegen die Marcioniten polemisiert hat.
Das psendoterkillianiBche Carmen Adversos Marcionem usw. 44g
Verfassers und Commodians sich bestätigt Wie sonst ihre Quellen
in frappierender Weise dieselben sind, so haben sie auch Hippolyts
Kommentar benutzt
Ist Commodian und Pseudotertnllian Adv. Marc, derselbe
Dichter und schrieb dieser Dichter zwischen 260 und c. 350, oder
wahrscheinlicher zwischen c. 315 und c 350, so liegt es am nächsten,
ihn nach Rom zu versetzen. Dorthin weist das Carmen apolog.
mit seinem lebhaften Interesse (nicht nur für die Stadt, sondern
auch für den Senat), und dorthin unsere Gedichte, die eine römische
Bischofsliste bringen^ und die marcionitische Kirche noch als eine
Macht zeigend Ist aber unser Dichter ein Schüler des Commodian,
so ist er wenig später als dieser anzusetzen.
In dem Paris, lat 7558 (olim Colbert. 4133, dann Begius 6411)
saec IX. 3 ist ein anonymes Gedicht mit der Aufschrift „Landes
Domini'^ erhalten, welches Brandes^ einer fast vollkommenen
Vergessenheit entrissen hat^ Er hat zugleich gezeigt, daß das
148 Hexameter umfassende Gedicht aus der Zeit des Konstantin
stammt^ (und zwar Konstantins I. — dies folgt aus der letzten
Zeile ; denn Konstantin II. starb kinderlos) und wohl vor dem J. 323,
also 316—323 entstanden ist Das letztere aber ist unsicher: man
muß sich mit dem Ansatz „unter der Regierung des Konstantin"
1) Sogar „hac cathedra Petrus, qua sederat ipse" etc. heißt es III, 276,
aber „hac" steht hier vielleicht für den Artikel.
2) Das war sie am Ende des 3. Jahrh. auch noch für den in Pettau
schreibenden Victorin, s. die vorvorige Anmerkung.
3) S. Dümmler, Neues Archiv III S. 299 fF., Schenkl im Wiener Corpus
Script. T. XVI, 1 p. 340 flf.
4) Braunschweiger Gymnasialprogramm 1887: Edition, Einleitung und
Kommentar.
5) Trotzdem habe ich es im I. T. dieser Litt.-Gesch. übersehen, und keiner
der Kritiker hat mich an dasselbe erinnert. Edit. princeps Paris. 1560 (More-
lius), Abdrücke bei Fabricius (1564), in den Biblioth. Patrum (auch bei
Migne Bd. 61 p. lOOlflf.), bei Rivinus (1652) und Arevalus (1792). Wohl
beachtet ist es in der Hist. litt, de la France T. I, 2 (1733) p. 95f., von Mani-
tius, Gesch. d. christl.-lat. Poesie (1891) S. 42 f. und von Bardenhewer
(Patrologie2 S. 368).
6) S. die Schlußverse 143—148:
„At nunc tu dominum meritis, pietate parentem,
Imperio £a.cilem, vivendi lege magistrum
Edictisque parem, quae lex tibi condita sancit,
Yictorem laetumque pares mihi Gonstantinum!
Hoc melius fetu terris nil ante dedisti
Nee dabis: exaequent utinam sua pignora patrem".
Harnack, AltchrlBtl. Litteraturgesch. II, 2. 29
450 ^^^ Litteratur des AbeDcUandes.
begnügen. Das Gedicht weist mit Sicherheit nach Flavia Aednorum
in Gallien 1 und ist das Werk eines Bhetors oder Rhetorenzöglings
der durch Konstantin nen begründeten dortigen Schule. Auf nicht
ganz schlagende Erwägungen hin haben die Verfasser der Hist
litt de la France den Helden unsers Gedichts mit Reticias in Ver-
bindung gebracht, wenn auch die Geschichte, die den Anlaß des
Gedichtes bildet (ein frommes Ehepaar hatte sich ein Doppelgrab
herrichten lassen; als der Oatte der Gattin im Tode folgte, streckte
ihm die Tote trotz der Binden die linke Hand entgegen), eine starke
Ähnlichkeit hat mit der von Gregor von Tours in bezug aaf
Beticius erzählten Geschichte. Wenn aber unser Dichter den
Bischof gemeint hätte, hätte er dieses Amt seines Helden nicht
wohl verschweigen können.
Der Dichter schreibt klar und verständlich; die Prosodie „ist
von einer Beinheit, die in jener Zeit höchst selten b^egnef. Ge-
reimte Verse, auch paarweis gereimte Hexameter finden sich
übrigens bereits. Juvencus soll das Gedicht (nach Manitius^
schon benutzt haben.
Nach Brandes (S. 18) hat der Dichter in v. 2—4 den II. Petras-
brief benutzt Das wäre aufifallend; allein die Übereinstimmung
ist so gering, daß die Annahme einer Benutzung überflüssig ist'
11) Die Synode von Elvira.
Die lehrreichste Quelle, die wir für die innerkirchlichen Zu-
stände einer großen Provinz um d. J. 300 besitzen, sind die
Kanones der Synode von Elvira. Ihre Echtheit, im 18. Jahrhundert
von hyperkritischen bez. tendenziösen Katholiken beanstandet, be-
darf keiner Beweisführung. Ebensowenig ist zweifelhaft, daß El-
vira (Illiberis) nicht in Gallia Narbon., sondern in der Baetica
nahe von Granada zu suchen ist Gehalten wurde die Synode, wie
die Akten sagen, am 15. Mai; außerdem bemerken die Handschriften^
1) S. Y. 7 ff.: „Nam qua stagnanti praelabitur agmine ripos | Tardus Arar
pigrumquo diu vix explicat amnem, | Qua fratema Remo progignitur Aedua
pubes".
2) Wocliensclir. f. klass. Philol. 188S Kol. 18.
3) Brandes (S. 15f.) nimmt viele Interpolationen an und schlägt vor.
eine ganze Reihe von Versen auszuscheiden; Manitius ist vorsichtiger, und
mit Recht.
4) Sie gehen bis ins 10. Jahrh. hinauf; eine allen kritischen Ansprücbea
genügende Ausgabe gibt es noch nicht; die relativ beste ist die von Gonzales
(Madrid, 1808).
Die Synode von Elyira. 451
in der Überschrift: „Constantini^ temporibus editum eodem tempore
quo et Nicaena Synodus habita est", dazu in einigen der Znsatz
„era 362" (= 324 p. Chr. n.). Diese Angaben sind natürlich nicht
ursprünglich. Die Zeit der Synode ist umstritten 2. Zwar brauchen
die Ansätze um 700 (MagdeL Cent) und um 252 (Morin) nicht
widerlegt zu werden — es ist gewiß, daß die Synode in die
Bischofszeit des Hosius von Cordova^ und in die Zeitnähe der
Synode von Arles fällt^ — , aber eine genauere Zeitbestimmung ist
nicht ohne weiteres zu geben. Wäre es erweislich, daß der Bischof
Yalerius von Saragossa, der an der Synode teilgenommen hat^
Märtyrer unter Diokletian geworden ist, so wäre ein sicherer ter-
minus ad quem zu fixieren; allein das Martyrium ist ganz unsicher,
und selbst wenn es gewiß wäre, fragte es sich, ob nicht im 4. Jahr-
hundert zwei oder mehrere Valerii Bischöfe von Saragossa gewesen
sind; ja dies ist sogar nach Prudent^ Peristeph. 4, 78, wahr-
scheinlich.
Die verbreitetste Meinung ist die, die Synode sei unmittelbar,
nachdem die diokletianische Verfolgung in Spanien erloschen, ab-
gehalten worden, also im J. 305 oder 306. Sie stützt sich darauf
(s. Hefele), daß die Synode mehrere Bestimmungen gegen Lapsi
getroflfen hat und zwar außerordentlich harte (viel härtere als die
nicänische Synode); diese Bestimmungen, so sagt man^ setzen eine
große Verfolgung voraus und zwar eine eben erst abgelaufene;
denn sie seien nicht wohl begreiflich, wenn sie erst 10—20 Jahre
nach der Verfolgung getroffen wären. Letzteres ist richtig: wenn
die große Verfolgung in den Akten bereits vorausgesetzt ist, so
müssen die Bestimmungen über die Gefallenen ihr auf dem Fuß
gefolgt sein, und die Datierung 305/6 ist somit zu billigen.
Allein es ist nur ein Schein, daß die Synode nach einer großen
Verfolgung gehalten ist. Wäre eine solche mit ihren Tausenden
oder doch Hunderten von Gefallenen unmittelbar vorhergegangen,
so müßten die Kanones Ifif. ganz anders lauten, als sie lauten.
Die Kasuistik müßte einen breiten Raum einnehmen, und es müßten
überhaupt viel konkretere Züge gegeben sein, als die Akten sie
bieten. Diese haben es lediglich mit frivolen und leichtsinnigen
(Tefallenen zu tun, wie sie in Friedenszeiten vereinzelt stets zu
1) „Constantü" schreiben die Handschriften, was natürlich ein Fehler ist.
2) Vgl. Garns, Kirchengesch. Spaniens Bd. 2 S. 4 ff.; Hefele, Konzilien-
i;esch. 12 S. 148ff.; Dale, The synod of Elvira. London, 1882; Duchesne,
Le concile d'Elvire et les Flamines chrötiens, 1886 (in den Mölanges Renier).
3) Er hat als zweiter unter den 19 Bischöfen unterschrieben.
4) Mehrere Teilnehmer an unserer Synode sind auch Mitglieder des Konzils
von Arles gewesen, wie die Listen ausweisen.
90*
452 ^® liitteratur des Abendlandes.
finden waren. Sehr richtig bemerkt Duchesne, nachdem er die
einschlagenden Bestimmungen der Synode (can. 1. 59. 57. 40. 41.
56. 2. 3. 4. 60) zusammengestellt hat: „Je ne comprends pas commeot
on peut Yoir dans ces dispositions une sorte de liquidation de
Situation, aprös une pers6cution violente. Nulle part Fapostasie
n'est indiqu6 comme ayant 6t6 commise pour ob6ir k Taatoritt^.
Ces maitres qui vivent en paix avec des esclaves idolätres, ces
dames cbr6tiennes ä qui des voisines empruntent leurs habits de
föte pour se parer les jours de procession paienne, ces duomvirs
chr^tiens, ces flamines k qui il est apparemment f&cile d'esqaiver
les sacrifices et meme Tobligation de donner des jeux pnblics, tont
nous tran$poi*te en un temps de paix, oü le paganisme Stait encm
dominant et officiel sans doute, mais nullement pers^uteur^. So
ist es: die Synode ist in einer Zeit abgehalten worden, in der dts
Heidentum seit einer Beihe von Jahren faktisch seinen Frieden
mit dem Christentum geschlossen hatte und daher die Chiisten
mittleren Schlages in Gefahr standen, auch ihrerseits die Grenzen
von heidnisch und christlich zu verwischen, während umgekehrt
einige fanatische Christen die Toleranz und Schwäche der Heiden
bereits zu mißbrauchen begannen K Einer systematischen Verfolgung
seitens der Obrigkeit war man augenscheinlich längst entwöhnt
Dies fühi*t — da andrerseits das Heidentum noch Herr und keine
Form des Götzendienstes und Opfers noch untersagt ist — in die
Zeit zwischen 270 und 303, d. h. in die Zeit, die Eusebins L e.
Vni, 1 beschrieben hat. Da aber Hosius^ entweder im J. 295 oder
ganz kurz vorher Bischof geworden ist, so fällt unsere Synode in
die JJ. 295—302.^. Ihr Datum noch genauer zu bestimmen, ist
unmöglich, aber auch wertlos, da fiir unsere dürftigen Kenntnisse
diese Jahre eine unterschiedslose Einheit bilden. Von den damaligen
spanischen Provinzen war auf der Synode nur Mauretania Tingitana
nicht vertreten.
1) Can. <K): „Si quis idola fregerit et ibidem fderit occisus, quatenas in
evangelio scriptum non est neque invenietur sub apostolis umquain factum,
placuit in numenim eum non recipi martyrum".
2) Hosius ist nachweisbar um d. J. 257 geboren (s. Loofs, Artikel Hoaus
in der Trotcst. REnzykl.3 ßj, g) ; j, j. 2S0 war er sicher noch nicht, aber auch
im J. 200 noch nicht Bischof von Gordova. Nach Athanasius (Hist. Arian. 42)
war er im J. 350 schon „mehr als (K) Jahre Bischof, d. h. er ist im J. 295
Bischof geworden oder kurz vorher.
3^ Das Jahr 303 fällt foH, da die Synode im Mai gehalten worden ist.
i
Chronologie früher donatistischer und antidonatbÜBcher Aktenstücke usw. 453
12) Chronologie frfiher donatistischer nnd antidonatistiseher
Aktenstfielte sowie der einscldagenden Synoden.
Nach der grundlegenden UntersnchnDg Daches n es „LeDoissier
du Donatisme" ^ in der die Art der Überlieferung und die Echtheit
der oben stehenden Gruppe von Schriften nachgewiesen ist, ist es
nicht schwer, die Chi'onologie festzustellen. Einzeln sind die Akten-
stücke aufgezählt und kurz charakterisiert im 1. Teil dieser Litt.-
Gesch. S. 744flF.2 Ich folge hier derselben Numerierung^.
1*'*'. Prozeßakten des Bischofs Melchiades von Rom und Ge-
nossen y. J. 303.
2. Akten der Beschlagnahme der Kirche von Cirta, Dioclet. VIII
und Maximian. VIT = ann, 303, XIV. Kai. Jun.
3. Acta mart Saturnini presb., Felicis, Dativi^ Ampelii eta in
donatistischer Redaktion. Nicht alle Zeugen haben die Datierung
Dioclet. IX und Maximian. Vin == 304.
4**. Andere Märtyrerakten, die mit jenen im J. 411 verlesen
wurden.
5. Akten des Konzils von Cirta, am 5. März 305; den Gesta
apud Zenoph. angehängt. Zwei Daten liegen bei Augustin vor,
die sich widei-sprechen: „Dioclet VIII und Maximian. VII* (c. Cres-
con. III, 30) und „post cons. Dioclet IX und Maximian. VUI""
(Brevic. coUat HI, 33); aber nicht das J. 303, sondern nur 305
kann hier richtig sein. Das Monatsdatum ist auch nicht einheitlich
überliefert, aber feststeht der Anfang März.
6**. Briefe zwischen Mensurius von Karthago und Secuudus
von Tigisis vor dem J. 311 (Mensurius f 311). Der wesentliche
Inhalt läßt sich noch feststellen.
7**. Restitutionsakte, in der dem Bischof Melchiades (Miltia-
des) von Rom die h. Oii;e auf Befehl des Maxentius zurückgegeben
werden (nicht lange vor dem Sturz des Maxentius).
1) Extrait des Mölangea d'Archöol. et d'Hist. publica par TEcole Fran<;aise
de Rome T. X, 1890. Separatabzug; s. vorher schon die Abh. Im Bull, critique
T. Vn (1886) p. 123. Duchesne setzt sich namentlich mit Volt er (Ursprung
des Donatismus, 1883) und Seeck (Ztschr. d. Savigny-Stiftung f. Rechtsgesch.
Bd. 10, Rom. Abt. S. 144, 177—251, s. Ztschr. f. KGesch. 1889 Bd. 10 S. 505—508)
auseinander. Hauck, Protest. REnzykl.^ Bd. 2 S. 50 ist dem Ansätze Seecks
fiir die Synode von Arles (= J. 316) beigetreten.
2) Doi*t sind auch die Nachweise gegeben, wo die einzelnen Stücke zu
finden sind, die ich hier nicht wiederhole.
3) Wie Duchesne bezeichne ich die verlorenen Stücke mit zwei Sternen,
di** nur teilweise erhaltenen mit einem.
454 ^6 Litteratur des Abendlandes.
8. Brief des K. Konstantin an den Prokonsnl Analinus in
Karthago, Winter 312/3 aus Rom.
9. Brief desselben an denselben, Anfang 313 aas Rom.
10. Brief desselben an Gaecilian von Karthago (Mitteilang der
an den Rationalis von Afrika, Ursus, gegebenen Ordre), Anfang 313
aus Ron).
11**. Brief desselben an den Rationalis von Afrika, ürsns,
Anfang 313 aus Rom.
12**. Aktenstück über den Verteilungsmodus der für Gaecilian
angewiesenen Gelder, Anfang 313 aus Rom.
13** und 14**. Briefe des K. Konstantin an den Prokonsul
Anulinus und an den Vicarius von Afrika Patricias zur Unter-
stützung Gaecilians, Anfang 313.
15*. Synodalschreiben der karthaginiensischen, gegen Gaecilian
gehaltenen Synode von c. 70 Bischöfen, gehalten Ende 312 (An-
fang 313?).
16. Bericht des Anulinus an Konstantin über die Wirren in
Karthago, datiert auf den 15. April 313.
17**. Libellus ecclesiae catholicae criminum Caeciliani traditus
a parte Maiorini, war dem vorigen Bericht beigegeben.
18. Supplik derselben Leute, ebenfalls Nr. 16 beigegeben,
datiert XVU Kalend. Maj. (313).
19. Brief des K. Konstantin an den Bischof Melcbiades (Mil-
tiades) von Rom und an Marcus, in dem er sie zu Richtern in der
Donatistensache einsetzt und ihnen die Aktenstücke Nr. 17 und 18
übersendet, v. J. 313.
20**. Brief des K. Konstantin an den Prokonsul Anulinus,
mit dem Auftrag, die Häupter der streitenden Parteien nach Rom
zu senden, v. J. 313.
21**. Bericht des Anulinus über die Ausführung des Auftrags,
V. J. 313.
22*. Akten des römischen Konzils der 19 Bischöfe in der
Donatistensache, vom 2. Oktober 313 (Optatus I, 23: Constantin. IV
und Licin. III, sexto Nonas Oct. die, sexta feria).
23**. Bericht dieses Konzils an den Kaiser (Oktober 313).
24**. Bericht des Vikarius von Afrika Aelafius* an Nicasius
and andere (313/4).
25. Brief des K. Konstantin an Chrestus, Bischof von SyraknsL
1) Daß Aelafius identisch ist mit Aelius Paulinus, hat Duchesne [ht
dosßier p. Ol f.) sehr wahrscheinlich gemacht. Die Reihe der Vicarii Afirica«
lautet also: Patricius (Anfang 313), Aelius Paulinus = Aelafius (813/14), Vena
(nachweisbar Febr. 315), Domitius Celsus, Eumelius, Verinus.
Chronologie firüher donaiisiischer und aniddonatbidscher Aktenstücke nsw. 455
um ihn zam Konzil nach Arles einzuladen, das am 1. Angast zu-
sammentreten solle (Sommer 314). Daß das Konzil wirklich im
J. 314 und nicht, wie Seeck zu zeigen versuchte, im J. 316 ge-
halten worden ist, hat Duchesne (Le dossier p. 56 ff.) zum Über-
fluß nachgewiesen; denn Seecks Argumente, die er der allgemeinen
und wohlbegründeten ^ Annahme entgegengesetzt hat, waren sehr
schwach. Zwischen Okt 313 (Römisches Konzil) und Nov. 316
(Mailänder Entscheidung Konstantins) muß die Synode abgehalten
worden sein. Da sie sicher für den 1. August einberufen worden
ist — denn dieses Datum bietet das Aktenstück Nr. 26 — , so stehen
die JJ. 314, 315 und 316 offen. Nach der Synode von Arles und
vor der Mailänder Entscheidung ist Konstantin aber (nach Augustin,
ep. 43, 20) in Eom gewesen. In Bom war Konstantin innerhalb
jeuer 3 Jahre nur vom 18. Juli bis 27. Sept 315. Da die Synode
und die konträren Maßnahmen, die ihr folgten, mindestens eine
Reihe von Monaten in Anspruch nahmen, so ist das J. 315 ebenso
wie das Jahr 316 — Seeck schiebt freilich einen sonst unbekannten
Aufenthalt Konstantins in Rom willkürlich ein — ausgeschlossen,
und es bleibt nur 314 übrig. Konstantin war nicht, oder höchst
wahrscheinlich nicht, auf der Synode anwesend 2.
26. Brief des K. Konstantin an Aelafius wegen des in Arles zu
haltenden Konzils (er solle die afrikanischen Bischöfe nach Arles,
und zwar zum 1. August, senden), Sommer 314.
27. Schreiben des Konzils von Arles an den Bischof von Rom,
Silvester, Herbst 314.
28. Schreiben Konstantins an die noch versammelten Väter
von Arles, Herbst (oder später) 314.
29. Schreiben der Praefecti Praetorio an den Vikarius von
Afrika, Domitius Celsus, die Rücksendung der donatistischen Bischöfe
nach AMka betreffend. In der Handschrift steht am Schluß nach
der Grußformel: „Hilarus princeps obtulit IV Kai. Maias triberos".
Dazu bemerkt Duchesne (Le dossier p. 50): „Cette date n'estpas
Celle de la pi6ce, mais celle d'une Präsentation de la piece ä quelq'un.
La formule n'est pas assez claire pour que Ton voie sile princeps
(officii) a Instrumente k Treves ou en Afrique". Was die Zeit
betiifft, so hat Konstantin die donatistischen Bischöfe mehrere Monate
in Arles zurückgehalten (augenscheinlich fürchtete er von ihrer
Rückkehr nach Afrika neue Wirreu). Domitius Celsus ist erst
1) Die aus dem Archiv von Arles selbst stammenden Handschriften haben
die Aufschrift „Volusiano et Anniano coss." = ann. 314.
2) Die Annahme des Gegenteils (Seeck) verwickelt in sehr große Schwierig-
keiten. Warum haben die Donatist^n nach der Synode an ihn appelliert, wenn
er zugegen gewesen war?
456 ^^^ Litteratur des Abendlandes.
nach dem Febr. 315 Vikar von Afrika geworden; denn damals war
noch Verus Vikar, unser Schreiben fällt also in den Frfihlin;
oder Sommer 315. Ist nicht doch das Datum „IV Kai. Haias'
zutreffend?
30**. Schreiben Konstantins an Caecilian von Karthago, ihn
nach Rom einladend.
31. Schreiben Konstantins an die zu Arles versammelt ge-
wesenen (donatistischen) Bischöfe. In diesem Brief ist das vorig«
Schreiben ei-wähnt Die Gegenparteien sollen persönlich vor ihm
erscheinen, und er wird entscheiden. Beide Briefe sind aus dem
J. 315 und zwar aus dem Sommer, da Konstantin vom IS. Joli bis
27. Sept. in Rom weilte.
32**. Bericht des Vikarius von Afrika, Domitins Celsos, an den
Kaiser über die fortschreitende donatistische Agitation in Afrika.
V. J. 315 (316?).
33. Schreiben Konstantins an Celsus über die weiteren Hal>-
nahmen in dieser Sache, Herbst oder Winter 315.
34*. Schreiben desselben an den Vikarius von Afrika, Eumelins»
datiert: „IV Idus Nov. Sabino et Ruflno coss.** — 10. Nov. 316. Der
Kaiser teilt von Mailand aus seine dort getroffene Entscheidung
gegen die Donatisten mit
35**. Akten der von den Bischöfen Eunomins und Olympius
auf Befehl des Kaisers in Afrika während der Abwesenheit der
Bischöfe Caecilian und Donatus ^ abgehaltenen Untersuchung, Ende
316 oder Anfang 317 (s. Duchesne, Le doissier p. 62 ff.).
36**. Gesetz Konstantins, den Donatisten die Kultstatten weg-
zunehmen, v. J. 317 (?).
37. Sermo de passione SS. Donati et Advocati, Rede eines
Donatisten am Jahrestag dieser Opfer des Konstantinischen Ge-
setzes Nr. 36.
38. Anklageschrift des Diakons Nundinarius von Cirta gegen
den Bischof Silvanus von Cirta, v. J. 320. Erhalten wie die Nr. 39—44
in Nr. 45.
39—44. Brief des Purpurius, Bischofs von Limata, an SilvanuN
Bischof von Ciila — Brief desselben an den Klerus und die Bürger
von Cirta — Brief des Bischofs Fortis an den Bischof Silvanus —
Brief desselben an den Klerus und die Bürger von Cirta — Brief
des Bischofs Sabinus an den Bischof Silvanus — Brief desselben
an deu Bischof Fortis; die Schreiben fallen kurz vor das J. 3*20
oder in dies Jahr.
1) Dieser war Ende ;Jir> dem Majorinus gefolgt.
Chronologie früher donatisiischer und antidonaiistischer Aktenstücke usw. 457
45. Gesta apad Zenophilum v. 8. Dez. 320 (Constant Maximo
Augusto et Constantino iun. Caes. Coss., Idib. Decembr.).
46**- Bittschrift der verfolgten Donatisten an Konstantin
V. J. 320/1.
47** Schreiben Konstantins an den Vikarins von Afrika, Verinus,
in welchem die strengen Maßregeln gegen die Donatisten zurück-
genommen werden, datiert 5. Mai 321.
48. Schreiben desselben an die katholischen Bischöfe und das
afrikanische Volk, sie sollten die Donatisten ertragen; nicht näher
zu datieren.
49. Schreiben desselben an die nnmidischen katholischen Bischöfe,
datiert v. 5. Febr. 330 aus Sardika.
50. Schreiben desselben an Valentiu, Consularis von NumidieD,
datiert 5. Febr. 330 aas Sardika.
Alle diese Aktenstücke gehören zur „Pnrgatio Caeciliani'' und
waren größtenteils schon zur Zeit des Optatus und Augustin in
einer Sammlung vereinigt Die Hauptstücke dieser Sammlung
waren : (A) Gesta apud Zenophilum (320) mit den zugehörigen Akten-
stücken, (B) die Akten des Konzils von Cirta (305), (C) die Akten
des Konzils von Karthago (312), (D) Bericht des Prokonsuls Anulinus
mit dem Anhang (E) der Supplik der Donatisten (313), (F) Schreiben
Konstantins an den Papst Miltiades (313), (G) Anzeige des Pro-
lionsuls Anulinus, daß die Parteien nach Rom reisen (313), (H) die
Akten des Konzils von Rom (313), (I) Schreiben Konstantins an
den Vikar von Afrika, Eumelius (316), (K) die von den Bischöfen
Eunomius und Olympius in Karthago veranstaltete Enquete (316/17).
Die Akten von Arles waren nicht in dieser Sammlung, auch nicht
die bei Eusebius stehenden Briefe und die im Theodos. Kodex ent-
haltenen. Die folgenden Aktenstücke bilden die „Purgatio Felicis
Aptungani*".
51*. Schreiben des Ex-duumvir Alfius Caecilianus von Aptunga
au den Bischof Felix von Aptunga, v. J. 314.
52**. Schreiben Konstantins an Aelius Paulinus, Mkar von Afrika,
ihn zur Untersuchung in bezug auf Felix von Aptunga auffordernd,
V. J. 314 (bei Optatus steht wahrscheinlich irrtümlich „ad Aelianuni
proconsulem").
53**. Schreiben des Vikars, Aelius Paulinus, an die Duunivirn
von Aptunga, v. J. 314.
54*. Bericht über das Verhör des Ex-Duunivir Alfius Caecilianus
vor dem Gerichtshof von Aptunga, v. J. 314.
55*. Bericht über das Verhör in Karthago vor dem Duunnir
Aurelius Didymus Speretius, datiert auf den 19. August 314 (Volu-
siano et Anniano coss., XIV Kai. Sept.).
458 ^^0 Litteratar des Abendlandes.
56*. Gesta purgationis Felicis episcopi Aptangitani, datieil auf
den 15. Febr. 315 ^
57*"^. Bericht des Prokonsuls Aelian an den Kaiser Konstantin
in dieser Sache, 315.
58. Schreiben Konstantins an den Prokonsul Probianns, dta
Ankläger des Felix betreffend, v. J. 315, wahrscheinlich im Hoch-
somiuer, von Eom aus (Seeck S, 518).
13) Der Briefwechsel zwischen Seneea und Paulos-.
Die Behauptung, daß dieser Briefwechsel nicht identisch sei
mit den Briefen, die dem Hieronymus vorlagen, entbehrt der Be-
gründung und wird durch die Beobachtung unwahrscheinlich ge-
macht, daß Hieron. (de vir. inl. 12) eine Stelle des uns vorliegenden
Briefwechsels (ep. 11), wenn auch nicht ganz wörtlich, zitiert Die
Einheitlichkeit der Sammlung konnte auch nicht eindrucksvoll be-
stritten werden^; denn das Gemeinsame ist bedeutender als die
Verschiedenheit der einzelnen Stücke, wenn sich auch ep. 10—14
(bez. 10—12) zu ihrem Vorteile von den vorhergehenden unter-
scheiden. Will man dem Verf. die Unwissenheit nicht zutraaeo,
Paulus habe seine Briefe lateinisch abgefaßt, so muß man ein
griechisches Original annehmen. Allein daß Seneea den grie-
chischen Stil des Paulus verbessert sehen und ihm dabei behilt-
lieh sein wollte (ep. 13), ist nicht wahrscheinlich. Der Ver£ hätte
sich dann nach einer anderen Figur als grammatischen Lehrmeister
des Paulus umgesehen und hätte nicht gerade einen Briefwechsel
zwischen Seneea und Paulus erdichtet. Also stand der Fälscher
dieser Briefe auf einer sehr niedrigen litterarischen Bildungsstufe
trotz seiner ^'erehrung für Seneea (aber wieviel mag er von ihm
wirklich gekannt haben?) — ein Abendländer mit ausschließlich
lateinischem Horizont, der darüber nie nachgedacht hat, daß sein
Christentum und seine lateinische Bibel griechischen Urspruiiii^
sind. Über den Zweck der Fälschung ist ein Zweifel nicht möglicii
nicht die Werke Senecas sollten den Christen empfohlen werden —
diesen Erfolg hat der gefälschte Briefwechsel erst in der Cbtr-
lieferung gehabt — , sondern die Paulusbriefe sollten der besserer.
1) Aiigustins Angabe (31 1) beruht auf einer leichten Verwechslunir x-; ':
S. 51 Off.).
2) 8. den ersten Teil dieses Werks ( 1*^03} S. 703 ff. Bardenhewer, <-:«:-
d. altkirchl. Litt. I (1902) S. 4G7Ö*.
3) Westerburg (Der Urspmng der Sage, daß Seneea Christ gewe?<:'i ^•
18S1) hat sie zu zerstören versucht.
Der Briefwechsel zwischen Seneca und Paulus. 459
römischen Gesellschaft empfohlen werden, die sich nicht entschließen
konnte, diesen schlecht stilisierten Schriftstücken (im Vulgärlatein)
eine ernste Aufmerksamkeit zu widmen. Zu diesem Zweck ist
Seneca als Vorbild vom Fälscher herbeizitiert worden. Wenn der
große Philosoph — Verwandtschaft seiner Lehren mit der christ-
lichen hat schon Tertnllian entdeckt, de anima 20 — die Briefe des
Apostels inhaltlich so ausgezeichnet gefunden hat, obgleich ihm
die dürftige Form nicht entgangen ist, so werden sich die „Ge-
bildeten^ doch wohl bequemen müssen, seinem Beispiel zu folgen.
Die. Abfassungszeit der Fälschung ist hierdurch einigermaßen
festgelegt. Die Fälschung, deren Existenz um das J. 390, aber
auch nicht früher, nachweisbar ist, ist zu einer Zeit entstanden,
in der als wesentlicher Anstoß am Christentum die schlechte
litterarische Form seiner Urkunden hervorgetreten war und in der
es lateinische Christen gab, die von einer griechischen Epoche
nichts mehr wußten ^ Zu jenem vgl. Lactantius und die pseudo-
justinische Cohortatio, aber auch die Väter des 4. und anfangenden
5. Jahrhunderts. Die Illusion, Paulus habe lateinisch geschrieben,
ist einem Christen des 3. Jahrhunderts doch wohl nicht zuzutrauen.
Der Briefwechsel gehört dem 4. Jahrhundert an, und nur eine un-
beweisbare Möglichkeit besteht, daß er innerhalb dieser Zeit vor-
konstantinisch ist
1) Was man gegen die Abfassung unserer Briefe im 4. Jahrb. auf Gniiul
der Existenz einer pseudosenecaniscben Scbrift (,,De copia yerborum"), die dem
Martin von Bracara (f 580) gebührt, eingewendet hat, erweist sich als haltlos,
ja kehrt sich in das Gegenteil. Man hat die Schrift des Martin „Formula vitae
honestae" auf Grund unserer bereits zirkulierenden Briefe, näher der op. 9, zu
einer Schrift Senecas „De copia verborum" umgesterapelt.
ANHANG
ZUM DRITTEN UND VIEBTEN BUCH.
I. MARTYRIEN.
II. KIRCHENRECHTLICHE LITTERATUR.
III. PSEÜDOKLEMENTINEN.
L Martyrien.
Weder beabsichtige ich im folgenden eine Zusammenstellung
der beglaubigten Märtyrer aus der Zeit von Septimius Severns bis
Licinius zu geben ^ — die Aufgabe gehört nicht in eine Litteratur-
geschichte — , noch will ich von sämtlichen Märtyrerakten jener
Zeit handeln, soweit sie (ob erhalten oder verloren) nachweisbar
sind. Die letztere Aufgabe, die sofort wieder in die Überlieferungs-
geschichte führt, ist in bezug auf die griechischen Akten von
Ehrhard für die Berliner akademische Ausgabe der Griech. Kirchen-
väter der ersten Jahrhunderte in Angriff genommen worden 2, und
sie bildet seit Dezennien den Hauptgegenstand der Untersuchungen
der Bollandisten^ Ich muß mich bei dem gegenwärtigen Stande
der Forschung^ darauf beschränken, diejenigen echten oder besonders
1) Für die Zeit von Commodas bis Philippus Arabs (inkl.) hat Neu mann.
Der E6m, Staat und die allg. Kirche, Bd. 1 (1890) S. 274—331 eine Zusammen-
Btellung gegeben.
2) Vgl. desselben bereits erschienene Arbeiten in Krumbachers Gesch.
der byz. Litt. 2, 1897, S. 176—205, in der Festschrift f. d. Campo Santo i. Rom,
1897, S. 46 ff., i. d. Rom. Quartalschr. Bd. 11, 1897, S. 67—215. Gegen Ehr-
hard erhob Ausstellungen Delehaye, Anal. Boll. Bd. 16, 1897, S. 311 ff.,
Bd. 17, 1898, S. 448 ff. Duplik Ehrhards i. d. Rom. Quartalschr. Bd. 11, 1897,
S. 531 ff.
3) Sie — an ihrer Spitze Delehaye — haben in den letzten Jahren außer
den„ActaBollandiana'',der führenden Zeitschrift für martyrologische Forschungen,
besonders dankenswerte umfangreiche Vorarbeiten herausgegeben, nämlich
erstlich Katalogä der hagiographischen lateinischen Handschriften von Brüssel
(1886/9), Paris (1889—1893) und einer Reihe kleinerer belgischer, französischer
u. a, Bibliotheken (in den Anal. Bolland. 1882 — 1895), femer der hagiographischen
griechischen Texte von Paris (1896), der Chigiana (Anal. 1897), der Vaticana
(1. c. 1897), der Barberina (1. c. 1900), zweitens ein Verzeichnis der bisher ge-
druckten hagiographischen Texte mit bibliographischen Noten (Biblioth. hagiogr.
Graeca, 1895; Biblioth. hagiogr. latina, 1898 ff). Unentbehrlich ist noch immer
die große Zusammenstellung der Vitae Sanctorum von Potthast, Biblioth.
bist. med. aevi, Bd. 2^, 1896.
4) Sie wird auch neben den Bollandisten von anderen in der jüngsten
Zeit lebhaft betrieben. Vor allem sind Duchesne, Conybeare, Batiffol,
464 ^^6 Litteratur des Abendlandes.
wertvollen Märtyrerakten zu nennen und zu datieren, die nach
Umfang und Bedeutung ein Anrecht auf eine Stelle in der Litteratur-
geschichte haben. Unter echten Märtyrerakten sind zu verstehen
( 1 ) solche, welche auf den Gerichtsprotokollen fußen oder geradezu
Abschriften derselben enthalten, (2) solche, welche Aufzeichnungen
oder Diktate der Märtyrer selbst einschließen, (3) solche, welche
Aufzeichnungen sind oder bringen, die von Augen- und Ohrenzeugen
oder von Zeitgenossen unmittelbar (oder doch nicht lange) nach
den Martyrien gemacht worden sind bez. auf solche zurückgehen.
„Unechte" Akten sind aber nicht immer geschichtlich wertlos;
denn (1) können die Tatsache des Martyriums selbst sowie der
Todestag, der Ort und die Art des Todes echt sein und sind es
nicht selten, (2) können auch die schlechtesten Akten einige zu-
verlässige Erinnerungen bez. haltbare Lokaltraditionen bergen»
(3) können sie zur besseren Ermittelung und Erkenntnis der echten
Akten dienen ^ (4) enthalten gerade die (als Quellen betrachtet)
wertlosesten Akten nachweisbar und oftmals Umformungen antiker
Mythen bez. folkloristischer Überlieferungen, Heroengeschichten,
Volks- und Lokalkulte, und sind deshalb in religionsgeschichtlicher
Hinsicht sowie für die Geschichte des Romans von hohem Werte -.
Die Frage „echt oder unecht* ist aber in vielen Fällen deshalb
keine einfache, weil die Akten, zur öffentlichen oder privaten Er-
bauung bestimmt, im Laufe der Zeiten sehr häufig ein oder mehrere
Male umgeformt worden sind, um diesem Zwecke besser zu
dienen^. Daß sie auch bei den Übersetzungen — ein großer Teil
Franchi de' Cavalieri, Führer (y), von (rebhardt, Ciörres, Le Blant.
Kruscli, Papadopulos Kerameus, Savio, de Rossi (f), üsener und
Viteau zu nennen.
1) An den Wert, den auch die ganz unzuverlässigen Akten für die Zeit
haben können und haben, in der sie geschrieben sind, brauche ich nur zu
erinnern.
2) S. vor allem die bahnbrechenden Arbeiten von U s e n e r 1879 — 1903. Freilich
bedarf es auf diesem Gebiete einer besonderen Nüchternheit und Zurückhaltung,
damit nicht alles zu allem wird und wir schließlich so klug sind wie zuvor. S.
Delehaye, Les Legendes hagiographiques (in den Acta Boll. und separat) 1903.
o) Man vgl. als das nächstliegende Beispiel die älteste lateinische Märtyrer-
akte, die von Scili. — Delehaye hat in seiner eben genannten vorzüglichen
Studie, nach Abweisung unzutreffender Einteilungsprinzipien p. 59 ff., ein**
Klassifikation der hagiographischen Texte vorgeschlagen (S. 02 ff.). Er unter-
scheidet G Klassen: (1) Proces verbaux officiels (natürlich sind ihnen stets
längere oder kürzere Zugaben des Redaktoi-s beigegeben), (2) Relations de
t^moins oculaires ou de contemporains bien inform^s, ayant recu-
eilli autour d'eux les Souvenirs d'autres temoins oculaires („Dans ces röcits, qui
ont un caractere litt^raire, une place consid^rable est laiss^e k l'^Ument 8uh-
jectif, totalement absent dans les actes purement officiels"; man kann hier noch
I. Martyrien. 465
der Märtyrerakten ist schon im 4. und 5. Jahrhundert kirchliches
Gemeingnt geworden, da die Verehrung der Märtyrer aus der
Heimatgemeinde in die ganze Kirche überging — Umformungen
nach dem Geschmack der Völker, zu denen sie kamen, erlitten
haben, war unvermeidlich^.
Eine höchst dankenswerte kritische Übersicht über die For-
schungen auf diesem Gebiete in den JJ. 1884—1900 hat Ehrhard,
Die altchristl. Litteratur und ihre Erforschung (1900) I S. 539—592
geliefert^. Eine eigene Zeitschrift für diese Studien geben die
drei Unterklassen unterscheiden: (a) Les docnments ou le t^oin direct parle
Beul en son nom. (b) Geux oü il se contente d'enregistrer le t^moignage d'autrui.
(c) Ceux enfin oü Tobsenration directe est combin^ avec le t^moignage, comme
dans plusieurs chapitres des Martyrs de Palestine d'Eus^be et dans la vie de
Cyprien par le diacre Pontius. Mais tous ces genres d'actes out cela de commun
qu'ils sont d^riv^ directement, sans Pintermödiaire d'une source ^crite, d'un
t^moignage vivant et contemporain), (3) Actes dont la source principale
est un document ^crit, appartenant ä l'une des deux s^ries pr^ce-
dentes (Elle comprend les remaniements k tous les degr^s, depuis les simples
retouches de style, respectant la disposition du morceau et le detail des d^ve-
loppements, jusqu'aux arrangements libres oü le nouveau redacteur taille dans
son modele, le bouleverse, le d^veloppe, Tinterpole mßme), s. z. B. die Arbeit
des Metaphrasten, (4) Romans historiques (Les actes dont le fond n'est
point une source dcrite, mais qui r^sultent de la combinaison fantaisiste de
quelques Clements r^els dans un cadre de pure imagination) ; hierher gehört
toute la s^rie des cycles du L^gendaire Romain (s. dazu desselben Ab-
handlung in den Acta Boll. Tom. 16, 1897, p. 209 ff.; über das flavische Amphi-
theater und die römischen Märtyrer); Töl^ment historique est presque torgours
reduit ä une quantit6 infinitesimale; le nom du saint, l'existence de son sanc-
tuaire, la date de sa föte, sont d'ordiiSaire ce que Ton peut retirer avec certitude
de ces compositions oü la fantaisie s'est donn^ libre carri^re ; durch die schein-
bar oder wirklich genauen topographischen Angaben darf man sich nicht ver-
führen lassen, die Glaubwürdigkeit der Berichte anzunehmen, (5) Romans
d'imagination (oü le h^ros lui-mtae est une cr^ation du poäte), cf. der h.
Nicephorus und die hh. Barlaam und Joasaph, (6) Legendes hagiogra-
phiques faux (compos^es avec Tintention de tromper le lecteur). Ich würde zu
diesen Klassen noch eine siebente hinzufügen, die freilich auch durch die
4. — 6. hindurchläufl: die schematisch, lediglich nach der Vorlage be-
rühmter Martyrien angefertigten Akten.
1) Bedjan hat eine große Sammlung syrischer Akten — leider ganz un-
kritisch — zusammengehäuft (Acta mart. et sanct. Bd. 1 — 7, 1890 ff). Eine über-
sieht über syr. MÄrtyrerakten bei Duval, La litt4rature syriaque, 1899 p. 121 ff.
Hyvernat hat mit der Herausgabe koptischer Akten begonnen (Les actes des
mart. de PEgypte, 1886 f.), vgl. dazu Am^lineau, Les actes des martyrs de
r^glise copte, 1890. Auch die Slawisten haben in jüngster Zeit Beiträge zur
Hagiographie geliefert. Armenisch erhaltene Akten publizierte Conybeare, 1894.
2) Sie ist in Hinsicht auf Sicherheit des Überblicks der Glanzpunkt des
ausgezeichneten Werks. Vgl. auch Bardenhewer, Gesch. d. altkirchl. Litt.
Bd. 2. (1903) S. 611 ff.
Harnack, Altchristl. Litteratargesch. 11, 2. 30
466 ^* Martyrien.
BoUandisten heraus, ActaBollandiana, die so zu sagen die Zentral-
stelle geworden ist Jeder, der diese Blätter liest, wird frappiert
sein, welchen Umfang die hagiographische Arbeit zur Zeit ge-
wonnen hat^ Sie ist ein eigener Zweig der kirchenhistorischen
Foi'schung geworden. Wer die Publikationen v. Gebhardts über
die lateinische Passio Theclae (Texte u. Unters. Bd. 22, H. 2, 1902 1
durcharbeitet, wird erkennen, daß es kaum ein schwierigeres und
dornenvolleres Gebiet der Text- und Geschichtskritik gibt, als
dieses Feld. Wer aber beginnt, sich in die Akten selbst einzu-
arbeiten, den werden sie nicht leicht loslassen; denn den mannig-
fachsten Interessen, denen des Textkritikers, Philologen, Historikers,
Sagenforschers und Theologen, kommen sie mit vollen Händen ent-
gegen. Der interkonfessionelle Wettstreit auf diesem Grebiete ist
längst eröffnet; denn mit Ehrhard (a. a. 0. S. 564) haben nicht
wenige katholische Forscher jetzt erkannt, „daß die Frage nach
der Echtheit irgendeines hagiographischen Textes keine dogmatische
Bedeutung besitzt".
Von den Märtyrerakten des Polykarp, des Justin, des Carpus
und Genossen, der Lyoneser Christen, der Scilitaner^ und des
ApoUonius ist im 1. Band dieses Werks gehandelt worden. Die
Akten der Perpetua undFelicitas sind oben S. 321 ff. besonders be-
sprochen, da sie eine kirchenhistorische Quelle ersten Eanges sindl
Nach ihnen besitzen wir aus der Zeit bis zum Regierungsantritt
des Decius keine echte oder wesentlich echte Märtyrerakte. Aus
der Zeit des Decius aber haben wir eine hervorragend wichtige,
nämlich die des Pionius, und zwei beachtenswerte*.
1) Auch der allgemeinen Kenntnis werden die wichtigsten Akten jetzt
wieder näher gebracht, s. v. Gebhardt, Acta Martyrum Selecta, 1902, und
Knopf, Ausgewählte Märtyrerakten, 1901. Da die BoUandisten in ihren „Ana-
lecta" nicht nur neue Texte bringen, sondern der Forschung in aUen Ländern
in kritischen Referaten aufs sorgfältigste folgen, ist es jedem Historiker leicht
möglich, auf diesem ungeheuren Gebiet sich zu orientieren.
2) S. zu diesen die jüngst erschienene Abhandlung von Franchi de'
Ca V alier i (Rom. Quartal schrift, 1903, 17. Bd. H. 3 S. 209 £). Auch er sagt:
„Era forse il primo sangue cristiano che scorreva nell'Africa proconsolare".
Der Verf. handelt von einigen im J. 1901 in der Kirche des Johannes und Paul
zu Rom entdeckten Gebeinen und versucht in ihnen mit Hilfe litterarischer
Überlieferung die Reliquien der scilitanischen Märtyrer zu erkennen.
3) über die in dem Konvolut der donatistischen Aktenstücke stehenden
Martyrien s. oben S. 453 ff j
4) Zur decianisehen Verfolgung s. außer den bekannten Werken von Aub^
und Allard die Monographie von Gregg, The Decian persecution, Edinbnrg
und London, 1897. Kritische Untersuchungen über die Märtyrerakten finden
sich in jedem dieser Werke ; aber eine abschließende Arbeit (s. Theol. Liti-Ztg.
1898 Nr. 14) steht noch aus. Wir dürfen sie von Neumann erwarten«
I. Martyrien. 467
Den griechischen Text des Pionius (von Smyrna) hat uns
Gebhardt geschenkt*. Die alte schwerfällige lateinische Über-
setzung (die Mss. weichen stark voneinander ab) ^ behauptet neben
diesem einen gewissen Wert^ Daß wii* die Akten des Pionius
besitzen, die Eusebius gelesen (h. e. IV, 15) und in seine Samm-
lung der alten Märtyrerakten aufgenommen hat, ist nicht zu be-
zweifeln. Bei der Zeitbestimmung hat er sich durch die nahe
Verbindung der Polykarpakten mit den unsrigen irreführen lassen.
Die Verhaftung des Pionius hat, wie die Akten selbst sagen
(c. 2), am 23. Febr., dem Todestage Polykarps, stattgefunden, und
zwar unter Decius i. J. 250; denn c. 23 heißt es: ravra ijtgax^ri
kjti äpdvjtarov rf^q *Aclag *IovXlov UqoxjLov KvPTiXZiapov , vjtaraV'
OPTCOP avTOXQaroQog jT. MboIov Kvpxov TQaiapov Aexlov Ssßaoxov
To ÖBVXBQOP xcii OvBXxlov FQaxov , jtQO XEöCaQOP elöcop MaQxlcop
xaxa ^Pa>/ialovg, xaxa 61 ^Aöiapovg firipog ixxov kppsctxaidexarjj
TjfieQa, aaßßäx(p, wQa ösxax^, cf. c. 2: Mi]p6g txxov ÖBvxiga
iviörafiipov caßßaxov /leyaXov, ip x^ ysped-Xia rJliiQa xov fiaxa-
Qiov fiaQxvQog üoXvxclqjcov , opxog xov öioy/iov xov xaxa Aixiop
ovPBji7]g)d'i]öap ÜLOPiog jtgeoßvxsQog xal Saßlpa ofioXoy^xQia xal
[dcxZrjJcidÖTjg xal Maxsöopia xal Al/ipog JtQtoßvxsQog x^g xaB-oXix^g
ixxjirjolag. Diese Zeitbestimmung wii'd durch den Inhalt der Akten
nicht widerlegt, sondern bestätigt*.
C. 1 ist ein Vorsatzstück, das im Griechen gegenüber dem
Lateiner eine jüngere Fassung zeigt. C. 2 — 21 sind einheitlich.
Das Ganze ist unter leichter Benutzung des Mart Polyc. (hin und
her mit Anlehnung an die Briefe des Paulus) niedergeschrieben
und kann schon deshalb den Tatsachen selbst weder auf dem Fuße
gefolgt sein noch sie überall mit absoluter Zuverlässigkeit wieder-
gegeben haben. Die langen Reden des Pionius sind, wenn über-
1) Archiv f. slaw.Philol. Bd. 18, 1806, S. 156 ff., Acta Martyrum Sei. p. 96 ff.
Unabhängig von diesen Ausgaben Gregg p. 242 ff.
2) Das Ms., welches die BoUandisten abgedruckt haben, ist viel besser als
die, welchen Rainart gefolgt ist. Diese sind kastriert.
3) Auch eine slawische und eine armenische Obersetzung gibt es ; also wird
sich wohl auch eine syrische finden.
4) Nicht künstliche Mache, sondern ein Zeichen der Intimität und Zuver-
lässigkeit der Akte scheint mir c. 9 zu sein, wo es von der heidnischen Herrin
der Sabina, Politta, heißt: avrij inl xaiQwv FoQÖiavov ßovXofxivrj juiexayayelv
XTJg nlaxewg t^v Saßivav nBÖtjaaaa i^wQtaev ovr^v h o^eoiv. Echte Lokal-
farbe ist in vielen Zügen deutlich. C. 11 wird eine Frau aus dem Dorf Karina
und ein Montanist Eutychianus genannt. C. 18 wird vor den Verlockungen zum
Judentum gewarnt. C. 15 ff. der heuchlerische Bischof Euktemon, der geopfert
bat (alles auf ihn Bezügliche fehlt in den Mss. Ruinarts). C. 21 der marcio-
nitische Presbyter Metrodorus wird mit P. zusammen verbrannt.
468 I- Martyrien.
haupt eine Wiedergabe seiner damals gesprochenen Worte, so doch
keine treue ^ Dennoch hat man den Eindruck, hier in allem
Wesentlichen — was die Persönlichkeit des Pionins und seinen
Prozeß anlangt — auf historischem Boden zu stehen und von einem
Zeitgenossen Kunde zu empfangen. Derselbe (der sich als litterariscb
fein gebildeter Mann dartut) gibt sich nicht geflissentlich als solcher.
Dies scheint mir ein gutes Zeichen zu sein. Ob (und inwieweit) von
wirklichen Reden des Pionius Gebrauch gemacht worden ist, wage
ich nicht zu entscheiden. Es ist mir aber wahrscheinlich. Pionins
muß, wie sein Enkomiast, ein fein gebildeter Mann gewesen sein l
Er hat auch das ganze jüdische Land bereist und ist bis jenseits
des Jordan gekommen und hat das Tote Meer gesehen, aber auch
von den asiatischen Provinzen, den vulkanischen Inseln des Mittel-
meeres und von Sizilien mit seinem Ätna weiß er zu berichten (c. 4).
Die Gerichtsprdtokolle scheinen mir in c. 9. 19 f. gebraucht zu sein.
Nur wenige Jahre nach dem Martyrium werden unsere Akten
niedergeschrieben worden sein.
Die beachtenswerten Akten aus der Zeit des Decius sind die
des Achatius (nur lateinisch erhalten)^ und die des Eonon^.
So, wie sie vorliegt, ist freilich die Akte des Achatius, eines
kleinasiatischen Bischofs (Antiochien Pis.?), unbrauchbar und kein
Denkmal des 3. Jahrhunderts. Das Gespräch mit dem Prokonsol
Martianus ist ganz unglaubwürdig^; aber die Erzählung hat Züge,
die auf einen echten Kern schließen lassen, bez. auf eine bessere
Vorlage, die Ursprüngliches bewahrt zu haben scheint Hierhin
rechne ich die merkwürdigen Worte des Maiüanus (c 4): „Cata-
phryges aspice, homines religionis antiquae, ad mea Sacra conversos
reliquisse quae fuerant et nobiscum diis vota persolvere: et tu simi-
liter parere festina. omnes catholicae legis collige Christianos etc.*
Eine eingeflochtene, aus der Luft gegrifi'ene Bosheit des katholischen
Verfassers gegen die Montanisten ist das doch schwerlich ! Ferner
schließt die Akte ganz merkwürdig. Der Prokonsul erklärt, er
werde an den Kaiser berichten (Achatius hatte also das römische
Bürgerrecht, was freilich nicht gesagt ist); dann heißt es weiter:
1) Eine ganze Abhandlung über die Hexe von Endor ist c. 14 eingefügt.
2) Er oder sein Biograph oder beide hatten eine vorzügliche Bibelkenntni?.
Pionius scheint von Jugend auf Christ gewesen zu sein, s. c. 14.
3) Gebhardt, a. a. 0. S. 115ff.
4) Gebhardt S. 129ff.
5) Undurchsichtig und wohl falsch überliefert sind (c. 5) die Worte:
„Achatius dicor et, si proprium nomen meum ezploras, vocor Agathangelus
[so weit ist der Bericht glaublich] et Piso Troianoruna episcopus et Menander
presbyter".
I. Martyrien. 4g9
„lectis itaque omnibas gestis Decias Imperator, alterationem iam
redditae responsionis [?] admirafis, versus in risum est et Martiano
praefecturam [!] Pamphyliae mox dedit, Achatium vero vehementer
admirans [!] aestimationi propriae et legi suae reddidit''. So hat
man natürlich im 3. Jahrh. nicht geschrieben, und so hat Decius
nicht gehandelt; aber die auffallende Tatsache, daß ein unter
Decius verhafteter Bischof Achatius auf kaiserlichen Befehl — wir
wissen nicht aus welchem Grunde, und der Erzähler wußte es
auch nicht — wieder frei gelassen worden ist^ ist schwerlich zu be-
zweifeln. Freilassungen unter Decius hat man schwerlich erfunden ^
Die erst i. J. 1898 von Papadopulos Kerameus veröffent-
lichte Passio des Eonon (zu Magydus in Pamphylien) — daß sie
unter Decius stattgefunden haben soll, ist unsicher ^ — ist auch
legendarisch und wohl von den Akten des Pionius abhängig (s. c. 4,
wo der Bichter sagt: rl JtZapäcd-s, avß-QOjtov ß-sov Xiyovteg, xäi
TOVTOV ßiod^avTJ; dg e/iad-ov jtaQct ^lovöaimv dxQißcog xrX.); aber
sie scheint doch einen echten Kern zu besitzen. Hat die Legende
1) Die Passio des h. Maximus, eines „plebeius'' und kleinasiatischen Mär-
tyrers (in einem Gebiet, in welchem die Diana vor allem verehrt wurde) wird
zu den besseren Akten gerechnet (Gebhardt, a. a. 0. S. 120 ff.) — schwerlich
mit Grund. Zwischen dem Anfang „Decius imperator volens opprimere" und
den Worten „decreta invictissimorum principum" besteht ein unlösbarer Wider-
sjiruch; denn Decius war Alleinherrscher; der Prokonsul „Optimus" ist sattsam
bekannt; der Inhalt der kaiserlichen Dekrete („ut omnes Christiani relicta
superflua superstitione cognoscant verum principem, cui omnia subiacent, et
eins deos adorent") ist erfunden. Charakteristisches ist in dem Verhör nicht
zu entdecken. Nur die Kürze der Akte ist ein günstiger Umstand; aus der
Zeit des Decius ist sie aber nicht und wahrscheinlich trotz der Kürze unecht,
— Aus derselben Schmiede scheinen die Acta Petri, Andreae, Pauli et Dionysiae
(zu Lampsakus) zu sein (Ruinart, edit. ann. 1859 p. 204 ff.). Auch hier wird
Decius (c. 6) genannt, imd trotzdem ist von „decreta invictissimorum principum"
die R^de. Der Konsul Optimus fehlt nicht. Zuerst erscheint die „magna dea
Venus" als die Hauptgöttin (c. 1); dann heißt es, wie in der Passio Maximi
(c. 2): „sacrificate mirandae Dianas" (c. 4). Auch schon die Namen der Mär-
tyrer erregen hier Bedenken; denn die Häufung biblischer Namen (Paulus,
Petrus, Andreas) ist für die Mitte des 3. Jahrhunderts sehr ungewöhnlich (y.
meine Missionsgesch. S. 304 ff.). Vielleicht besteht auch ein Zusammenhang
mit den Achatius- Akten, was diesen nicht günstig ist. Dort wird Apollo ebenso
heftig angegriffen wie hier Venus, und Troja (Troas) wird dort und hier ge-
nannt. Die Geschichte der Dionysia ist ganz konventionell (c. 3), und wenn
es von dem Christen Nicomachus, der während der Foltern verleugnete, heißt
(c. 2): „Statim arreptus a daemone et in terrara allisus dentibusque linguam
suam comedens emisit spiritum", so ist das ebenfalls Legendenstil.
2) Sie gehört vielleicht erst unter Maximinus Daza, da von gefUlschten
vTtOfivrifAaxa über den Tod Christi (c 4) die Rede ist; doch werden dieselben
als jüdische, nicht als heidnische charakterisiert.
470 ^' Martyrien.
einen Gärtner erfunden, der bei den kaiserlichen G^ärten in Karmena
in Pamphylien angestellt ist (c. 2), aber aas Nazareth stammt und
sich demgemäß (c. 4) rühmt, zur ovyytveia ^Ifjoov zu gehören? Ich
bezweifle das, zumal da dieses Moment nicht weiter aasgebeutet
wird^
Aus der Zeit Valerians haben wir vier wertvolle Martyrien:
(1) Die Acta proconsularia Cypriani (s. o. S. 366 f.)-
(2) Die Passio SS. Mariani, Jacobi etc. ^ (in Lambese, Numid.)
am 6. Mai 259^. Die Erzählung* stammt von einem Freand und
Augenzeugen (auf Anregung der Märtyrer, s. c. 1) und ist in den
wesentlichen Stücken als authentisch zu betrachten \ Da der Ver-
fasser nicht trocken berichtet, sondern eine erbauliche and rheto-
rische Darstellung bringt^, so hat er vielleicht Vorlagen benutzt,
vielleicht das Mart. der Perpetua, aber in der Hauptsache ist er
1) Die übrigen auf die Zeit des Decius datierten Martyrien lasse ich
sämtlich beiseite. Auch die des Bischofs Nestor in Pamphylien können (gegf^n
Aub^, L^äglise et T^tat dans la II. moiti^ du III. si^le, 1885, p. 176 ff. üC»7ff.'
auf Abfassung im 3. Jahrhundert keinen Anspruch machen. Schon der Umstand,
daß der Richter das Christentum jj&Qijaxeia X(Zv PaXiXalwv^* nennt (Anb^ p. 5(ft» .
macht sehr bedenklich. Auch die Selbstbezeichnung des Nestor als imaxoito;
xal IsQOvgyog rwv ßvatrigliov XQiarov (p. 511) paßt nicht für das 3. Jahrh.
Die christologißchen Formeln weisen auf eine späte Zeit (p. 512 ff.). Das Übrige
ist konventionell. Die Akten der hh. Lucian und Marcian in Nikomedien
I R u i n ii r t p. 21 2 ff. ; A u b ^ p. 167 ff.) behandeln ein in den späteren Legenden ganz
gewöhnliches Problem, und auch die Akten des Trypho und Respicius in Nicäa
(Ruinart p. 20Sff.; Aub<5 p. 101 ff.) enthalten nichts, was sie wert-voll er-
scheinen läßt.
2) S. die Monogra]»hie von Franchi de' Cavalieri in „Studi e Testi*'
Nr. :], IIKX); Mercati, D'alcuni nuovi sussidi per la critica del t«sto di >.
Cipriano, Roma, 1S99 p. 87 ff.; Gebhardt p. UM ff.; Monceaux, Hist. litt. .1.'
l'Afrique c\ir6i. T. II p. 15:5 ff.
o) S. Monceaux p. 156 f.
4) Schon Augustin kennt sie, Sermo 284, 2. S. auch Corp. Inscr. Lat. T. S
Nr. 71)24.
5) Der Erzähler fuhr mit Marianus und Jacobus in einem Wagen und kam
mit ihnen nach Cirta; aber in den Prozeß ist er dann selbst nicht verwickelt
w^orden. Er war Laie und daher von der Verfolgung nicht betroffen. Die Art.
wie eine ganze Reihe anderer Märtyrer mehr oder weniger beiläufig eingeführt
wird, ist ein Zeichen der Echtheit. Auch stimmt alles in den Prozessen mit
dem, was wir von Valerians Verfolgung wissen. Gegen die Echtheit (Glaub-
würdigkeit) hat sich Victor Schulze ausgesprochen (TheoL Litt.-Blatt Bd. J).
1899, S. 471).
0) Monceaux (p. 16o) vermag ich nicht beizustimmen: „L'aut^ur est uii
demi-lettr^, presque un ignorant. II n'y a pas trace de rh6torique dans s'»n
recit. 11 ecrit comme il devait parier, avec nal'vet-ö et bonhomie".
I. Martyrien. 471
ganz selbständig ^ Jacobos hatte schon in der decianischen Ver-
folgung Mai-tyrien erlitten (c 5). Eine Vision des Marianas wird
in den eigenen Worten desselben erzählt (c 6, Nachbildung des
Mart. Perpet). In der Vision erscheint Cyprian. Vision des Jacobus
c. 7. Vision des Aemilianns, von ihm selbst erzählt c. 8. Zweite
Vision des Jacobus, dem der Bischof Agapius erscheint c 11.
Prophezeiung des Marianus c. 12^. Diese Visionen bilden den
Kern des Berichts im Sinne des Verfassers. Was von ihnen glaub-
würdig ist, d. h. auf die Märtyrer selbst zurückgeht, läßt sich natür-
lich nicht mehr ausmachen. Aber das urteil über das Ganze hängt
nicht von ihnen ab. Wer unechte Akten kennt, der muß bei der
Lektüre dieser Akten merken, daß sie nicht zu ihnen gehören.
3) Die Passio SS. Montani et Lucii etc. ^ (Mai 259, Karthago).
Diese Passio ist von einem Manne verfaßt, der dem Cyprian an
stilistischer Bildung nahe kommt und sich wohl an ihm gebildet
hat. Er will Augenzeuge sein, und die erste Hälfte seiner Er-
zählung (c. 1 — 11) bildet ein Brief der Märtyrer Montanus und
Lucius, an den er dann seine Dai*stellung des Endes der Märtyrer
geknüpft hat, wie es ihm einer derselben befohlen habe (Flavianus).
Im J. 1890 erklärten Harris und Gifford ^ diese Akten für
„a deliberate forgery, based chiefly upon the Acts of Perpetua
and Felicitas". Letztere Akten sind gewiß benutzt, aber die Be-
hauptung „based chiefly" ist sehr übertrieben. Franchi de' Cava-
lieri (a. a. 0) widerlegte die Behauptung der beiden Engländer
und fand damit im wesentlichen Zustimmung bei Wilamowitz-
Möllendorff* und den Bollandisten ^. Wilamowitz fügte noch
eine stilistische Beobachtung dem Beweise Franchis für die relative
PZchtheit des Briefs hinzu. Allein Victor Schnitze*^ erklärte sich
durch Franchi nicht überzeugt; er bezeichnete die Passio für ein
tendenziöses Schriftstück, auferbaut auf älteren (uns z. T. unbe-
kannten) hagiographischen Arbeiten, den Brief für gefälscht, das
1) Sichere Spuren der Benutzung der Opp. Cypriani habe ich nicht ge-
funden. Auch ist der Stil von dem Cyprians ganz verschieden.
•J) Diese Prophezeiung der Rache des Himmels setzt die Kunde vom
gehmählichen Ende Yalerians nicht voraus (gegen Monceaux p. 158). Daraus
folgt aber nicht notwendig, daß die Akten vor demselben verfaßt sind.
3) Ausgabe und Untersuchung von Franchi de' Cavalieri, Rom.
Quartalschr., Suppl.-Heft, 1898; Gebhardt S. 146 ff.; Monceaux, 1. c. II
p. 105 ff.
4) The Acts of the martyrdom of Perpet. et Fei. London, 1890.
5) Lesefrüchte, im „Hermes" Bd. 84, 1898, S. 212.
')) Anal. Rolland. Bd. 18, 1809, p. 07.
7) Theol. Litt.-Blatt Bd. 20, 1899, S. 470.
472 I- Martyrien.
Ganze als ein Werk etwa aus der Zeit Diokletians. Gegen ihn hat
Fr an Chi seine Auffassung verteidigt ^ und unabhängig von ihm ist
Monceaux (1. c.) zu denselben Ansichten gelangt^. Es ist diesen
beiden Gelehrten beizustimmen. Der Brief ist nicht von dem
Redaktor gefälscht; dazu ist die Verschiedenheit des Stils zu groß;
aber Monceaux wird recht haben: Flavianus wird diesen Brief
namens der beiden Märtyrer auf Grund ihrer Erlebnisse geschrieben
und ihn dem Bedaktor nach dem Tode derselben gegeben haben
mit der Anweisung, das Ende der Märtyrer zu beschreiben. Dieser
hat den Auftrag vollzogen und ein litterarisches Kunstwerk ge-
schaffen, das natürlich manche Stilkorrekturen erfordei-te. Aber
der Inhalt des Ganzen ist auch in Dutzenden von Einzelheiten
unerfindbar, und die Abhängigkeit von den Acta Perpetuae kann
an dieser Einsicht nichts ändern. In bezug auf einen anscheinend
besonders gravierenden Punkt (daß nach unseren Akten, ganz wie
in denen der Perpetua, zeitweilig ein Prokurator Afrika verwaltet
hat) hat Monceaux (p. 170) sogar die Zuverlässigkeit der Acta
nachweisen können. Es wäre auch wunderlich, wenn der Fälscher
so gedankenarm und töricht gewesen wäre, daß er gerade hier
die Acta Perpet kopiei*t hätte! Ich schließe mich also Franchi
an, der in bezug auf das ganze Werk (p. 15 der Schrift über die
Acta Mariani et Jacobi) bemerkt: „Gli Atti di Lucio e Montano
sono stati redatti senza dubbio doppo passato il turbine della
persecuzione, in parte su un documento preesistente, in paile di
getto, da un discepolo di S. Cypriano. II suo Stile e notevolmente
inferiore allo stile del maestro, ma 6 ancora lontanissimo della
turgidezza e dalla decadenza che offendono e. g. nelle Passioni
donatistiche di Marculo e Donato, d'lsaaco e Massimiano, imitazioiii
letterarie etc." Auch was er (p. 12) im Anschluß an Wilamowitz
über den Brief sagt, ist zutreffend: (1) „Poichö lo scrittore della
Passione usö constantemente la clausola metrica, clausola che non
si trova nella lettera, se non con moltissime eceezioni, egli non piiö
ritenersi inventore di detta lettera [Flavian, s.o., wird der Ver-
fasser sein; so erklärt sich das Problem am besten]. (2) Mai poi-
che nella lettera la clausola metrica dove e studiatamente usata,
dove trascurata affatto, non sembra potersi dubitare che una paite
del documento fu rimaneggiata od aggiunta, un' altra piü o meno
rispettata. (3) Un tale rispetto, che supratutto si manifesta nelle
visioni, constituisce una notevole conferma dell' autenticitä sostan-
ziale della lettera e della serietä del compilatore degli Atti".
1) La passio SS. Mariani et Jacobi (1900) p. 1—15.
2) Eine Mittelstellung nimmt Ehrhard ein (Die altchr. Litt., 1900, S. 5S0£\
I. Martyrien. 473
(4) Die Passio Fructuosi (episc. Tarragon.), Augurii et Eulogii,
am 21. Janaar 259 („Valeriano et Gallieno Impp., Aemiliano et
Basso Coss.") K Sie ist, so wie sie uns vorliegt, schon von Pruden-
tius versifiziert worden (Peristeph. c 6) und erweckt keine Zweifel.
Sie stammt von einem Zeitgenossen, der (c. 2) wahrscheinlich das
amtliche Protokoll benutzt hat^.
Zwei Soldaten-Martyrien aus der Zeit Diokletians ^ (aber vor
der großen Verfolgung) sind als echt anzuerkennen, nämlich die
Passio Maximiliani^ („Tusco et Anulino coss.^ IV Id. Mart. Tebeste
in foro inducto Fabio Victore una cum Maximiliano et admisso
Pompeiano Advocato" = 12. März 295 zu Thebeste Num.) — Maxi-
milian weigerte sich als Christ Soldat zu werden ® ■— und die Passio
Marcelli ^ (zu Tingi in Mauretanien am 30. Okt; das Jahr ist ungewiß,
aber das Martyrium erfolgte unter der Regierung des Maximianus
Herculius^ und vor der großen Verfolgung). Marcellus legte die
1) Ruinark p. 264ff. Aub6, 1. c. p. 408ff.
2) Die auf Valerian und Gallienus datierte Passio Nicephori (Ruinart
p. 282 ff.) ist nicht echt, sondern eine moralische ErzSiilung, una die Unver-
söhnlichkeit zu bekämpfen. Der Ort der Handlung ist nicht angegeben.
3) Dazu vgl. das Soldaten- Jlartyrium bei Euseb., h. e. VII, 15 (der Haupt-
mann Marinus).
4) Ruinart p. 340ff. Knopf a. a. 0. S. 79ff.
5) S. c. 2: „In sacro comitatu dominorum nostrorum Diocletiani et Maxi-
luiani, Constantii et Mazimi [«« Galerii Mazimiani] milites Christiani sunt et
militant".
6) Die Passio ruht fast ganz auf dem Gerichtsprotokoll und ist daher von
ausgezeichnetem Wert.
7) Ruinart p. 343f. Knopf a. a. 0. S. 82ff.
8) Die Exekution die III. Kai. Nov. (c. 3), aber das Delikt geschah „Natali
die imperatoris" (c. 1), „lam die XII. Kai. Aug. apud signa legionis istius,
quando diem festum Imperatoris celebrastis" (c. 2). Dazu Ruinart: „Haec
verba non de genuino Herculii natali intellegenda esse observat Antonius Pagi,
eed de natali eins imperii Caesarei, quod nonnisi singulis quinquenniis, de-
cenniis ac deinceps festum habebatur; natale autem genuinum singulis annis".
Mason (The persec. of Diocl., 187G, p. 45) hält den 21. Juli fiir den Geburtstag
des Maximian und bemerkt zu diesem Datum: „This is the date gathered by
Tillemont from the birth day Panegyric. The Acts might have said „Impera-
tor um", since the two Augusti were born on the same day of the year, Pan.
Gen. 1, 2". In c. 3 ist der Ausdruck: „coram omni populo in deos et in
Caesarem (nicht Augustum) multa blasphema locutus est", höchst wahrschein-
lich korrekt und ein Zeichen der Echtheit; denn die Provinz Mauretania Ting.
gehörte zu Spanien, dieses Land aber zum Gebiet des Constantius Chlorus, der
damals Cäsar war. — Marcellus ist als Hauptmann in der Legio Trajana (c. 1)
bezeichnet. Sie muß identisch sein mit Legio II Trai., die ihr gewöhnliches
Standquartier in Alexandrien hatte. Aber in Mauretania Ting. stand über-
474 ^* Martyrien.
Abzeichen eines Hauptmanns und die Waffen nieder und weigerte
sich, Soldat zu bleiben K
Die Akten der h. Gurias und Schamonas, die von Bahmani
syrisch ediert und auf das J. 297 bezogen worden sind 2, sind von
Nöldeke der Zeit 360—450 zugewiesen^ Baumstark hat —
nach Ehrhard^ — erwiesen, daß die Mäi-tyrer selbst dem J. 303
angehören.
Aus der Zeit von 303 ff. ist eine beträchtliche Anzahl echter
Akten auf uns gekommen ^ Erwähnt wurden schon (und werden
daher hier nicht mehr besprochen) die Aufzeichnungen Eusebs
über die palästinensischen Martyi*er in zwei Ausgaben (s. dazn
auch seine Beschreibung anderer Märtyiien in der bist eccl.)^
ferner die Acta Luciani, die des Phileas und Philoromus, die des
Saturninus, Dativus, usw.^ Für diese Zeit ist aber bisher längst
haupt keine Legion, sondern die Provinz war von zahlreichen Auxiliartruppen
besetzt, s. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung, 1. Bd. (1873) S. 325. — V^a-
saeus im Chron. Hispanico hat — ich weiß nicht auf welche Gründe hin —
unser Martyrium in d. J. 298 versetzt (Fausto bis et GaUo coss.).
1) Auch diesen Akten liegen Protokolle zugrunde, und sie sind daher
ersten Ranges. Die beigefügte Passio des Gerichtsschreibers Cassian s. bei
Ruinart p. 345.
2) Acta SS. Confess. Guriae et Shamonae, Rom, 1899.
3) Straßburger Festschrift z. Philologen- Vers. 1901, S. 13 ff.
4) A. a. 0. S. 544.
5) S. in bezug auf diese Zeit Sulp. Sever., Chron. II, 32: „extant etiani
mandatae litteris praeclarae eius temporis martyrum passiones, quas conectenda?
non putavi, ne modum operis excederem".
G) Eusebs Methode, über Martyrien (in Palästina) zu berichten, muß studiert
werden, um dadurch einen Maßstab für die Kritik solcher Martyrien zu ge-
winnen, die auf Echtheit Anspruch machen. Zur längeren Rezension der Mart.
Pal. 8. Anal. Bolland. Bd. 17, 1898, p. 113ff Die Passio Petri Baisami {er
stammte aus Eleutheropolis in Judäa und wurde zu Aulana in Samarien ^r-
martert „III Non. Jan. sub Maximiane Imperatore [= Galerio], Severe praeside .
die uns nur in lateinischer Übersetzung erhalten ist, bezieht sich auf den Petrus
Apselamus, von dem Eusebius (De mart. Pal. c. 10, s. die größere Rez. S. 71 ff.
bei Vi ölet, Texte und Unters. Bd. 14 H. 4 S. 71 ff.) berichtet, obgleich vieles
nicht stimmt (nach Euseb. war das Martyrium lll Id. Jan. [recens. maL: „Am
10. Kanon chräj"], der Märtyrer stammt änö ^AviaQ x(Ojuiijg T(3v ogmv ^EXtv^fQO-
noXewq [reo. maior: „im Gebiete von Beth Gubrin"], die Exekution erfolgt iu
Caesarea Pal., der Richter und andere bitten den Märtyrer wiederholt und in-
ständig, seiner Jugend zu schonen; in der Passio finden sich nur die Worte
des Richters: „misere tui et sacrifica". Nach der Passio wird Petrus gekreuzigt-
nach Eusebius verbrannt). Die Passio hat nach Eusebius (p. 71 Violet; im
7. Jahre der Verfolgung, also im J. 309 stattgefunden. Unsere Akten sind.
wie aus Vorstehendem hervorgeht, ohne Wert.
7) S. oben S. llOf., 138f, 69f., 456.
I. Martyrien. 475
noch nicht so viel geschehen wie für die frühere Zeit mit ihren
Martyrien, und für sie vor allem werden die Studien Ehrhards
epochemachend sein. Ich muß mich daher hier darauf beschränken,
diejenigen Martyrien zu bezeichnen, die ich nach wiederholtem
Studium (zuletzt für die Missionsgeschichte) für echt oder doch für
geschichtlich wertvoll zu halten geneigt bin. Ich führe sie in
alphabetischer Beihenfolge an:^
Passio Agapes, Chioniae, Irenes etc. (Thessalonich i. J. 304) ^ —
,.Maximiano Imperatore". „Dulcetius Praeses". „visne omnia illa
facere, quae nos dominis Imperatoribus ac Caesaribus devoti faci-
mus?" (c. 4). „Imperator es ac Caesares" (c. 4. 5). „divinum edictum
dominorum Augustorum ac Caesar um" (c. 4). „num aliqua apud vos
sunt impiorum Christianorum commentaria vel membranae aliquae
vel libri? nulla, o praeses, nobis sunt; omnia illa imperatores, qui
nunc sunt, a nobis abstulerunt" (c. 4, s. dazu c. 5, wo es von Irene
heißt: „quae tot membranas, libros, tabellas, codicillos et paginas
scripturarum ad hodiemum usque diem servare voluisti"). „su-
periore anno, cum edictum illud tale ac pium iussum domn. Imp.
et Caes. primo fuit divulgatum" (c. 5) — also fällt das Martyrium
i. d. J. 304. — Aus (c. 7) geht eben dieses Jahr heiTor: „Dioclet
Aug. IX, Maximiane autem Aug. VIII coss. KaL April. Die Passio
ruht auf Akten, hat ganz unerfindbare Züge und ist nur in c. 6,
wie mir scheint, konventionell behandelt.
Passio Claudii, Asterii etc. (Ägea in Cilicien)^ — „Lysias
Praeses". „dominus noster Augustus". „domini nostri Imperatores
insserunt Christianos vos sacrificare diis, contradicentes puniri"
(c. 1). „X Kai. Sept Augusto et Aristobulo coss." (c. 6). Dies wäre
der 23. August 285, aber das Jahr kann nicht richtig sein. Diese
Exekutionen setzen ja aufs deutlichste das Dekiet vom J. 304
voraus. Die Passiones sind so schmucklos, daß ihnen ein echter
Kern gewiß zugrunde liegt.
1) Die Passio Afrae (Augsburg) — s. Ruinart p. 482ff.; Krusch, Passiones
vitaeque SS. 1896, p. 41 ff. — ist ihrem Tatbestande nach glaubwürdig, die
Akten aber, die schon dem Verf. des Martyrol. Hieronym. bekannt waren, sind es
höchstens teilweise (Duchesne, Bull, critique 1897 p. 301 ff. 325 ff.. Anal. Bolland.
Bd. 17, 1898 p. 433ff.). Krusch halt mit der „Conversio" auch die „Passio"
för ganz unbrauchbar (Neues Archiv Bd. 19, 1894, S. 13 ff. und Bd. 24, 1899,
S. 280ff. Mitt. d. Instituts f. Österreich. Gesch.-Forschung Bd. 21, 1900, S. Iff.).
Die Passio Floriani (Lorsch) sei hier gleich angeschlossen. Sie ist vielleicht zu
halten (s. Duchesne, 1. c. p. 381 ff., anders Krusch, Neues Archiv Bd. 24,
1899, S. 533f. Dazu Achelis, Die Martyrologien, 1900, S. 140f.).
2) Ruinart p. 424ff'. Knopf S. 91ff. (Lat. Übers.; der griechische Grund-
text fehlt).
3) Ruinart p. 309 ff. Nur lateinisch erhalten.
476 ^' Martyrien.
Passio Crispinae (aus Thagara) ^ — „Diocletiano et Maximuno
coss. (wohl das Jahr 304) ^ die Non. Decemb. [5. Dez.] apud coloniaiB
Thebestinam, in secretario pro tribanali adsidente Annlino pro-
coDsule'' „Thagarensis Crispina quae legöm domn. Prindpain god-
tempsit''. „praeceptum sacrum, ut omnibus diis nostris pro salote
Principum sacrifices secundum legem datam a domn. nostris Dio-
cletiano et Maximiano piis Aagustis et Constantio nobilissimo Caesare'
[sowohl die Erwähnang des CoDStantios als die Nicht-Erwähnung
des Galerius ist ein Zeichen der Echtheit; Galerius' Name war in
Afrika in der Tat nicht zu nennen], „cole religionem Romanam,
quam et domini nostri invicüssimi Caesares et nos ipsi obse^
yamus''. Die zuverlässige Erzählung ist der Passio sehr bald ge-
folgt (schon nach wenigen Jahren hätte man den Namen des
Constantius wohl unterdrückt), ruht aber schwerlich auf einem
Protokoll.
Passio Dasii (Dorostolum Moes., 20. Nov. 303 [?]) * — „ßcoi-
Xbv6vx(dv Ma^ifiiapov xal /iioxXsriapav^, ^Baööov ilJ77arov". „firjpi
Noefiß, elxdöt, rjiiiQif Jtagaoxev^, Sq^: rsTOQT^, r^g öeitjprig elxcA
6\ . . . rjd-Xriasp kv jcoXbl AcoQootoXq), ßaciZ. Ma^ifi, x. AioxXJ*^ Die
Passio ist (nach c. 3) in einer Zeit geschrieben, in der das Christen-
tum schon herrschte. Schon deshalb ist sie von nur bedingtem
Werte. Antiquarisch wichtig ist die Schilderung des Satnmalien-
festes im Heere und die Mitteilung, daß es noch jetzt gefeiert wird;
die Darstellung des Prozesses selbst ist von sehr geringer Be-
deutung ^
Acta Euplii (Catauia Sicil., 12. Aug. 304)^ — „Diocletiano
novies et Maximiano octies coss. pridie Idus Augusti". „Calvisianus
consularis". „Euplius ingressus, evangelia portans". „non decet
tales Chartas eum teuere contra regalem praeceptionem". „quare
apud te habuisti et non tradidisti has lectiones, quas Imperatores
vetuerunt?" „qui secundum edictum principum non tradidit scrip-
1) Ruinart p. 477 ft*. Gorres, Ztschr. f. wies. Theol. Bd. 33 (1890) S. 4:iff.
J) Die Ziffern fehlen leider bei Diocl. u. Max., aber das J. 303 ist zu früh,
3) Zuerst (griechisch) ediert von Cumont (Anal. Boll. Bd. IG, 1897, p. off.,
abgedruckt bei Knopf S. SÜff. Ein verlorenes lateinisches Original ist anzu-
nehmen. Zum Inhalte s. Parmentier, Le roi des Satumales in d. Rev. «ie
Philol. Bd. 21, 1897, p. 143ff. und Wendland im „Hermes" Bd. 33, 1S4*S,
S. 175 ff. — Das Jahr ist unsicher.
4) Obgleich die Passio Didymi et Theodorae (Ruinart p. 428ffl, Acta SS.
April. III p. LXIIIff. [griechisch]) bei Ambros., de virg. II, 4 ein Zeugnis hat.
halt« ich die Erzählung für einen Roman.
5) Ruinart p. 437 f. (2 lat. Rez.)i die erste auch bei Knopf S. 97ff.
Griechisch beim Metaphrasten, s. Migne, Ser. Gr. Bd. 115 Kol. 523 ff. Mason,
1. c. p. 223 ff.
L Martyrien. 477
toi-as, sed legit populo, torqueatur " [dies ist ein Zeichen der Zu-
verlässigkeit]. Die Akten gehen anscheinend auf die Protokolle
zurück, sind aber nicht gleich nach dem Martyiium niedergeschrieben
(s. den Schluß).
Passio Felicis, episc. Tibiurae [Tubjuza] Af., mart. Venusii,
30. Aug. 303 * — „Diocletiano VIII et Maximiano VII coss. Augustis
exivit edictum Imperatorum et Caesarum super omnem faciem
terrae, et propositum est per colonias et civitates principibus et
magistratibus, suo cuique loco, ut libros deificos peterent de manu
episcoporum et presbyterorum. tunc programma positum est in
civitate Tibinrensi, die Non. Jun.** [Diese Zeitbestimmung ist für
die Geschichte des Edikts wichtig]. „Anulino proconsuli rationem
reddatis". „Magnilianus cnrator". „tunc profectus est Felix a Tibiura,
VIII Eal. JuL, [Carthaginem]". „[in carcere missus] post XVI dies
productus est, hora noctis quarta, ad Anulinum proconsulem''
„tunc iussit iUum Anulinus proconsul ad praefectum praetorio mitti,
Id. JuL*' „Post dies autem IX iussit eum praefectus ad imperatorem
navigare". „fuit in capsa navis diebus IV". „[venit] Agrigentum,
Catanam, Messanam, Taurominium^, in partes Lucaniae civitatem
nomine Bulo^, Venusium''. „ductus est ad passionis locum die
III KaL Sept" Die Akten sind m. E. zuverlässig ^
Passio Irenaei episc. Sinn, im Frülyahr 304 wahrscheinlich * —
„sub Diocletiano et Maximiano". „Probus praeses Pannoniae".
„clementissimi principes iusserunt aut sacrificare aut tormentis
succumbere debere". Aus c. 3 geht hervor, daß Irenäus ein sehr
junger Mann war, verheiratet war und Kinder hatte (c. 4 wider-
spricht dem nicht, sondern bestätigt es), „martyrizatus est die VIII.
id. [alii Kai.] Apr." Die Akten sind wesentlich zuverlässig.
Passio JuHi veterani in Dorostorum Moes. z. Z. der großen
Verfolgung® — ist augenscheinlich nach dem Protokoll gearbeitet
(„Maxime praeside") und wesentlich zuverlässig l
1) Ruinart p. 390ff. (bei den Holland. Acta Octob. Bd. 10 p. 618ff. zwei
Rezensionen), Knopf S. 84 ff., Mason, 1. c. p. 172 ff.
2) In Agrigent, Catana und Taurominium findet er Christen.
3) Dieser Hafenort Lukaniens ist nicht bekannt (Vibo?).
4) Unglaubwürdig sind die Acta Genesii (Rom), s. von der Lage, Studien
zur Genesius-Legende. 2 T. Berlin, 1898 und 1899.
5) Ruinart p. 432ff. Gebhardt S. 102ff. Die Acta SS. Mart. III App.
p. 23 bieten einen griechischen Text.
6) Anal. Bolland. Bd. 10, 1891, p. 50ff.
7) In den Anal. Bolland. Bd. 15, 189G, p. 73ff. haben die Bollandisten das
zugleich mit den Fragmenten des Petrus-Ev. in Akhmim gefundene Fragment
eines Martyrium Juliani abgedruckt und zu identifizieren vermocht. Sie zeigten,
daß es einer Passio Juliani Anazarb. angehört und sich zu der noch unge-
478 ^' Martyrien.
Passio Pollionis Lectoris in Cibalis Pannon., sehr bald nadi
der vorigeD, also noch i. J. 304 ^; sie ist, wie das Vorsatzstdck (c li
beweist, unter Valentinian I. oder bald nach ihm geschrieben, aof
Grund einer guten Quelle, „sub Probo praeside" 2.
druckten (im byzantinischen Zeitalter redigierten) Passio desselben in demll&
der Bibl. nat. Paris. Gr. nr. 1488 wie eine Vorlage zu einer breiten Ansfölmag
verhält. Das Stück im Eod. von Akhmim ist zu kurz, mn ein urteil über die
Echtheit bez. das Alter der Passio zuzulassen« Der PiAses heißt Marcianiu, die
Mutter Julians Asklepiodora.
Die Passio Mazimac, Secundae et DonatOlae (ediert in den AnaL Bolland.
Bd. 0, 1890, p. 107if. llOff., cf. Bd. 10 p. 59) wird als zayerl&ssiges Martyrinm
betrachtet, und gewiß sind die Personen historisch (ihre Passio hat y^Mazimiano
imp. sub Anulino proconsule IV Kai. Aug.", wahrscheinlich im J. 904, den
eigentlichen Verfolgungsjahr in Afrika, stattgefunden in Thuborbo [in welchem?];
die „possessio Chephalitana'' l&ßt sich leider nicht bestimmen). Daß in die
Überlieferung der Name des Kaisers Gallienus eingedrungen ist^ ist nicht Toa
Bedeutung. Aber die Passio, wie sie vorliegt, ist kein echtes Produkt^ weia
sie auch einen guten Kern hat (s. wie c. 1 der große. Ab£Edl beim Erscheinen
des Opfer-Edikts zugestanden ist). Gleich im Eing^g fragt Anulinus: „Christiu!
estis an pagani?" und das wiederholt sich c 3. Das VerbOr der jugend-
lichen Christinnen, die mit einer selbst für Afrika unerhörten Frechheit $xA-
Worten, kann nicht zuverlässig sein. Soll Anulinus wirklich gesagt haben:
„Per deum vivum te adiuro ut dicas mihi quot annorum es"? und soll Ifsxisa
geantwortet haben: „Costae membrorum tuorum confringantur, nam ego anno-
rum 8um XIV"? Das Gespräch der Maxima und Donatilla mit Secunda ist jraiu
konventionell (c. 4); auch sagt die zwölfjShrige Secunda: y^sponsum quaero
spiritalem Jesum, qui virginitat-em non corrumpit". C. 6 sagt Anulinc*-
„Recedite a me, quoniam iam deficio". In der Erzählung ist das sehr verstäDi-
lich, aber soll das aus dem Protokoll sein? Die Bärengeschichte (c. (5) ist auch
sattsam bekannt.
Die von einem gebildeten Manne geschriebene, antiquarisch und in den
Details besonders interessante, sehr lesbare Passio Philippi episc. von Herakles
und (icnoBsen in Adrianopel unter den Praesides Bassus (s. Mart. Dasiii nud
danach Justinus (s. Ruinart p. 440 ff., Mason, 1. c. p. 176—182) ruht gewil
wie sehr viele Züge ausweisen, auf guten lokalen Überlieferungen und darf al»
eine Hauptc^uelle fiir die Geschichte der Ausfährung der ersten diokletianischfii
Edikte im Osten benutzt werden (auch das Verhalten des Bassus wird richtig
geschildert sein). Sie ist aber in der uns vorliegenden Gestalt sekundär, wie
das ab und zu planlos auftauchende „Wir*', der terminus „pagani'' und manckt^
andere Ungeschickte beweist. Immerhin mag sie trotz dieser Züge aus dei:
Anmerkungen herausgenommen und in den Text gestellt werden. Daß in den
Akten der Protrepticus des Clemens (4, 53) benutzt ist, hat Führer gezeigt
(Mitt. des deutschen archaol. Instituts Bd. 7, ia92, S. loSff".).
1) Ruinart p. 435f.
*J) Die Passio quattuor coronati (de Rossi, Bull, di archeoL crist. ISTJ
p. 4üff'.; Petschenig, Wiener Sitzungsber. Bd. 97 [1880] p. 761ff.; Erbe=.
Ztschr. f. KGesch. Bd. 5 [1882] S. 406ff.; Hirschfeld, Archäol. epigr. Mitt*!'-
aus Österreich-Ungarn Bd. 9, 1885, S. 21 ff.; Meyer, Programm des Luiset-
I
I
I. Martyrien. 479
Testamentum XL Martymm zu Sebaste Arm., unter Licinius,
und Acta derselben^. — Das Testament ist, wie Bonwetsch und
Haußleiter gezeigt haben, in seiner Fülle unerfindbarer Züge
sicher echt, und zwar in vollem Sinn des Worts. Die Akten
{Aixivlov xov ßaaiXicog, ^AygixoXaov Tjysfiovsvovzoc) sindhetreichtlich
später, ausgeschmückt und nicht zuverlässig.
Passio Quirini episc. in Siscia Pann. um d. J. 309 sub pridie
Non. Jun. 2 — Die uns erhaltene Passio dieses berühmten Märtyrers
lag schon dem Hieronymus und Prüden tius vor^. Im Vorbericht:
„Perimentibus eos Maximian! imperatoris legibus Christianus infesta-
^atur exercitus. per Ulyricum vero Diocletianus sacrilegis praeceptis
in Christi populum hostiliter saeviebat, addito tyrannidi suae Maxi-
miano in regno participe, qui et suam rabiem et Diocletiani per
omnem Illyricum ostenderet". — „a Maximo praeside (fugiens)
iossus est comprehendi". „imperatorum praecepta". „consentiens
eris sacerdos magno deo Jovi, alioquin ad Amantii Praesidis primae
Pannoniae^ iudicium dirigeris, a quo dignam mortis sententiam
excipias*". „cum deductus fuisset b. Quirinus ad primam Pannoniam
et per singulas civitates vinctus catenis ad Praesidis Amantii
iudicium traheretur, si quidem ad ripam Danubii ad singulas civi-
tates [ducebatur], Amantio eodem die revertente de civitate Scara-
betensi, offertur ei b. Quirinus episc, quem Praeses ad urbem
Sabariensem [Scarabantiam] ad audiendum censuit repedari*". Die
Passio ist einige Zeit nach dem Ereignis geschrieben (c. 5 : „corpus
inventum est, ubi etiam locus orationis habetur"), aber im wesent-
lichen glaubwürdig (trotz des kleinen Wunders in c. 4) *.
gynmasiums zu Berlin, 1886; Wattenbach, Berliner Sitzungsber. 1896 S. 1281 ff.
Anal. BoU. Bd. 16 [1897] S. 337; Ehrhard machte [Altkirchl. Litt.-Gesch.
S. 559] auf einen griechischen Text aufmerksam) kann nicht hierher gerechnet
werden, obgleich sie Glaubwürdiges enth<.
1] Dies Testament in der griechischen Originalsprache ist aufs neue ent-
deckt und samt der Übersetzung einer altslawischen Version ediert worden von
Bonwetsch (Neue kirchl. Ztschr. Bd. 3 [1892] S. 705 ff. und Stud. z. Gesch. d.
Theol. u. Kirche T, 1, 1897, 8. 71 ff.), abgedruckt bei Gebhardt S. 166 ff.
Knopf S. 107ff. Die Akten griechisch bei Abicht und Schmidt (hier auch
in slaw. Übers.) in dem Archiv f. slaw. Philol. Bd. 18, 1896, 8. 144 ff. und bei
Gebhardt S. 171ff. S. Haußleiter, Neue kirchl. Ztschr. a. a. 0. S. 978ff.
Harnack, Gesch. der Mission, 1902, S. 471.
2) Ruinart p. 522ff.
3) Hieron. Chron. ad ann. 2324, Prudent., Peristeph. 7.
4) D. h. nach Pannonia superior; zu dieser Provinz gehörte Quirinus als
Bischof von Siscia. Er war aber augenscheinlich nach Pannonia II (inferior)
geflohen und wurde von dem dortigen Legaten Maximus verhaftet, um dann aus-
geliefert zu werden.
5) Passio Tarachi (aus Claudiopolis Isaur.), Probi (aus Side Pamph.) et
4gO ^- Martyrien.
Andronici (aus Ephesus), erstes Verhör in Tarsus, zweites und drittes und Mar-
tyrium in Anazarbus Cilic, wahrscheinlich im J. 304 — den Kern der Paeäo
(c. 1—9; cf. Ruinart p. 451flE'. [griech. und lat.]. Mason, 1. c p. 189— 2C4j
wird man, wenn auch starke Bedenken nachbleiben, für eine zwar ausge-
schmückte, aber im wesentlichen zuverlässige Wiedergabe der Protokolle halten
können, wenigstens scheint mir eine Erfindung dieser ermüdenden Wieder-
holungen und der immer wieder markierten Schläge und Martern weniger glaublicL
Die Eonsulatszahlen für Diokletian und Maximian sind in den HandBchiiften
verdorben, ebenso ist das Monatsdatum unsicher; das Jahr 304 ist nur a priori
wahrscheinlich. Der Präses heißt (nach dem Griechen) Flavius GaiuB Nnmeri-
anus Maximus (1. 4. 7 etc.). Das Wunder in c. 6 ist nicht anstößig, die Noüz
in c. 7 : fl xal xa fidXiaxa ovx MSetnl aoi xaxa xov acipiaxog fiov avQauanixof
ovxa ovx(og nagavofAwq ßaaavtC,Hv^ vertrauenerweckend. Der Hinweis des
Richters (c. 9) auf Pilatusakten paßt besser für die Zeit Maximins. Dagegen
ist die Schilderung der Passio, die in der 1. Person Plural, gehalten ist, gans
imglaub würdig (c. 10. 11). Damit fällt auch das (im Griech. fehlende) vorge-
setzte Schreiben als eine Fälschung dahin (Brief von 10 Giliciem an die BiAder
in Ikonium; in ihm heißt es: „et quia omnia scripta confessionis eoromneoesee
erat nos colligere, a quodam nomine Sabasto, uno de spiculatoribns, CG denarüs
omnia ista transscripsimus''. Die Ikonier erhalten den Auftrag, die Passio den
Brüdern in Pisidien und Pamphylien mitzuteilen). Dann erhebt sich doch die
Frage noch einmal, ob nicht das Ganze von Anfemg bis zu Ende eine F&lschang
ist; aber ich getraue mir nicht, sie mit einem sichern Ja zu beantworten.
Die Passio S. Theodoti Ancyrani (s. Ruinart p. 373 ff. Mason p. 354£i
hat Franchi de' Cavalieri in einer kritischen Ausgabe vorgelegt, kommen-
tiert, eingehend untersucht und für wesentlich glaubwürdig erklärt (I Martin
di S. Teodoto e di S. Ariadne etc., Roma, 1901 in den „Studi e Testi" Nr. 0.
In der Theol. Litt.-Ztg. 1902 Nr. 12 habe ich in geschichtlicher Hinsicht die
Glaubwürdigkeit der kulturgeschichtlich und antiquarisch höchst wertvollen
Akten Franchi gegenüber herabgesetzt. Kol. 359: „Ich glaube, daß Fr. in der
Annahme von Dichtungen zu zurückhaltend gewesen ist. Da er den ganzen
Schluß, der eine Herodot nachgebildete Novelle enthält, für unglaubwürdig er
klärt, wird er auch in den vorhergehenden Erzählungen noch manches streichen
müssen. . . . Dieser Nilus ist ein vortrefflicher Novellist". In bezug auf die
Zeit der Abfassung zeigte ich, daß sie nicht unter Diokletian, sondern nacn
Daza [unter dem das Martyrium sich ereignet hat], vielleicht erst nach Julian ßHt.
Delehaye (in den Acta Bolland. Bd. 22, 1903, p. 320ff.) ist noch einen b<f-
deutenden Schritt weiter gegangen und hat die von den Akten selbst behsnp-
tete Abfassung durch einen früheren Mitgefangenen, Nilus, bestritten. Er stötit
sich auf zahlreiche ünwahrscheinlichkeiten der Erzählung. Das Ganze sei eine
künstliche Schöpfung, mit folkloristischen Elementen durchzogen. „La substance
mßme du morceau est l^gendaire et le pr^tendu compagnon du martyr n'e^t
qu'un imposteur. Dans son ensenible, Thistoire qu'ii nous conte est un morceau
de fantaisie, dans lequel il a fait entrer les 614ments les plus disparates". Die
Erzählung von den sieben alten Jungfrauen kann ausgeschieden werden und
bildet eine Überlieferung für sich, die sich nach dem Synax. eccl. CP. p. 546
für Amisus nachweisen läßt. Gerade sie ist freilich auch „une tradition l^n-
daire et m§me mythologique bien marqu^e". Festen Boden hat man nirgen<iä
unter den Füßen. Das Ganze ist eine Dichtung wie die Passio Bonifacü, die
Passio Nicephori und die Passio Theoduli, die auch ihrer Art nach mit unsert?
I. Martyrien. 4g 1
Passio Typasii Veterani Ticabae [Cicabae] = Tigava casta-a
Mauret, III Id. Jan. (305 oder etwas später)^ — „In temporibus
moralischen Novelle verwandt sind. Hat Theodotus Ancyranus überhaupt
existiert? Diese seine Passio ist das einzige Zeugnis, doch — muß nicht in
Malos sein Heiligtum gewesen sein imd bezeugt das nicht seine Existenz?
Möglicherweise, aber sicher ist das auch nicht. Soweit Delehaye. Nach seinen
Ausführungen muß man die AbfiEu»ung durch einen Mitgefangenen in der Tat
fallen lassen und das Stück in sp&tere Zeit rücken. Daß es einen Kern alter
Überlieferung enthält, glaube ich festhalten zu müssen. Eine Reihe von Zügen
macht doch einen wesentlich anderen Eindruck als die Passiones Boni&cii und
Nicephori. Allein, wie sie jetzt vorliegt, ist diese Passio unglaubwürdig.
Dasselbe gilt von der Passio Sergii et Bacchi, kaiserlicher Palastofßziere
zu Antiochien, M&rtyrer zu Resaph bez. zu Beth Ballasch in Eomagene (grie-
chisch zuerst in den Anal. Bolland. Bd. 14, 1895, S. 373 ff.)* ^ei* VerfEisser
scheint in Eomagene zu Hause zu sein, und seine „Novelle'' — das ist sie —
ist in geogpraphischer und vielleicht auch milit&rwissenschaftlicher Hinsicht
nicht ohne Wert; aber geschichtlichen Wert (auch wenn man den Tyrannen
Mazimianus in Maximinus ändert, was notwendig erscheint) besitzt sie nicht,
und ich wundere mich, daß Le Blant, Allard und die Bollandisten dies
nicht gesehen haben. Ist in ihr ein echter Kern verborgen, so ist er doch nicht mehr
zu ermitteln. Martyrien, in denen der Kaiser selbst redet — hier rückt er u. a.
den Christen den ehebrecherischen Ursprung Christi auf (c. 8) — , sind von vorn-
herein bedenklich. — Fast noch deutlicher tritt die Unbrauchbarkeit der Passio
Pancratü, eines reichen, auch in Rom begüterten jungen Phrygiers (Anal.
Bolland. Bd. 10 p. 53£], hervor, der ein Zwiegespräch mit Diokletian geführt
haben soll, das von Unglaublichkeiten wimmelt. — Auch die Passio Fabii
VexUliferi (Anal. Bolland. Bd. 9, 1890, p. 107 ff. 3 23 ff.) ist aus der Liste der
echten Martyrien zu streichen. Die Bollandisten urteilen selbst so, glauben
aber die Abfassung im 4. oder 5. Jahrhundert festhalten zu können. Die Passio
soll in Caesarea Mauret. die pridie Eal. Aug. sub Diocl. et Mazimiano coss.
(oder, wie es c 2 heißt: „Diocl. et Maximiane Augustis, Constantio et Maxi-
miane [Galerie] consulibus"; statt „consulibus'' ist natürlich „caesaribus'' zu
lesen) stattgefunden haben. — Die Passio Sereni Sirmiensis (Ruinart p. 517 f.)
ist eine Keuschheitsgeschichte, eine Novelle. Was ihr an Tatsächlichem etwa
zugprunde liegt (da sie zwar mit dem Tode des Serenus endigt, aber in der eigent-
lichen Erzählung die erwartete Pointe fehlt, wird sie wohl nicht einfach erfanden
sein), läßt sich nicht mehr entscheiden. Die Frau eines „domesticus Maximiani
imperatoris" spielt in dem Stück eine Hauptrolle. Der Präses ist nicht genannt.
Ehrhard (Die altchristl. Litt., 1900, S. 547) schreibt: „Auf dem 2. Kon-
greß der christlichen Archäologen in Rom 1900 gab Mercati Kenntnis von
Fragmenten eines griechischen Martyriums von Trophimus und Genossen auf
Palimpsestblättem des Cod. Vatic. Gr. 1853, die wohl den ältesten Text über
diese Gruppe von Märtyrern darstellen. Die Fragmente enthalten in Form
eines Dialogs zwischen Trophimus und dem Richter eine Apologie gegen die
Griechen, von der Bestandteile sich bei Clemens Alex., Eusebius Caes. und
Theodoret vorfinden [dies ist nicht deutlich]. Hoffentlich wird Mercati seinen
Fund bald veröffentlichen".
1) S. AnaL Bolland. Bd. 9, 1890, S. 107ff. llöff. Hier sind die Akten zum
ersten Mal ediert.
Harnack, Altchristl. Litteratargesch. II, 8. 31
482 ^' Martyrien,
Diocletiani et Maximiani Imperatorum parva adhuc christiaüitatis
religio fuerat" [das war der Eindruck in Mauretanien] et per uni-
versam propemodum terram bella surrexerant. nam in partibus
Orientis Narseus quidam nomine assumpserat tyi*annidem [T i He-
rn ont, Hist. des emper. T. 4 p. 16 f.], in Britannia Carausius rebella-
verat [Tillemont, 1. c. p. 6. 12. 14], Achilleus Aegyptum Lybiamque
yastabat [ibid. p. 15], in partibus quoque Galliarum Bacaudae ciiide-
liter saeviebant [ibid. p. 5J. praeterea in Sitifensi provincia gentiles
qui semper pacati fuerant et Quinquegentiani vocantur [cf. Corp.
Inscr. Lat. T. VIII nr.2615], dii^eptis provincialium facultatibus atque
universis possessoribus incollsque prostatis latrocinia perpetrabant
contra quos multi iudices produxerant [processerant?] et universi
cum magnis exercitibus victi perierant, in tantum ut terribili horrore
nuUus iam comes ad ipsas partes .änderet accedere et duces, qui
ad Sitifensem provinciam mittebantur, aut aegritudinem fingerent
aut veluti naufragia formidantes in vicinas Italiae insolas resi-
derent. tanta erat desperatio ut Africa Romanis necata videretur
imperio. Diocletianus itaque, oppressus tantorum clade bellorum,
Maximianum ex Caesare fecit Augustum eumque adversus Quinque-
gentianos ad Sitifensem misit, qui edicto suo universos ad auxiliuin
milites convocaret". Eine solche umfassende historische Einleitung
ist in Martyrien ganz ungewöhnlich K „Typasius qui iam dignis
stipendiis inter commilitaneos militabat". „Claudio comite, pro-
vinciae duce". „Maximianus edictum per Afticam misit, ut demo-
lirentur ecclesiae, incenderentur divinae legis Codices, turificarent
sacerdotes et populi". Die Passio ist wohl noch im 4. Jahrhundert
geschrieben und geht in ihren mittleren Partien auf die Proto-
kolle zurück, während die lange Vorgeschichte und der Schluß
legendarisch sind.
1) Cf. den Schluß (c. 8): „lesus Christus .... Diocletiani et Maximian!
ademit imperium. nam quotiens accipiebant diademas et purparas, confestim
graviter vexabantur, ut nee cibum caperent nee somno reficerentnr nee respiwre
nee super genua sua consistere aut vivere penitus potuissent; quotiens auteni
privati fuissent, recipiebant invalidi sanitatem. cum autem se vidissent multo
iam tempore tali contagione tabescere, sponte sua deposuenint omamenta
regalia, quod noc autea nee postea factum est, manu sua qui eis succesäeraut
tradiderunt, et in possessionibus, imperantibus aliis, privati \'ixerunt. sed Maxi-
mianus, qui persecutionis huius fuerat princeps, dum sub praetextu inimicitiarum
Maxcntü filii sui Constantino imperatori genero suo pararet insidias, detectus
per Faustam filiam suam, quae dolura marito renuntiaverat, profiigit Massiliaequ«.*
oppressus [ea] causa Constantini iussu est peremptus".
n. Eirohenreohtliohe Litterator.
Kiixhenrechtliche Bestimmungen im engeren Sinn und in schrift-
lich fixierter Form hat es im 3., ja schon im 2. Jahrhundert ge-
geben. Von autoritativen Bischöfen und Synoden sind sie nur zum
Teil ausgegangen. Was sich aÄf bestimmte Urheber zurückführen
läßt, ist an seinem Orte genannt worden ^ Aber darüber hinaus
hören wir von Kanones, die wir nicht genauer zu fassen vermögen,
und sind uns Schriften überliefert, deren Verfasser und Ursprung
wir nicht kennen.
Was das Erste betrifft, so sei an zwei illustre Beispiele er-
innert Wir lesen in Hippolyts Ref utat. IX, 1 1 von dem römischen
Bischof Zephyrin, daß er ajteigog rcov kxxXrjöiaorixcip oqcop ge-
wesen sei'^. Was sind das für Bestimmungen gewesen und in
welcher Form existierten sie? Die Väter von Nicäa aber haben
in ihren Feststellungen sich wiederholt auf „den Kanon", „den
kirchlichen Kanon", „dieDogmata [Feststellungen] der apostolischen
und katholischen Kirche", „das alte und kanonische Gesetz", „die
Bestimmung" [ogog] berufen (c 2. 5. 6. 9 [10]. 13. 15. 16. 18. 19).
Wir wissen nichts darüber, was das für Kanones gewesen sind,
ob und wie sie zusammengeordnet waren, welches Geltungsgebiet
sie hatten und woher ihre Geltung stammte. Nur das wissen wir,
daß sie bestimmt fixiert gewesen sein müssen; denn c. 18 wird
6 xavciv ausdrücklich wie von rj avpi^O-eia {coöjibq ovxb o xavcov
OVT6 rj Cvvrid-Bia jtaQiöcoxe) so von ra^ig {jtaQa xavova yaQ xal
jtaga xa^iv iöxl xo yivofievov) unterschieden. Ganz vergeblich
1) Für das 2. Jahrb. sei an die Didache und an die Quellenschriften der
sog. Apostolischen Kirchenordnung erinnert, für das dritte an Bestimmungen
kleinasiatischer (Ikonium, Synnada, Ancyra, Neoc&sarea), syrischer (Antiochien),
römischer und afrikanischer Synoden, feraer an den Kanon des Heraklas von
Alexandrien, an die Bußbestimmungen verschiedener Bischöfe usw.
2) Hierzu ist auch Ep. Clem. ad Jacob. 2 und 19 zu vergleichen, wo Petrus
von Clemens sagt, er sei Blöihq xhv ttjq ixxXrjaiag xavova (in bezug auf das
Binden und Lösen).
4^4 ^^' Kirchenrechiliche Litteratur.
waren bisher alle meiDC Bemühungen, das hier bestehende Bitfd
zu losend
In Betracht kommen für unsere Untersuchung (l)diesog.ÄpoElt-
lische Kirchenordnung, (2) die sog. Apostolische Didaskalia — m
besonders wertvolles Werk — und (3) Kirchenrechtliches nirte
dem Namen des Hippolyt .^
1) Die sog. Apostolische Eirchenordnungl
In dem 1. Teile dieser Littei*aturge8chichte S. 451— 466 habe
ich auf Grund meiner früheren Untersuchungen^ ausfuhrlich Be
rieht über den Gang der Forschung in bezug auf dieses merk-
würdige Buch und den Stand derselben erstattet^. Diese Dir
legungen brauche ich nicht zu wiederholen. Das Material ist seit-
dem bereichert worden. Nicht nur sind in Neapel und Paris
Zwillingskodizes zum Ottobon. Gr. 408 (Neapol. 6r. 93 11 C S
saec. XI^^ vel XIII. und Paris. Gr. 1555 A saec XIV.) hinn-
getreten ^ -- das bedeutet nicht viel — , sondern auch die syrischen
1) An die sog. ,, Apostolischen Eanones" ist sicher nicht eu denken; denn
sie sind jünger. — Der in c. 2 angezogene kirchliche Kanon bestunmt^ daß der
Taufe eine längere Unterrichts- und PrQfimgBzeit vorangehen müsse (ob & I
sich am Schluß auf einen früheren Kanon bezieht, ist zweifelhafte. Der in (■ '
angezogene Kanon besagt, daß, wer von den einen ausgeschlosst^n ist^ nicbt
von d«'n andern wieder aufgenommen werden soll. Der c 6 blickt auf f'»^''
Bestimmungen ül)er die Bischofswahl zurück, ebenso der c. 9. Der c. 13 ?agT-
daß „das alte und kanonische Gesetz" die Wiederaufnahme Gefallener in ca-^
mortis gebiete. Der c. 15 blickt auf einen Kanon zurück, der bestimmt«, oLiß
kein Bipchof oder Priester oder Diakon von einer Stadt zur andern übergt-beu
soll, der v. 10 auf einen ähnlichen, der verbot, daß Oeistliche (inkl. niede:-
Kleriker) überhaupt ihre Kirchen verlassen. Nach c. 18 widerstreitet es ,A^
Kanon", daß Diakonen den Priestern die Eucharistie reichen. Nach c. 10 gi"'*
es einen ,"0()og", daß die Anhänger Pauls von Samosata wiedergetauft werdet:
müssen, weim sie in die katholische Kirche aufgenommen werden wollen. Di-
als „altes und kanonisches Gesetz" bezeichnete Bestimmung in c. 13. diß
(gefallene in casu mortis wiederaufzunehmen sind, kann nicht Yor dem J. l!'l
getrofien worden sein. Dasselbe gilt von der Bestimmung gegen die Anhänsrer
Pauls von Samosata. Daher werden wohl die meisten angezogenen Kanoof«
erst aus der 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts stammen (von den großen orl''^
talischeu Jr^ynoden, die zwischen 251 und 268 gehalten worden sind?).
2) Üljer den ursprünglichen Titel kann man nicht ins klare kommen, lui
Vindob. lauti^t er: Ai öiazayal al öia KXtj/iBvtog xal xavoveg ixxJiijütaatüiol
twv ay. dnoovoXwv.
3) T.'xte u. Unters. Bd. II, 1. 2 und II, 5.
4) Vgl. auch den 1. Band der Chronologie S. 532. 712,
5) Von jenem besitze ich die Varianten; diesen hat Schermaun ^Orit•n^
Christ. Bd. 2, 11X)2. S. ;{9SfF.) beschrieben.
Die sog. Apostolische Kirchenordnung. 435
^ Zeugen haben sich vermehrt ^ nnd vor allem hat Hauler in einem
Veronenser Palimpsest unsere KO. lateinisch nachgewiesen 2.
Für die Beurteilung der Schrift — wenn man davon absieht,
i daß die lateinische Version, die Hauler in die 2. Hälfte des
« 4< Jahrhunderts setzt, den früher schon wahrscheinlichen terminus
^ quem bestätigt — hat das alles nichts ausgetragen. Auch der
Text erscheint weder durch die Syrer noch durch den Lateiner
^ wesentlich verbessert. In bezog auf das Alter der Schrift in
ihrer gegenwärtigen Gestalt besteht noch eine kleine Kontrovei'se.
, Achelis', Ehrhard^ und Bardenhewer* wollen nicht über
das J. c. 300 heruntergehen, während ich auch den Anfang des
4. Jahrhunderts offen gelassen, ja ihn empfohlen habe^ und Funk,
der früher das Büchlein bis in die erste Hälfte des 3. Jahrh.
hinaufgerückt hatte, sich mir angeschlossen hatl Eine sichere
Entscheidung ist nicht möglich. Sicher ist nur, daß um 350 der
terminus ad quem liegt ^ und daß der terminns a quo nicht vor
c. 250 fallen kann. Innerhalb dieses Zeitraumes aber liegt es
näher, die zweite Hälfte zu bevorzugen, weil wir erst im 4. Jahr-
hundert für diese Art, auf die einzelnen Apostel Anordnungen zu
verteilen, Beispiele haben, und weil, wie Funk richtig bemerkt,
die Schrift den apostolischen Konstitutionen formell näher steht
als der Litteratar des 3. Jahrh., soweit sie uns bekannt ist. Die
Gründe, welche Achelis angeführt hat, um das 3. Jahrh. zu be-
haupten, hat Funk widerlegt (ünbekanntschaft mit der Metro-
1) S. Baumstark, Widmung des Kollegiums des deutschen Campo Santo
an den Internat. Archäol. Kongreß, 1900, S. 15 ff. (Cod. Mus. Borg.). Arendzen,
Joum. of Theol. Stud. Bd. 3, 1900, p. 59 ff. (Cod. Malab. üniversit. Canterb, und
Cod. Mosul.), dazu Nestle, Theol. Litt.-Ztg. 1902 Nr. 1 Kol. 1. Zur koptisch-
arabischen Gestalt 8. Riedel, Die Kirchenrechtsquellen des Patriarchats
Alexandrien, 1900, S. 21 f. 69 f.
2) Didascal. Apost. fragm. Veron. Lat. Accedunt canonum qui dicuntur
apostolorum et Aegyptiorum reliquiae, fasc. I, 1900 p. 92 ff. Erhalten sind die
CO. 18—30.
3) In der Protest. REnzyklop.3 Bd. 1 S. 730 ff.
4) Die altchristl. Litteratur, 1900, S. 530 f.
5) Gesch. der altkirchl. Litt. Bd. 2 S. 202 ff'.
0) texte u. Unters. II, 1. 2 S. 218f.
7) Kirchengesch. Abhandl. u. Unters. 2. Bd., 1899, S. 249 f. Funk meint
jetzt, die Schrift sei von dem Anfang des 4. Jahrh. eher etwas zu entfernen
als ihm nahe zu rücken; man könne sehr wohl in die nachnicänische Zeit gehen.
8) Die Hypothese der Identifizierung unserer Schrift mit der Schrift, die
Hufin (Comm. in symb. apost. 38) „Duae viae vel ludicium Petri", Hieronymus
(De vir. inl. 1 ) „ludicium Petri" genannt hat, verstärkt diesen durch die Existenz
der lateinischen Version gebotenen Terminus. Jene Hypothese aber ist durch
die Auffindung der Version erst wirklich wahrscheinlich geworden.
4g6 ^^* Kirchenrechtliche Liiteratar.
politauverfassung nnd den Clerici minores). Man wird der Wah^
heit am nächsten kommen, wenn man 300—350 als Abfassongszeit
bestimmt. Der Abfassangsort wird immer noch am sichersten in
Ägypten gesucht. Dort sind die Quellen unserer Schrift, Didache
und Bai*Dabas (auch I Clemens) am höchsten gehalten worden i; dort
finden wir die Unterscheidung von Petiois nnd Eephas, wie sie unsere
Schrift macht, nämlich bei Clemens Alex, (doch ist ihm Eephas
nicht, wie in der KO., ein Zwölfapostel, sondern einer der Siebzig).
Das ist etwas so Singuläres^, daß wir allein deshalb an Ägypten
festhalten müssen. Dorthin weist auch das Interesse für Martha
und Maria und der Hauptstamm der Überlieferungsgeschichte.
Daß sich in Syrien die Schrift ebenfalls findet, hat nicht die gleiche
Bedeutung; denn nur bei Kopten und Abessyniem ist sie kirch-
liches Rechtsbuch gewesen und geblieben. Wäre sie in Syrien
entstanden, so wäre auch schwerer erklärlich, daß sie so bald
ins Lateinische übei*setzt worden ist. Ägypten and Eom gehörten
im 4. Jahrhundert zusammen, nicht Syrien und Rom. Auf die
Didaskalia darf man sich dagegen nicht berufen; denn diese ist
älter als unsere Schrift; die lateinische Übersetzung der Didaskalia
kann daher noch in die kurze Episode fallen, da Antiochien und
Rom sich näher traten (Zeit Aurelians); sie kann aber auch ftst
ein Jahrhundert später sein als das Original (Hauler)'.
Das eigentliche Problem, welches die Apostolische KO. bietet —
sie ist aller Wahrscheinlichkeit nach bestimmt gewesen, die alte
Didache zu verdrängen — , sind die Quellen des zweiten Teils (der
erste ist nichts anderes als eine Reproduktion der „beiden Wege*,
wir wir sie aus der Didache und verwandten Stücken kennen).
Ich habe zu zeigen versucht, daß der Verfasser zwei kirchen-
reclitliche Quellenschriften des 2. Jahrhunderts und dazu eine ganz
singulare Apostelliste benutzt hat Duchesne^, Funk* und
Achelis^ haben dem widersprochen. Ich kann, nachdem ich ner-
1) Funk (a. a. 0. S. ^oO) bemerkt: „Eine der QueUen der KO, «I'T
Barnabasbrief, gehört wohl Ägypten an. Zur Zeit ihrer Entstehung war aWr
derselbe bereits so verbreitet, daß seine Benutzung für die Heimat der KO nicht?
beweist". Das ist zu viel gesagt.
*J) Die Apostellistc ist auch sonst merkwürdig: Johannes und Matthäus
stehen voran (gewiß als Evangelisten), dann folgen Petrus und Andn^as; «li-
8. Stelle nimmt Nathanael ein.
li) Anderes, was auch für Ägypten angeführt werden kann, s. Text«? una
Unters. II, 1. 2 ^. 210 f.
4) Bullet, critiquo Bd. 7, 18SC, p. 367 ff.
r>) A. a. 0. S. 230 ff. und schon vorher in der Tüb. Quartalschr, Bd. '>'.
1.SS7, S. 270 ff
0) 0. a. 0.
Die sog. Apostolische Eirchenordnung. 487
liial Über die Frage gehandelt habe, nicht wieder das ganze Problem
aufrollen. Daß die doppelte Instruktion in bezug anf die Diakonen
(c. 20 u. 22, getrennt darch eine Instruktion über Witwen), die z. T.
sich deckt, methodisch durch die Annahme einer Quelle erklärt
werden muß, sollte man nicht in Abrede stellend Wie weit diese
Quelle reicht und in welchem Maße der Redaktor sie verändert
hat, darüber läßt sich ganz Sicheres natürlich nicht sagen. Aber
am nächsten liegt es doch — da anf die Diakoneninstruktion eine
Anweisung für die Laien, dann für die Weiber folgt, und in dieser
sich ein so altertümliches Stück findet, wie die Wechselrede von
Martha und Maria, dazu ein apokryphes Herrnwort — , alles Fol-
gende bis c. 28 zu der Quelle zu rechnen. Doch auch die Ab-
schnitte, in denen die erste Diakoneninstruktion steht (c, 16—21),
können nicht erst im Anfang des 4. Jahrhunderts konzipiert sein.
Oder waren im 4. JahrL Laien aus Nachbargemeinden bei der
Bischofsauswahl beteiligt? (c. 16). Stand im 4. Jahrhundert der
Lektor vor dem Diakon? (c. 19. 20). Haben die Bestimmungen
über Presbyter (c. 17. 18) — Funk deutet sie z. T. auf Diakonen —
im 4. oder 3. Jahrhundert irgendwelche Analogien? Wurden im
3. Jahrhundert Witwen „zum Empfang von Offenbarungen" ein-
gesetzt, so daß sie als die Geistträger in der Gemeinde erscheinen?
So wird es dabei bleiben, daß, wie die erste Hälfte des Buches
auf Quellen ruht (und zwar auf solchen des 2. Jahrhunderts), so
auch die zweite. Nur so ist auch das ganze Unternehmen, welches
sonst eine Fälschung von exorbitanter Dreistigkeit wäre, verständ-
lich. Der Redaktor hatte Quellen vor sich, die sich teils selbst
als apostolische bezeichneten oder so verstanden werden konnten
{Aiöaxri xmv ajtoöx6X(Dv\ teils in das graueste Altertum und darum
bis in die apostolische Zeit zurückzureichen schienen, da ihr In-
halt dem der Pastoralbriefe so nahe stand. Auf Grund dieser
Quellen hat er es gewagt, unter Umformungen das vorzulegen, was
er uns als „Kirchliche Kanones der h. Apostel nach dem Befehl
des Herrn Jesu Christi" vorgelegt hat. Wie viel er dabei ge-
ändert hat, läßt sich nicht mehr sagen — es war vielleicht mehr,
als ich nachgewiesen habe. Demgemäß läßt sich auch die Zahl
seiner Quellen mit Sicherheit nicht mehr angeben. Jedenfalls
stammt diese gefälschte Apostolische Kirchenordnung nicht aus
einer der großen christlichen Hauptgemeindeu; in einem Winkel
muß sie entstanden sein, hat sich von dort — dank ihrer Maske —
verbreitet und ist zu Ansehen gelangt. So wie er lautet, konnte
ihr kirchenrechtlicher Bestandteil im 5. Jahrhundert und den fol-
1) Anerkannt von Achelis S. 731 und, wenn auch zweifelnd, von Funk.
4gg IL Kirchenrechtliche Literatur.
genden nirgendwo, soviel wir zu urteilen vermögen, einem Be
dürfnisse entgegenkommen. Es kann lediglich die apostoliscte
Maske gewesen sein, die die Schrift in die Höhe gebracht und aaf
ihr erhalten hat. Einzelnes konnte man ihr freilich zu allen Zei:«n
auch später noch entnehmen.
2) Die sog. Apostolische Didaskalia^
Daß das uns nicht erhaltene griechische Original dieser einzig-
artigen Schrift, welche in einer syrischen Version (mehrere unter
sich differierende Handschriften sind allmählich aufgetaucht) und
1) Bötticher (Lagarde), Didascalia App. syriace, 1854. Versuch einer
griech. Rückübersetzung von demselben in Bunsens Analecta Antenic. Bd. 2,
1854. Harnack In d. Texten u. Unters. Bd. 2 H. 1. 2, 1884, S. 241—268 und
H. 5, 1886, S. 76f. Derselbe, Gesch. der altchristl. Litt. Teil I, 1893, S. 51o&
Derselbe in d. Stud. und Krit. 1893 S. 403flE'. Derselbe in d. Texten und
Unters. Bd. 9, H. 2, 2. Aufl. 1893: Apost. Didask. und Petrusev. S. 40ff. Funk.
Die apost. Konstitutionen, 1891, S. 28 ff. Derselbe, La date de la Didascalie
des apötres (Extr. de la Revue d^Hist. eccl^iast. II nr. 4, 1891). Derselbe in
d. Tüb. Quartalschr. 1893 S. 259f. 594ff.; 1903 S. 195ff. Hauler, Eine lat.
Palimpsestübersetzung der Didasc. App. (Sitzungsber. d. E. Akad. d. Wiss. in
Wien, Bd. 134, 1896). Derselbe, Didasc. Apost. fragmenta Yeronensia Latina,
1900 (dazu Corssen in d. Ztschr. f. Nlliche Wissensch. 1900 S. 339 ff. und in
d. Berliner Philol. Wochenschr. 1900 Nr. 39. 40). Zahn, Neue Funde aus der
alten Kirche (Die lat. Didaskalia, Neue kirchl. Zeitschr. Bd. 11, 1900, S. 431 ff.'.
Kattenbusch, Das apost. Symbol Bd. I, 1894, S. 252ff. 394, Bd. 2, 1900, S. 2Cr2tf.
Holzhey, Die Abhängigk. d. syr. Didask. von der Dida^he (Compte rendu du
4. Congr^s scient. intemat. des Cathol., 189S, Sect. I p. 249 ff.). Derselbe, Die
beiden Rezens. der Ignatius-Briefe und d. apost. Didask. (Tüb. Quartalschr. 1898
5. 320 ff.). Derselbe, Dionys. v. Alex, und die Didask. (Theol. prakt. Monats-
schr. 1001 S. 51 5 ff.); s. zu Holzheys Hypothese Achelis in d. Theol. Litt.-
Ztg. 1898 Nr. 16. Ehrhard, Die altchiistl. Litteratur, 1900, S. 523 ff. Riedel,
Die Kirchenrechtsquellen des Patriarchats Alexandrien, 1900, § 22, S. l*>4f.
Nau, Ancienne litt^rature Syriaque I, Extrait du „Canoniste Contemp." Febr.
1901 bis Mai 1902: Französische Übersetzung der syr. Didask. [von mir nicht
eingesehen]. Gibson, The Didasc. Apost. in Syriac, ed. from a Mesopot. Ms.
[ann. 1036 p. Chr.] with various readings and collations of other Mss. [einer
Cambridger Hdschr. und einem Ms. Mus. Borg., s. über diesen Nau]; dazu eine
englische Übersetzung der syr. Didask. (Horae Semit. Nr. 1. 2, 190.3); dazu:
Wellhausen i. Gott. Gel. Anz. 1903 S. 258ff. Nestle in d. Ztschr. f. NTliehr»
Wissensch. 1901 S. 151 f., in d. Theol. Litt.-Ztg. 1903 Nr. 14 und in The
American Journ. of Theology Bd. 7 H. 4, 1903, p. 750. Böhmer-Romundt
in d. Ztschr. f. wissensch. Theol. Bd. 4Ü, 1903, S. 375 [Opus imperf. u. Didasc.].
Achelis, Art. „Apost. Konstitut." in der Protest. REnzykl.s Bd. 1, 1890, S. 734ff.
Derselbe, Theol. Litt.-Ztg. 1890 Kol. 540f. Derselbe und Flemming, Die
syrische Didaskalia übersetzt und erklärt (Texte u. Unters. Bd. 25 H. 2, W.^].
Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. Bd. 2, 190.S, S. 2.55ff.
Die sog. AposioliBche Didaskalia. 4g9
in einer altlateinischen Übersetzang (nach Hau 1er saec. IV.; Ms.
saec. VI. init) vorliegt* und die Grundschrift der sechs ersten
Bücher der apostolischen Konstitutionen bildet, dem 3. Jahrhundert
angehört, wird ni. W. von Niemandem bestritten. Leicht läßt sich
in der Tat sowohl der terminus a quo als ad quem bestimmen. Eine
im Orient, näher in Syrien oder Palästina oder Arabien, verfaßte
Schrift, die mit den Worten beginnt: „Die Pflanzung Gottes und
der heilige Weinberg seiner katholischen Kirche" usw., die
die Didache, die Ignatiusbriefe, das Petrusevangelium (s. meine
Nachweisungen i, d. Texten u. Unters. Bd. 9, H. 2, 1893), die Acta
Pauli (der Häretiker Kleobius, s. c. 23, Achelis, Ausgabe S. 121)
und eine ausgebildete Gestalt der Simonsage (a. a. 0.) benutzt ^ —
kann nicht vor + 200 niedergeschrieben sein^. Umgekehrt, eine
Schrift, die von den Audianern (zweites Viertel des 4. Jahrh.) hoch-
geschätzt wurde ^, die Epiphanius für Gottes Wort erklärte, wenn
er auch wußte, daß ihr apostolischer Ui'sprung bestritten war ^ die
1) Die von Achelis gebotene deutsche Übersetzung ruht auf dem ganzen
kritisch durchgearbeiteten Material, s. den Apparat S. 146—235 und die Ab*
handlungen S. 243 ff.
2) Vielleicht auch die Acta Petri, s. Schmidt ind. Texten u. Unters.
Bd. 24 H. 1 S. 146 f.
3) Man beachte auch die Ausbildung, welche die Häresie erlebt hat. Häre-
tische Gemeinden gibt es ringsum, und sie bilden eine stetige Gefahr. —
Folgende Schilderung (c. 18 S. 89 Achelis) spricht auch dafür, den term. a
quo (um 200) nicht zu verlassen: „Sie [von laxen Bischöfen ist die Rede] nehmen
Geld zur Beschaffung des Unterhalts der Waisen und Witwen von Reichen,
die Leute im Gefängnis halten oder ihre Sklaven schlecht behandeln, oder hart
auftreten in ihren Städten oder die Armen drücken, oder von Verabscheuungs-
würdigen, oder solchen, die ihren Leib schändlich mißbrauchen, oder von Übel-
tätern, oder von denen, die hinwegnehmen oder hinzufügen, oder von frevel-
haften Verteidigern, oder von ungerechten Anklägern, oder von parteiischen
Rechtsgelehrten, oder von denen, die mit Farben malen, oder von denen, die
(lötzenbilder verfertigen, oder von spitzbübischen Gold-, Silber- und Erzarbeitem,
oder von Mördern oder von Henkern des Gerichts oder von jeder Obrigkeit des
römischen Weltreichs, die sich in den Kriegen verunreinigten usw."
4) Bei Epiphan., haer. 70, 10 f. Die Audianer sind in Ostsyrien begründet
worden und haben sich durch Verbannung ihres Stifters nach Skythien (zu den
Goten) verbreitet.
5) Epiphanius ist der einzige griechische Kirchenlehrer, der unsere Schrift
kennt und zitiert, und zwar zitiert er sie unter dem Namen jy/Jiaxd^eig [Aid-
Taftc] TöJv dTiooxoXwv**^ 8. haer. 45, 4; 75, 0; 80, 7; 70, 10 f. An erst-er Stelle
schreibt er: dkkd xal ol dnoaroXoi (paaiv iv ry Jiaxd^fi xy xaXov/uiivrj oxi'
4^vxeia &sov xal dfineXwv rj xa&oXixrj ^xxXrjoia (s. Didask. c. 1, Achelis S. 1).
An zweiter: el 6h xal XQV ^o xfi<; /Jiaxd^sojg xwv dnooxoXwv /Jysiv, nwq ixet
w(}iZovxo x€Tgd6a xal ngoodßßaxov vrjoxelav öia navxoq x^Q^^ nevxrjxoaxfjQ
xxX. elxa 6h si fiij negl xrjg avxrjg vno^ioswq xsxgdöwv xal ngooaßßdxwv ol
490 ^^* Kirchenrechtliche Litteratur.
der Verfasser des Opus imperf. in Matth. gekannt und für eine
echt apostolische Schrift gehalten zu haben scheint^, die in der
zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts oder etwas später ins Latei-
nische übersetzt worden ist^ und die in bezug auf den Schrift-
gebrauch die merkwürdigsten Archaismen aufweist (& u.), kano
nicht später als + 300 verfaßt sein^.
Innerhalb des 3. Jahrhunderts muß man aber der Zeit zwischen
250—300 den Vorzug geben, wenn man die Schrift in der Ge-
stalt beurteilt, wie sie beim Syrer, d. h. in dem Cod. Sanger-
raanensis, vorliegt Das habe ich bereits im I. Teil dieses Werks
S. 516 behauptet; Funk hat es früher bestritten und setzte die
Schrift in den Anfang des 3. Jahrhundeils, bez. in die erste Hälfte
desselben. Allein jetzt („La date de la Didascalie des apötres",
1901) hat er mir beigestimmt. Entscheidend ist, daß der Abschnitt
avrol dnoaroXoi iv xy /JiazdSei ^Xeyov xvk, (s. Didask. c 21 S. 107). An dritter:
xal negl jahv ovv xov yevelov iv xalg diaxd^eai xcüv ctnooroXcifv g>aoxei 6 d^eto;
XoyoQ seal ^ öiöaaxalla fjitj q>&eig€iv, xovxiaxi fjifj xs/ivety xqIxcl^ yevclov ß^St
kxatgiofxip xaxaxoofjiBla^ai fXTfdh vnsQritpavlaq vnoSeiy/ia ötxaioauvijg xr^v ngoci'
Xsvaiv ^x^iv (6. Didask. c. 2 S. 4 f.). An letzter: slg xovxo ^ xal ol avxoi
Avötavol naQaipigovai r^v xwv dnotnoXotv didxa^iv^ ovoav fihv xoTg noXlol;
iv diLi(pi)Jxx(p, aAA' ovx dSoxifxov. näoa yäg iv avxy xavoytxri xd^iq
ifx(piQexai xal ovö'kv nagaxfx^Q^Yß^'^^'*' ^^? nlaxewg ovSh x^g
ofAoXoylaq (das Folgende bezieht sich auf Didask. c. 21). Übrigens zitiert
Epiphanius nicht etwa die Texte, wie sie in den App. Constit. I — VI vorliegen :
er hat vielmehr wirklich unsere Didaskalia im Auge, aber der Text, der ihm
vorlag, deckte sich nicht vollkommen mit dem uns durch den Syrer und den
Lateiner gebotenen.
1) Er zitiert sie unter dem Namen „Liber Canonum Apostolorum", s. zu
Matth. 0, 3 (Migne, Ser. Gr. T. LYI p. 707): „Aliter certe, sicuti apostoli
interpretantur in libro Canonum, qui est de episcopis: dextra est populu»
christianus, qui est ad dextram Christi, sinistra autem omnis populus, qui est
ad sinistram. boc ergo dicit: ne Christianum facientem eleemosynam, qui est
dextra, infidelis aspiciat, qui est sinistra; Christianus autem si Christianum
viderit eleemosynam facientem, non est contra Christi praeceptum, quoniam
ambo dextra sunt". Dazu zu Matth. 25, 18 (1. c. p. 935): „Quomodo autem
quidam sacerdotes ex hominibus ordinantur, manifeste in libro octavo Canonum
Apostoloiiim dicitur". Das Opus imperfectum ist von einem arianischen Exe-
geten verfaßt, vielleicht von einem gotisch-lateinischen. Denn es ist wohl nicht
zufällig, daß die Didaskalia sowohl den unter Goten lebenden Audianem (s. o.)
als auch dem Verfasser unseres Kommentars bekannt ist. Das erst« Zitat be-
zieht sich auf Didask. c. 15 S. 82. Das zweite kann nur unsicher auf Didask.
c. 8 bezogen werden; Zahn (Forschungen III S. 283) glaubt, Const. Apost. VIII, -
sei gemeint. Auch das erste Zitat stinunt nicht ganz wörtlich mit dem Syrvr
überein.
2) Sicher ist die Ansetzung Haulers (2. Hälfte des 4. Jahrhunderts) nicht.
3) Das Heidentum erscheint als herrschend. Märtyrer c. 19.
Die sog. AposioliBche Didaskalia. 491
Über die Behandlaog der groben Sünder in c. 6 (Achelis S. 19—27)
unmöglich vor der Entscheidung der novatianischen Kontroverse
im Sinne der milden Praxis geschrieben sein kann^ Dies ist
auch deshalb sicher, weil wir durch Eusebius wissen, daß im
führenden Episkopat des Orients noch um 250 sehr starke novatia-
nische Neigungen vorhanden waren, die nur mit großer Mühe über-
wunden werden konnten 2.
Aber es ist nichts weniger als sicher, daß uns die
Schrift im Sangermanensis-Latinus in ihrer ursprüng-
lichen Gestalt vorliegt; denn
(1) Schriften, wie die unsrige, voll konkreter Einzelbe-
stimmungen, den Bedürfnissen der Gegenwart entgegenkommend,
werden, wie ein Dutzend von Beispielen lehrt, immer aufs neue
verändert, vermehrt, verkürzt und umgearbeitet; daß man die
älteste Gestalt in die Hand bekommt, ist ein Glücksfall, so selten,
wie die editio princeps eines vielgebrauchten Katechismus,
(2) Die Übereinstimmung des Sangermanensis und Latinus, die
übrigens auch nicht überall zusammengehen (s. Achelis S. 250),
garantiert nicht die Urgestalt, sondern nur die recensio einer be-
stimmten, freilich sehr alten Zeit,
(3) Die Zitate des Epiphanius stimmen mit Sangermanensis und
Latinus nicht vollkommen überein,
(4) Die Abschnitte über die laxen Grundsätze bei Behandlung
der groben Sünder im Sangerm. und Latinus (c.6 und c. 11, Achelis
S. 32) widersprechen der Bestimmung in c. 5 (S. 18 Achelis):
^Denn wir glauben nicht, 0 Brüder, daß, wenn jemand in das
Wasser hinabgestiegen ist, er wieder die verabscheuungswürdigen,
unreinen Handlungen der frevelhaften Heiden begehen wird. Denn,
das ist offenbar und jedermann bekannt, daß jeder, der nach der
Taufe Böses tut, schon zum Höllenfeuer verdammt ist" — ,
1) Funk will die Ablehnung der Grundsätze des Novatianismus noch
immer nicht in der Didaskalia sehen. Er behauptet, die hierarchische Kon-
stitution der Kirche, wie sie in dem Buche vorliege, führe in die zweite Hälfte
des 3. Jahrhunderts. Aber a. a. 0. p. 7 hat er doch Folgendes bemerken
müssen: „II me semble toujours douteiix que F^crit fasse allusion au Nova-
tianisme, ou qu41 le combatte sans le nommer. Cette maniere de voir ne
ß'appuie sur aucun argument d^cisif, et il n^est pas impossible que l'agitution
novatienne fftt d6jä, trop loin de Vauteur pour qu'il ait senti le besoin de prendre
Position contre eile. Quoi qu'il en soit, la cl<5mence que montre Tauteur de la
Didascalie dans la conduite ä. tenir vis- k- vis des p6cheurs est teile, qu'il y a
tout Heu de placer P^crit plutöt apr^s qu'avant le milieu du IJle si^cle". Mehr
>)edarf es nicht.
2) Rom und Alexandrien haben sich mit Erfolg bemüht, den Orientalen
die novatianischen Neigungen auszutreiben.
492 • ^* Kirchenrechiliohe Litteratur.
(5) Die Abschnitte über die laxen Grundsätze bei Be-
handlung der groben Sünder finden sich in den apost.
Konstitutionen nicht,
(6) C. 14, S. 75, 18f. wird die zweite Ehe rund gestattet, aber
in den übrigen Ausfuhrungen dieses Kapitels gilt die zweite Ehe
als eine Schmach,
(7) Der nur c. 9 S. 50, 3 erwähnte Subdiakon scheint ein Zu-
satz zu sein, da Subdiakonen an Stellen, wo sie genannt sein
müßten, fehlen \
(8) Das Johannes-Ev. ist — abgesehen von einer Stelle, c. 16
(Achelis S. 86), vgl Joh. 13, 4 ff, — in der Didaskalia nicht als
evangelische Instanz benutzt; dieser ganze Abschnitt (Achelis
S. 85, 36—87, 11) aber fehlt (neben vielen anderen Auslassungen)
im Syrus Harrisianus. An sich will das Fehlen in diesem Kodex,
der von ganz willkürlichen Auslassungen wimmelt (s. Achelis
S. 252 ff.), nichts besagen. Aber da die Perikope fiberflüssig ist
und da, wie bemerkt, nur in ihr das Johannes-Ev. als evangelische
Quelle benutzt ist, so legt sich die Vermutung nahe, daß die Aus-
lassung im HaiTisianus in diesem Falle nicht zufällig ist-^.
Es ist also recht wahrscheinlich, daß wir im Sangerni.-Latinus
nicht die älteste Gestalt der Didaskalia vor uns haben ^. Dies ist
stets meine Meinung gewesen, weil diese Schrift Eigentümlichkeiten
aufweist, die uns spätestens in die erste Hälfte des 3. Jahr-
hunderts zurückführen*; ja auch in diesem Zeitraum erscheinen
sie noch etwas paradox. Ich habe vor allem die Stellung zum
Neuen Testament im Auge \ Der Verfasser braucht als Instanzen
nur die synoptischen Evangelien (und das Petrusevangelium), wahr-
1) Bereits Funk, Apostol. Konatit. S. 50, hält es nicht für unwahrschein-
lich, daß der Subdiakon interpoliert ist. Wie steht es femer mit denDiakonis^n?
Sind nicht auch sie interpoliert? Haben wirklich in einer Gemeinde Wit-wen
und Diakonissen in der Weise nebeneinander gestanden, wie wir nach dem uns
überlieferten Text annehmen müssen?
2) S. Wellhausen, a. a. 0.
3) Auch Wiederholungen fehlen nicht, und die ganze Anordnung macht
nicht überall den Eindruck, ursprünglich zu sein. — Ist eine Urgestalt anzu*
nehmen, die hinter Sangerm.-Latinus liegt, so werden wohl auch die klerischt-n
Bestimmungen nicht unbetroften geblieben sein. Funk hat wahrscheinlich
recht, daß diese Bestimmungen, wie wir sie jetzt lesen, der zweiten Hälfte de^
3. Jahrhunderts angehören.
4) Ausscheidungen von Interpolationen wirklich vorzunehmen, getraue ich
mir nicht. Wir wissen nicht, ob es sich um solche handelt oder um leichte
Bearbeitungen. Jm großen und ganzen ist die Schrift gewiß einheitlich.
5) Auch das Verhältnis zum A. T. bietet Merkwürdiges, doch lasse ich es
hier beiseite.
Die 80g. ApostoÜBche Didaskalia. 493
scheinlich aber nicht (wie bemerkt) das Johannesevangelium K Auch
die Panlusbriefe können noch nicht, mit den Evangelien zu einer
Sammlung vereinigt, für ihn auf der Höhe des Alten Testaments
gestanden haben 2. Damit ist ein Zustand der h. Sammlung (das
A, T. und das Evangelium [Hermwort] sind die h. Schriften) ge-
geben, wie wir ihn — von der Singularität, betreffend das Joh.-Ev.,
abgesehen — mit einiger Wahrscheinlichkeit für einige östliche
Gebiete um das J. 200 feststellen können: neben dem Alten Testa-
ment stehen nur die Evangelien (bez. auch die Apokalypse) ^ Auch
die Stellung zum Petrusevangelium erhält ein gewisses Licht durch
das Verhalten, welches die Gemeinde von Rhossus und der Bischof
Serapion von Antiochien ui^sprünglich zu diesem Evangelium ein-
genommen haben (s. Euseb.^ h. e. VI, 12). Ganz rätselhaft bleibt für
die Zeit um d. J. 200 das Verhältnis zum Johannes-Ev. Mag es
1) Der Index bei Achelis (S. 241) weist außer Joh. 13 (S. 86) und der
Perikope von der Ehebrecherin, die nicht zum Joh.-Ev. gehört hat, noch acht
Stellen aus dem Joh.-Ev. auf; sie beweisen aber nicht mehr (einige von ihnen
beweisen Überhaupt nichts), als daß das Evangelium dem VerfiEtsser nicht un-
bekannt geblieben ist. Dafür, daß der Verfasser das Joh.-£v. zu „dem Evan-
gelium" gerechnet hat, kOnnen sie schwerlich angeführt werden. Es ist also
die oben bezeichnete SteUe in c. 16 (S. 86: Joh. 13) wirklich die einzige, auf
die man die Behauptung zu stützen vermag, der Verfasser befolge unsem Vier-
Ew.-Eanon. Ist es aber die einzige, so ist sie eben dadurch aufs höchste ver-
dächtig: unsere Schrift ist doch sehr umfangreich, und die Zahl ihrer den
Synoptikern parallelen Zitate ist groß — wie will man es erklären, daß sie nur
ein Zitat aus dem Joh.-Ev. bringt, wenn dieses Ev. dem Verfasser formell mit
den drei andern gleichstand? Darauf, daß auch Markus ganz zurücktritt und
daß Matthäus häufiger benutzt erscheint als Lukas, kann man sich nicht
berufen.
2) Paulusbriefe hat der Verfasser gekannt (also wohl alle) und auch hie
und da, wenn auch selten, benutzt, aber eine kanonische Instanz ist ihm Paulus
nicht gewesen, sondern nur „der Herr". Daß das lediglich die Folge seiner
apostolischen Fiktion ist, ist mir sehr zweifelhaft. Ahnlich steht es mit der
Apostelgeschichte ; er benutzt sie, aber er benutzt auch andere Apostelgeschichten.
Der Tatbestand in bezug auf das N. T. scheint mir bei A chelis S. 318 ff. ver-
wischt zu sein. Er glaubt (S. 324) für den Verfasser den vollständigen Kanon
des N. T. konstatieren zu dürfen. Aber eben die Tatsache, die Achelis selbst
feststellt, daß der Verfasser ein 5. (ja nach A. auch ein 6.) Evangelium be-
nutzt und dazu allerlei Apokryphes, hätte ihn zu Erwägungen auffordern müssen,
ob die verschiedenen Bestandteile unseres N. T.s dem Verf. gleichwertig waren,
bez. ob er Überhaupt etwas dem N. T. Ähnliches besaß. Genau genommen sind
übrigens auch für den Verf. nicht die Evangelien die Instanzen, sondern neben
dem A. T. lediglich der Herr oder das Evangelium. Achelis' Meinung, das
Evangelium sei = „das N. T." (S. 333), ist m. E. unrichtig.
3) S. meine Bemerkungen über den Kanon des Theophilus in der Ztschr.
f. KGesch. Bd. 11 (1889) S. 17 ff.
494 II* Eirchenreclitliche Litteratur.
der Verfasser, was nicht unwahrscheinlich, gekannt haben — zam
„Evangeliam" hat er es schwerlich gerechnet Das weist noch
hinter Tatian und ist also sehr paradox. Soll man sich den Tat-
bestand so deuten, daß in der Gemeinde, in der er schrieb, noch
immer eine alte Evangelienharmonie als „das Evangelium'' ge-
braucht wurde, in welcher nicht Johannes, wohl aber Matthto,
Markus, Lukas (und das Petrusevangelium?) zusammengearbeitet
waren? Daß er einer Evangelienharmonie folgt, ist nach der Art
seiner Beziehung auf das Evangelium und seiner so frei erscheinenden
Zitate wahrscheinlich ^ Daß vor Tatian bereits Evangelienha^
monien zusammengestellt worden sind (ohne Johannes), ist eine
Hypothese, die angesichts der Evangelienzitate des 2. Jahrhunderts
(auch des Justin) sich immer mehr empfiehlt Aber daß solche
Harmonien oder eine solche Harmonie sich bis zum Anfang des
3. Jahrhunderts in katholischen Gemeinden erhalten hat, ist anf-
fallend und keine leichte Annahme, über diesen kann man aber
mit dem Buch, auch wenn man einen Kern zu entwickeln versucht
nicht hinaufgehen, es sei denn daß man es sich ganz willkürUch
umformt ^. Der Katholizismus ist dem Buche wesentlich , aber es
ist, wie ich (Stud. u. Krit 1893, S. 404) schrieb, „ein Katholizismus
sui generis, d.h. ein solcher, der sich von dem der großen alt-
katholischen Väter in mehr als einer Hinsicht — vor aUem in
seinen Grundlagen — unterscheidet". Die apostolisch-katholische
Schriftensammlung, die apostolisch-katholische Glaubenslehre, das
apostolische Amt der Bischöfe liegen noch nicht im Gesichtskreis
des Verfassers. Er ist von römischem Einfluß (von der Entwicklnug
der Dinge, wie sie sich zuerst in Rom abgespielt hat und dann in
die Provinzen getragen worden ist) noch unbeeinflußt^.
Nur in Teilen von Syrien oder im östlichen Palästina können
wir fiir die erste Hälfte des 3. Jahrh. einen solchen Zustand an-
nehmen. Dorthin weisen auch andere Spuren. Augenscheinlich
haben die „katholischen" Gemeinden, für die der Verfasser zunächst
1 ) (legeu die Anunhmc einer Evangelienharmonie spricht das ausdrück-
liche Zitat c. 21 S. lOG, 23: „Im Evangelium Matthäus steht". Man muß dem-
gemäß die Kenntnis der getrennten Evangelien neben der Ew. -Harmonie an-
nehmen — eine Annahme, die nicht sehr schwierig ist, da der Verf. ja auch
das Johannesevangelium kennt.
2) Die vorgerückte Zeit, d. h. mindestens die Zeit um d. J. 200, ist überall
in dem Buche ersichtlich, mag man auf die Verflechtung mit der Welt, «ü--
Martyrien, die hierarchische Entwicklung, die Häresie etc. blicken (s. o.).
8) S. mein Lehrbuch der Dogmengesch. P, 1888, S. 402, P, 1894, S.44ö£
vor allem den Satz S. 441: „Die Grundschrift der sechs ersten Bücher «1'^'
apostolischen Konstitutionen kennt noch keinen NTlichen Kanon".
Die sog. Apostolische Didaskalia. 495
geschrieben hat, Juden* und judenchristliche Gemeinden^ neben
sich, und die Warnungen vor judaistischen Einflüssen sind nicht
nur akademische; ein wenig Judenchristentum steckt sogar dem
Verfasser selbst noch im Blute, und seine Sammlung h. Schriften
(A. T. und das Evangelium) deckt sich formell mit der der Juden-
christen. Das fugt sich gut zu der Annahme, daß Syrien oder das
östliche Palästina (Arabien) der Entstehuugsort ist. Hierfür spricht
auch die Tatsache, daß unsere Schrift für uns zuerst bei den
Audianem, bei Epiphanius und in den apostolischen Konstitutionen
auftaucht
Der Verfasser hat nicht für eine Dorfgemeinde geschrieben, son-
dern für eine große (freilich abgelegene) Kirche in großstädtischer
Umgebung mit ihren Lockungen, Versuchungen und komplizierten
Verhältnissen. Dennoch vermögen wir sie nicht zu ermitteln. Eine
griechische war es gewiß und keine syrische. Syrische Christen sind
nirgends ins Auge gefaßt. An eine Küstenstadt nördlich von Cäsarea
— die ganze Küste bis Kleinasien hin steht offen — oder an eine
Großstadt des Ostjordanlandes wird zu denken sein. Vielleicht ist
die römische Provinz Arabien und eine Stadt wie Bostra am meisten
zu empfehlen. Der Verfasser hat für Jerusalem ein Interesse, das
über das allgemein christliche (des 3. Jahrhunderts) hinauszugehen
scheint Die Christen des Ostjordanlandes betrachteten sich wahr-
scheinlich als die Nachkömmlinge der Urgemeinde im besonderen
Sinne. So würde sich die Fiktion am besten erklären. In Älia
selbst aber hat der Verfasser schwerlich geschrieben. Für Arabien
spricht auch die ganz eigentümliche Haltung der Schrift und ihr
besonderer Katholizismus. In den Griechenstädten der syrischen
Mittelmeerküste mit ihrem lebhaften Verkehr und Austausch ist
ein solcher relativer Archaismus zwar nicht ganz ausgeschlossen,'
aber doch schwerer verständlich. Was wir von Origenes über die
arabisch-giiechische Kirche wissen, zeigt uns auch einen bemerkens-
werten Archaismus. Ferner ist die Haltung, welche die Sclirift
in bezug auf Judentum und Judenchristentum einnimmt — ihr
Katholizismus steht dem Judenchristentum nälier als irgendeine
sonst bekannte Spielart des Katholizismus — , dieser Hypothese
günstig. Weiter bestehen einige feine Beziehungen zwischen der
Didaskalia und der pseudoklementinischen Litteratur, deren letzte
Quelle vielleicht auch auf das Ostjordanland weist. Endlich ist auch
die Römerfreundlichkeit nach allem, was wir wissen, in den Städten
1) „Die grundlos so genannten Juden" (c. 13 iS. 71).
2) S. den Appell an die Christen aus den Juden <•. 2<) p. liS, 21 ff.
495 II. EorchenrechÜiche Litieratur.
der Provinz Arabien im 3. Jahrh. begreiflicher als in der Provinz
Syrien.
Neuerlich hat Holzhey (Monatsschr. 190], S. 51 5 ff., & auch
seine früheren Arbeiten) richtig erkannt, daß die Schrift nicht
durchweg aus einem Gusse ist Auch der letzte Ausgangspunkt,
die alte Aiöax^ '^^^ ^ß' axooxoXtov, wird richtig bestimmt sein^.
Allein der Versuch, drei Rezensionen — im SangeruL-Latinus soll
die dritte vorliegen — zu bestimmen, kann nicht gebilligt werden.
Es fehlt an sicheren Anhaltspunkten. Ebensowenig läßt sich eine
Beziehung zwischen Dionysius Alex, und der Didaskalia nach-
weisen, geschweige daß die Annahme, Dionysius selbst oder einer
seiner Schüler habe sie bearbeitet, erh&rtet werden konnte. Wir
müssen uns mit der Annahme begnügen, daß unsere Schrift höchst
wahrscheinlich bald nach Beginn des 3. Jahrhunderts entstanden
ist in einer syro-palästinensischen (arabischen) Großstadt, und zwar
in einer Friedenszeit \ in der man aber auf blutige Martyrien, die
sich sofort wiederholen können, zurückblickte. Die dreist gewählte'
Form hat sie empfohlen; die Schrift fand Anklang und blieb dem-
gemäß nicht unverändert Die Bearbeitung, wie sie im Sangenn.-
Latinus vorliegt, gehört der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts an;
die in den apostolischen Konstitutionen ist nicht auf Gmnd des
Sangerm.- Latinus gemacht, sondern benutzte eine etwas andere
Rezension als Vorlage. Selbst noch der Harrisianns zeigt, daß der
Sangerman. nicht die Urgestalt selbst ist
Bei dieser Niederschrift der Untersuchungen über die aposto-
lische Didaskalia lag mir die von Achelis und Flemming
(Texte u. Unters. Bd. 25 H. 2) gebotene Übersetzung schon vor.
Die Druckbogen der ausgezeichneten Abhandlungen, die Achelis
1 ) Doch hat man dies übertrieben. Die Beziehungen Ewischen Didaskalia
und Didache sind sehr lose.
2) Die Stellung zum römischen Staat ist freundlich, s. c 26 (S. 137): „AWr
nicht allein an seiner Person hat unser Herr und Heiland das gezeigt [daß
er das, was nicht hilft, abgetan, und was nicht errettet, au%elOst hat],
sondern er hat es auch durch die Römer vervrirklicbt; er hat den Tempel ler-
st<5rt, den Altar außer Tätigkeit gesetzt, die Opfer abgeschafft und alle Gebott-
und Veri)flichtungon, die in der Wiederholung des Gesetzes waren, aai^5«t
Denn auch die Römer halten das Gesetz, aber die Wiederholung des Gesetze!
verschmähen sie; darum ist ihre Herrschaft kräftig".
3) Ein moralisches Urteil soll damit nicht geftllt sein: die Schrift ist von
einem ernsten und besonnenen, warmherzigen und klugen Manne von großer
Umsicht verfaßt und ist das würdige Denkmal eines jungen, eigenartigen
Katholizismus.
Die sog. Apostolisclie Didaskalia. 497
der Übersetzung beigegeben hat (S. 243—387), erhielt ich aber erst
nach Abschluß meines Manuskriptes. An einigen Stellen ver-
mochte ich noch die von A. aufgestellten Ansichten zu berück-
sichtigen; anderes sei hier nachgeholt.
In der ersten Abhandlung (S. 243— -266) handelt A. vom Text
der syrischen Didaskalia. Er wägt hier den Wert der 4 syrischen
Zeugen (SangeruL, Harris., Cantabrig. und Borg.) ab und bestimmt
sowohl ihr gegenseitiges Verhältnis als das zu dem Lateiner und
der Rezension, welche den apostol. Konstitutionen zugrunde liegt.
Für die Frage der Abfassungszeit ist die Untei*suchung über die
Integrität (Interpolationen) von besonderer Wichtigkeit, sowie die
Auseinandersetzung mit der Ho Izhey sehen Hypothese, die mit
Becht abgelehnt wird. In bezug auf das Verhältnis der Didaskalia
zur Didache bemerkt A. (S. 260): „Zwischen diesen Schriften sind
die Verbindungspunkte äußerst gering". Interpolationen nimmt A.
nur sehr wenige an. Doch läßt er eine von uns bemerkte gleich-
falls gelten (S. 75: zweite Ehe), geht aber über die Widersprüche
in der Behandlung der groben Sünder hinweg.
In der zweiten Abhandlung (S. 266—317) hat A. die Zustände
der Christengemeinde, aus der die Didaskalia stammt, nahezu er-
schöpfend geschildert und damit einen sehr dankenswerten Beitrag
zu unserer Kenntnis der Kirchengeschichte des 3. Jahrhunderts
geliefert Er hat ihr eine neue Quelle zum ersten Mal
wirklich erschlossen, überall umsichtig nachschaffend und ge-
staltend. Nur aus Tertullians Werken — nicht aus Clemens oder
Origenes — läßt sich ein ähnlich detailliertes Bild einer Christen-
gemeinde für das 3. Jahrhundert gewinnen. Daß wir uns mit unserer
Schrift in eben diesem Jahrhundert befinden, bestätigen zahli-eiche
Züge des Bildes.
Die dritte Abhandlung (S. 318—354) ist dem Neuen Testamente
der Didaskalia gewidmet. Hier halte ich schon den Titel für irre-
führend und bin nicht davon überzeugt worden, daß man von
einem Neuen Testament des Verfassers im strengen Sinn des Worts
reden darf (s.o.S.492ff.). Gekannt hat er freilich die meisten Schriften
des N. Ts, aber als eine dem A. T. gleichwertige und geschlossene
Sammlung beurteilt er den Komplex von christlichen Schriften,
den er benutzt, m. E. nicht. Der Herr (bez. das Evangelium) steht
für ihn neben dem A. T., und für das Evangelium kommt ihm das
Johannesevangelium nicht in Betracht. Achelis hat nur festgestellt,
was der Verf. von NT liehen Schriften gekannt bez. wahrscheinlich
gekannt hat, während er die Frage nach der Autorität dieser
Schriften eigentlich gar nicht aufgeworfen hat. Das ist um so
auffallender, als er S. 324ff. sehr sorgfältig den „apokryphen'*
Harnack, Altcbristl. Litteraturgüsch.'II, 2. ',\2
498 ^^* Kirchenrechtliche Litteratar.
Schriften, die in der Didask. benutzt sind, nachgeht „Sie hat
nicht vier Evangelien in Gebrauch, sondern mindestens fünf (das
Petrusevangelium), und neben unserer Apostelgeschichte stehen ihr
in gleicher Würde noch manche andere Acta apostolorum''.
Wenn dem so ist, so durfte die Frage, welche Autorität allen diesen
Schriften bei dem Verfasser zukommt, nicht unterdrückt werden.
S. 332 steht allerdings ein Satz, der in die richtige Sichtung weist
(„Die Didaskalia kennt eine Menge heiliger Schiiftren, unterscheidet
aber noch nicht zwischen guten und schlechten [?] , häretischen [? •
und katholischen. Sie gebraucht die einen wie die anderen''), aber
es wird ihm nicht genügend Folge gegeben. Ebendort sagt Aj
„Eine interessante Ausnahme ist es, wenn die Didaskalia einmal
von den heiligen Schriften und dem Evangelium Gottes spricht
(S. 8); denn in diesem Ausdruck liegt eine Erinnei'ung an die Zeit,
wo allein das A. T. heüige Schrift hieß, eine Zeit, die lange hinter
unserem Verfasser liegt". Das ist unrichtig: gewiß sind dem Verl
auch die später „NT liehe Schriften ** genannten Bücher irgendwie
„heilige Schriften" ; dennoch aber handelt es sich S. 8 nicht um eine
„Ausnahme". A. konstatiert ja selbst, daß derVerfasser auch sonst die
Formeln: „Gesetz, Propheten, Evangelium" oder „David, Propheten,
Evangelium" oder „Propheten, Evangelium, Psataien" oder „Gesetz,
Buch der Könige und der Propheten und Evangelium" braucht
Überall erkennt man hier, daß — mag es auch viele heilige christ-
liche Schriften geben — nur das Evangelium als Instanz neben
dem A. T. steht. Achelis' Schlußurteil (S. 333): „Im ganzen wird
man sagen können, daß der Verf. unter ,Gesetz und Propheten*
das A. T., unter ,Evangelium* das N. T. versteht; pars pro tote;
a potior! fit denoniinatio'* — ist daher nicht beifallswürdig. Noch
weiter vom Richtigen aber entfernt sich A, wenn er S. 335 schreibt:
„Das Evangelium steht auf derselben Höhe, wie das Gesetz, und
wie andererseits Paulus". Die paulinischen Briefe, die übrigen
apostolischen Briefe und die Apostelgeschichte treten für den Verf.
ganz zurück. ,,Aus der Apostelgeschichte wird kein Wort mit
einer ausdrücklichen Wendung als Zitat eingeführt, und vom
Apostolus wird überhaupt ein spärlicher Gebrauch gemacht", sagt
Achelis selbst (S. 334). Auch die paulinischen Briefe werden nie
als Instanzen, dem A. T. und Evangelium gleichwertig, zitiert.
Was Achelis dagegen anführt (S. 334), ist nur ein Schein. Wenn
der Verfasser die Sprüche: „Die Liebe decket auch der Sünden
Menge" und „Es werden Häresien und Spaltungen entstehen**,
als Herrnwoi-te anführt (S. 14, 32; 118, 35), so hält er nicht den In-
halt des I Petrus- und des 1 Korintherbriefs für kanonisch bez, für
das Eigentum Christi, sondern nahm an, daß jene Sprüche wirklich
Die sog. Apostolische Didaskalia. 499
Herrn Worte seien; wie er zu dieser Meinung gekommen ist, wissen
wir nicht Desgleichen stellt er nicht den Epheserbrief auf die
Höhe des A. T., wenn er c. 4, 26 mit den Woi-ten einführt (S. 65, 20):
„Es steht geschrieben", sondern er hielt den Spruch: ^Nicht soll
die Sonne über deinem Zorn gegen deinen Bruder untergehen**,
f&r ein alttestamentliches Wort Andere „Belege" aber für die
irrtümliche Meinung, die paulinischen Briefe wären dem Verf. der
Didaskalia kanonisch wie das A. T. und das Evangelium gewesen,
gibt es nicht
Die vierte Abhandlung (S. 354 — 387) ist den Fragen des Orts
und der Zeit gewidmet In bezug auf die Ortsbestimnmng hält es
auch A. für die wichtigste Beobachtung, daß die Gemeinde, in der
der Verfasser schreibt judenchristliche Gemeinden neben sich hat
und daß sie als die eigentlichen Gegner gelten (S. 355 flF.). Ihnen
gegenüber hat der Verf. sogar etwas für die Juden übrig (S. 361);
der jüdische bez. judenchristliche Einfluß aber sei so stark, daß der
A^'ert trotz seiner Gegnerschaft selbst etwas von ihm affiziert ist
(S. 362 £). Schreibt er nun in einer Gegend mit starken juden-
christlichen Gemeinden, so muß man ihn dort suchen, wo nach
Epiphanius Ebioniten bez. Nazai'äer zahlreich zu finden waren:
„in Batanea und Paneas vor allem, in Moabitis und Kochaba in
der Basanitis, jenseits Adraa, aber auch in Cypern'% bez. ,,in Beröa
in Cölesyiien und in der Dekapolis um Pella herum und in der
Basanitis in der Stadt Kochaba". Achelis meint (mit Zahn zu-
sammentreffend, der in erster Linie an Beröa [Aleppo] denkt,
s. Neue kirchl. Ztschr. Bd. 11, 1900, S. 437f.) eine Stadt in Cöle-
Syrien bevorzugen zu müssen (S. 364 f), indem er sich auf einige
Spezialbeobachtungen beruft, die ebensogut, ja noch besser auf
eine Stadt im Ostjordanland bez. im peträischen Arabien passen.
Sehr richtig bemerkt er (S. 365): „Es muß ein recht verborgener
Winkel der Erde gewesen sein, wo der Verf schrieb; sonst hätten
ihm so viele und wesentliche (^edanken des Katholizismus nicht
unbekannt sein können". Eben deshalb halte ich die von mir auf-
gestellte Hypothese, au die zuletzt genannte Gegend zu denken,
für empfehlenswerter; denn die heidenchristlichen Gemeinden der
größeren syrischen Städte standen mit der allgemeinen Kirche in
einem lebhafteren Zusammenhang als die Städte östlich vom Jordan
und vom Toten Meer.
Was die Zeit anlangt, so konstatiert auch Achelis, daß die
Schrift im 3. Jahrhundert zur Zeit eines relativen Friedens ver-
faßt ist (S. 366f.); „das römische Reich und seine Organe genießen
das vollste Vertrauen des \'erfassers" (S. 3()8); ,,er hat in seiner
Gemeinde schwerlich Martyrien erlebt" (S. :^69 ; aber er weiß von
5()0 ^^* Kirchenrechtliche Litterator.
Martyrien, auch von gleichzeitigen. Ist damit die Zeit des Decius,
Gallus und Valerian wahrscheinlich ausgeschlossen — denn welcher
abgelegene Winkel in der Kirche kann gedacht werden, in dem
sich ihre Nöte nicht fühlbar machten? — , so möchte ich weiter
bemerken, daß überhaupt der Zeitraum von c. 250—273 in Wegfall
kommt; denn damals waren die politischen Wirren im ganxen
Osten so groß, daß sie sich in unserer Schrift widerspiegeln mü£teD.
mag sie nun in Cölesyrien oder bei Paneas, in der Dekapolis oder
im peträischen Arabien verfaßt sein. Die Entscheidung ist also
zwischen der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts und der Zeit von
273— c. 300 zu treffen. Auch Achelis hält die Entscheidung für
sehr schwierig, neigt sich aber dem zweiten Ansatz zu, was ich
für richtig halte (s. oben S. 490), wenn man die Schrift nimmt, wie
sie im Sangerman. vorliegt Auf die Frage, ob die ürgestalt nicht
schon dem Anfang des 3. Jahrhunderts angehört, geht er nicht ein.
weil er sich nicht übei'zeugt hat, daß eine solche anzunehmen ist
Nachdem er S. 370 ff. mit Recht eine Reihe von Momenten, die über-
haupt nichts beweisen, abgelehnt hat, sucht er aus dem Osterfasten
(S. 374 ff.) ^eine gewisse Wahrscheinlichkeit" zu gewinnen, daß die
Schrift nicht vor Dionysius Alex. (247—264) abgefaßt ist Allein
das Osterfasten war in den verschiedenen Kirchen von so ver-
schiedener LängC; daß man aus dem sechstägigen Fasten, dem der
Verf. das Wort redet, für die Zeit, in der er schrieb, schlechter-
dings niclits zu folgern vermag. Glaubt Achelis aber (S. 377) für
ein verhältnismäßig spätes Datum „die große Menge der NT liehen
Schriften" anführen zu dürfen, die der Verf. kennt, so gesteht er
dabei selbst, daß andere diesem Argument jede Beweiskraft ab-
sprechen werden. Hier nun findet sich der Säte, den ich noch
weniger als einige vorher vorgetragene Sätee mit den Anschauungen
von Achelis über das N. T. in der Didaskalia zu reimen weit.
„Ich muß zugeben", heißt es S. 377, „daß es als ein Zeichen hohen
Alters unserer Schrift gedeutet werden könnte, daß ihr der Wert-
unterschied für kirchliche und kanonische Schriften ganz
zu fehlen scheint'. Das eben ist's, was ich behauptet habe; i>t
das aber richtig, so kann man nicht von einem Neuen Testamente
der Didaskalia sprechen, in welchem die Paulusbriefe und anderes
gleichwertig neben dem Herrnwort gestanden habe. Dann aber
ist es wirklich so, daß man Grund hat, mit der Didaskalia moe-
liehst weit hinaufzugehen und in Merkmalen, die sich dem nicht
fügen, Interpolationen zu sehen. Von solchen will aber Achelis
nicht« wissen; auch die laxen Bußgrundsätze, die sich finden,
sollen nicht die novatianische Kontroverse voraussetzen, und so
schließt er recht skeptisch (S. 377): „So bin ich bereit, die Er-
Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts. 501
örternng darUber, ob die Didaskalia in die erste oder in die zweite
Hälfte des 3. Jahrh. gehört^ mit einem „non liquet'' zu schließen;
nur glaube ich sie besser zu verstehen, je mehr man ihr Datum
dem Ende des Jahrhunderts annäherf". Warum er sie dann besser
yersteht, das habe ich trotz der sorgfältigen Ausführungen nicht
ermitteln können. Ich bleibe dem gegenüber dabei, daß die Dida-
skalia wahrscheinlich in die erste Hälfte des 3. Jahrhunderts ge-
hört, daß sie aber im letzten Viertel dieses Jahrhundeils Zusätze
erhalten hat
In bezug auf den Verfasser finden sich bei Achelis (S. 377 ff.)
noch einige treffende Bemerkungen: ein Bischof, aber kein Theologe,
naiver Modalist, guter Bibelkenner, wirklicher Seelsorger, geübter
Prediger, eindrucksvoller Schriftsteller, vielleicht neben seinem
bischöflichen Amt Arzt von Beruf (?), vielleicht Jude von Geburt ^
3) Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts.
Es ist oben (S.201. 482) bemerkt worden, daß Hippolyt dem Bischof
Zephyrin vorgeworfen habe, er sei ajtsiQog xmv ixxXr]oiaoTixcop
oQcov gewesen. Solche „oqoi"^ hat er also vorausgesetzt und sich
1) Unter den historischen Singularitäten, welche die Didaskalia reichlich
bietet, steht neben der merkwürdigen Chronologie des (letzten) Aufenthalts
Jesu in Jerusalem und der Leidensgeschichte der Auferstehungsbericht im
Vordergrund. Er lautet (c. 21 S. 107): „In der Nacht also, da der Sonntag
anbrach, erschien er der Maria von Magdala und der Maria, der Tochter des
JacobuBjUnd im Morgengrauen des Sonntags trat er bei Levi ein, und dann erschien
er auch uns". Eine besondere Erscheinung Jesu vor Levi wird sonst nirgends
berichtet, geschweige als die erste; aber das IVtnis-Evangelium nennt unter
denen, die bei der ersten Erscheinung (vor Petrus) zugegen waren, den Levi,
Sohn des Alphäus, und der Form nach ist unsere Erzählung mit der des
Hebräer-Evangeliums verwandt, welches den Herrn zuerst dem Jacobus Justus
erscheinen l&ßt. Hier heißt es: „Dominus .. . ivit ad Jacobum et apparuit ei".
Cber den ersten Zeugen der Auferstehung war Streit: in diesem Streit spiegeln
sich die Interessen großer Parteien. Die älteste Clxjrliefeniug nannte den
Petrus; die Judenchristen — ein Beweis, daß ihnen der gesetzesfreie Petnis
nicht mehr vollgültig war — nannten den Jacobus. Wt^lehes Interesse konnte
man haben, den Levi zu nennen, wie unser ganz singulärer Bericht das tut?
Eine sichere Antwort ist nicht möglich. Aber wahrscheinlich ist, daß, wer
Levi nannte, ihn mit Matthäus identifizierte und an Matthäus als den ältesten
Evangelisten gedacht hat: der älteste Evangelist muß auch der älteste
Zeuge gewesen sein. Wie ein Kom])romiß sieht diese Entscheidung aus: sowohl
Petrus als Jacobus sollt-en vermieden werden. Was Achelis S. 3-Of. bemerkt
hat, ist unhaltbar. Er will den Bericht auf das Petrus-Ev. zurückführen. Aber
in diesem Evangelium erscheint der Herr ja erst nach mehreren Tagen und in
Galiläa; auch ist Levi hier nur neben Petrus genannt.
502 ^* Kirchenrechtliche Litterator.
für sie interessiert. Auf der ihm gesetzten Statue findet man unter
den Büchertiteln Hippolyts ein Werk (oder zwei Werke) mit der
Aufschrift: üegl x^Q'-^l^^'^^^ ajcoöroXix^ jiaQaöoöcg. Ob die beiden
letzten Worte mit den beiden ersten zusammenzufassen sind oder
ob sie ein besonderes Werk darstellen, läßt sich nicht bestimmt
sagen. Hieronymus weiß, daß Hippolyt Eirchenrechtliches verfaßt
hat; denn ep. 71, 6 ad Lucinium schreibt er: „De sabbatho quod
quaeris utrum ieiunandum sit, et de eucharistia an accipienda
quotidie scripsit quidem Hippolytus vir disertissimus et carp-
tim diversi scriptores e variis auctoribus edidere". In besonderer
Überlieferung ist uns im Griechischen ein kurzer Traktat Jiöa-
oxaXla T. ay, djtoöroXcop jtsQl x^Q^<^l^ciTa)v ohne Hippolyts Namen
erhalten. Er entspricht mit ganz unwesentlichen Abweichungen
den App. Constit. VIII, 1. 2. Mit ihm verbunden ist ein anderer
Traktat, der App. Constit. VIII, 4 ff. entspricht Er trägt die Auf-
schrift: /ttara^eig r. avxAv dy. djtoövoXcov jteQi x^^QoroviSv öia
^JjtJtoXvTov K Ähnliche Stücke, die wie Quellenschriften oder Aus-
züge von App. Constit VIII erscheinen, sind unter Hippolyts Namen
in syrischen Codd. der Vaticana und des britischen Museums er-
halten 2. Endlich gibt es ein umfangreiches kirchenrechtliches
Werk im Arabischen (junge Überlieferung), das den Titel „Canones
Hippolyti" trägt und von Haneberg i. J. 1870 zuerst ediert worden
ist. Über das, was aus diesem Material wirklich dem Hippolyt
gebührt, hat sich, nachdem Achelis zuerst in die Untersuchung
eingetreten ist, eine große Kontrovei-se erhoben, in der Funk mit
unermüdlichem Fleiß und Eifer tätig ist Kompliziert ist die
Kontroverse, weil sie sich notgedrungen mit auf das 8. Buch der
App. Constit, die sog. ägyptische Kirchenordnung und das jüngst
entdeckte „Testamentum domini nostri" beziehen mußte. Die
Litteratur ist bereits sehr bedeutend geworden^, aber nur Funk
und noch nicht Achelis hat sein letztes Wort gesprochen.
1) über ihre Cberlieferung 8. den 1. Teil dieses Werks S. 643 und ftijre
Cod. Laurent, plut. IX cod. 8 hinzu.
2) Näheres a. a. 0.
3) Haneberg, Die Canones Hippolyti, 1870. Bonwetsch, Montanismus.
1881, S. 36 ff. Achelis, Die Canones Hippolyti, in den Texten u. Unters. Bd. <3
H. 4, 1891. Duchesne im Bull. crit. 1891, S. 41 ff., cf. Origines du culte
chr6t.2, 1898, p. 504 ff. Funk, Die apostolischen Konstitutionen, 1891. Voigt,
Eine verschollene Urkunde des antiuiontanist. Kampfes, 1891. Funk, Die Zeit
der apost. Konstit. in der Tüb. Quartalschr. 1892 S. 396 ff., 1893 S. 594 ff., ab-
gedruckt in den Kirchengesch. Abh. u. Unters. Bd. 2, 1899, S. 359ff. Sohni.
Kirchenn-cht, 1892, S. 142. Harnack, Gesch. der altchristl. Litt. T. I, 18l>3.
S. 013f. 779. Derselbe in den Stud. u. Krit. 1893, S. 403—427 [über Funk].
Eirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts. 503
Ehrhard und Bardenhewer haben mit Recht bemerkt, daß
sich im Bahmen der Litteratnrgeschichte der drei ersten Jahr-
hnnderte die Frage nicht erörtern läßt Auch wir müssen davon
absehen, sie hier in ihrem ganzen Umfange aufzunehmen; denn
wir müßten in das 4. und 5. Jahrhundert herabsteigen und diesen
Band mit einem Stoffe füllen, der nicht in ihn gehört. Es muß
hier genügen, das festzustellen, was sich unabhängig von weit-
schichtigen Voruntersuchungen ermitteln läßt.
Was zunächst die auf der Statue bezeichnete Schrift
Achelis, Hippolytus im Eärcheniecht in der Ztschr. f. Kirchengesch. Bd. 15
H. 1, 18Ö4, S. Iffi KattenbuBch, Das apostol. Symbol Bd. 1, 1894, S. 322flP.
Funk, Das achte Buch der Apost. Eonst. und die verwandten Schriften im
Histor. Jahrb. 1895, S. 1£P. S. 473 £P. Rolffs, Antimontanistische Urkunden in
den Texten u. Unters. Bd. 12 H. 4, 1895. Batiffol, La littörature chr6t.
Grecqne, 1897, p. 157 ff. Funk, Die Liturgie der äthiopischen EO. in der Tüb.
Quartalschr. 1898 S. 513ff. Ignatius Ephraem 11 Rahmani, Testamentum
domini nostri Jesu Christi. Mainz, 1899. Harnack, Vorläufige Bemerkungen
z. dieser Schrift in den Sitzungsber. d. K. Preuß. Akad. 1899 S. 878 ff., s. auch
Achelis in der Theol. Litt.-Ztg. 1899 Kol. 704ff., Riedel im Theol. Litt.-Bl.
1900 S. 193ff. 201ff., Wordsworth in d. Revue intemat. de thöologie Bd. 8,
1900, p. 452ff., Arendzen in d. Joum. of theolog. Stud. Bd. 2, 1901, p. 401 ff.,
Nau im Joum. Asiatique Bd. 15, 1900, p. 233 ff. Funk, Die Symbolstücke in
der Ägypt. KO und den Canones Hippol. in d. Tüb. Quartalschr. 1899 S. 161 ff.
Morin, L'origine des canons d'Hippolyte in d. Rev. Ben6d. Bd. 17, 1900,
p. 241 ff. Funk, Das Testament unseres Herrn in „Der Katholik" 1900 S. Iff.
und Tüb. Quartalschr. 1900, S. 161 ff. Morin, Le testament du Seigneur i. Rev.
B^Äi Bd. 17, 1900, S. 10 ff. Zahn, Das Testament usw. in der Neuen Kirchl.
ztschr. 1900, S. 438 ff. Baumstark, Überlieferung und Bezeugung des Testa-
mentum in d. ROm. Quartalschr. Bd. 14, 1900, S.lff. Kattenbusch, Apost. Symb.
Bd. 2, 1900, S. 968ff. Drews, Testam. domini usw. in den Stud. u. Krit. 1901,
S. 141 ff. Funk, Das Testament unseres Herrn und die verwandten Schriften,
Mainz, 1901 [in dieser umfangreichen Monographie hat Funk seine Ansichten
abschließend dargelegt]. Hauler, Didascaliae app. fragmenta Veron. lat.;
acced. canonum qui die. app. et Aegypt. reliquiae. Leipzig, 1900. Riedel,
Die Kirchenrechtsquellen des Patriarchats von Alexandrien (S. 193 ff.: die
Canones Hippolyti übers.), 1900 [dazu derselbe in den Nachrichten der K. Ge-
sellsch. d. Wiss. z. Göttingen, Philol.-hist. Klasse, 1902 H. 5 S. 685 ff.: der
Katalog der christl. Schriften von Abü^l Barakät; und derselbe in d. Stud. u.
Krit. 1903, S. 338 ff.: Bemerkungen z. d. Kanones des Hippolytus]. Bonwetsch,
Artikel „Hippolyt" in der Prot. REnzykl.a Bd. 8, 1900, S. 181f. Baumstark,
Kanones des Hipp, oder des Julius in dem „Oriens Christianus" 2. Bd., 1902,
S. 191ff. Ehrhard, Die altchristl. Litt., 1900, S. 403ff. 531ff. Cooper und
Maclean, The Testament of Our Lord. Translated into Knglish. Edinburg,
1902. Nestle im American Joum. of Theology Bd. 7, 1903, p. 749 („The
Testament of our Lord and kiudred Literature"). Funk, Ein Fragment z. d.
apostol. Konst. in d. Tüb. Quartalschr. 19U3, S. lUoff. (h. auch S. 478 ff.). Barden-
hewer, Gesch. der altkirchl. Litt. Bd. 2, 1903, S. 515. 341 ff.
504 ^^* Kirchenrechtliche Litteratur.
IIsqI x^Q^(ff^cLT(x)v betrifft S so haben sie bereits ältere Gelehrte
(Fabricius, Gallandi usw.) in den c 1 u. 2 des 8. Buchs der
apostoL Konstit (bez. in dem mit ihnen inhaltlich und wörtlich
nahezu identischen^ Traktat /liöaoxaXla r. a. axooxoXcov x^qi
xagiö/iazcov^) wiedererkennen zu dürfen gemeint Sehr viele neuere
Gelehrte sind ihnen gefolgt Volle Sicherheit läßt sich nicht ge-
winnen, aber daß irgendein Zusammenhang besteht, ist aus fol-
genden Erwägungen wahrscheinlich:
(1) XA^ ist nicht aus einem Gusse; denn die Apostel reden
in der ersten Person, aber p. 2, 26f. heißt es: „xaga/ielvag rol;
djtoöToXoig .... aveXriiAtpd^ri ijc otpeötp avtciv** ; femer ist die An-
lage undurchsichtig, und das Ganze — doch ist das ein subjektives
Urteil — sieht wie ein Auszug aus einem größeren Werke aus.
(2) Der Verfasser des Stücks bez. seiner Grundlage schrieb in
einer Zeit, da es noch Charismen gab und daher auch die Frage
nach den göttlichen und den dämonischen Charismen noch brennend
war. Es ist nicht wahrscheinlich, daß sich der ßedaktor der apost.
Konstitutionen ohne eine Vorlage in diese Zeit hineinversetzt
hat, die von seiner Gegenwart weit ablag. Hippolyts Zeitalter ist
das letzte, in welchem die Charismen noch eine Bolle spielten.
Nur dem Hippolyt aber wird ein Traktat Uegl x^^O/uorcor zuver-
lässig beigelegt
(3) Trug Hippolyts Schrift den Titel IIcq! xß(>«öf^af a>r ajroaro-
jLixt] jraQaöooig, so ist es besonders leicht verständlich, daß der
Redaktor der apost Konstitntionen aus ihr eine /tiöaoxaXia r. d.
aJtoöToXmv formte und in ihr die Apostel in der ersten Person
reden ließ. Es wäre das die genaue Parallele zu der Tatsache,
daß er im 7. Buch die Aiöaxi] r&v anocxoXcov zu einer direkten
Kundgebung der Apostel umgestempelt hat Allerdings (s. o.) ist
es nicht sicher, daß ajtoovohx?] jcagadooiq mit xbq\ xciQiOfdaTwi'
einen Titel bildet, aber unmöglich ist es keineswegs; denn selbstver-
ständlich auch in bezug auf die Charismen glaubte man am Anfang
des 3. Jahrhunderts apostolische Überlieferung und Anweisung zu
besitzen. Natürlich muß Hippolyts Schrift viel umfangreicher ge-
il Achelis, Canones Hippol. 8. 2G9ff., Funk, ApostoL Konstit. S. lo'^tf
Derselbe, Das Testament unseres Herrn (1901) S. I80f.
2) Die Verschiedenheit ist fast durchweg nicht größer als die, wt^lclie
zwischen nahe verwandten Handschriften einer und derselben Schrift besteht.
Eine Ausnahme bilden aber zwei Stellen (Lagarde p. 2, 15 — 17; p. 2, 23 f. j, w^
die Priorität, wie Funk 1901 S. 180f. schlagend gezeigt hat, auf Seiten der
Const. App. liegt-.
3) Lagarde, Reliq. iur. autiquiss. Gr. p. Ift".
4) So nenne ich diis Stück.
Kirclieiirechtliche Arbeiten Hippolyts. 505
weaen sein als XA, das bei Lagarde nicht mehr als 1:^6 Drnck-
Zeilen nm&ßt Die Schrift wird sich auch gegen den Montanismos
gerichtet haben, wovon sich in XA nichts findet Gehörte sie zu
Hippolyts späteren Werken, so werden auch Ausfälle gegen Kaliist
und seinen Anhang nicht gefehlt haben. In dieser Hinsicht aber
ist es vielleicht nicht unwichtig, daß XA p. 4, 6ff. steht: oire
ßaailevg &voosß^g ßaOtXeix; ixt vxcQxsiy äXXä rvQavvog, oire
ixlcxoxoq dyvolf i] xaxovolq^ xsjUBöfiivog ext kxlöxojtog koxiv,
aXXa ^evödwiiog, ov xaga d-Bov, dXXä xaga avd^Qdjtmv JtQoßXrj-
9'elg. Viel ist freilich darauf nicht zu geben.
(4) Ganz unsicher kann man sich flir die Hypothese, XA habe
die Schrift Hippolyts zur Grundlage, dai*auf berufen, daß XA in
griechischen und syrischen Handschriften mit dem Stück XB
(«» xsqI x^^foxoviciv) verbunden ist (d. h. ihm vorhergeht) und daß
XB die An&chrift trägt „öiä ^IxjtoXvxov''. Es wird sich zeigen,
daß XB inhaltlich schwerlich etwas mit Hippolyt zu tun hat
Dann aber wäre es eine merkwürdige und daher nicht wahrschein-
liche (jedoch mögliche) Gaprice der Oberlieferung, wenn man eine
Vertauschung annehmen und „dia 'fjtjroXvtov'' zum ersten Stück
ziehen müßte.
Es ergibt sich, daß XA nicht mit erheblicher Wahrscheinlich-
keit auf Hippolyt zurückgeführt werden kann. Gesetzt aber auch,
die Wahrscheinlichkeit sei eine annehmbare, so ist damit nicht
viel gewonnen; denn nur weniges ließe sich aus dem jedenfalls
stark bearbeiteten Stück dem Hippolyt vindizieren. Bei keinem
einzigen Satze ist die Gewähr gegeben, mit ihm auf hippolytischem
Boden zu stehen; nur ein paar Hauptgedanken könnten auf ihn
zurückgeführt werden.
Das Stück XB (oder besser die Stücke) * enthält folgende Ab-
schnitte: (1) Aiaxa^eig x. avxdiv dy, djtooxoXcov jreQi x^^Qoxovcdip
öiä 'ijtxoXvxov (Lagarde p. 5 — 10 = App. Const. VIII, 4. 5. 16. 17.
18. 30. 31), (2) IlavXov x. dy. djt. diaxa^HQ jrsQi xavovcov ixxXt]-
oiaoxix^v (Lag. p. 10—12 = App. Const. VIII, 32). (3) IltxQov xai
IlavXov T. dy. djr. öiaxa^tic (Lag. p. 12 — 15 = App. Const. VIII, 33.
34. 42. 43. 44. 45), (4) IleQl evxa^iag öiöaoxaXia jravTOjv r. dy.
djtooxoXcov (Lag. p. 15 — 18 = App. Const. VIII, 4G). Nur das erste
ist auf Hippolyt zurückgeführt (aber nicht in allen Mss., wohl aber
1) S. Funk, Apost. Konstit. S. 14211*., derselbe, QimrtalBcbr. 1S0:J, S. (K)5tf.,
derselbe, Histor. Jahrb. 18()o S. Itf. 473 f., derselbe, Das Testament unseres
Herrn (1901) S. 126—178. S. 170—212. S. 27jff. Aclielis, Ztschr. f. KGesch.
Bd. 15 S. 1 ff. Harnack, Stud. und Krit. 181 »3 S. 4()Sf.
k
50g II. Kirchenrechtliche Litteratur.
auch in syrischen, die den Titel sogar auf folgende Stücke ausdehnen);
es kommt also allein hier in Betracht Aber eine nähere Unter-
suchung zeigt, daß sich der hippolytische Ursprung nirgendwo er-
w eisen, in bezug auf manche Stücke aber widerlegen läßt Aller-
dings erhebt sich hier sofort die Frage, ob XB Auszug ans oder
Quelle für Const Apost 1. VIII ist; denn XB ist nicht wie XA mit
den parallelen Stücken der Const Apost fast identisch, sondern
unterscheidet sich sehr erheblich von ihnen K Aber diese Frage
läßt sich nicht lösen, ohne die ganze Kontroverse Aber die Ent-
wicklungsgeschichte des orientalischen Kirchenrechts aufzurollen l
Wir müssen also sehen, wie weit wir kommen, ohne die ParaUel-
verordnungen hinzuzuziehen. Hier muß nun bekannt werden, daß
erstlich die Einkleidung des Ganzen (direkte Anordnung der Apostel)
unmöglich von Hippolyt herrühren kann — solche Einkleidungen
unternimmt nur ein Anonymus — , femer daß aus den bekannten
und sicheren Werken Hippolyts nichts zu Gebote steht, was ge-
eignet wäre, die Überlieferung des hippolytischen Ursprungs dieser
Bestimmungen wirklich zu stützen, und daß drittens die hierarchische
Konstitution, die sie voraussetzen (Bischof, Presbyter, Diakonen,
Diakonissen, Subdiakonen, Lektoren, Konfessoren, Jungfrauen, Wit-
wen, Exorcisten ; dazu p. 9, 32 der Satz : diaxovoq dq>oQl^£c v^odta-
xovov, apaypciorrjp, tpaXrrjp, dicocoviööccv , iäv di^ xl toiovtop,
fifj jraQovTog JtQBCßvxiQov), für das Abendland und Rom sowie für
die Zeit um 220 außerordentlich befremdet, um nicht mehi* zu sagen'.
Die Bestimmung über die Konfessoren (p. 8, 15 ff.) muß letztlich
allerdings auf die vorkonstantinische Zeit zurückgehen. Einen
1) Ein Auszug ist XB gewiß — das zeigt seine Form — ; aber fragli<A
ist, ob aus Const. App. VIII.
2) Nicht verschweigen darf ich, daß die Nachweisungen Funks (besonden
die dogmengeschichtlichen) mich sowohl in bezug auf XA als XB davon über-
zeugt haben, daß sie, verglichen mit dem Text des 8. Buchs der Apost. Cons*-
eine Reihe deutlicher und starker sekundärer Züge tragen. Sie könnei
also, wie sie lauten, nicht die Quelle oder Vorstufe von App. Const. VUI
sein. XA und XB sind orthodox in der Trinitätslehre, App. Const. VIII ist es
nicht. Die Frage kann also nur so lauten, ob sie ein Auszug aus App. CoDft
selbst oder ein in späterer Zeit gemachter, mit Zusätzen versehener Auszug «i
einer vor App. Constit. liegenden Vorstufe derselben sind. Solange eine sold«
Vorstufe nicht nachgewiesen ist, besteht Funks These zu Recht, daß XA vaA
XB Auszüge aus App. Const. VIII sind. Die Möglichkeit, eine Vorstufe «i
konstruieren, hängt nach den Nachweisungen Funks nur noch an einem gi»|
dünnen Faden. Man darf darauf gespannt sein, ob Achelis ihn noch zu eiBet[
haltbaren Tau zu verstärken vermag.
3) vSubdiakonen sind in Rom vor dem Bischof Fabian nicht nachweish*-"]
die Einschiebung von Diakonissen zwischen Diakonen und Subdiakonen ist ftj
Rom nicht zu b»'logen; Psalmsänger sind dieser Gemeinde ebenfalls fremd
4-
Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts. 507
altertümlichen Eindruck macht das Weihegebet für den Bischof,
aber solche Gebete entscheiden nicht
Nichts, darf man sagen, kann mit ii*gendwelcher Wahrschein-
lichkeit als hippolytisch in Ansprach genommen werden \ Aber
woher kommt dann die Überlieferung, diese Anordnungen seien
von Hippolyt? Die Frage wird noch rätselhafter, wenn XA und XB
lediglich Auszüge aus App. Const YIII sind. Auch Funk (1901,
S. 212) hat keine Antwort zu geben vermocht: ,,Hier hat allerdings
unser Wissen ein Ende. Bei dem Stand der Dinge kann man sich
darüber nur in Vermutungen bewegen. Vielleicht gab ein Fehler
in dem Exemplar der App. Const, das dem Bearbeiter von VHP'
(= XA und XJB) zu Gebote stand, zur Setzung des Namens Anlaß.
VieUeicht meinte der Bearbeiter, daß Hippolyt eine derartige
Schrift verfaßt habe, und glaubte deswegen den Namen an die
Spitze des Stücks setzen zu können''. Diese Annahme ist in der
Tat die am nächsten liegende. Das Verfahren des Redaktors wird
einigermaßen verständlich, wenn ihm bekannt war, daß Hippolyt
als Verfasser kirchenrechtlicher Schriften bez. als Redaktor kirchen-
rechtlicher Verordnungen galt, und wenn sich diese Verordnungen
den Titeln nach und sonst in einigen Beziehungen z. T. mit XB
deckten.
Sind nun nicht die Canones Hippolyti, die nur arabisch er-
halten und erst im 1 2. Jahrhundert bezeugt sind, das wirklich von
Hippolyt herrührende Werk?^ Achelis hat das behauptet, jedoch
eine sehr große Zahl von Interpolationen und Umstellungen an-
nehmen müssen. Daß auch in dieser Gestalt die Hypothese un-
haltbar ist, hat Funk aus inneren Gründen — von den Gründen.
die er dem Verhältnis zu den anderen parallelen Schriften ent-
nimmt, sehe ich ab — erwiesen ^ Auch Achelis wird jetzt zuge-
stehen müssen, daß man sich mit der Hypothese des hippolytischen
Ursprungs im günstigsten Fall auf einen weit zurückliegenden
Kern der „Canones Hippolyti" zurückziehen muß. Die Schrift, wie
sie vorliegt, ist eine ägyptische Kirchenordnung, die in Dutzenden
von Bestimmungen und Ausführungen weder abendländisch noch
vomicänisch sein kann. Diese Bestimmungen und Ausführungen
erscheinen nicht wie mehr oder weniger leicht abzuziehende Zu-
sätze, sondern sie reichen in das Herz des Buchs, wie es vorliegt.
liinein und beherrschen das Zentrum sowohl wie die Peripherie.
1) Damit ist nicht rund aiisgoschlossen, daß etwas von Hippolyt herrührt.
2) Ich zitiere die Kanones nach der Auspabi» von Riodcl, si. a. 0. S. 'iOOft'.
3) 7ailetzt in dem Werk vom J. 1001 S. lM:;-201.
50S ^^- Kirchenrechtliche Litteratur.
Speziell auch die ADdeutUDgen über die Buße sind, wie schon
Duchesne eingewandt hat, nicht hippolytisch.
Dennoch meine ich mit Achelis daran festhalten zu müssen,
daß der Name „Hippolyt" keine bloße Fiktion ist, so wertlos wie
der Name „Clemens'' bei anderen Konstitntionen. Die Erwägongen
von Achelis, die m. R in Kraft bleiben, sind folgende:
(1) Diese Kanones geben sich formell nicht als apostoUsche
Anordnungen; sie enthalten kein „Wir, die Apostel*" S und sie be-
rufen sich unbefangen auf das im N. T. enthaltene schriftliche Wort
der Apostel Da sonst alle oder fast alle Kirchenordnungen sich
als direkt apostolische bezeichnen, besteht der Schluß zu Secht,
daß eine Kirchenordnung, die wesentlich denselben Inhalt hat wie
die anderen, sich aber nicht als apostolische gibt, sondern sich
auf einen Kirchenmann zurückfuhrt, wirklich irgendwie niit
diesem Kirchenmann zusammenhängt
(2) Die als Kanon 1 bezeichnete Satzgruppe ist in Wahrheit
eine Vorrede; sie ist an sich bei Kirchenordnungen dieser Art
ganz ungewöhnlich, und sie trägt sowohl in ihrer Konzeption als
in der Ausführung Züge, die vortrefflich zu flippolyt passen. Sie
lautet 2:
„Vor allem reden wir über den heiligen, echten Glauben an
unseren Herrn Jesum Christum, den Sohn des lebendigen
Gottes. Wir haben es im Glauben verfaßt, indem wir mit
aller Festigkeit zustimmen. [So sagen wir also in Wahr-
heit, daß die Dreiheit, die in sich gleiche, in der Ehrung
vollkommene, sich gleich ist in der Herrlichkeit] ' dal!
er keinen Anfang und kein Ende hat, er, das Woi-t, der Sohn
Gottes, welcher der Schöpfer der ganzen Schöpfung ist, der
sichtbaren und der unsichtbaren. Das haben wir verfaßt
indem vrir in Wahrheit zustimmen. Denen aber, welche
irren und Unerlaubtes über das Wort Gottes reden, wird es
gehen, wie von ihnen unser Herr Christus gesagt hat Darum
haben wir uns um so enger vereinigt in der Kraft Gottes
und jene abgesondert, weil sie nicht mit den h. Schiiften,
1) Die Aufschrift („Dies sind die Kanonoe der Kirche und die Gebote,
welche Hippolytuß, der oberste der Bischöfe von Rom, gemäß den Befehlen
(Jier Apostel durch den h. Geist, der in ihm sprach, geschrieben hat, an Zahl
38 Kanones") kann, abgesehen von dem Namen Hippolyt, sehr wohl als sekundär
betrachtet werden, ja dies ist das Wahrscheinliche. Die Zweifel, die Funk
schon an diese Einleitung heftet, sind daher belanglos.
2) Was als inteq)oliert erscheint, habe ich eingeklammert-.
3) Hier fehlt etwas; es scheint getilgt worden zu sein, als der vorher-
gehende Satz eingeschoben wurde.
Eirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts. 509
dem Worte Gottes, überemstimmen und nicht mit uns, den
Schülern der Schriften. Deswegen haben wir sie von der
Kirche abgesondert und ihre Sache Oott anheimgestellt, der
die gan2e Schöpfung in Gerechtigkeit richten wii*d. Die
unwissenden aber lehren wir es ohne Neid kennen, damit
sie nicht wie die Häretiker in einen schlimmen Tod fallen,
sondern des ewigen Lebens gewflrdigt werden und ihre
Kinder und Nachfahren diesen einzigen Glauben lehren"".
Was Achelis zu diesem Stück bemerkt hat, bleibt trotz den
Gegenbemerkungen Funks in Kraft Der eingeklammei*te Satz.
der nach vorwärts und rückwärts den Zusammenhang stört, erweist
sich als eine Interpolation. Streicht man ihn, so hat man eine
Satzgruppe, die höchst altertümlich anmutet und aufs stärkste an
Hippoljrt und an seine Situation den Modalisten und Kallist gegen-
über erinnert Für den Sohn Gottes, den Logos, tritt der Ver-
fasser au& energischste ein; der Glaube an ihn ist der Glaube
überhaupt Die Gegner sind solche, die Unerlaubtes über den Logos
Gottes reden. Ihnen gegenüber haben wir uns „um so enger ver-
einigt in der Kraft Gottes und jene abgesondert, weil sie nicht
mit den h. Schriften, dem Worte Gottes, übereinstimmen und nicht
nait uns, den Schülern der Schriften". Hier wie überhaupt in der
ganzen Nachdrücklichkeit der Ausführungen hört man geradezu
Hippolyt reden, und ich getraue mir zu behaupten, daß, wenn dieses
Stück heute zum ersten Male und namenlos auftauchen würde,
nicht wenige Kenner urteilen würden, es rühre von Hippolyt her.
Ist es nicht dieselbe Art und Energie, wie sie in dem Proümium
der Eefutatio (p. 4f. Duncker) hervortritt^: cov [row ajtooToXcov]
Tlfislg öiaöoxoi rvyx^^oprtg t^c ts avrTjc x^Q^'^^^ (isrtxovxe^
oQX^QccTslag re xäi öiöaoxaXlag xal tpQovQoi rrjg ixxh/olag ItXoyi'
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aXi^O-eia . . . öitixopr^os, ravra xal öia Xoyov orj/jtiovfiepoi . . . xfjQva-
oofiev (s. auch das Folgende: Widerspruch der Gegner mit den
h. Schriften)? Auch „die Schüler der Scliriften** mutet hippolytisch
an. In dem wahrscheinlicli (s. o. S. 232) von H. lierrülirenden Stück
ep. ad Diogn. 11 bezeichnet sich H. emphatisch als Schüler der
Apostel. Über die Aussclieidiing der ..Kallistianta-*' durch Hippolyt
s. Refut IX, 12, p. 458. Daß das Stück, wie Funk meint, von einem
1) Etwas Verwandtes meine ich auch aus dem Proöm. zum Liber Genera-
tionis herauszuhören (Edit. prineei)s d«'s Originultextf* als Ms. gedruckt von
Adolf Bauer, 1904), sowie aus manchen anderen Zusammenfassungen Hippolyts.
510 ^^* Kirchenrechtliche Litteratur.
MoDophysiten herrühre und die christologischen Kämpfe des 5. Jahr-
hunderts zu seiner Voraussetzung habe, ist eine außerordentlich
schwierige Annahme. Nahe liegt sie gewiß nicht
(3) Da der Subdiakon in der hierarchischen KonstitatioD,
welche diese Kanones voraussetzen, eine feste Stelle hat \ so kann
diese, so wie sie lautet, nicht für eine Schrift Hippolyts in An-
spruch genommen werden. Im einzelnen mag manches auf eine alte
Quelle zurückgehen — die Bestimmung (c. 2 fin.) freilich, daß auch
ein Presbyter ordinieren könne, ist selbst für Hippolyts Zeit „zu
alt^* und eben deshalb wohl als Konfusion zu beurteilen; auch wird
sie durch c. 4 fin. aufgehoben; das Weihegebet aber für den Bischof
und was sich an dasselbe anschließt, kann sehr wohl aus der Zeit
Hippolyts herrühren — , jedoch mit Sicherheit ausscheiden läßt
sich nichts. Die Promotionen der Konfessoren (c. 6) zur Presbyter-
würde gehen gewiß in vorkonstantinische Zeit zurück — Punks
Meinung, daß hier monophysitische Praxis vorliege, ist seltsam -,
und die Anordnung, daß ihnen die Würde ipso facto zukomme, also
eine Ordination nicht zulässig sei, macht einen sehr alten Eindruck,
da bereits bei Cyprian sich eine solche Praxis bez. eine so große
Konzession nicht mehr findet 2. Sehr merkwürdig und singulärist
c. 6 fin., der dem Sklaven, der Konfessor geworden, nur die Pres-
byterwürde, nicht aber das Recht sie auszuüben zuspricht In
das Altertum muß c. 8 zurückführen: „Wenn jemand um seine
Ordination bittet, weil er die Gabe der Heilung erhalten habe, so
wird er erst ordiniert, wenn die Sache klar ist, und auch das, ob
die Heilung, die von ihm ausgeht, von Grott stammt". In noch
höherem Grade gilt das von c. 9: „Wenn ein Presbyter fortzieht
und sich an fremden Orten niederläßt, so soll der Klerus jenes
Orts ihn aufnehmen, und man soll den Bischof seines Stuhls fragen,
damit er nicht etwa wegen irgendeines Grundes geflohen ist Ist
jedoch seine Stadt fern, so soll zuerst untersucht werden, ob
er ein Apostel ist; dieser steht den Presbytern gleich. Darauf
wird er Teilnehmer, und es wird ihm doppelte Ehre erwiesen, ohne
daß er jedoch noch ordiniert ist". Der Kanon ist nicht klar und wohl
überarbeitet; aber die Berücksichtigung von „Aposteln" lehrt, daß
er einen alten Kern hat. Das Gleiche gilt von c. 10 (Über die,
welche Christen werden wollen), c. 11 (Über die Verfertiger von
Idolen und Götzenbildern), c. 12 (Christenstand und Gtewerbe),
c. 13. 14 (Christenstand und Soldatenstand), c. 15 (Christenstand und
1) Der Versuch von Achelis, ihn auszuscheiden, ist undurchführbar.
2) Daß die Konfessoren Anspnich haben, in den Klerus aufgenommen zu
werden, bezeugt auch er, aber von der Ordination sieht er nicht ab.
Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyts. 5[1
schlechte Handlangen), c. 16 (Verbot, eine Frau zu einer Konkubine
hinznzonehmen), c 17 (Christliche Frauen), vielleicht auch fiir einige
Bestimmungen in c. 18. In bezug auf alle diese Kanones hat es
nicht nur keine Schwierigkeit eine alte (bez. abendländische) Quelle
anzunehmen, sondern eine solche Annahme liegt auch durchweg
nahe. Man darf dasselbe, trotz vielem Fremden, Späten und Morgen-
ländischen, dessen Aufdeckung wir Funk verdanken, von den
can. 19—37 behaupten und letztlich auch von dem etwa ein Fünftel
des Ganzen füllenden, predigtartig gestalteten can. 38, der gewöhn-
liche Christen und Asketen unterscheidet, aber das Mönchtum
nicht ins Auge faßt. Auch Funk stellt, soviel ich sehe, nicht
in Abrede, daß ein großer Teil der Bestimmungen in den Canones
Hippolyti letztlich, d.h. ihren Grundlagen nach, nicht nur bis in
das 3. Jahrhundert hinaufgehen kann, sondern wirklich hinauf-
geht K Was er leugnet, ist nur dies, daß sie in der Gestalt, in der
sie in den Canones Hippolyti vorliegen, ein größeres Recht haben
für alt oder gar für hippolytisch angesehen zu werden, als in den
anderen Gestalten, in denen sie uns überliefert sind. Er behauptet
vielmehr umgekehrt, daß sie in den Canones Hippolyti in der jüngsten
Gestalt erscheinen, denn nach ihm gilt folgender Stammbaum:
App. Constit lib. \'III
XA und XB
Ägyptische Kirchenordnung
Testanientum domini
Canones Hippolyti
Nun aber leugnet Funk nicht, daß das 8. Buch der App. Constit.
auf viel ältere Quellen zurückgeht. Es könntii somit der ganze
Stammbaum Funks zu Recht bestt4ien und die Canones Hippolyti
doch ihren Namen mit Fug tragen, wenn man nämlich annimmt,
daß in ihnen die alten Quellen oder die alte Quelle {näm-
lich Hippolyt) auch noch direkt benutzt ist. so daß sie eine
Kompilation aus einer späten Ableitung der Quelle und
1) Ich kann nur wiederholen, was ich Stiid. u. Krit. IhiKJ iS. 110 ansge-
eprocben habe, daß es Blindheit in bezug auf f^eßchichtliche Farben verrät,
wenn man die Canones Hippolyti in rausch und Bogen in die Zeit um das
J. 50(J verlegt.
512 IL Kirchenrechtliche Litteratar.
der Quelle selbst sind. Dann würde der Stammbaum so aus-
sehen ^ :
Echte Kanones Hippolyts
App. Const 1. Vm
I
XA und XB
I
Ägyptische Kirchenordnung
Ägyptische Canones Hippolyti
Ich darf mich hier auf eine Erörterung dieser Frage nicht
einlassen. Das gegebene Schema würde das Problem lösen, welches
Funk nicht zu lösen vermag, wie denn der Name „Hippolyt"
plötzlich in den Stammbaum eingetreten ist Wenn sich die
älteren KKOO sämtlich als direkt apostolisch bez. als apostolisch-
clementinisch gegeben haben, wie kommt es, daß die jüngste Ge-
stalt darauf verzichtet und unter dem Namen „Hippolyt" erscheint?-
Das ist doch das umgekehrte, was wir sonst beobachten. Man
macht wohl aus Anordnungen eines angesehenen Kirchenlehrers in
späterer Zeit apostolische Anordnungen (s. z. B. die Liturgien),
aber daß man Anordnungen der Apostel in späterer Zeit in An-
ordnungen eines Kirchenlehrers verwandelt, ist doch ganz rätsel-
haft! — Was nach den eingehenden Untersuchungen Funks jetzt
noch zu geschehen hat, ist m. E. folgendes: es muß aus sämtlichen
Parallelschriften (App. Const., XA und XB, Ägypt KO, Arabische
Didaskalia, Testamentum domini, Canones Hippolyti) für alle Ab-
schnitte, die sie gemeinsam haben, und auch für solche Abschnitt^
die nur zwei oder drei oder vier von ihnen bieten, die älteste
Form bestimmt werden. Die so gewonnenen Stücke müssen zu-
sammengestellt und in bezug auf sie die Frage erhoben werden.
1) Das ist natürlich eine hypothetische Konstruktion. Die Verwandt-
schaftsverhältnisse können viel komplizierter sein und sind es wahrscheinlich.
Auf jeder Stufe kann das hinter ihr Stehende (das Original) in rerschie-
denster Weise aufs neue eingewirkt haben.
'J) Baumstark versuchte zu zeigen, daß der den Kanones anhaftende
Name ursprünglich „Julius" gelautet habe (= Julius J. von Rom) und nur durch
ein Mißverstiiudnis im Arabischen zu „Hippoly^s" geworden sei („Orient
Christianuß" Bd. 2 S. lOlff.i; aber er hat nur die Möglichkeit, nicht die Tat-
sächlichkeit eines solchen Mißverständnisses erwiesen. Da an XB der Name
Hippolyts haftet, so darf er schon deshalb bei den Kanones nicht korrigiert
werden (so auch Bardenhewer, Gesch. der altkirchl. Litt. Bd. 2 S. 541 f. nini
Funk, Tüb. Quartalschr. 19<)3 S. 478flF.).
Kirchenrechtliche Arbeiten Hippolyte. 5 [3
ob sie nicht von Hippoljrt herrühren. Daß die Canones Hippolyti
durchweg die jüngste Gest-alt der Bestimmungen darstellen, ist
von Funk nicht bewiesen worden. Da sie sich durch eine Vor-
rede hervorheben, die allen Anspruch dai-auf macht, von Hippolyt
zu stammen, da sie eine große Schlußausführung aufweisen, die
man nicht ohne weiteres ins 5. oder 6. Jahrhundeil verbannen
kann, da sie in c. 19, 11 ein Glaubensbekenntnis enthalten, das
abendländisch (römisch) zu sein scheint ^ und da sie einer Schrift
gegenüber wie das Testam. domini nostri in vielen Zügen (nicht in
allen) eine ältere Farbe aufweisen, so kann die Ansicht nicht ge-
billigt werden, daß sie, abgesehen von den ihnen eigentümlichen
jungen Stücken und Zügen, restlos in den Parallelschriften auf-
gehen. In c 1 und 2 der App. Constit. sieht die große Mehrzahl
der Forscher (auch Funk) eine Schrift Hippolyts benutzt obgleich
gerade hier nur recht unsichere Beobachtungen für diese Hypothese
sprechen. Die Bezeichnung von XB als hippolytisch, der Titel
„Canones Hippolyti", die Vorrede zu diesen Kanones und die Tat-
sache, daß der Inhalt des gemeinsamen Guts in die Märtyrerzeit
(und nicht in die späteste) zurückführt, endlich die sichere Kunde,
daß Hippolyt sich für ,1'Oqoi'' interessiert und aucli Kirchenrecht-
liches geschrieben hat, machen es überaus wahrsclieinlich, daß in
den großen Parallelschriften wirklich Canones Hippolyti stecken
1) Kan. 19, 11 lautet: „Und so steigt er ins Wasser hinab. Der l'n'sbytiT
legt ihm die Hand auf und fragt ihn folgendermaßen: ,<tlaubet du au Oott
den Vater, den alles fassenden?* Der Täufling antwortet: ,Ich glaube*. Jener
taucht ihn einmal ins Wasser, während seine Hand auf seinem Haupte liegt.
Dann fragt er ihn zum zweitenmal folgeudermaßen : ,(ilaub8t du an Jesus
Christus, den .Sohn Gottes, den Maria die Jungfrau von dem h. <ieist gebar,
der kam, um das Menschengeschlecht zu erlösen, der [für uns] gekreuzigt wurde
zur Zeit des Pontius Pilatus, der starb und am dritten Tage von den Toten
auferstand, aufstieg zum Himmel, sich zur Rechten des Vaters setzt»* und wieder-
kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten?' Jener antwortet:
,Fch glaube*, und er taucht ihn zum zweitenmal in das Wasser. Dann fragt
er ihn zum dritt-enmal folgendermaßen: ,(Tlaubst du an den h. üeist, den
Parakleten, der vom Vater und vom Sohn emaniert?* Wenn j«.*n«'r sagt: ,leli
glaube*, taucht er ihn zum drittenmale ins Wasser.** Der Satz: ,,Der vom
Vater und vom Sohn emaniert**, ist in eiiu'm orientalischen (Glaubensbekenntnis
höchst merkwürdig und paradox, aber er ist auch in einem alten abend-
ländischen Symbol unmöglich. Sieht man von ihm ab, ho ist es wahrscheinlicli,
daß das alte römische Symbol di<»8em (Jlaubensbekenntnis zugrunde liegt. Es
fehlt, wie in diesem, der Schöpfer Himmels und der Erden., <'« fehlt das „Em-
pfiEingen*' und das „Niedergefahren zur Hölle**. Allerdings sind auch Difterenzen
mit dem altrömischen Symbol vorhanden, ein IMus und ein Minus, und statt
„Begraben" liest man hier „Oestorben**; aber dennoch kommt dies Tilaubens-
bekenntnis dem «alt-römischen nüher als irgendeinem anderen.
Harnaek, Altchristi. Litt»^ratnrR*»8rh. IT, 2. X]
514 ^^' KirchenrechtHche Litteratur.
und daß der Name „Hippolyt" keine Fiktion ist wie der Name
„Clemens". Funk hat uns von dem Irrtum befreit, daß die An-
ordnungen Hippolyts in erster Linie und mit verhältnismäßig
leichter Mühe aus den arabisch erhaltenen Canones Hippolyti zu
gewinnen sind. Der endgültige Beweis, daß sie überhaupt nicht
zu gewinnen sind und daß die Canones Hippoljrti die schlechteste
Quelle sind, ist aber nicht erbracht und wird voraussichtlich auch
nicht erbracht werden. Es ist schon etwas erreicht, wenn es
gelingt, auch nur einzelne Abschnitte und etwa die Anlage des
hippolytischen Werks wiederherzustellen. Daß dabei die „Canones
Hippolyti** besondei'S gute Dienste leisten werden, ist mir nicht
zweifelhaft K
Exkurs.
Auf das ,,Testamentum domini nostri** einzugehen, liegt keine
Veranlassung vor. Wie kompliziert die überlieferungsgeschicht-
lichen Fragen sind, kann man an Baumstarks gelehrter Abhand-
lung v. J. 1900 (in der Eöm. Quartalschr.) , namentlich aber an
seiner Tabelle (S. 28) studieren. Allein an einem Abschnitt des
„Testamentum** dürfen wir nicht vorübergehen. Gleich nach dem
Erscheinen desselben machte ich in den Sitzungsber. d. K. Preuß.
Akad. 1899 S. 878 ff. auf die Apokalypse aufmerksam, die in dem
Buch eingesprengt ist. Sie war z. T. schon früher bekannt aus
den Fragmenten des Testamentum, die Lagarde (Reliq. iuris
eccl. antiq. 1856) aus dem Cod. Syr. Sangerm. 38 in griechischer
Rückübersetzung mitgeteilt hatte. Ich hatte Benutzung der Petrus-
Apokalypse in ihr wahrgenommen, was James in seiner Ausgabe
derselben (p. 53 ff.) bestätigen konnte. Auch glückte es James
(Apocr. Anecdota 1893 p. 151ff.), in dem Cod. Lat Trevir. 36
saec. VIII. das Bruchstück einer lateinischen Prophezeiung über
den Antichrist zu entdecken, welches sich mit zwei Kapiteln des
Werks bei Lagarde deckt. Jetzt liegt nun mit dem vollständigen
Testamentum auch die Apokalypse vollständig vor.
Daß sie (p. 7: „Adpropinquante regno** bis p. 17 „quos etipse
noscit'* bei Ralimani) nicht von dem Verfasser der Kirchenordnung
stammt, sondern ursprünglich eine selbständige Schrift gewesen
ist, bedarf keines Nachweises. Es ist schon auffallend genug, daß
1) Jüngst hat Riedel (Stiid. u. Krit. 1903 S. SSSff.) auf Beziehungen
zwischen den Canones Hipp, und der athanasianischen Schrift De virginitate
aufracrksam gemacht. Aber leider fördert dieser Nachweis nicht; denn man
kann nicht darüber ins klare kommen, auf welcher Seite die Priorität liegt.
Auch ist die Authentie des Traktats trotz der glänzenden Verteidigung durch
Eichhorn noch immer umstritten.
Exkurs: Apokalypse im „Testameutum domini nostri". 515
eine nüchterne Kirchenordnung durch eine Apokalypse eingeleitet
ist; daß sie zu dem Zweck der Einleitung eigens verfaßt ist, ist
ganz unglaublich. Auch bestehen keine inneren Verbindungsfäden
zwischen ihr und dem Hauptkörper des Buches. Dazu kommt, daß
sich ein Stück dieser Apokalypse auch im Abendland findet, während
von der Kii'chenordnung selbst keine Spuren dort nachgewiesen sind.
Die Apokalypse handelt von den Vorzeichen des Antichrists,
von seinem Auftreten und von seiner Erscheinung ^ Der Lateiner
bemerkt: „Dexius (= Decius) erit nomen antichristi". Der Ab-
schreiber saec. VIII. hat diese Worte aus der Überlieferung und
behandelt sie wie einen Teil seines Textes; denn erst nach ihnen
setzt er „Explicit". Doch hat die Apokalypse unter dem Anti-
christ keinen irdischen König verstanden, vielmehr ist es für sie
charakteristisch, daß sie vor dem Auftreten des Antichrists 2 einen
irdischen König schildert, der der Vorläufer des Verhaßten ist
Dieser irdische König aber ist, wie es scheint, wirklich Decius,
und die Apokalypse also genau zu datieren. Die Worte nämlich
(p. 7 f.): „Surget autem et in occidente rex alienigena, princeps
summi doli, atheus, homicida, deceptor, cupidus auri, vaferrimus,
pravus, inimicus fidelium et persecutor. Dominabitur et in gentes
barbaras et eflfundet multum sanguinera. Tunc argentum erit con-
temptibile et in honore habebitur aurum (tantum). Erit in omni
civitate et regione direptio et praeda per latrones effiindeturque
sanguis'^ passen auf Decius vor seiner Niederlage ^ zumal wenn
man erwägt, daß es gerade Decius gewesen ist, den man nicht so-
wohl den „Antichristen" als den „metator antichristi" (Lucianus in
epp. Cypr. 22, 1) — ganz wie in unserer Apokalypse — genannt
hat Ferner hat die Schilderung der innerkirchlichen Miß- und
Notstände beim Ausbruch der Verfolgung (p. 9 ff.) Ähnlichkeit mit
den Schilderungen bei Cyprian (Briefe und De lapsis). Diese Be-
schreibung schließt es aus, daß unsere Apokalypse der vordeciani-
1) Der Lateiner hat die Beschreibung des Antichrists den Vorzeichen
vorangestellt; die Stellung im Syrer ist die natürlichere.
2) Von ihm heißt es (p. 15): „Haec sunt signa eius. caput eius sicut
flamma ingens; oculus dexter sanguine mixtus, sinister caesii coloris, duas
habens pupillas ; eius palpebrae sunt albae, labium eius inferius magnum, femur
dexter t^nnis (Lat.: „macrum'O, et pedes lati (Lat. : „tibiae tenues, pedes lati");
maior digitus eius contusus et oblongus. ista est falx desolationis". Die
Schilderung In der Elias- Apokalypse ist ganz anders; nur „dünnbeinig" steht
auch dort; ob übrigens diese ganze Beschreibung der Person des Antichrists
nicht ein späterer Zusatz ist, kann man fragen.
3) Das über Silber und (lold Gesagte bleibt uns allerdings in Beziehung
auf die Regierung des Decius dunkel.
33*
516 ^^* KirchenrechÜiche Litteratur.
sehen Zeit angehört > ; somit stehen überhaupt nar die Verfolgongs-
zeiten des Decins und des Diokletian (bez. seiner Mitkaiser) in
Frage^. Da nun aber die Schilderung des Kaisers auf Maxiroinns
Daza nicht paßt, während die Apokalypse doch, wie sich gleich
zeigen wird, aus dem Orient stammt, so ergibt sich auch von hier
aus die Bedeutung der beim Lateiner erhaltenen Überlieferung.
Diese kann man allerdings unter der Voraussetzung erschütteru.
daß unsere Apokalypse überhaupt nicht aus einer Verfolgungszeit
stammt, sondern, die Anerkennung des Christentums im Staat be-
reits voraussetzend, von einer unerwartet hereinbrechenden Ver-
folgung in rein idealer Schilderung spricht Ich räume ein, daß
diese Deutung nicht unmöglich ist, ja an einigen Wendungen der
Prophetie eine Stütze finden kann^ Läßt sich das Zeitalter der
Apokalypse nicht mit Sicherheit, sondern nur mit einer gewissen
Wahrscheinlichkeit bestimmen, so können wir doch über das Land,
aus welchem sie stammt, nicht zweifeln. Sie ist in Syrien oder in
einer Nachbarprovinz Syriens geschrieben; denn p. 131 heißt es^*
1. ^H SvQla öiaQxao&^oerai xcu xlavaerai tov^ vlovg mr^c'
7/ KiXtxia CLQhl TQaxfßov avTr^q fcoc Si; 9>ßJ^ o xqIvov
1) Man vergleiche besonders die erschütternden Klagen über die schlechten
Hirten, d. h. den verweltlichten und verwilderten Klems.
2) Die valerianische nicht; denn die Kirche trat in sie gefestigter ein.
3) P. 11: „Quamobrem (weil der Klerus so verwildert ist) diffundentur
inter gentes increduiitas, odium frat^mitatis etc."; 1. c: „Veniet tempus,
quo nonnulli ipsonim me negabunt, ezcitabunt in terra discidia et confident
in rege corrui)tibiIi". — In die Mitte des 3. Jahrh. haben die Apokalypse (be-
vor sie vollständig bekannt war) auch La gar de (Analecta Antenic. Bd. 2, 18^,
8. 38) und Neumann (Litt. Zentralblatt 1894 S. 707) verwiesen, aber in dem
Kaiser nicht Decius gesehen. Ausführlich hat jetzt Funk (Testament-, 19<»1,
S. 83 ff.) die Frage erörtert. Er meint, daß die Schilderung Kämpfe unter den
Christen verrät, wie sie erst vom 4. Jahrh. an zutage treten, und daß man an
die monophysitische Zeit und ihre Schrecken denken kOnne (s. die Plerophorien
des Johannes von Majuma). Die Deutung auf einen Kaiser des 3. Jahrh. scheint
ihm überhaupt fragwürdig, an christliche Herrscher bez. auch an einen großen
germanischen König sei bei dem „rex alienigena" zu denken. Funk legt auf
das Zeugnis des Lateiners kein Gewicht, welches doch die Sonderexisteiiz
der Apokalypse sehr wahrscheinlich macht (so auch Baumstark, Rom. Quar«
talschr. 11)00 S. 37), und will den beim Lateiner genannten „Decius" aus einem
Mißverständnis erklären. Aber ganz sicher ist auch er nicht, daß die Apoka-
lypse vom Verf. des Tttstamentum selbst herrührt.
4) Ich gebt* hier die Rückübersetzung La gar des (1. c. p. 83) mit einigen
Verbesseningen. Im Cod. Sangerm. hat das Stück eine besondere Überschrift
- nsi)l xTiq dnw/.eiaQ xwv xXifidrwv. — Die hier geschilderten Verheerungen
können die der Goten z. Z. des Decius sein. Doch ist es nicht sicher, daß die
Goten vor 2(33 4 in jene Länder gekommen sind.
Exkon: Apokalypse im „Testameutum domini nostri". 5^5
■
eine nüchterne Kirchenordnung durch eine Apokalypse eingeleitet
ist; daß sie zu dem Zweck der Einleitung eigens verfallt ist, ist
ganz unglaublich. Auch bestehen keine inneren Verbindungsfäden
zwischen ihr und dem Hauptkörper des Buches. Dazu kommt, daß
sich ein Stück dieser Apokalypse auch im Abendland fiudet, während
von der Kirchenordnung selbst keine Spuren dort nachgewiesen sind.
Die Apokalypse handelt von den Vorzeichen des Antichrists,
von seinem Auftreten und von seiner Erscheinung ^ Der Lateiner
bemerkt: „Dexius (= Decius) erit nomen antichristi''. Der Ab-
schreiber saec. VIII. hat diese Worte aus der Überlieferung und
behandelt sie wie einen Teil seines Textes; denn erst nach ihnen
setzt er „Explicit". Doch hat die Apokalypse unter dem Anti-
christ keinen irdischen König verstanden, vielmehr ist es für sie
charakteristisch, daß sie vor dem Auftreten des Antichrists ^ einen
irdischen König schildert, der der Vorläufer des ^'erhaßten ist
Dieser irdische König aber ist, wie es scheint, wirklich Decius,
und die Apokalypse also genau zu datieren. Die Worte nämlich
(p. 7f.): „Surget autem et in occidente rex alienigena, princeps
summi doli, atheus, homicida, deceptor, cupidus auri, vaferrimus,
pravus, inimicus fldelium et persecutor. Domiuabitur et in gentes
barbaras et eflfundet multum sanguinem. Tiinc argentiim erit con-
temptibile et in honore habebitur aurum (tantuni). Erit in omni
civitate et regione direptio et praeda per latrones eifundeturque
sanguis'^ passen auf Decius vor seiner Miederlage ^ zumal wenn
man erwägt, daß es gerade Decius gewesen ist, den man nicht so-
wohl den „Antichristen" als den „metator antichristi" (Ijiicianus in
«PP« Cypr. 22, 1) — ganz wie in unserer Apokalypse — genannt
hat. Ferner hat die Schilderung der innerkirclilichen Miß- und
Notstände beim Ausbruch der Verfolgung (p. 9if.) Ähnlichkeit mit
den Schilderungen bei Cyprian (Briefe und De lapsis). Diese Be-
schreibung schließt es aus, daß unsere Apokalypse d(^r v«>rdeciani-
1) Der Lateiner hat die Beschnnbun^ des Antichrists den Vorzeichen
vorangestellt; die Stellung im Syrer ist die nutürliclier«».
2) Von ihm heißt es (p. 15): „Ilaec sunt sij^nii eins, oaput eins sicut
flamma ingens; oculus dexter siinf^iine mixtus, sinistcr caesii colorie, duas
habens pupillae ; eius palpebrae sunt albaf, hibiuni eins inf^-riiis iiiaj^nuni, femur
dexter t^nuis (Lat.: „macrum^O? e*' ikkIcs Uiti (Lat.: „tibiae (enues, ]iedes lati");
inaior digitus eius contusus et oblonj^irf. ista est l'alx d»'Solationis". Die
Schilderung In der Elias-Apokalypse ist ganz anders; nur „dünnbeinig" steht
auch dort; ob übrigens diesfj ganze Beschreibung d»'r I\*rsou des Anticlirists
nicht ein späterer Zusatz ist, kann man fragen.
3) Das über Silber und (lold Gesagte bleibt uns allerdings in Beziehung
auf die Regierung des Decius dunkel.
m. Die pseudoklementinischen Schriften \
Nach ühlho ms Untersuchung (1854), also nach 50 Jahren —
denn die Arbeit von Lehmann, obgleich sie einige Vorzüge be-
sitzt, war unselbständig, und die Arbeit von Langen war
1) Vgl. die Ausgabe der Homilien von Lagarde (1865; man beachte die
Einleitung), der Bekognitionen von Gersdorf (1838; eine kritische Ausgabe
fehlt noch), der beiden Epitome von D res sei (1859), der syrischen Rekognitionen
von Lagarde (18C1), der arabischen Stücke von Gibson (Apocr. Sinaii in
Stud. Sinait. 5. Stück, 1896, dazu Ryssel, Theol. Litt.-Ztg. 1896, Kol. 372ff.).
Nach den älteren Arbeiten von Neander (1818), Baur (seit 1831), Schlie-
mann (1844), Schwegler (1846), Hilgenfeld (1848 und in den Theol. Jahrbb.
Bd. 13, 1854, S. 483ff.), Ritschl (Allg. Monatsschrift f. Wissensch. und Litt
1852, S. 64ff.), Ritschl, Altkath. Kirche, 1850, S. 196ff., Uhlhorn (1854,
s. auch Protest. REnzykl.s Bd. 4 S. 171ff.), Lehmann (1869) und LipsiuB
(Quellen der römischen Petrussage, 1872, vgl. Protest. KZeitung 1879 S. 477fF.
und Zahn, Gott. Gel. Anz. 187(3 Nr. 45) kommen besonders folgende Unter-
suchungen in Betracht: Salmon im Dict. of Christ. Biogr. Vol. 1, 1877, p. 567 ff.,
Renan i. Joum. des Savants 1880 Sept. p. 539 ff. (s. desselben Marc Aurele 1882
p. 74 ff.), Bestmann, Gesch. der christl. Sitt<} Bd. 2, 1883, Hilgenfeld, Ketzer-
goschichte, 1884, Harnack, Lehrbuch d. Dogmengesch. Bd. 1, 1886, S. 325 ff.,
Bd. 13 S. 2S0ff. 2(j3ff., van Nes, Het Nieuwe Testament in de Clementinen,
Amsterdam 1887, Lipsius, Apokr. Apostelgesch. Bd. 2, 1887, S. 37 ff., Langen,
Die Clemensromane, 1800 (dazu Harnack, Theol. Litt.-Ztg. 1891, Kol. 14501,
Weyman, Ilistor. Jahrb. Bd. 12, 1891, S. 155f., Brüll in d. Tüb. Quartalschr.
Bd. 73, ISOl, S. 577ff.), Bigg, The Clementine Homilies in d. Stud. Bibl. et
Kccl. Oxf. T. 2, ISOO, p. 157 ff., Quarry in der Hermathena T. 17, 1891, p. 91 ff.,
Preuschen in meiner Altchristl. Litt-Gesch. Teil I, 1893, S. 212ff., Index of
notoworthy words and i»hrases found in the Clementine writings commonly
called the Homilies of Clement [Lightfoot-Fund], 1893, Richardson in den
Paperß of American Soc. of Church Hist. Vol. VI, 1894, p. 131ff., Hort, .ludaistic
Christianity, 1804, p. 2()lf., Richardson, The Clement Litterat. Synopsifl
and Abstract of a lecture, 1894 [als Ms. gedruckt], Krüger, Gesch. der alt-
christl. Litt., 1S9Ö, S. 2:J2tf., Sceberg, Lehrbuch der Dogmengesch. 1. Bd., 1895,
S. 52f, Kalbfleisch im „Hermes" 1805 S. 631 ff. [zum Text der Hom.], Bussell
in den Stud. Bibl. et Ecclos. Oxf T. 4, 1896, p. 133ff., Harnack, Chronologie
der altchristl. Litt. Bd. 1, 1897, S. 625ff'., Robinson, Philocalia of Origen,
1898, Ehrhard, Die altchristl. Litteratur, 1900, S. 170ff., Preuschen, Anti-
III. Die pseudoklementinischen Schriften. 5I9
durchweg verfehlt — ist endlich wieder das Problem der pseudo-
klementinischen Schriften im Zusammenhang und gründlich unter-
sucht worden, nämlich von Waitz. Ich habe dieses sorgfältig ge-
arbeitete Werk größtenteils noch benutzen können, stimme mit dem
Verfasser in vielen wesentlichen Punkten überein, was bereits meine
Ausführungen im Lehrbuch der Dogmengeschichte erkennen lassen,
und bin ihm für treffliche Belehrung im einzelnen dankbar. Volle
wissenschaftliche Sicherheit in bezog auf die zahlreichen hier
schwebenden Probleme wird fi'eilich erst gewonnen werden, wenn
wir einen zuverlässigen Text der Rekognitionen besitzen, das Ver-
hältnis der Rezensionen im Detail studiert ist und die Texte
kommentiert sind. In bezug auf das Alter der letzten Quellen
der Pseudoklementinen hat mich Waitz nicht überzeugt.
An keinem anderen Punkte der altchristlichen Litteratur haben
die urteile so schroff gewechselt wie in bezug auf die pseudo-
klementinischen Schriften: in der Mitte des vorigen Jahrhunderts
standen sie im Zentrum der Hypothesen über die Entwicklung des
vorkatholischen Zeitalters der Kirche (denn man verlegte sie —
Quellenschriften und Bearbeitungen — in das Ende des 1. und
kaum über die Mitte des 2. Jahrhunderts); jetzt werden sie von
vielen neueren Forschern bei den Untersuchungen über die Ent-
stehung des Katholizismus nicht oder kaum n4elir berücksichtigt,
sind in einen Winkel der Litteraturgescliichte verstoßen, und ihre
Abfassungszeit wird tief heruntergcaiickt (wenn auch über das
Alter ihrer Quellenschriften eine Einigung noch längst nicht erzielt
ist). M. E. ist ihnen damit nur ihr Kecht geschehen, wie die fol-
genden Darlegungen, die freilich nur die chronologischen Fragen
ins Auge fassen dürfen, beweisen werden.
Von den beiden „Epitome" ist abzusehen, das hat Waitz
Ipgomena, 1901, S. Soff. IGoff., Hort, Notes iiitroductory to the study of tlie
Clem. Recogn. A course of lectiires, 1!X>1 Ibei der Beiiutzuii<^ dieses Works liat
man sich zu erinnern, daß es ein Abdruck von Aufzeicbiuinji^en ist, die Hort
im J. 1884 gemacht liafc], Meyboom, ^larcion en Paulus in de Clementijneu,
in d. Theol. Tijdschr. 1001, S. 157 tf., Meyboom, De Clemens-Konian, 1. Bd.,
1002 [dazu V. Dobschütz, Theol. Litt.V.tjr. VM'> Nr. J*J, Bardenhewer,
("leBch. der altkirchl. Litteratur 1. Bd., l(Mrj. S. IJölff., Cluii»niaii, Orij:^en and
the date of 1*8. Clement im Journal of Theol. Stud. 1902, ].. -i::«;!!'., K-.mI
Schmidt, Die alten Petnisakten, in den Texten u. Unter;?. Bd. 21 H. 1. Ili0:>,
Hilgenfeld, Die alten Actus Tauli in der Ztschr. f. wissensfli. Theol. Bd. 40,
1!K)3, S. 321 ff., Derselbe, Orij^enes und J'.seudocleniens, u. a. 0. S. :V12ff.,
Böhmer-Romundt, a.a.O. S. ilTl [Über das Ojnis inii»erf. und die Clement.',
Headlam, The Clement. Litt^rat. im ,lourn. of The(d. Stud. Bd. 3. 19<a p. 41 ff.,
Waitz, Die Pseudoklementinen, in den Tt-xt^'u und T'nterKucliunjren Bd. 25
H. 4, 1904.
520 1^^* ^® pseadoklementiniBclien Schriften.
(s. auch Hort, 1901, p. 4f.) aufs neue (S. 7ff.) gegen Langen er-
wiesen: sie sind wirklich nichts anderes als Auszüge aus den
Homilien (s. auch Bardenhewer S. 358). Etwas günstiger läßt
sich über die syrische Fassung, die in einem uralten Ms. (vom J. 411)
vorliegt, minder günstig über die arabischen Stücke urteilen (Be-
richt über Slawisches bei Franko in Preuschens Ztschr. Bd. 3,
1903, S. 146 ff.). Auch sie sind Auszüge (s. Hort, 1901, p. 78ff.)
aus den Homilien und Rekognitionen. Insofern aber haben sie,
namentlich der Syrer, einen gewissen Wert, als wir die Rekog-
nitionen bekanntlich nicht mehr im griechischen Original, sondern
nur in der teilweise kastrierten lateinischen Übersetzung Bufins
besitzen. Es ist daher wahrscheinlich, daß für den Text der
4 ersten BB. der Rekognitionen sich aus der genauen Untersuchung
des Syrers etwas ergibt; eine solche ist aber bisher in umfassender
Weise noch nicht angestellt worden. Doch hat Böhmer-Romundt
(1903, S. 374) auf die sehr wichtige Tatsache aufmerksam gemacht,
daß der von Rufin in seiner Überaetzung weggelassene, arianisch
lautende Abschnitt „De ingenito deo genitoque" (s. u.) sich beim
Syrer (III, 2—11, p. Slff. Lagarde) findet.
Bereits in meinem Lehrbuch der Dogmengeschichte (P S. 296 ff.)
habe ich die Ansicht vertreten, daß man in bezug auf die Homilien
und Rekognitionen, die nicht in direkter litterarischer Abhängig-
keit voneinander stehen \ mindestens drei Schichten zu unter-
scheiden habe, nämlich (l) eine bez. mehrere judenchristlich-
synkretistische Schriften und dazu eine Petrus-Simon Magus-Schrift
antignostisclien Charakters, (2) eine Zusammenarbeitung und Um-
arbeitung derselben (in der Form eines Clemens-Romans), durch
welche sie dem Gemein-christlichen angenähert bez. in dasselbe
aufgenommen, zugleich aber hellenischer und für weitere Kreise
anziehungskräftiger wurden, (3) zwei weitere Umarbeitungen auf
Urund einer und derselben Grundlage (nämlich auf Schicht 2\
eben die Homilien und Rekognitionen, die von katholischen Ver-
fassern herrühren, deren Katholizismus aber nicht die alexandrinische
Theologie involvierte und die geschrieben haben — so verschieden
sonst ihre Zwecke waren — . um zu erbauen und zu unterhaltend
1) Die Versuche, die Homilieu direkt aus den Rekognitionen abzuleiten
oder umgekehrt, sind gescheitert; das ist jetzt so gut wie allgemein anerkannt
•J) Auf weitere Umbildungen, die diese Litteratur (bez. die Homilien) er-
lebt hat (im Interesse, sie noch erbaulicher und orthodoxer zu gestalten),
brauchen wir hier nicht einzugehen. Beiseite müssen wir aber auch alt^?
Schriften lassen, die uns nur dem Namen nach überliefert sind und die xu
unserer Litteratur gehören können, uns aber sonst ganz unbekannt sind.
III. Die pseadoklementinischen Schriften. 521
In dieser Allgemeinheit kann die These schwerlich beanstandet
werden; denn — wie schon ein flfichtiger Überblick über die An-
lage nnd den Stoff zeigt — das Verhältnis der Homilien zu den
Rek(^nitionen fordert eine umfangreiche Quellenschrift, nämlich
den Clemens-Boman^ (= UsqIoöoi IHtqov); der Clemens-Roman
selbst aber (den größeren Teil des in den Homilien und Rekog-
nitionen enthaltenen Stoffs umfassend) zeigt in den apologetischen,
polemischen, dogmatischen und historischen Partien neben einer
Fülle indifferenten (bez. gemein-christlichen) Materials einen Grund-
stock von Anschauungen, Lehren und Gebräuchen, der seine
Parallelen ausschließlich an den Ebioniten des Epiphanius, an den
Elkesaiten und an Symmachus, kurz an dem judenchristlichen
Sjrnkretismus hat; er zeigt demgemäß die zahlreichsten, auf Schritt
nnd Tritt begegnenden Widersprüche. Zum Grundstock gehört
aber auch eine nicht häretische, vielmehr antignostische Erzählung
von den Taten des Petrus gegenüber Simon dem Magier.
Ist für die eine Hälfte der ersten Schicht der judenchristlich-
synkretistische Charakter sichergestellt, so kann andererseits der
katholische Charakter 2 der dritten Schicht nicht verkannt werden.
Eine Schrift, die selbst noch (nicht bloß ihre Quellen) die Tendenz
gehabt hätte, in antikatholischem Interesse zu wirken, hätte von
Rufin nicht für ein gutkatholisches und empfehlenswertes Buch
gehalten werden können. Wir dürfen in dieser Beziehung seinem
Urteile mehr trauen als unseren mikrologischen Erwägungen.
Doch nicht nur sein Urteil kommt in Betracht. Die noch heute
vorhandenen, den verschiedensten Jahrhunderten angehörigen
Hierher gehören die „Dialoge des Petrus und Apion", welche Eusebius (h. e. 11 1,
38, 5) erwähnt und über deren Inhalt man ganz aufs Kat^n angewiesen ist.
1) Also nicht etwa nur eine Anzahl kleiner gemeinsamer Quellen. "Wie um-
fangreich die eine gemeinsame (Quelle gewesen sein muß, geht daraus hervor,
daß man Jahrzehnte hindurch den Versuch machen konnte, die eine Schrift aus
der andern abzuleit-en. Auch Hort (1894 p. 201) hat sein Urteil dahin abge-
geben: ,,The existing Works, the Clementine Homilies and the Recognitions^
are apparently independent abridgements, for vt'ry dift'eront purposos, of a
voluminous book üegloSoi nivQOv". Cf. derselbe (19()1, p. Slf.): „The only
reasonable alternatives are that the book which the Chronicon Paschalc calls
Kktifiivzia was itself a combination of both toxts, or that it was a common
source of both. That both R^cog. and Hom. had a common source, that is,
that the several dift'erences and resemblances betweon them i-annot be explained
by the supposition that either was derived from the other, is the conclusion
towards which criticism has been tending for somp time. . . It is indeed
diffieult to understand how any other was ever tought credible".
2) „Katholisch" ist hier im Sinne von „antignostisch" und „antijudaistisch"
gebraucht — mehr soll einstweilen nicht gesagt sein.
522 ^^* ^^^ pseudoklementmiBchen Schriften.
6 — 7 Dutzend vod Rekognitionen-Handschriften und die reiche Be-
nutzung derselben bezeugen es, daß das Buch, wie es als katholisches
empfunden worden, so auch wirklich katholisch ist Das unzweifel-
haft Häretische, das es noch immer von seinen indirekten Quellen
her in sich birgt, ist durch die Verschmelzung und Verkapselung
unschädlich gemacht und in der Tat fast unschädlich geworden.
Stärker tritt dasselbe in den Homilien hervor; aber auch dort ist
es von neutralen und katholischen Anschauungen so umschlossen,
daß es nahezu unschädlich ist Diese Umschließung ist auch hier
das Werk eines nicht-tendenziösen, wohl doktrinär interessierten,
aber zugleich auf Erbauung ausgehenden Erzählers ; also keines
Häretikers, der geheime Zwecke verfolgte. Somit ist auch der
Redaktor der Homilien ein Katholik, der sich an seine Glaubens-
genossen gerichtet hat und sie durch die Aufstutzung eines älteren
didaktisch-erbaulichen Romans vom Paganismus gründlich befreien
wolltet Die besondere Spielart des Katholizismus ist freilich
unverkennbar.
Nicht ohne weiteres ist der Charakter der mittleren Schicht
klar. A. a. 0. S. 296 ff. habe ich zwei Möglichkeiten offen gelassen,
die zweite aber für die wahrscheinlichere erklärt Die Umarbeitung
ist entweder noch innerhalb des synkretistischen Judenchristentums
selbst geschehen oder schon von einem „katholischen" Schriftsteller.
„Im ersteren Fall müßte sich jenes Judenchristentum im Westen
zu größeren Konzessionen an das herrschende Christentum herbei-
gelassen, die Bt^schneidung aufgegeben und sich dem Kirchenwesen
der Heidenchristen akkommodiert sowie auch die Polemik gegen
1) Die Hypothese Biggs (1890), der die Schichten umzukehren versucht
— das Katholische soll das Primäre sein, das Judenchristlich-synkretistiscbe
das Sekundäre — , scheitert sowohl an dem Verhältnis der Homilien zu den
Rekognitiouen als auch an der Tatsache, daß das Häretische durchweg als da«
Altere erscheint. — Wie man sich in katholischen Kreisen darüber hinwegg»^
setzt hat, daß, z. ß. im 3. Buch der Homilien, viele Stücke im A. T. einfach
als falsch, unsittlich und lügenhaft bezeichnet sind, gestehe ich nicht zu wissen.
Hier erinnern die Homilien stark an die Syllogismen des Apelles, deren Ver-
fasser sie sonst wegen seiner Lehre vom Schöpferengel bekämi)ft haben. An
einigen Stollen erscheint das Christentum der Homilien überhaupt wie ein
Synkretismus aus dem gemein Kirchlichen, dem judenchristlich Gnostischen und
der Kritik des Apelles. Höchst anstößig ist auch Hom. VIII, G — S. Aber man
darf andererseits nicht vergessen, daß angesichts der Verwerfung gewisser Ab-
schnitte des A. T.s immer noch die Auskunft und Rettung übrig blieb, wie sie
Barnabas vorgezeichnet hatte: wir verwerfen sie in ihrem wörtlichen Sinn, aber
ihr geistiger und prophetischer Sinn bleibt dabei bestehen. Man erinnere sich
übrigens auch daran, daß in der Apostolischen Didaskalia „die Wiederholung"
im Gesetz rund verworfen wird, und doch ist die Didaskalia gewiß ein gut
katholißches Buch.
m. Die pseadoklementinischen Schriften. 523
Paulus zurückgestellt haben. iDdessen ist die Existenz eines
solchen Judenchristentums bisher nicht bewiesen. Daher ist mit der
Möglichkeit einer litterarisch-katholischen Redaktion schon auf
dieser Stufe zu rechnen. Die Identifizierung des reinen Mosaismus
mit dem Christentum war, sobald von der Beschneidung nicht mehr
die Bede war, im 3. Jahrhundert an sich nichts weniger als an-
stößig; die scharfe Unterscheidung zwischen zeremonial- und sitten-
gesetzlichen Bestandteilen im A. T. konnte nach dem großen Kampfe
mit dem Gnostizismus nicht mehr zum Ärgernis gereichen; die
starke Betonung der Einheit Gottes und die Ablehnung der Logos-
lebre war im Anfang des 3. Jahrhunderts (und auch weiter noch)
durchaus nicht unerhört, und in den Adam-Christus-Spekulationen,
in den Ansichten über Gott und Welt usw. mußte das KoiTekte
und Erbauliche das Bedenkliche zu überstrahlen scheinen. Vor-
sichtiger urteilt jedenfalls der Historiker, der einem Judenchristen-
tum, das aus den widersprechendsten Elementen zusammengesetzt
ist, dem ferner die Beschneidung und die nationalen HoflTnungen
fehlen, und das endlich katholisches und deshalb hellenisches Ge-
präge trägt, die Existenz bis auf weiteres abspricht, als derjenige,
welcher lediglich auf Grund von Eomanen, die niemals Gegenstand
des Angriffs geworden sind, die Existenz eines dem Katholizismus
sich akkommodierenden , gänzlich unbezeugten Judenchristentuins
behauptet*".
um aber die wichtige Frage nach dem Charakter der zweiten
Schicht sicherer zu lösen, als es durch allgemeine Erwägungen ge-
schehen kann, ist es nötig, sie zunächst in Umrissen herzustellen.
Das hat Waitz (S. 16—39) getan. Über ein paar Punkte kann
man streiten; in allem Wesentlichen ergibt sich der Umfang des
Clemensromans mit großer Wahrsclieinlichkeit^:
Hom. Kekogn.
I, 1-7» I, 1—7» Die Seelenkämpfe des Cle-
mens und die Predij^ eines
Unbekannten, bezw. nach
den Rekog. des Barnabas in
Rom [Barnabas wird ur-
sprünglich sein; die Honii-
lien Ilaben ihn getilgt, weil
die öffentliche Tradition von
seiner Tätigkeit in Rom
nichts wußte].
1) Zu vgl. ist hierzu die dotaiUiertere Tabelle, welche Tlort (19(»l p. 145
bis 158) för die parallelen Stücke in Hom. T — 111 und Rekog. I— 111 gegeben hat.
524 ^11* ^^® pseudoklementiniBchen Schriften.
Hom. Rekogn.
1, 7*>— 8 — Die Reise des Clemens nach
Alexandrien.
I, 9—14 I, 7*»— 11 Die Disputation des Barna-
bas nnd Clemens mit den
Philosophen in AlexandrieD,
bez. in Rom, nach den
Rekogn., die auch hier das
ursprüngliche bewahrt ha-
ben werden.
I, 15—22 I, 12—19 Das Zusammentreffen des
Clemens mit Petrus in Cäsa-
rea und die Belehrung des
Petrus über den wahren
Propheten.
11, 1 II, 1 Das Auftreten des Petrus
mit seinen 16 (nach den
Rekogn. 12) Begleitern.
II, 18 II, 3—6 Der Bericht des Aquila und
Nicetas über Simon, Ein-
leitung dazu.
11,19—21 — Die Erzählung von der Syro-
phönizierin Justa, der Pflege-
mutter des Simon, Aqaila
und Nicetas.
II, 22 II, 7 Über Simons Abkunft und
Lehre.
II, 23. 24 II, 8. 11 Über die Vorläufer Simons,
Johannes und Dositheus.
II, 23. 25 II, 9. 12 Über Helena.
II, 26—31 II, 13—15 Über Simons nekroman-
tische Künste.
II, 32. 34 II, 9. 10 Über Simons magische
Künste.
II, 35—37 1, 20. 21 Die Meldung des Zakchäus
vom Aufschub der Dispu-
tation.
II, 4—12 1, 21—26 DiellnterweisungdesPetrus
(III, 1 1—16; über den wahren Propheten,
sein Wesen und seine Er-
kenntnis.
III. Die pseadoklementiniacben Schriften.
525
HOID.
(II, 15-18)
(in, 17—28)
Rekogn.
I, 27—42
I, 43. 53-71
(II, 38—3,10)
—
in, 29-30
II, 19—20
in, 31—37
II, 33—36
III, 38. XVI, 5—15 II, 38-46
(in, 38—57)
XVII, 1 3
III, 12
XVU,4(XVni,4-
-23) 11,47
XVII, 5-12
11, 48-60
XVII, 13-19
XVI, 16
II, 61—69
111,3 12
iVIII, 1. 2
III, 37. 38
II, 13. 14
XIX, 3. 4
(11, 29)
(H, 33)
III, 58—73
III, 38—42
TU, 15 17
III, 42—50
III, 51—62
III, 63— (56
HL 67—74
IV, 1
IV, 2 7
VI, 26- VIII, 1
IV, 1
Das Buch von den Erschei-
nungen des wahren Pro-
pheten.
Die Disputation der Apostel
mit den Juden über den
wahren Christus.
Das Gespräch über die fal-
schen Perikopen.
Die Aufforderung des Zak-
chäus zum Beginn der Dispu-
tation mit Simon.
Die Disputation über den
Friedensgruß.
Die Disputation über die
Lehre der Schrift von Gott
und Göttern.
Widerlegung der marcio-
nitischen Antithesen.
Die Meldung des Zakchäus
über Simon.
Über Gottes Oifenbarung
(Matth. 11, 27).
Fortsetzung (über das un-
endliche Licht), vgl. Hom.
XVII],21undRekog.ll,45.
Foi-tsetzung.
Fortsetzung (über die Ent-
stehung Gottes).
Über die Güte und Ge-
rechtigkeit Gottes.
Fortsetzung.
Über das Böse.
Fortsetzung.
Fortsetzung.
Die Ordination desZakchäus
in Cäsarea.
Weitere Wirksamkeit des
Petrus in Cäsarea.
Die Reise des Petrus von Cä-
sareanach Tripolis und seine
Wirksamkeit auf den ver-
schiedenen Reisestationen.
526
III, Die pseudoklementinisclien Schriften.
Holu.
Rekogn.
vni, 2 8
IV, 2-7
VIIT, 9 23
IV, 8-37
IX, 1 21
X, 2—20
V, 2—22
X, 21—25
XI, 4-18
V, 23—36
XT, 1 3
VI, 1 3
XI, 19—32
VI, 4-15
XII, 1 24
VII, 1—24
XII, 25-53
XIII, 1—12
VII, 25—36
XIII, 13 21
VII, 37. 38
XIV, 1
XIV, 2. 3
VII, 38
VIII, 1. 2
XIV, :i. 7
XV, 1 5
XIV, 8— 12
VIII, 3 36
VIII, 37 57
VIII, 57-62
IX, Teile V. 1—32«
IX, 33 38
XV, 1 XX, 1-
IV, 7 VI, 25
-10 X, 1 12
X, 17-51
XX, 11 23
X, b'\ — 65
X, 66-72
i Reden des Petrus in Tripolis
über den Dämonenglaaben.
Beden des Petras in Tripolis
wider die heidnische Oötter-
verehrung.
Beise des Petrus von Tri-
polis nach Laodicea. Unter-
wegs die erste Wiederer-
kennung (der Mattidia als
der Mutter des Clemens).
Rede des Peti*us über die
Menschenliebe.
Die zweite Wiedererkenn-
uug (des Aquila und Nicetas
als Brüder des Clemens).
Bede des Petrus über die
Keuschheit
Die Taufe der Mattidia.
Das ZusammentreflFen des
Petrus mit dem Greis am
Meer.
Disputation über Astrologie
und Gottesglauben.
Die dritte Wiedererkennung
(des Faustus als Vaters des
Clemens).
Gespräch über das ÜbeL
Gespräch über die heid-
nische Mythologie.
Das Ende des Simonronians.
Die Wirksamkeit des Petrus
in Antiochien.
1) Den AbschniU IX, 19fF. über die verschiedenen Gesetze der Länder der
Grundschrift zuzuweisen, ist man nicht veranlaßt.
III. Die peeudoklemeiitimschen Schriften. 527
Zu dem Clemensroman (Schicht 2) hat aber auch als EinleituDg
der Brief des Clemens an Jakobus gehört K Er ist an sich — für
Hom. und Bekog. — nicht leicht zu missen, da erst er die ganze
Situation aufklärt, und er kann nicht erst vom Bedaktor der
Homilien stammen, da er, obgleich er in Bufins Übersetzung der
Bekog. fehlt, ebenso nahe Beziehungen zu diesen wie zu jenen hat^.
Daß er weder zu den Homil. noch zu den Bekog. gehört, geht auch
daraus hervor, daß er einen weiteren Verlauf der Petrus-Clemens-
Oeschichte ankündigt, die aber weder in den Honiil. noch in den
Bekog. gegeben ist. Eben deshalb haben wir die oben gegebene
Tabelle mit Punkten geschlossen, um anzudeuten, daß die Grund-
schrift noch weiter reichtet
Die Existenz und z. T. auch der angegebene Umfang des Clemens-
romans wird auch, wie Hort (1901, p. 24—91) und Waitz (S. 39—48)
gezeigt haben, bestätigt durch litterarische Zeugnisse. Ein in der
„Philokalia** (c. 23 p. 211ff. ed. Bobinson) sich findendes Zitat —
ob es auf Origenes zurückgeht, braucht uns hier noch nicht zu
kümmern — ist daselbst so eingeführt: Kai KjLrjfirjQ öh 6 'Pcofiaioc,
niiQOV xov ojtootoXov fiad^TjT^Q, ovycpöa rovroig Iv np Jtagovri
^QoßXrifiaxi jtQoq xov JtaxtQa kv Aaoäixda djxihv Iv ralg UeQiO'
1) S. Waitz S. 2ff.
2) Ob Rufin den Brief bei den Rekog. vorgefunden hat, ist nach seinen
Worten in der Vorrede nicht sicher; indessen ist es wahrscheinlich (ohne Wert
ist Rufins Urteil, der Brief sei jünger als die Rekog.). Er schreibt: „Epistolam
sane, in qua idem Clemens ad lacobum fratrem domini scribens de obitu nun-
tiat Petri, et quod se reliquerit successorem cathedrae et doctriuae suae, in
qua etiam de omni ordine ecclesiastico continctur, ideo nunc huic 0])eri non
praemisi, quia et tempore posterior est, et olira a me inter]iretata et edita"
[in dieser seiner Obersetzung existiert der Brief no('h\ Zu bemerken ist auch,
daß Rufin neben den Rekognitiouen noch eine parallele Redaktion desselben Stofis
vorgefunden [war es die Gnindschrift? sicher nicht; waren es die Iloiuilien?] und
daß er eine Ausführung „De ingenito deo genitcxjue" imd andere Stücke, die in
beiden Formen standen, gestrichen hat, weil sie ihm unverständlich waren,
d. b. häretisch anmuteten: „Puto quod non te lateat, Clementis huius in draeco
eiusdem operis ^AvayvdaewVy h. e. Recognitionum, duas editiones haberi, et duo
Corpora esse librorum, in aliciuantis ([uidem diversa, in multis tarnen eiusdem
narrationis. denique pars ultima huius oi)tTi8, in qua de transformatione
Simonis refertur, in uno corpore habetur, in alio penitus non habetur, sunt
autem et quaedam in utroque cor])ore de ingenito deo genitoque disserta, et
de aliis nonnullis, quae ut nihil amplius dicam (!}, excesserunt intelligeutiam
nostram. haec ergo ego, tamquam quae s^upra vires moas essent (!), aliis reeer-
vare malui, quam minus plena proferre. in caeteris autem, quantum potuimus,
operam dedimus, non solum a sententiis, sed ne a sormonibus quidem satis '?]
elocutionibusque discedere".
3) Sie war wohl auch sonst umfassender und länpfcr als die Hom. und
Rekog., 8. Hort, 1901, p. SS.
528 ^^* ^^ pBeudoklemenidnischen Schriften.
öoig, dpayxaiozarov ri kjd riXei xAv jibqX tovxov Xoyoov tpriolv
jtBQl Tcip rfjg yev£0£(x}g öoxovvxoov ixßeßfjxivai, Xoyq) iö\ Der
Titel and die Bachzahl deckt sich nicht mit den Bekog.^ aber in-
haltlich deckt sich das Stück ganz wesentlich and fast dorchweg
wörtlich mit Bekog. X, lOflF. (p. 226, 20ff. ed. Gersdorf). Aach läßt
es sich wahrscheinlich machen, daß wirklich gerade im 14. Buch
der Grundschrift diese Perikope gestanden hat. Ähnlich steht es
mit den anderen patristischen Zeugnissen >; es ist nicht nötig, aaf
sie näher einzugehen: sie sind zu einem nicht geringen Teil rätsel-
haft, wenn man annimmt, sie seien aus den Hom. oder Bekog.
geflossen; sie erklären sich aber befriedigend, wenn sie aus der
Grundschrift derselben stammen \ Der Titel der Grundschrift (des
Clemensromans) wird gelautet haben, wie die Homilien angeben:
„KXTJfievTog xAv Hsxqov kptiötjfiltDV xtjQvyfiaxwv ijtixofiri"^ oder
(schwerlich): „IleQioöoi IlixQov {öia EXfjfiavxog)^ \
Die Clemens-Schrift hatte ausschließlich einen didaktisch-apolo-
getischen Zweck; gegenüber den unrichtigen und unbefriedigenden
Antworten, welche das (gebildete) Heidentum und die Häi*esie auf die
zahlreichen und wichtigen Fragen der religiösen Weltanschauung
geben, sollen hier die einleuchtenden Wahrheiten der christlichen
Religion mitgeteilt werden. Für „suchende" Heiden und für Eatechu-
menen* der gebildeten Stände ist das Werk geschrieben. Um deD
Charakter und die Absichten des Verfassers festzustellen, sind in
erster Linie die Abschnitte herbeizuziehen, die sicher ganz und gar
sein geistiges Eigentum sind — das ist die Clemeusgeschichte und
alles, was mit ihr in untrennbarem Zusammenhang steht Also der
Brief des Clemens an Jacobus und etwa folgende Stücke:^
Hom. I, 1—7 Rekog. T, 1—7.
Hom. I, 9-14 Rekog. T, 7—11.
H. 1, 15—22 R. I, 12—19.
H. II, 2-5 R. II, 1.
H. II, 18 R. II, 1—6.
1) SorgftUfcig zusammengestellt von Preuschen (Teil 1 dieses Werk«
^^. 219 ff.).
2) Besonders an den Zitaten in dem Opus imperf. und in dem Chron. pasch,
läßt sich (ias zeigen. Der IHtel „nf^lodoi" findet sich bei Hieronymus („Clemens
in Periodis"); Epiphanius schreibt genau (haer. 30, 15): Degtodoi UitQOV 6a
K),rifAtvzoq.
'^) Die letzte Wurzel der ganzen Litteratur, die unten zu besprechenden
KrjQvyuara TlixQoVy werden wohl in verschiedenen, unter sich verwandten Be-
arbeitungen umgelaufen sein.
4) S. Waitz S. 50f.
5) Nach Waitz S. r»lf.
III. Die pseadoklementinisohen Schriften. 529
H. II, 35-37 R I, 20. 21.
H. VIII, 9—23 (IX, 1—21) R. IV, 8— IH.
H. X, 2—20 R. V, 2-22.
(H. X, 21—25) R. V, 36.
H. XI, 1-3 R VI, 1—3.
H. XI, 4—18 R. V, 23—36.
H. XI, 19—33 R VI, 4-14.
H. XU, 1-24 R. VII, 1-24.
H. XII, 25—33 XIII, 1—12 R. VII, 25-36.
H. XIII, 13-21 R VII, 37. 38.
H. XIV, 1 R. VII, 38.
H. XIV, 2. 3. 8—12 R VIII, 1-2. IX, 35-38.
H. XV, 1—11.
Die theologische Haltung in diesen Stücken kann noch als
gemein-christlich und kirchlich bezeichnet werden. Die heiligen
Schriften sind das A. T. in seinem ganzen Umfang, die vier Evan-
gelien und die Paulusbriefe*; die Verfassung der Gemeinden ist
die katholische. Ganz deutlich erkennt man also, daß das Juden-
christlich-Synkretistische lediglich den Quellen angehört: die Taufe
steht im Mittelpunkt, von Beschneidung usw. ist nicht die Rede.
Ebenso ist der Antipaulinismus ausschließlich in den Quellen zu
spüren: der Verfasser des Clemensromans braucht die paulinischen
Briefe'^. Die Rezeption der Vorstellung von Christus als „dem
Propheten** ist nicht notwendig häretisch; denn dieser Prophet ist
ja so verstanden, daß er dem „Logos" sehr nahe kommt (s. Rekog.
VIII, r>9. 62). Die Logoslehre ist freilich in dem Roman still-
schweigend abgelehnt, aber das ist kein Zeichen der Häresie.
Christus, „der Prophet", ist zugleich „der große König" (Kp. Ili;
der Ausdruck stammt aus der letzten Quelle) und „der Soter-
Steuermann" (1. c. 15).
Die Bestimumng der Abfassungszeit des Romans ist, was den
Y) Das 4. Evangelium ist selten benutzt, aber «ioch unverkennbar iß. v^r
allem Hom. XIX, 22). Paulus ist nie mit Namen zitiert — rler Hearbeiter liat
in dieser Hinsicht die Vorlage respektiert — . aber die liriefo sind ilun bekannt
und von ihm benutzt.
2) Epiphanias (haer. :>0, 15) teilt uns mit, die „Kbioniten" brauchten dii'
di& KXi^iÄ€VtOQ geschriebenen UfQioöoi IHtqov, Wenn das dieselbe Rezension
des Stoffs war, die wir als (inindschrift «Icr H(»m. und Hekoi^. zu ermitt^iln ver-
mögen (was keineswegs sicher ist^ so hat sich entweder Kpiphanius, wie ^^^»
oft, get-äuscht und statt der Quellenschriit der üt^iodoi diese selbst genannt,
oder diese späten „Ebionitein" haben wirklich, wie sie auch sonst Katholisches
herangezogen haben, sich die katholische Bearbeitung angeeiguet, die ja noch
immer für ihre Zwecke ausgenutzt werden konnte.
Harnack, Altchristl. Litteratiir<;eBc-h. II, 2. 31
530 ^^* ^^^ pBeudoklemeniimschen Schriften.
terminus a quo betrifft keine schwierige Aufgabe. Auch der Ab-
fassungsort kann nicht leicht verkannt werden.
Die Simon-Sage in der Form des Justin und Irenäus und die Namen
Faustus, Faustinus, Faustinianus deuten bestimmt auf die nach-
marcaurelische Zeit. Eben in diese werden wir durch den Schrift-
gebrauch gefühi-t Noch weiter herunter leitet die Beobachtung,
daß die Idee des „episcopus episcoporum'' bereits vorhanden ist:
Jacobus ist der ijtloxojtog kjcioxojKov in Jerusalem (ep. Clenu 1),
Petrus erscheint als der Oberbischof in der Heidenwelt Vor
Kailist (TertulL de pudic. 1, s. auch Stephanus bei Cypr., Sentent.
episcop., praefatio) sind die Sache und der Ausdruck nicht zu be-
legen, und sie führen natürlich, wie auch die Namen Faustus etc.
und das ganze Interesse an dem römischen Clemens, auf Roml
Mit Recht aber weist Waitz (S. 62) auch darauf hin, daß die
Vorstellung, die Apostel hätten nicht nur die ersten Bischöfe ein-
gesetzt, sondern wären selbst die ersten Bischöfe gewesen, nach-
irenäisch und vor dem Anfang des 3. Jahrh. nicht nachweisbar ist
Ebenso ist die Annahme, Clemens sei von Petrus selbst zu seinem
Nachfolger geweiht, erst durch TertuUian (gegen Irenäus) zu be-
legen (de praescr. 32). Daß aber TertuUian den Clemensroman
gekannt hat, wäre eine grundlose Annahme. Endlich sind die Be-
fugnisse des Bischofs nach unserer Schrift solche, wie sie erst z. Z.
Kallists in Rom ausgebildet worden sind: der Bischof hat neben
der vollen Lehrgewalt die volle Schlüsselgewalt (nach Mt. 16, 19),
und er kann sie im Sinne der Vergebung auch in bezug auf Un-
zuchtsünden geltend machen. Er hat in der Gemeinde den rojioz
des obersten Lehrers der W^ahrheit (so oft) und des Arztes
(Ep. Cleni. 2)-^.
1) Die Phantasien, die Idee eines Oberbischofs sei auf judenchristlichem
Boden entstanden und von dort auf den römischen Bischof übertragen, kann
man auf sich beruhen lassen. Warum Jacobus von unserem Verfasser „Bisehof
der Bischöfe** genannt ist und nicht Petrus, ist leicht ersichtlich. Er mulU-e
sich an seine Vorlage, die den Jacobus bevorzugte, anbequemen, s. Waitz
S. (37 tf. Die Hervorhebung der Kirche von Jerusalem, die der Autor in seinen
Quellen vorfand, brauchte ihn nicht zu befremden, trotzdem er kein Judenchrist,
sondern Katholik war. Im Laufe des 3. Jahrhunderts ist das Ansehen der Ge-
meinde von Alia (Jerusalem) wieder stark gestiegen, wie nicht nur der bekannte
Kanon von Nicäa, sondern schon früher Firmilian (bei Cjprian, ep. 75, 6) be-
weist. Finnilian sehreibt : „Romae non observari omnia aequaliter quae Hiero-
Bolymis observantur** — die Gebräuche der Gemeinde von Jerusalem sind ihm
die Maßstäbe des Alten.
-) Die Qualitäten, die vom Bischof verlangt werden, und die gänzliche
.^cheidung desselben von bürgerlichen Geschäften (Ep. c. 5 f.) weisen auch ins
o. Jahrhundert. Ebendorthin gehören (Hom. III, 71) die nQeoßvzfQOi-xaxriXTfxal
III. Die pseudoklemenÜniBcben Schriften. 531
Viel stärker aber noch als Einzelheiten spricht die Gesamt-
haltang des Bomans dafür, daß man mit ihm hinter die Zeit c. 225
nicht hinaufgehen darf ^ Er ist in einer Friedenszeit von längerer
Daner verfaßt Die Stimmung, in der die alten Apologeten, in der
noch TertuUian und Clemens geschrieben haben, ist längst vorüber;
der Kampf mit dem Heidentum ist zu einem geistigen Kampf
geworden. Das Heidentum erscheint nicht mehr als der Richter
und Henker des Christentums, sondern als litterarische Gegner
stehen sie sich im Kampf um die Weltanschauung gegenüber^. Die
[ein Begriff] ; sie entsprechen den „presbyteri-doctores" des Abendlandes saec. III.
— Noch eine Einzelheit ist hier zu erwähnen. Sowohl in der Ep. Clem. ad
Jacob, (c. 14 f.) als auch in Hippolyts Schrift De antichristo (c. 59) findet sich
die ausgeführte Allegorie von der Kirche als einem Schiff. Schon dieses Zu-
sammentreffen ist bedeutungsvoll; aber um wieviel archaistischer als unser
Verfasser ist Hippolyt! Er schreibt:
„nXoiwv ntigvyiQ" üaiv al ixxXrjaiai' „&aXaaoa^^ di iartv 6 xoofJLoq^ iv
^ 7/ ixxXfjala wg vavg iv neXdysi ;|rfi^ec^£Ta< /a^v dXX^ ovx dnoX/.vzai, sxsi
yag fisd'* kavt^g xbv sfineiQov xvßegvrjxTjv Xqioxov, (figet 6h iv fitow xal rd
TQonaiov td xaxa toi ^avdrovy ciq xöv axavQov xov xvqlov f/eO^* kavzf^g ßa-
axa^ovca. eoti yag avxf^q i) fihv ngio^a dvaxoXt], JiQVfAva dh ojg dvoiqy xb öh
xoiXov iJtcarifißQla, oüaxeg ovo al ovo Sia&^xaij axoivla dl nepixetaf/ha w^
dydnri xov XQiaxov a^lyyovaa t^v ixxXijalav, dvxXlav 6b (ptQSi fjieB^ havxfjg wg
xo ,^ovxq6v x^g naXiyysyealag^* , dvaveovaav xoig maxetovzag. o^ovij dh
xavxjf XafxnQO, ndgeaxiv wg x6 nvsvfia xb un otgavwv, öl ov a<pgayiL,ovTai
ol Ttiaxiiovxeg xw ^ew, na^lnovxai öh avxig xal ayxvoai oiörjQaL avxov xov
Xgiaxov aX dyiai ivzoXal övvaxal ovaai wg oiöijoog. eyii 6h xal vaixaq, öe^iü
xal Bvwvvfxw (ig dylovg dyyiXovg naQiögovg, öi wv du x^axelxat xal (fQOv-
geixai rj ixxXijaia. xXlf.ta^ 6h iv avxy elg iipog inl xö xhQaq dvdyovaa wg
slxwv OTj/neiov nd^ovg Xgioxovj i'Xxovaa xoig ntaxovg elg dvdßaaiv ovQavwv,
tpitpagoi 6h inl xb xigag iip* vxprjXov hvovfxevoi wg xd^tig 7iQ0<pijxwv fiagxvQwv
xe xal dnooxoXwv eig ßaotXfiav Xqioxov dvaTiavö/aevat. Damit v^l. man Clem.
ep. 14 f.:
*Eotxev oXov xb ngäy/ua x^g ixxXrjoiag vi]t fieydX^, 6icc oifoÖQov ;rf//ia;vo?
ivögag ifBQOvay ix noXXwv xonwv ovxag xrd filav xivd dya&ijg ßaatXeiag noXiv
olxsTv &iXovxag. iaxw fihv oiv v/alv 6 xavxrjg öeonoxrjg v>fog, xal naQeixdo^w
6 fihv xvßfQvr^xrig Xqigxw, 6 UQwgtvg iniaxomp, o\ valxat, Tigsaßvxigoigy ol
xolxotQXOi 6tax6votg, ol vavaxo?,6yoi xoig xaxtjyoiaiv, xoig inißdxatg xb xwv
dSsXtpwv nXrj&ogf xOi ßvx}öß 6 xoo/aog tioxa&frlxwaav oiv ol intßdzai
kSgaloi inl xwv iölwv xa^ei^ofifvoi xonwv, 'Iva fifj xfj dxa^i(( otiofibv rj hxego-
xXiviav nagix^^^^' ^^ vavaxoXoyoi xoig fita&ovg vnofiifivrjaxhTwaav, ol 6id-
xovoi fiij6hv dfisXeixwaav wv inioxtvOrjaav, ol nQeoßvxegoi wgntQ vavxai
xaxagxiLfixwaav intfifXwg x(c yoi'^^y^^ hxuoxwj o inloxonog wg ngwgevg
iygriyoQwg xov xvßfQvr]xov fiovov xovg Xoyovg dvxißaXXhw. b Xgioxbg wg
awxrfQ xvßfQVi)xrig tfiXeioBw xx?..
1) Auf die Zeit des Kaliist weist auch die Mahnung (Hom. 111, 70): (^govov
Xqioxov [seil, des Bischofs- xifiT^atxe' oxi xal Miovoiwg xad^iÖQav xtfjiäv ixeXev-
0&1JX6, xav ol ngoxa&e^ofievoi dfxagxw/.ol vofJLlt,wvxai.
2) Das schließt natürlich nicht aus, daß sich einzelne Christen im Gc-
532 ^^^* ^^ pseudoklementinischeii Schriften.
geistigen Kämpfe in Rom, die Karl Schmidt in seiner wertvollen
Abhandlung über Plotins Stellung zum Gnostizismus und kirch-
lichen Christentum (Texte und Unters. Bd. 20 H. 4, 1901) nach-
gewiesen hat, scheinen die nächsten Parallelen zu sein. Waitz
(S. 70—75) meint die Zeit des Alexander Severus bevorzugen zu
müssen (Synkretismus am römischen Hofe), allein er mischt Er-
wägungen ein, die nicht sowohl unserer Schrift, als vielmehr ihren
Quellen oder ihrer Quelle gelten, nämlich dem Elkesaitismus und
der Zeit seines Auftretens. Eine sichere Entscheidung ist nicht
möglich. Die inneren Gründe gestatten nur die Behauptung, daß
der Clemensroman zwischen 225 und 300 in Rom abgefaßt ist.
Innerhalb dieses Zeitraums ist wohl die Zeit um 260 den früheren
Jahrzehnten vorzuziehend
Noch vor kurzer Zeit freilich glaubte man, einen sicheren
terminus ad quem für die Abfassungszeit zu besitzen: Origenes,
sagte man, hat unsere Schrift sowohl im Matth.-Kommentar (ser. 77)
als auch in dem älteren Genesis-Kommentar benutzt (nach der
Philokal. 23). Allein beide Zeugnisse sind erschüttert worden.
Bigg (1890 p. 186) und noch eindrucksvoller Robinson (Ausgabe
der Pbilokal, 1893) haben auf die sehr nahe liegende Möglichkeit
hingewiesen, daß erst die Bedaktoren der Philokalia die Stelle zu-
gesetzt haben, und diese Möglichkeit zur Wahrscheinlichkeit er-
hoben, und Chapman (1902) hat starke Gründe dafür beigebracht,
daß in der unzuverlässigen lateinischen Übersetzung des Matth.-
Kommentars des Origenes die Zitate aus unserem Werk Inter-
polationen aus dem Opus iraperfectum in Matth. sind 2. Der Wider-
spruch Hilgenfelds (Ztschr. f. wiss. Theol. 1903 S. 342 ff.) ist
soweit berechtigt, als die Unmöglichkeit, daß die Worte von
Origenes selbst herrühren, weder von Robinson noch von Chap-
man erwiesen ist; aber in Rücksicht auf die Tatsache, daß Eusf-
fUngnis befinden und daß die Christen überhaupt noch verfolgt werden; doch
ist ep. Clem. 9 und Honi. III, 09 nicht gesagt, dalJ die iv ^vAa;?«?^ Befindlichen
um ihres Chrij^tenstandes willen dort sind, und auch c 15 des Briefs lautet sehr
allgemein.
1) Ira Lehrburli dfr Dogmengesch. i^ S. *J95 habe ich auch darauf auf-
merksam gemacht, daß die scharfe Ablehnung der Erweckung des christlichen
Glaubens durch Visionen und Träume und die Polemik gegen diese für da.«
3. Jahrhundert ins G^'wicht fallt, s. Hom. XVIl, 14—19. Petrus sagt § 18: xh
döiödxToK dvev onxaolaq xal oveigiov fia^elv dnoxalvxpiq ianv, das habe er
schon boi soinom Bekenntnis (Matth. 10) gelernt. Die Frage, ei tiq 6i ontaolc;
TiQOQ 6i6aoxa)Jav ooifioih)vtti öivaxai, wird § 19 verneint. Zu tief innerhall»
des H. Jahrhunderts möchte ich aber mit dem Roman nicht herabsteigen, <1*
die Logoslchr«' (s. o.) ganz beiseite gelassen ist.
2) S. dazu Harnack in d. Theol. Litt.-Ztg. 1902 Nr. 21.
III. Die pscudoklementiniBchen Schriit€ii. 533
bios, der genaue Zitatenforscber, bei Origenes eine Cleiuens-Petrus-
Schrift nicht entdeckt bat, muß man den geäußerten und begrün-
deten Zweifeki ein sehr bedeutendes Gewicht beimessend Läßt
man sie nicht gelten, so müßte man unser Buch spätestens in das
3. Jahrzehnt des 3. Jahrhundeii» setzen; läßt man sie wirksam
werden, so stehen, wie bemerkt, noch die folgenden 70 Jahre offen.
Übrigens bezeugt selbst Eusebius nicht unsere Schrift, sondern nur
Dialoge des Petrus und Apion, die mit unserer Schrift verwandt
sein können (s. 0. S. r)21). Indessen über das J. 300 dürfen wir
nicht heruntergehen; denn weder in der großen Verfolgungszeit,
noch gar unter Konstantin kann unsere Clemens- Schrift ver-
faßt sein.
Ist nun die klementinische Grundschrift zwischen 225 und 300
geschrieben worden (bez. vielleicht um 260) ^ so werden wir für
die Hom. und Rekog. frühestens das letzte Drittel des 3. Jahr-
hunderts als Abfassungszeit annehmen dürfen. Zunächst, auf die
Bezeugung gesehen, scheint sogar nichts dagegen zu sprechen, sie
in die erste Hälfte des 4. Jahrhunderts oder noch etwas später zu
verlegen, ja das Schweigen des Eusebius scheint diesen Ansatz
sogar zu empfehlen. Indessen gibt es eine, wie mir scheint, nicht
unerhebliche Beobachtung, die eine Herabdrückung der beiden
Schriften bis zur Grenze ihrer ersten Bezeugung weniger ratsam
macht Es wird sofort gezeigt werden, daß die Schriften die
lucianisch-arianische Christologie enthalten, daß sie aber gegen die
Orthodoxie und das „o//ooü(J£oc" nicht polemisieren (das Wort
ofdoovoiog kommt in ihnen überhaupt nicht vor). Diese Haltung
ist vor dem Nicänum, also um 300 und zwischen 313 und 325,
leichter verständlich als nach demselben. Doch muß die Möglich-
keit offen gelassen werden (s. unten), daß die Verfasser Grund
hatten, sich der direkten Polemik gegen die Orthodoxie zu ent-
halten. In diesem Falle können die Schriften aueh nach d. J. 325
angesetzt werden.
Offenbar konnte nur <.*in katholischer Christ, der der hicianisch-
arianischen Christologie huldigte, den strengen lantimodalistischen
und antiorthodoxen) Munothe.ismus, den er in seinen judenclirist-
lichen Quellen fand, billigen und weiter führen. Das aber haben
die Verfasser der Hom. und Rekog. getan. Die Ausführungen über
1) So auch Waitz S. TOIK
2) Unsere Schrift, nber auch ihre Vorstiifon, sind dorn Ver-
fasser der alten Actus l*»*tri, wie si«' uu? im Ms. von Vercelli und sonst.
in Bnichstücken vorlii'<?en, noch j^anz unlifkannt. Das ist eine höchst
wichtif^e Beobachtun«^. Hiljronfold (1IM»3 S. :iLMiV.} viMSuclit verc^cbons, das
Gegenteil zu erweisen.
534 ^^* ^^® pseudoklementixiiBchen Schriften.
den deus ingenitus genitusque, die Rufin in den Rekog. getilgt hat.
die sich aber in den Syr. Rekog. III, 2—11 (s. o. S. 520) finden und die
in den Hom. ihre Parallelen haben, weisen direkt auf die lucianisch-
arianische Christologie *. Man fiberschlage die Stellen Hom. X, 10
(avTOv yaQ fiopov iotlv ^ tvrtfiog öo^a rov (lovov dyep^rov, oti
ra XoLJta Jtavra yBvrixa rvyx^^^^' o^? ovp rov dysvfJTOV Xdiov ro
d-Boq elvai, ovxcoq jtäv orcovv yspofispov d-sog rä opxl ovx Icxivf-
und Hom. XVI, 15. 16 (Petrus spricht: o xvQiog rlfiAv ovrs d-eovQ
dvai k(pd'iy^axo xaQa xov xxloavxa xa xdvxa ovxe havxop ^sov
sivai dpTjyoQEVOsp, vlov 6h ^eov xov xa jtavxa öiaxoOfii^aavxoQ xov
eljtovxa avxov svXoywg i/iaxagicsp. Simon erwidert: ov öoxet ooi
ovv xov djto d'sov d-eov slvai; Petrus antwortet: jtäg xovxo dvai
&vpaxai, (pQaoov rjfilv. xovxo yaQ ^fislg sljtelv öoi ov övvdfiB^a.
oxi fiTi 7]xovoafi€P xaQ avxov. XQog xovxoig 6i' xov xaxQog to
fif] ysyevpfjod-al ioxiv, vlov öh xo ysyevv^od^ai, yavvrixov 6b dyevvtjxq)
i} xal avxoyBVvrix(x> ov OvvxQlvBxat . . . o fi^ xaxa xdvxa xo avxo
ä)v XLVL xag avxäg avx^ xdoag ^x^iv xQOOa}Wfilag ov Svvaxai, man
vgl. das Folgende). Das ist mindestens nicht durchweg den juden-
christlichen Quellen entnommen ; die lucianische Christologie ist
eingemischt, die aber, wie es scheint, noch nicht die Formeln des
Nicänums sich gegenüber hat Anderswo, namentlich in früherer
Zeit, lassen sich diese und ähnliche Darlegungen nicht unterbringen.
1) Böhmer-Romundt (1903 S. 374) sagt rund: „Der Text-, den Rufin
und der syrische Übersetzer benutzten, stammte aus arianischen Kreisen. Dann
aber erhebt sich die Frage: Ist nicht vielleicht die in den Rekog. vorliegend»^
Bearbeitung der Giemen tien erst nach 850 in arianischen Kreisen entstanden?
Dagegen scheint zu sprechen, daß Clemens III c. 7 in der dritten Person ein-
geführt wird, während er sonst immer in erster Person, als Erzähler, redet.
Aber ein durchschlagender Grund ist das nicht. Die Fi*age ist vielmehr zweifel-
los einer Untersuchung wert". An die fortgeschrittene Doktrin des Eunomiu?
denkt Böhmer deshalb, weil Rufin (De adulterat. libr. Orig. p. 386 ed. Lom-
matzsch Bd. 25) schreibt: „Clemens, apostolorum discipulus, qui Ronianae
ecclesiae i)ost apostolos et episcopus et martyr fuit, libros edidit, qui Graew
a})pellantur ^AvayvwQiafJLOQ i. e. „Recognitio"; in quibus cum ex persona Petri
apostoli doctrina quasi vere apostolica in quam plurimis expouatur, in aliquibus
ita Eunomii dogma inseritur, ut nihil aliud quam ipse Eunomins disputare
credatur, filium dei creatum de nullis exstantibus asseverans". Allein so lehr-
reich diese Mitteilung des Rufin ist, so wenig bietet sie daför Sicherheit, daß
wirklich die R«.'kog. erst nach Eunomins oder z. Z. seiner Wirksamkeit ent-
standen sind. Die Lehrweise des Eunomins war ja nur eine konsequente Er-
neuerung der Lehre des Lucian, Arius und Asterius. Sie hatte die Folge,
daß man in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts sehr häufig von der „doctrina
Eimomii" sprach, wo man ebenso richtig „doctrina Luciani vel Arii" sagen
konnte.
2) Alan vgl. auch die folgenden Kapit-el bis c. 10 fin.
III. Die psendoklementiniBchen SchrifbcD. 535
Gerade f&r Lucian (und Arius) ist der Ausgangspunkt „ingenitus-
genitus'' das Charakteristische, und die Schule Lucians hat auch
das Maß von Aggressivem besessen, das sich in diesen Ausfuhrungen
bez. in ihrer Rezeption zeigt Aber die arianisch-nieänische Kon-
troverse ist, wie es scheint, noch nicht angebrochen; eine direkte
Polemik gegen das r.of^oovoiog'^ hätten die Verf., sollte man denken,
nicht vermieden, wenn es schon im Mittelpunkte oder überhaupt
zur Frage gestanden hätte. Die Thesen der Gegenpartei scheinen
noch formlos und unbestimmt. Indessen ist zuzugestehen, daß wir
uns bei dieser Annahme irren können und daß die Verfasser Grund
haben konnten, von der direkten Polemik abzusehen und das
Nicänum zu verschweigen. Die Christologie anlangend, wird also
die ganze Zeit von c. 290 — 360 offen bleiben müssen, wenn es auch
von ihr aus angezeigt scheint, die vornicänische Zeit zu bevorzugen.
Jedenfalls aber ist an die Schule bez. den Umkreis oder besser
die Doktrin Lucians zu denkend Sie hat die Verfasser in der
Christologie durchschlagend beeinflußt
Für die Annahme aber, daß die Rekog. (und dann wohl auch
die Hom.) doch erst in nachnicänischer Zeit abgefaßt sind, fallt
die Beobachtung ins Gewicht, daß der Abschnitt Rekog. IX, 19 ff.
<„Über die Gesetze der Länder") nicht direkt den pseudobardesa-
nitischen Dialogen jtQog rovg hralQovg entnommen zu sein scheint,
sondern durch Vermittelung von Kuseb., Praepar. evang. VI, 10,
11 — 48. Nicht nur nämlich deckt sich der Abschnitt in den Rekog.
dem Umfang nach mit dem von Eusebius zitierten Stück, sondern
er teilt auch Eigentümlichkeiten mit dem Zitat bei Eusebius (gegen
die angebliche gemeinsame Quelle). Hat man aber die Wahl, ent-
weder hier Eusebius als Quelle für die Rekog. anzunehmen oder
beide auf eine andere Rezension der Originalquelle zurückzuführen
(s. 0. 8. 131), so ist unzweifelhaft die (»rstere Annalimt' die leichtere'^.
1) Hier nahm man auch nicht daran Anstoli, duli es Kt'ko«^. I, 1^ lieilU-:
„Sed post Aaron, qui pontifex fuit, ulins ex iwiuis a<lsii mitnr, non M(»ysen
dico, sed illum (jui in aquis baptisnn filiu« a «loo n]»i>olln tus opt";
denn daa ist die Lehr»?, die von Lucian und seinem Kreis»», tn)tz ihrer Ab-
weichnnj]f von Pauhis Samos., noch immer festj^clialten worden ist.
2) ¥äS findet sich auch in den Heko<r. j^efrenüber Kusebius k»nii IMus in
dem Material, wohl aber ein solches l'lus bei Kusebius <^e<?»'nüb»'r den Kekof?.
Was die Rekog. mehr bieten, sind Ami'lifikationen, die einen juul;^u Kindnick
machen. So heißt es bei Kuseb. Vi, 10, l'i: xal ovts ol iv IlaQOin XQiaziavol
noXvyafAovoiy in den Rekof^. IX, 'J9: „Denique apud l'nrthos, sicut nobia
Thomas, qui apud illos evangelium praedicat, scrii)3it, non multi iam
erga plurima matrimonia diffunduntur". — Nach Kuseb. VI, \i\ 13 find»'t sich
in Rekog. IX, 2(i init. folgend»'r Kinschub: „Quia immo »-t maiorem ßd»nn rcrum
praesentium dabo. ec»;e enim ex adventu iusti et veri j'rophetae vixdum Septem
536 ^^^* ^^^ pseudoklementimscheii Schriften.
In diesem Falle sind die Rekog. frühestens in die Zeit zwischen
313 und 325, d. h. unmittelbar nach der Praeparatio des Eusebius
zu setzend Hilgenfeld^ und Waitz^ folgen hier komplizierteren
Annahmen, durch die die Abhängigkeit der Rekogn. von der
Praeparatio hinfällig wird ; aber einleuchtend sind dieselben nicht.
Die schwierigste Frage ist die nach den Quellen des klemen-
tinischen Romans (der 2. Schicht), d. h. nach der untersten, letzten
Schicht. Daß sie aus zwei heterogenen Bestandteilen besteht (s. o.
S. 520), scheint mir die sicherste Beobachtung zu sein, die auch von
Waitz aufs neue erhärtet ist Der eine Bestandteil (wie es scheint
eine Schrift) ist judenchristlich-gnostisch, und man wird ihn als
„Kerygmen des Petrus" bezeichnen dürfen. Im einzelnen läßt sich
die Abgrenzung nicht ganz genau durchführen. Besonders aber ist
die Zeitfrage umstritten. Hier ist der Punkt, an welchem die neue
Untersuchung von Waitz (S. 78— J69) den stärksten Widerspruch
hervorruft. Richtig zeigt er zuerst, daß der Brief des Petrus an
Jakobus hierher gehört, und gibt auch einen Rekonstruktionsversuch
der Kerygmen (nebst Inhalt und Gedankengang), wie er so sorg-
fältig und einleuchtend bisher nicht vorgelegt worden ist*. Die
Charakteristik des Werks als einer Geheimschrift — die lehrhafte
Darbietung eines in sich geschlossenen Systems, in welchem die
Identität des Christentums mit der Urreligion sich darstellen sollte ^ —
ist ebenfalls zutreffend, und die Erkenntnis, daß diese Schrift mit
den Hervorbringungen der Elkesaiten und der verschieden be-
titelten „Ebioniten" des Epiphanius [dazu des Symmachus] die
nächste Verwandtschaft hat, aufs neue sichergestellt. Die Verwandt-
schaft betrifft nicht Sekundäres — das ist vielmehr verschieden — .
sondern das Primäre und die Hauptsachen in den Anschauungen.
luini sunt, in qiiibus ex oninibus ^entibus convenientes honiiiies tul
.ludaeam et signiß ac ATitutibiis (piae viderant sed et doctrinae maiestat«'
licrmoti, ubi recepenint fidem eius, abeuntes ad regiones suas illicitos quosqiie
«:^entilium rituB et incesta sprevere coniugia". Die Annahme liegt nicht gauz
fem, dal) der Verf. unwillkürlich an die großen Festversammlungen gedacht
hat, die zur Zeit Konstantins in Jerusalem gehalten wurden, an die zahlreichen
rilgerreiseu dorthin aup allen Weltgegenden und an die Folgen, die das fiir
die Verbreitung des Christentums hatte.
1) Cber die Abfassungszeit der Praepar. s. oben S. ll'Jf.
2) Bardesanes der letzte Cinostiker S. 140. 148.
:;) A. a. 0. S. 250 tf.
4) Vgl. auch die Tabelle sprachlicher Eigentümlichkeiten der Kerygmen
S. 119 if.
5) Der Mosaisiuus (»rscheint dabei in seinem einen Teile als Bejahung, in
dem andern als Depravatinu der Urreligion.
111. Die pseudoklementiniBclien Schriften. 537
Dazu gehört auch die antipaaliDischc Tendenz; man hat sie freilich
übertrieben und auch in solchen Zügen gesucht, die indifferent sind,
aber sie liegt in den Kerygmen doch ebenso offen vor, wie bei den
Kbioniten des Epiphanius und den mit ihnen zusammenhängenden
Parteien. Hier das richtige Maß getroffen zu haben, scheint mii*
ein Hauptvorzug der Waitzschen Untersuchung: daß Paulus, zwar
keineswegs durchweg, aber doch an nicht wenigen Stellen und in
wichtigen Partien, an der Person des Simon Magus bekämpft wird,
ist unverkennbar. Aber wenn nun Waitz nachweisen will(S. 151ft*.),
daß diese Kerygmen in Cäsarea Pal. abgefaßt sind, so ist es ihm
nicht gelungen, dafür auch nur Wahrscheinlichkeitsgründe beizu-
bringen. Die Solle, die Cäsarea spielt, erklärt sich doch hinreichend
aus dem Leben des Petms und kann daher nicht zur Bestimmung
des Oi-ts der Abfassung geltend gemacht werden. Was aber die Zeit
betrifft, so ist es auffallend, wie schnell Waitz die einzigen festen
Punkte für die Datierung preisgegeben hat zugunsten der Annahme
eines hohen Alters der Kerygmen. Die festen Punkte sind Sym-
machus, Alcibiades und die Ebioniten des Epiphanius (die letzteren
über 4- 200 hinaufzusetzen, haben wir schlechterdings keinen An-
laß). Nun bringen aber die Kerygmen ein festes, abgeklärtes
historisch-dogmatisch-apologetisches System. Dieses den ver-
wandten Erscheinungen zeitlich überzuordnen, ist unstatthaft. Das
tut auch Waitz nicht, ja er sucht wahrsclieiulich zu maclien, daß
der Kampf gegen die falsche Propbelie, der in den Kerygmen ge-
führt wird, sich auf die Elkesaiten bezieht, zu denen sich der
Verfasser bei aller Verwandtschaft auch im (Gegensätze wisse.
Allein — gesetzt daß dies richtig ist, und es spricht manches da-
für — welches Recht haben wir. die Polemik gegen die Elkesaiten
bereits um das J. 135 (in diese Zeit will Waitz die Kerygmen
verlegen) anzusetzen? Daß jene ihren Ursprung schon um das
J. 100 genommen haben, wird richtig sein (s. oben S. 167 f.);
aber von einer öffentlichen Bedeutuns: derselben hören wir erst
seit dem Anfang des 3. Jahrhunderts. Den Ansatz (um 135) sucht
Waitz dadurch zu stützen, daß in dem Werk weder auf ßasilides
noch auf Marcion nocli auf den Montanisnuis Kücksicht genünimen
sei*. Allein warum mußten diese Erscheinungen berücksichtigt
werden? Indessen Marcion ist ganz deutlieh bekämpft. Waitz
sucht dem zu entgehen durch die (übrigens auch von anderen be-
1) Cber (1. J. lob will W. nicht hiiiaufj^eht'ii , «hi er in ITom. 'J, 17 dip
zweite Zerstörung Jerusalems vorausgesetzt findet. DnIJ hier von derselben so
gesprochen wird, wie nur ein Aug«"nzeuge spreeh«'!] könne, kann ieh nieht finden,
halte aber überhau])t Waitz' Interpretation der .St«'lle lür ganz unsieher.
53S ^^« ^6 pseudoklementinischen SchrifteiL
fürwortete) Annahme einer antimarcionitischen Überarbeitang
der Kerygmen. Ich sehe die Nötigung zu dieser die Quellenfrage
noch mehr komplizierenden Hypothese nicht ein*. Beweise für
seinen Ansatz außer dem Angeführten hat Waitz nicht bei-
gebracht*^; Erwägungen (S. 161), daß der Inhalt der Kerygmen für
die Zeit um 135 besonders gut passe, sind ganz subjektiv. Dann
aber ist es geboten, bei der Zeit um 200 stehen zu bleiben. Hier
haben wir festen Boden. Die Möglichkeit, etwas weiter mit dem
Buche hinaufzugehen, soll nicht bestritten werden; aber Gründe,
es von der Zeit des Symmachus und Alcibiades abzurücken, gibt
es nicht, und immer wird der Eindruck der stärkste bleiben, daß
hinter dem judenchristlich-gnostischen System, welches diese
Kerygmen enthalten, eine lange Geschichte eben dieses Jaden-
christentums liegt ^. Natürlich weist das Buch auf das palästinensisch-
syrische („arabische") Gebiet, die Heimat dieser Sichtungen, zurück;
aber ob sein Verfasser dort weilte, ob er nicht vielmehr schon
auf römischem Boden zu suchen ist, kann man nicht wissen.
Als eine zweite Quellenschrift neben den Kerygmen des Petrus
sind die Ugd^eig IlerQov, die Rekogn. I, 72 £ einsetzen, erkannt
(s. Waitz, S. 169—250). Sie handelten von Petrus und Simon Magus,
der als connexio haereticorum erscheint, aber durchaus nicht, wie
in den Kerygmen, ein verkappter Paulus ist Die Schrift ist nicht
einfach aufgenommen, sondern benutzt und verarbeitet Petrus
folgt dem Simon von Cäsarea aus überallhin nach und macht ihn
zu schänden. Der Clemens-Roman hat sie aber nicht bis zn
ihrem Ende benutzt; denn weder mit Laodicea noch mit Antiochien
können diese IlQa^HQ IHtqov geschlossen haben; sie führten viel-
mehr, wie deutliche Fingerzeige beweisen, bis Rom. Von den
Kerygmen heben sie sich deutlich ab, was sich auch lexikalisch
erweisen läßt (s. Waitz, S. 188 f.). Dazu: „Nach den Kerygmen ist
Jakobus der Oberhirte, hier Petrus. Auch das Simonbild ist völhg
verschieden. In den Kerygmen ist unter seiner Maske Paulus bezw.
1) Außer einer antimarcionitischen Redaktion (Eiuschiebung antimarcioni*
tischer Abschnitte) — Waitz sucht zu zeigen , daß Justins Anti-Marcion be-
nutzt sei — soll auch noch eine andere Interi)olation erfolgt sein, aber nicht
aus den von Epiphanius genannten ,*Avaßa0^fxol ^laxwßov" (K^siWnj Hil gen-
fei d, Ulli hörn u. a.), sondern aus einer unbekannten Schrift.
2) Die eigenartigen und altertümlichen Evangelienzitat-e fordern nicht, daß
mnn das Buch bis gegen l'^5 hinaufsetzt.
3) Daß daher Gedanken und Motive, die in dem Buche zum Ausdruck
kommen, zum Teil sehr alt sind, ja selbst hinter die Zeit des Christentums
zurückführen — denn es gab ein gnostisches Judentum, bevor es ein gnostisches
Judenchristentum gegeben hat — , ist selbstverständlich. Hier aber handelt es
sich um die litterarische Fixierung.
ni. Die pseadoklementiniBchen Schriften. 539
Marcion verborgen, hier ist er kein anderer als der echte Simon,
der Magier und Pseudomessias, dessen Bild uns die Häreseologen
zeichnend Sind die Kerygmen ausgesprochen antikatholisch, juda-
istisch und gnostisch, voll eigenartiger Lehranschauungen, so hat
die Sinion-Petruslegende einen ausgesprochen katholischen und in
der Bekämpfung des Simon einen ebensolchen antignostischen
Charakter. Abnorme Lehranschauungen finden sich nirgends". Den
selbständigen Chai-akter dieser Quellenschrift erwiesen zu haben,
sowie die gegenseitige Unabhängigkeit von Petrus' Kerygmen und
Petrus' Praxis, ist ein besonderes Verdienst der Waitzschen Unter-
suchungen.
Auf die P>agen einzugehen, wie sich diese tlga^tiq IHtqov
zu den Acta Pauli, den Acta Petri (Vercell.) und den sog. katho-
lischen Acta Petri et Pauli verhalten, bin ich außer stände; denn
die Bogen des Waitzschen Werks, welche sie behandeln, sind mir
eben erst zugegangen. Die neuen Aufstellungen durchzuarbeiten
und zu kontrollieren, ist mir nicht mehr möglich. Für die Quellen-
untersuchung der Pseudoklementinen ist aber auch eine solche
Durcharbeitung nicht nötig; denn in der Bestiinniung des Charakters
und der Abfassungszeit der in diesen benutzten IJQa^eig IHtqov
treffe ich mit Waitz zusammen. Diese Uga^eig katholischen, schroff
antignostischen Charakters ^ sind, wie die Legende von dem in
Kom göttlich verehrten Simon beweist ^ nachjustinisch. Aber man
muß noch einen Schritt weiter herabsteigen: das Simonbild der
Uga^eig liegt zwischen dem des Justin und Hippolyt, und zwar
steht es diesem näher. Der Lehrbegriff ist bereits der des vulgären
Katholizismus. „Die Christianisierung der Welt ist weit fort-
geschritten". Tausende, ja Zehntausende Christen werden in Cäsarea
und Antiochien vorausgesetzt. Besondere Kirchengebäude sind
schon vorhanden. Daher hat Waitz wahrscheinlich recht, wenn
er Rekog. 10, 55 („Caesar in urbe Roma et per provincias maleficos
inquiri iussit ac perimi") auf die strengen Vorschriften bezieht,
die Caracalla gegen die Zauberer (nach langer Pause) erlassen hat.
Jedenfalls hat man keinen Grund, mit diesen l/Qa^eig ins 2. Jahr-
hundert hinaufzugehen; man wird am Anfang des 3. Jahrhunderts
stehen bleiben müssen. Einen ganz sicheren terminus ad quem
über die Benutzung in dem Clemens-Roman hinaus finde ich nicht;
1) Dies hat Waitz S. 2()2— 2U orwifsen.
2) Waitz will in dem Vorfiisß^T einen antiochoiiisclien Kleriker erkennen
(S. 243 ff.); ich finde nicht hinreichende Anhaltspunkte zur He«tinimung des Orts
der Abfassung,
3) Die Legende erscheint Hom. 2, 27 schon gestci«;ert.
540 ^'^* ^^ pseadoklementiniBchen Scliriften.
doch ist es, wie bemerkt, wahrscheinlich, daß die Schrift vor jene
Form der Simon-Legende zu stellen ist, die nns Hippolyt bezengt
Das Quellenschema der Psendoklementinen — freilich nnr iac
rohem Umriß — ist dieses:
Judenchristlich-gnostische Eatholisch-antignostische
KfjQVYfiara Uirgov Uga^Biq IlixQov
Der Glemens-Boman
[zwischen 225 nnd 300, vielleicht um 260]
Die Homilien Die Rekognitionen.
[Anfang des 4. Jahrb., vielleicht noch später]
Nirgendwo führt die Qu eilen Untersuchung sicher bis ins 2. Jahr-
hundert hinauf, d. h. in litterarisch-faßbarer Gestalt können kaum
die Keiygmen, noch weniger die Praxeis über die Grenze + 200
hinaufgeführt werden. Daß die Eerygmen Überlieferungen nnd
Stoffe enthalten, die älter sind, ist gewiß, aber dieses Ältere ist
schwerlich, jedenfalls nur zum kleinsten Teil, in den „geschicht-
lichen" Partien zu suchen — sie sind Erfindungen des ausgehenden
2. Jahrhunderts wie die „geschichtlichen" Stoffe der Acta Pauli — ,
auch nicht in den dogmatischchristlichen, sondern in den jüdischen,
den spekulativen und mythologischen, kurz in den gnostischen
(dazu in evangelischen Zitaten).
Nachträge und Berichtigungen.
I. Zu Clemens Alexandrinus (S. Iff.).
Dem S. 11 (16) fonnulierten Ergebnis, der Pädagog sei nach
202/3 und nicht mehr in Alexandrien geschrieben, muß die von
mir erst nachträglich bemerkte Stelle Paed. II, 10, 93 entgegenge-
halten werden: ov yag elg rfjp KQaTTjroc Jtrjgap fiovrjv dXjL^ ovöe elg
rqv ^fieriQav xoXtv sloxktl ov fimgog jtaQaoiroq xrl. Es ist
nicht leicht, diese Woi-te nicht auf Alexandrien zu beziehen:
„unsere" Stadt, die zugleich eine „Seestadf" ist, ist doch wohl
Alexandrien. Auf die Möglichkeit, daß es eine andre Seestadt
ist, in der sich Clemens seit Jahr und Tag aufgehalten hat, nach-
dem er Alexandrien verlassen, will ich mich nicht berufen, obgleich
wir von dem Leben des Clemens, seitdem er Alexandrien verlassen
hatte, nur sehr weniges wissen. Auch die Art, wie er Paed. 111,
2, 4. 5 von Ägyptern und den Agyptiazusen spricht, entscheidet
nicht gegen die Annahme, er habe diese Worte in Ägypten selbst
geschrieben. Es muß also als sehr wahrscheinlich gelten, daß der
Pädagog doch noch in Alexandrien verfaßt ist. Aber wie soll man
ihn dann datieren, wenn doch Strom. 1 und II (bez. I--1V) in
Alexandrien zur Zeit der (anbrechenden) Verfolgung, also 202 3,
geschrieben sind, der Pädagog ihnen folgte, und Clemens nach dem
Zeugnis des Eusebius die Schule und die Stadt in der Verfolgung
(202/3) verlassen hat? Ist der Pädagog nicht doch, wie früher von
allen angenommen worden ist, vor Strom. I — IV verfaßt? Ich kann
das nicht glauben, da mir die gegen diesen Ansatz vorgetragenen
Gründe unwiderleglich scheinen. Da man aber auch nicht an der
Tatsache rütteln darf, daß Clemens die Schule und Alexandrien
im J. 202 oder spätestens im J. 203 verlassen hat (Euseb., h. e.
VI, 3, 1; VI, 2, 2; VI, H), so muß der Fehler im Ansatz für die
Abfassungszeit der Strom. I und II (bez. I -IV) stecken. Wir
haben (S. 9. 11) diese Bücher bez. das 2. auf das Jahr 20*2/3 datiert,
weil in dem 2. Buch auf heftige Verfolgungen angespielt wird.
AVir drückten uns aber so aus: „Strom. 1— II können (wie m. W.
542 Nachträge und BerichUgungen.
alle annehmen) kaum früher als im J. 202 geschrieben sein um
der schweren Verfolgungen willen, die sie voraussetzen". Diese
Annahme hat sich nun als irrig erwiesen. Die im 2. Buch voraus-
gesetzte Verfolgung — aus Buch I, III und IV ersieht man nicht,
daß Verfolgungen im Gange waren — darf, so verlockend es ist,
doch nicht mit der großen Verfolgung, die im 10. Jahre des Severus
ausbrach und den Clemens zur Flucht zwang, identifiziert werden,
sondern ist eine frühere, unbekannte Verfolgung (wohl von kürzerer
Dauer) gewesen. Daß dieser Annahme eine erhebliche Schwierig-
keit entgegensteht, sehe ich nicht. Wii* wissen von der alexancbn-
nischen und ägyptischen Kirchengeschichte des 2. Jahrhunderts so
gut wie nichts. Daß schon vor d. J. 202/3 Verfolgungen auch in
Ägypten stattgefunden haben, ist nicht unwahrscheinlich. Irenäus
schreibt — und zwar unter Commodus! — : „Ecclesia omni in loco
multitudinem martyrum in omni tempore praemittit ad patrem"
(IV, 33, 9). In dem Momente aber, in welchem man Strom. II, 20, 125
nicht mehr auf die Verfolgung des Severus bezieht, steht für die
vier ersten Bücher der Strom, und für den Pädagog die ganze Zeit
von c. 190—202 offen; denn es gibt m. W. schlechterdings keine
Gründe, die da nötigen, diese Schriften erst nach dem J. 200 an-
zusetzen. Somit halte ich nunmehr für die wahrscheinlichste An-
nahme: Protrept. zwischen 180 und 190; Strom. I— IV und Paedag.
zwischen 190 und 202; Clemens verläßt 202/3 Alexandrien. Daß
die drei letzten Bücher der Strom, nicht in Alexandrien verfaßt
sind, dafür spricht auch die große Anzahl neuer, vorher niemals
von Clemens erwähnter, häretischer Sekten, die VII, 18, 108 ge-
nannt sind: Peraten, (Doketen), Hämatiten, Kajanisten, Ophianer
und Entycheten. Sie alle oder doch fast alle sind in Syrien, nicht
aber in Ägypten zu suchen.
2. Zum Geburtsjahr des Origenes (S. 28).
In der Protest. REnzyklop.^ Bd. 14 S. 469ff. ist Preuschen
für das J. 182 als Geburtsjahr des Origenes eingetreten. Ich habe
diese Möglichkeit gar nicht erwähnt, weil ich das Jahr 185 (186)
für erwiesen erachtete. Die Gründe sind folgende: (1) Die Stelle
Euseb. h. e. VII, 1 muß nach dem konstanten Sprachgebrauch des
Eusebius (s. Bd. 1 dieser Chronologie S. 15flF.) so verstanden werden,
daß Origenes unter Gallus gestorben ist (nicht, wie Preuschen
die Worte deutet, in der letzten Zeit des Decius oder im Anfang
der Regierung des Gallus), (2) Nach Euseb., 1. c. VI, 2, 12 war
Origenes beim Tode seines Vaters im J. 202 im 17. Lebensjahr,
d. h. er war im J. 185 (186) geboren; Preuschen erklärt diese
Nachtr&ge und Berichtigungen. 543
bestimmte Angabe füi* einen IiTtum: »man wird auf sie kein Ge-
wicht legen dürfen** (!), (3) Eusebius sagt, in völliger Überein-
stimmung mit diesem Ansatz (h. e. VI, 3, 3), Origenes habe acht-
zehnjährig (und zwar im J. 203) die Leitung der Katechetenschule
übernommen. Auch diese Angabe, die ebenfalls auf d. J. 185 (186)
f&hrt, erklärt Preuschen för inig: Eusebius folge wohl einer
unsicheren Quelle. Und warum diese Gewaltstreiche? Weil bei
Photius (CoA 118) zu lesen steht, Origenes sei als Märtyrer ge-
storben Aexlov Tfjv xara rmv XQioxiavAv €o//or/;ra jtviovxoq, und
sich Photius auf Pamphilus und viele andere, welche noch Zeit-
genossen des Origenes ausgefragt haben, berufe. Allein die
Quelle, der Eusebius in h. e. VI und VII init. folgt, ist ja
eben seine mit Pamphilus zusammen verfaßte Apologie
für Origenes, also eben die Quelle, auf die sich Photius
beruft! Diese Quelle, die fast ausschließlich aus Briefen
und Schriften des Origenes selbst geflossen war, liegt in
der KGeschichte des Eusebius noch unniittelbai- vor, bei Photius
aber nur in einem Referat. Sollen wir nun dem Referat des
Photius mehr glauben als dem Selbstplagiat des Eusebius? Die
Meinung, Origenes sei schon unter Decius gestorben — Photius
war augenscheinlich nicht der erste, der sie vorgebracht hat — ,
mußte sich ja notwendig aus der Tatsache entwickeln, daß er als
Greis unter Decius gemartert worden war und die Folgen dieser
Insulte wohl nicht mehr überwunden hat.
Photius kennt übrigens auch die richtige Tradition; er fährt
fort: ol de (paolv avxov twg FaXXov xal BoXovoiavov öiaQxeoavza
xrX. Wie Preuschen richtig bemerkt, hatte Ph. das aus dem
griechischen Hieronymus geschöpft. Die Notiz des Hieronyuius
bezeichnet Preuschen als „leichtsinnige Bemerkung" auf Grund
von Euseb., h. e. VII, 1. Allein die Bemerkung ist nicht leichtr
sinnig, sondern enthält das allein richtige \'erständnis der Stelle
(s. 0.). Somit fehlt jeder Grund, von dem Geburtsjahr 185/6 und
demgemäß von dem Todesjahr 254 abzugehen. Wenn Preuschen
sich, um die Angaben des Eusebius unzuverlässig erscheinen zu
lassen, darauf beruft, daß er den Origenes als 17- bez. 18jährigen
einen viog xofiiöfj jtaig nenne — ein solcher sei doch kein ^ganz
kleiner Junge" mehr — , so braucht man die griechischen Worte
keineswegs so zu übersetzen, wie Preuschen getan hat. Übrigens
fangen sie erst an paradox zu werden, wenn man das Geburts-
jahr des Origenes mit Preuschen uui drei bis vier Jahre her-
aufsetzt
544 Nachträge und Berichtigungen.
3. Zu Origenes, Hexapla (S. 29£ 53).
In der eben ei-schienenen Abhandlung von E. Schwartz, „Zur
Geschichte der Hexapla" (Nachrichten der K. GescUsch. d. Wissensch.
z. Göttingen, Fhilol.-historische Klasse, 1903 H. 6) ist klargestellt,
daß die auch dem Fundort nach anonyme Übersetzung, die Euse-
bius (h. e. VI, 16) nach den Angaben des Origenes aufzählt und
die keine besondere Kolumne in dem großen Werk erhalten hat,
zur fünften (der in Nikopolis gefundenen) gehört, d. h. wohl uar
eine andere (aber mehrfach differierende) Handschrift eben dieser
tJbei*setzung gewesen ist. Ihre Sonderlesarten waren als Margi-
nalien neben dem Texte der fünften Übersetzung angeführt —
Ebendort ist mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß die Aus-
drucksweise des Origenes in bezug auf die sechste, in Jericho ge-
fundene Übersetzung es unsicher macht, ob er sie selbst entdeckt
hat Sidier ist nur, daß sie unter Caracalla entdeckt worden ist
Hiernach ist das auf S. 29 über sie Bemerkte zu ei'gänzen und die
Vermutung S. 34 not 2 (in bezug auf die Zeit des Besuchs in
Jericho) zu streichen. Mit der Übei^setzung wurden in dem Fasse
zu Jericho „xal äkXa ßißUa 'EßgaUa xal ^EXXrivixa^ gefunden.
Leider hat Origenes ihre Titel nicht angegeben.
•
4. Zu Eusebius, Kaxa MccQxsXkov (S. I24f.).
In Preuschens Zeitschrift (Bd. 4, 1903, S. 330—334) hat
Conybeare den Nachweis zu führen versucht, daß die beiden
Werke gegen Marcell nicht von Eusebius Pamphili, sondern von
Eusebius Emisenus stammen. Außer anderem stützt er sich darauf,
daß der I, 4 (p. 38 ed. Gaisford) zitierte Brief der des Marcell
an Julius sei, dieser aber sei erst im J. 341 geschrieben; damals
aber sei unser Eusebius nicht mehr am Leben gewesen. Femer
macht er darauf aufmerksam, daß (1. c.) „der andere Eusebius-
eben der unsrige sei, daß sich Eusebius aber selbst nicht in dieser
Weise habe zitieren können. Ohne die von Conybeare erhobenen
Bedenken sämtlich genauer prüfen zu wollen, bemerke ich, daß der
berühmte Brief des Marcell an Julius von Rom nicht in d. J. 341
gesetzt zu werden braucht, sondern z.B. von Caspari (Quellen z.
Gesch. des Taufsymbols TU, 1875, S. 28ff.) mit guten Gründen auf
337 (338) datiert wird. Ist also dieser Brief gemeint, so kann doch
unser Eusebius der Verfasser des Werks sein. Allein Conybeare
hat den Text flüchtig gelesen; nicht um einen Brief des Marcell
handelt es sich, am wenigsten um den berühmten, sondern um einen
Nachtr&ge und Berichtigungen. 545
Brief eines Dritten (wahrscheinlich des Asterius), den Marcell
zitiert hat Das Argument ist also ganz hinfällig. Was aber den
anderen Eusebins betrifft (s. außer p. 38 auch 52 f. 54 f. 56 f. 58 f.
601 62), so ist es (s. p. 57) allerdings unser Eusebins selbst; dieser
spricht also von sich in der 3. Person. So auffallend das ist, so
ist es für sich doch noch kein ausreichender Beweis, daß Eusebins
nicht der Verfasser der Schrift ist, zumal da Eusebins hier mehrere
Bischöfe, die Marcell angegriffen haben, verteidigt, und es daher
nahe lag, daß er in diesem Zusammenhang von sich in der 3. Person
sprach.
5. Zur pseudojustinischen Cohortatio adGraecos (S. lölff.).
Nachdem der Abschnitt über die Cohortatio bereits gedruckt
war, erschien die umfangreiche Abhandlung von Knossalla, „Der
pseudo-justinische AOrOS nAPAINETIKOU BPÜS EAAENAS-"
(Kirchengesch. Abhandl. hrsg. von Sdralek, 2. Bd., 1904 S. 109— 190).
Der Verf. würdigt zuerst (S. 110—133) die Untersuchungen von
Widmann und Gaul und hält ihre Ablehnung des Schürerschen
Beweises für die Abhängigkeit der Cohortatio von Africanus für
gerechtfertigt. Ich bleibe demgegenüber bei den Ausführungen, die
ich S. 154 ff. gegeben habe. Widmanns Gründe für den Ursprung
der Schrift von Justin findet er nicht zureichend, aber gegen (truI,
dessen Identifizierung der Cohoi-t.. mit dem „"EXeyxog" ])ei Eusebins
er anerkennt, hat er im Grunde nicht viel einzuwenden. Seine
Schilderung des „Milieu" der Schrift hält er nicht für falscli,
sondern nur für unvollständig und nicht einwandfrei; mit ihm
glaubt er zu erkennen, daß die Cohort. den Apologien vor Africanus
verwandter ist als den späteren, erklärt aber seine Beweise für
lückenhaft. Die Abhängigkeit der Cohort. von Hermias und Clemens
Alex, lehnt er ab. Aber in bezug auf den terininus ad quem der
Abfassung stimmt er mit Gaul überein (c. 220) und sucht ihn in
der positiven Untersuchung (S. 11^2— 107) zu erhärten, (lanz )nit
Recht wird dabei der Schwerpunkt auf die Feststellung des
Charakters der (iegner gelegt, welche der Verf der Cohortatio
bekänipft Wenn aber Knossalla dabei zu dem Schlüsse kommt,
der Verf. könne nicht z. Z. der Blüte des Neuplatonismus j^e-
schrieben haben, da er bei seinen Gegnern noch k(*ine Offenbarungs-
Philosophie voraussetzt, so ist das ein Fehlschluß; denn den von
den neuplatonischen Lehrern in Anspruch genommenen Offenbarungs-
charakter ihrer Religionsphilosophie brauchte er nicht zu erwähnen,
geschweige in irgendwelchem Sinne anzuerkennen, wenn er ihn
für eine Illusion hielt. Auch trat dieser Offenbarungscharakter
Harnack, Altcliiistl. LitteraturK^sch. 11, 2 35
546 Nachträge und Berichtigangen.
im Neuplatonismus nicht so sichtbar hervor, daß man ihn not-
wendig berücksichtigen mußte. Gleichsam nur an der Spitze der
Pyramide sahen sie das göttliche Feaer entzündet Ebensowenig
vermag ich dem Nachweise beizustimmen, die Vergleichung des
Verfassers der Cohort. mit Lactantius in bezug auf die Geltung
der Orakel zeige, daß jener lange vor diesem geschrieben haben
müsse. Nach jenem sei die Autorität der (christlichen) Orakel noch
unerschüttert, nach diesem würde sie von den Heiden abgelehnt
und zwar gewohnheitsmäßig, also müßte die Cohortatio mindestens
einige Jahrzehnte vor Lactantius geschrieben sein. Allein der
Verf. übersieht dabei, daß in solchen Fragen die verschiedene
Adresse und die Umstände eine große ßoUe spielen und daß man
daher nicht sofort eine chronologische Reihe konstruieren darf.
Viel wichtiger ist (s. meine Darstellung S. 153. 157), daß die Rolle,
welche die Sibylle und die Orakel überhaupt spielen, den Verf. der
Cohort. dem Lactantius näher rückt, als den alten Apologeten.
Noch weniger halte ich das Argument für überzeugend, die wich-
tigsten Vertreter des Neuplatonismus seien sehr bibelkundig ge-
wesen, die Gegner aber, die der Verf. der Cohort. voraussetzt, seien
es nicht; sie würden vielmehr in der Cohort erst ernstlich ermahnt,
die h. Schrift kennen zu lernen. Als ob solche Mahnung nicht
immer notwendig wäre, solange die Kenntnis der Bibel den er-
wünschten Erfolg noch nicht gehabt hat! Doch abgesehen davon
— als so eingehend darf man sich die Kenntnis der Bibel bei den
neuplatonischen Philosophen nicht vorstellen, daß die Mahnung, sie
kenneu zu lernen, überflüssig und unzeitgemäß gewesen wäre. So
aber erscheint es nach den Ausführungen von Knossalla. Das-
selbe gilt von dem Versuche K.s, aus der Lehre der Cohort. über
den Monotheismus zu erweisen, der neuplatonische GottesbegriflF sei
als ihr negativer Hintergi'und undenkbar. Christliche Polemiker
des 3. Jahrhunderts hatten es wahrlich nicht nötig, vor dem neu-
platonischen Monotheismus ihre Reverenz zu machen, bevor sie den
Polytheismus samt seiner Philosophie bekämpften, und sie wären
im 3. Jahrhundert schlechte Apologeten gewesen, wenn sie das ge-
tan hätten. Der Verf. muß sich selbst den Einwurf machen, daß
ja gerade der Neuplatonismus der letzte wissenschaftliche Vor-
kämpfer des Polytheismus gewesen ist Was er dagegen bemerkt,
ist jedenfalls nicht stark genug, um seinem Argumente noch irgend-
ein Gewicht zu sichern. Endlich aber, wer hat denn behauptet
daß die Cohortatio sich ex professo gegen die hervorragenden
Häupter des Neuplatonismus selbst richtet? Da sie weder in
Alexandrien noch in Rom (Italien) geschrieben ist (s. meine Dar-
stellung S. 158), so ist schon deshalb nicht an eine Auseinander-
Nachträge und Berichtigungen. 547
Setzung mit der klassischen Erscheinung des Neuplatonisnius als
solcher zu denken. Dazu ist die Schrift auch viel zu unbedeutend ;
so hohe Ziele hat sie sich nicht gesteckt, mag auch Prophyrius
einmal berücksichtigt sein. Gegen das populäre Heidentum und
seine populäre Religionsphilosophie, die im 3. Jahrh. freilich schon
etwas anders beschaffen war als im 2., zieht sie zu Felde. Ein
positives Argument für die Zeit der Abfassung der Apologie will
der Verf. daraus gewinnen, daß sie auf den Altersbeweis für das
Christentum hohes Gewicht lege: „in der 2. Hälfte des 2. Jahr-
handerts werde die Frage nach dem Alter des Moses und der
Propheten direkt wie indirekt als eine Zeitfrage gekennzeichnet
und als einer der bedeutendsten Diflferenzpunkte zwischen Christen-
tum und Heidentum behandelt; je weiter man sich von dieser
Periode entferne, desto mehr scheine sie nur noch eine historische
Bedeutung zu haben". Ich vermag von dieser Wendung in der
Geschichte der alten Apologetik schlechterdings nichts zu entdecken,
sondern finde das Interesse für das Alter des Christentums noch
bei Eusebius u. a. ebenso stark wie bei Tatian.
Auf Grund dieser — nichts beweisenden — Erwägungen und
einiger anderer, die noch schwächer sind, kommt Knossalla /u
dem Ergebnis, daß die Cohortatio, die nicht vor der Streitschrift
des Celsus geschrieben sein könne, in der Zeit 180—220 verfaßt
sei. Ich bleibe dem gegenüber unter Berufung auf die Argumente,
die ich S. 153ff. angegeben habe, bei dem Ansätze, die Cohortatio
stamme aus der Zeit 221 — 3o2 (wahrscheinlich 260—302), wieder-
hole aber auch den Hinweis (S. IT)?), daß eine spätere Zeit nicht
mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Bei dem Ansätze.
260—302 finde ich mich in Übereinstimmung mit Puech (Sur le
Aoy. JtaQaiv. xq, ^EkX„ Melanges Henri Weil, IS98), der zum Teil
auf Grund derselben Argumente dasselbe Datum wie ich gefunden
hat, vgl. u. a. p. 402: ..L'analyse des materiaux (jue semble avoir
mis en oeuvre Tauteur de la cohort. nous condnirait donc k supposer,
qu'il ecrivait au plus tot dans la dernier tiers du III ^ siecle' und:
..Si Ton veut juger d'apres Timpression generale que laisse ce petit
ecrit, je suis nettement daccord avec ceux qui jugent inii)0ssible
<le le rattacher aux ouvrages des premiers apologistes. L'auteur
ne mentionne plus, meme par allusicm, les bruits calomnieux dont
les chrotiens etaient victimes: il ne parait redouter aucun danger
pour lui et ses correligionnaires; il ne parle jamais de persocution,
ni de pers^cuteur". - -
Dräseke hat in der Ztschr. f. wissenscli. Tlieol. Bd. 46, 1903,
S. 407—433 noch einmal seine Ansicht über die Herkunft der
Cohort. von Apollinarius von Laodicea verteidigt (hauptsächlich
548 Nachträge und Berichtigangen.
gegen Gaul). Daß eine Möglichkeit besteht, die Schrift bis in
die Zeit des ApoUinaiius zu rücken, habe ich anerkannt^ aber
wahrscheinlich ist sie nicht, und die konkreten Beziehungen, die
Dräseke zwischen dem berühmten Schriftsteller und dem Verf.
der Cohort. gefunden haben will, bleiben nach wie vor nicht be-
weiskräftig. Knossalla hat in einem Nachtrag zu seiner Schrift
(S. 182—190) noch auf die Abhandlung Dräsekes eingehen können
und die angeblich sicheren Indizien für die Abfassung der Cohort
im 4. Jahrh. und von Apollinarius beleuchtet Mit Recht ist es auch
ihm unverständlich, wie Dräseke auf die „Demosthenismen*^ der
Oohortatio in bezug auf die Verfasserfrage Gewicht zu legen vermag.
6. Zu dem Liber disputationis Archelai episcopi adversum
Manichaeum (S. 163).
In den Sitzungsberichten der philoa-philol. und der bist Klasse
der K. Bayer. Akad. d. Wissensch. 1903, Heft 4, S. 533—549, hat
L. Traube („Acta Archelai. Vorbemerkung zu einer neuen Aus-
gabe") die überraschende und erfreuliche Mitteilung gemacht^ daß
er im April 1902 eine bisher unbekannte Handschrift der Acta
Archelai (geschrieben etwa um 1200, in Süditalien — vermutet
Traube) erworben habe, deren Provenienz sich nicht weiter er-
mitteln ließ (zur G örres-Bibliothek gehört sie nicht). Außer Hand-
schriften, die Exzerpte des Buchs enthalten (Ambros. 0. 210 Sup..
olim Bobb., saec. VI. und Turin. Hofarchiv I. b. VI. 28, olim. Bobb.,
saec. VI. vel VII., etc.) kannte man bisher nur eine fast vollständige
Handschrift (Montecass. 371, saec. XL), aber auch sie ist (durch Zu-
fall) am Schluß verstümmelt Die neue Handschrift (sie ist nicht
aus dem Montecass. abgeschrieben) dagegen ist ganz vollständig:
und bringt somit den bisher unbekannten Schluß (ein Blatt) ^ Dieser
Schluß ist nicht nur deshalb wichtig, weil sich in ihm das Exzerpt
aus Basilides fortsetzt, sondern auch weil er die Unterschrift trägt:
.,Ego Egenionius scripsi disputationem istam exceptam ad descri-
bendum volentibus*'. Die Nachricht, daß ein Hegemonius der Ver-
fasser der Akten sei (wenn er sich selbst auch nur als den Tachy-
graphen der fingierten Disputationen vorstellt), bestätigt sich also.
Ferner aber enthält der Kodex noch einen Anhang, nämlich eine
Übersicht über eine Reihe von Ketzereien bis zu Photin, den
Macedonianern, Apollinaristen und Montensern (Pelagianer und
Nestorianer fehlen noch) 2. Traube hat richtig angenommen, daß
1) Abj^edruckt bei Traube.
2) Abgedruckt bei Traube,
Nachtr&ge und Berichtigungen. 549
dieses Stttck nicht nach c. 450 niedergeschrieben sein könne, und
schließt daher, auch auf die innere Verwandtschaft des Stücks mit
dem Ganzen sich stützend, daß es vom Übersetzer selbst herrührt,
daß dieser somit zwischen 392 (der durch Hieronymus' Buch de vir.
inL gegebene terminus a quo) und c 450 gearbeitet haben müsse.
Dieser Schluß ist zutreffend; man kann aber den Zeitraum noch
verengen und zugleich den Ort der Übersetzung mit großer Wahr-
scheinlichkeit bestimmen. Die Apollinaristen sind so geschildert,
daß sie unter sich verschieden und ihre Lehren wie ein Chaos er-
scheinen; die Photinianer sind noch vorhanden; die Montenser (das
sind die römischen Donatisten) fallen durch ihre Angriffe den Katho-
liken noch lästig, und auch die Luciferianer werden im Zusammen-
hang mit ihnen erwähnt Daher muß man die Abfassungszeit auf
+ 400 bestimmen (weiter herunter darf man nicht gehen) und muß
den Ort in Bom suchen ; denn nur hier kann ein Schriftsteller ge-
schrieben haben, der die Montenser behandelt, nicht aber die
Donatisten, der die Apollinaristen gut kennt und dem die Luci-
ferianer noch unbequem sind. Die Tatsache, die lateinische Über-
setzung der Acta Archelai so ^enau datieren zu können, ist sehr
wichtig (sowohl an sich als für die Alteisbestiinmung anderer
lateinischer Übersetzungen). Traube hat eine neue Ausgabe an-
gekündigt, der man mit Freude entgegensieht.
7. Zu den Thomasakten (S. 176j.
Vgl. die Abhandlung von G. Hoff mann, Zwei Hymnen der
Thomasakten, herausgegeben, übersetzt und erklärt (in Preuschens
Ztschr. Bd. 4, 1903, S. 273—309).
8. Zu Hippolyts Weltchrouik (S. 241).
Über die Abhandlung von Chalatiantz (Wiener Ztschr. f d.
Kunde d Morgenlands Bd. 17, S. 182ff.) referiert Dräseke i. d.
Ztschr. f. wissensch. Theol. 47. Bd, H. 1, S. 109 ff., beiläufig dabei
erinnernd, dab vielleiclit auch in Refut. X, 30, p. 532, 33 [„jraQe-
ödxafiev iv txtQoiq XoyoK;''] die Weltchronik gemeint ist:
„Bei Gelegenheit seiner Forschungen nach den Quellen des
Moses von Chorene in seiner „Geschichte Armeniens", insbesondere
nach den Spuren des von ihm (IT, 13) erwähnten Africanus und
Hippolyt, stieß Chalatiantz bei den Mechitharisten zu Venedig
auf eine kleine armenische Hdschr. mit der Aufschrift: „des Moses
von Chorene und des Andreas" (Chronik», worin sich, von
550 Nachträge und Berichtigungen.
niemand bisher beachtet, eine wörtliche Übei'setzung der latei-
nischen Bearbeitung der Weltchronik des Hippolyt, des „Liber
generationis" fand. Dasselbe Werk trägt in einer von Chalatiantz
durchforschten Hdschr. der Patriarchatsbticherei von Etschmiadzin
neben den beiden genannten Namen in der Aufschrift noch den
des Ananias SchirakatzL Die ersten beiden Seiten der Hdschr.
(welche von beiden gemeint sei, ist aus Chalatiantz' Worten nicht
zu ersehen), von Adam bis auf Noah führend, sind Moses von
Chorene entnommen. Das Folgende, des Erzvaters drei Söhne,
„mit genauer Aufzählung aller von ihnen abstammenden bekannten
Völker und Stämme und mit Angabe der Länder, Inseln, Flüsse,
Berge [vgl. besonders HippoL, Refut X, 30], wie ebenso welche
Völker eine Schrift besaßen" — sowie die Aufzählung der jüdischen
Patriarchen, Richter, Könige, Propheten bis auf Cyrus, etwa zwei
Drittel der ganzen Hdschr. befassend und aus anderer Quelle,
nämlich dem Andreas entnommen, zeigt nach Chalatiantz,
ohne daß Hippolyts Name irgendwo genannt wäre, wörtliche Über-
einstimmung mit dessen „Liber generationis" (ed. Dindorf,
S. 413 — 419). Sehen wir hier ab von den sechs im lateinischen
Text nicht verzeichneten Stellen, die, der armenischen Fassung
entsprechend, griechisch bei Syncellus gelesen und dort als aus
Africanus stammend gekennzeichnet werden, so verläßt die arme-
nische Übersetzung vor dem Verzeichnis der Achämeniden, von
S. 419 an, den Wortlaut des „Liber generationis". Sie „führt eben
dieses Verzeichnis", sagt Chalatiantz S. 184, „wie auch das darauf-
folgende der Ptolemäer von Ägypten ziemlich abweichend von der
Darstellung des Hippolyt an und berührt sich andererseits sowohl
in diesen Punkten als auch in der weiteren Darstellung mit der
Chronik des Eusebius. Hierauf folgen im armenischen Texte Ab-
schnitte, welche im lateinischen fehlen, und zwar: über jüdische
Herrscher von Jesus, dem Sohne des Josedek, bis Aristobul und
Alexander, „welche Hohepriester waren und zugleich Könige",
über den Untergang des jüdischen Reiches, die Erhebung des
Herodes, die Errichtung des römischen Kaiserreichs von Julius
Cäsar und Augustns, unter welchem Christus geboren ward, und
ebenso über die Predigt Christi, „nach den Worten des Phlegon
und des Josephus", welche mit dem 15. Jahre des Tiberius zu-
sammenfällt; hier sind auch verschiedene synchronistische Daten
angeführt, welche demselben Jahre angepaßt sind. Obwohl das
Verzeichnis der römischen Kaiser sich auch im lateinischen Texte
befindet, so wird „dasselbe doch hier bis zu Alexander, dem Sohne
der Mammäa, geführt". Diese letztere geschichtliche Angabe spricht
unmittelbar für Hippolyt, der ja unter Alexander Severus [ — viel-
Nachträge und Berichidgungeu. 55 1
mehr gleich nach Alexander Sev. — ] 235 starb und bis zu diesem
selbstverständlich seine Liste der römischen Kaiser führte
Offenbar haben wir hier denselben Andreas vor uns, der, ohne die
von ihm benutzten Schriften des Hippolyt zu nennen, diesen neben
anderen kirchlichen Vätern erwähnt und in mehreren Stellen seines
Kommentars zur Apokalypse anführt (vgl. Harnack, Altchristi.
Litt-Oesch. I, S. 613. 624). Damit erledigt sich eigentlich auch die
hinsichtlich der Umfangsbestimmung des auf Andreas entfallenden
Teils des Werkes von Chalatiantz noch unentschieden gelassene
Frage, „wo derselbe schließt, und wo folglich die dritte Quelle,
Ananias, beginnt". Mit großer Wahrscheinlichkeit hält Chalatiantz,
der ja zuvor auf die wörtliche Ähnlichkeit von zwei Dritteln des
armenischen Werks mit dem „Liber generatiouis"* des Hippolyt
aufmerksam gemacht hat, diesen Teil fQr ein Werk des Andreas,
der, wie er meint, um die Mitte des 4. Jahrhunderts augenschein-
lich einen Auszug aus Hippolyts Weltchronik gemacht hat Da
jedoch Andreas, wie Overbeck (Quaest Hippel, p. 23 f.) gezeigt
hat, Hippolyt auch stillschweigend benutzt hat, so scheint mir, im
Hinblick auf zahlreiche andere Fälle ähnlichen Verfahrens, die
Vermutung nicht unbegründet, daß er auch in jenem chronologischen
Werke, dessen armenische Übersetzung erhalten ist, seine Vorlage,
die Weltchronik des Hippolyt, mehr oder weniger stark aus-
geschrieben haben wird. Bis zu welchem Grade es nun möglich
sein wird, aus der armenischen Übersetzung, deren Veröffentlichung
durch Chalatiantz wir hoffentlich recht bald erwarten dürfen, in
Verbindung mit den auf griechischem Sprachgebiet versprengt sich
findenden und noch weiter zu suchenden Bruchstücken, sachlich
bez. auch sprachlich Hippolyts Schrift, wenigstens in ihrem wesent-
lichen Bestände, wiederzugewinnen, das müssen weitere Forschungen
ergeben".
So weit Dräseke, bez. Chalatiantz. Ganz klar ist mir der
Bericht nicht geworden, aber man sieht: nicht die Chronik des
Hippolyt ist in armenischer Übersetzung entdeckt, sondern ein
armenisches Geschichtswerk ist gefunden, das aus Moses von
Chorene, Andreas und Ananias Schirakatzi (saec. VII) zusammen-
gestellt ist. In den aus Andreas stammenden (umfangi-eichsten)
Abschnitten ist die C'hronik Hippolyts benutzt, aber Andreas hat
augenscheinlich auch anderes chronographische Material verwertet,
so daß die Abgrenzung des Kigentnms des Hippolyt vermutlich
keine ganz einfache Sache sein wird.
Das Proömium zur Chronik im Griechischen hat jetzt Adolf
Bauer als Ms. drucken lassen („Drei Proömien, unserm Freunde
W. Gurlitt überreicht z. 7. März 1904").
552 Nachträge und Berichtigungen.
9. Zu Hippolyts Auslegung des Segens Jacobs und Moses'
(S. 242) und der Erzählung von David und Goliath (S. 244).
In deutscher Übei-setzung (aus dem Grusinischen, durch Ver-
mittelung des Russischen) werden diese Stücke von Bonwetsch
in den Texten und üntei's. Bd. 26, Heft 1» vorgelegt werden. Sie
sind bereits im Druck abgeschlossen. Der oben S. 245 Z. 13 ange-
führte König ist Saul, aber er ist in Hippolyts Auslegung zugleich
Repräsentant des römischen Kaisers. Ein bestimmter Kaiser ist niclit
genannt (s. Bonwetsch S. 93). — Die Auslegung des Segens Ja-
cobs ist in den Tractatus Origenis (Pseudoorig.) benutzt (s. Bon-
wetsch S. XIV ff.).
10. Zum pseudocyprianischen Traktat „Ad Novatianum"
(S. 387).
In Sdraleks „Kirchengeschichtlichen Abhandlungen" (Bd. 2,
1904) hat Grabisch eine Untersuchung über die pseudocyprianische
Schrift Ad Novatianum veröffentlicht (S. 259 — 282). Das Ergebnis,
zu welchem der Verf. gelangt ist, ist durch den Nebentitel be-
zeichnet: „Ein Beitrag zur Geschichte des Papstes Cornelius". Es
gereicht der Untersuchung nicht zur Empfehlung, daß sie einen
unbegreiflichen Irrtum Blacha's (s. den nächsten Abschnitt), die
Schrift Ad Novatianum sei in De singul. cleric. erwähnt, gleich auf
der ersten Seite als ausgemachte W^ahrheit behandelt S. 259—268
gibt der Verf. ein kritisches Referat über die bisherigen Bemühungen
um die Schrift. Auf wenigen Seiten (268—282) unternimmt er
dann, nicht gerade bescheiden, „die hoffentlich endgültige Unter-
suchung**. Richtig wird gezeigt, daß die Schrift nur in Rom und
von einem Bischof verfaßt sein kann, aber unmöglich ist die Annahme,
p. 54, Hff. sei unter „hie" Rom, unter „illic" Karthago gemeint
Welcher Leser sollte das verstehen, da doch Karthago vorher gar
nicht genannt war! Überflüssig war es, noch einmal zu beweisen,
daß die Schrift nicht von Cyprian verfaßt sein kann. Der Ver-
fasser folgt mir sodann in der Anerkennung (gegen Nelke), daß
die zweite in der Schrift genannte Verfolgung der „saecularium
principuni" die Verfolgung des Gallus und Volusianus ist Er
glaubt aber, sie daure eben noch an; allein „nunc nuper" (c. 5)
darf nicht mit .jetzt eben" übersetzt werden, sondern heißt „in der
Gegenwart vor kurzem". Damit fällt die Behauptung, der Ver-
fasser habe während der Verfolgung geschrieben, dahin; denn die
anderen Argumente, die Grabisch anführt, beweisen nichts. Da
Nachträge und Berichtigungen. 553
soll „ex adverso hostis (Novatianus) obortus est'' besagen, daß der
Verf. der Scbrift in der Verbannung geschrieben habe; „denn in
seinem Bücken steht der neue Feind auf; wäre der Bischof in
Itom, dann hätte ihm der Angriff des Novatian nicht als ein An-
griff im Bücken, von hinten erscheinen können, in Rom hätte er
den Novatian vor Augen gehabte Was soll man zu solch einem
Argument sagen! Noch schlimmer aber ist die Beweisführung, die
aus den Worten: „rabiem suam non cessat (Novatianus) latratibus
excitare, luporum more tenebrosam caliginem optare, qua facile
possit ferina sua crudelitate oves a pastore direptas spelunca
tenebrosa laniare^ herausliest, die Schafe, gegen die Novatian vor-
geht, seien von ihrem Hirten getrennt, dieser sei also in der Ver-
bannung! Jeder Einsichtige wird „direptas laniare^' richtig in
^diripere et laniare^ auflösen. Da also die Annahme falsch ist,
der Schreiber weile in der Verbannung, und da die Verfolgung
augenscheinlich abgelaufen ist, so darf an Cornelius, der im Juni 253
in der Verfolgung gestorben ist, als Verfasser nicht gedacht werden
(nach Orabisch soll die Schrift im Sommer 252 verfaßt sein; daß
die Gefallenen nach c. 1 schon „per longam teraporuni seriem" Buße
getan haben, kümmert ihn nicht). Das angeblich entscheidende
äußere Zeugnis mag man beim Verfasser selbst nachlesen (S. 279 f).
— Wertvoll in dieser Abhandlung ist nur die Erkenntnis, daß
die Schrift nach Eom gehört und daß die Verfolgung unter Gallus
und Volusianus vorausgesetzt ist. \'on hier aus kann die Aner-
kennung, daß sie dem Bischof Sixtus Tl. gebührt, nicht mehr ver-
sagt werden.
11. Zum pseudocyprianiöchen Traktat «De singularitate
clericorum" (S. 369).
Nach Abschluß meiner Untersuchungen über die pseudocypri-
anischen Schriften erschien in Sdraleks „Kirchengeschichtlichen
Abhandlungen" (Bd. 2, 1904) die Untersuchung Fr. von Blacha's,
Der pseudocyprianische Traktat ,,De singularitatae clericorum",
fin Werk des Novatian (S. 193—256). Sie ist eine ganz fleißige
Erstlingsarbeit, aber mehr läßt sich zu ihrem Lobe nicht sagen.
Die Beweisführung, durch welche gezeigt werden soll, daß der
terminus ad quem der Schrift die Zeit um 300 sei, ist überall
fadenscheinig und unzureichend, die starken Argumente, die für
eine spätere Zeit sprechen, vor allem die kanonsgeschichtlichen
(der 2. Petrusbrief im N. T.), sind nicht wirklich widerlegt, und
Beobachtungen, die besser für das 4. Jahrhundert als für die
2. Hälft-e des 3. geltend gemacht werden können (z. B. daß der
554 Nachträge und Berichtigungeu.
Bibeltext dem des Ambrosiaster und der Quaestiones in Vet et Nov.
Testamentum verwandt ist), werden dieser zugat geschrieben. Am
schlimmsten ist die „Beweisführung'' für Novatian als Verfasser
(S. 244 ff.); ein faules Argument löst hier das andere ab (z.B. die
vom Verfasser der Schrift De singuL angekündigte Abhandlung
über die Selbstentmannung sei höchst wahrscheinlich identisch mit
Novatians Schrift De circumcisione! Der in De singuL genannte
„libellus contradictorius** sei die pseudocyprianische Schrift Ad Nova-
tianum, während dieser libellus überhaupt nicht existiert hat, son-
dern der Ver£ nur von einem „velut libellus contradictorius" spricht,
den seine Gegner [nicht sein Gegner] ihm vorhalten; er meint
damit die Stelle Rom. 14, 4). Ich glaube nicht, daß irgend jemand
mit kritischen urteil der Hypothese des Verfassers Glauben schenken
wird, und darf mich daher von einer Widerlegung dispensieren.
Die Annahme, daß die Schrift donatistisch ist, ist durch den Ver-
fasser nicht erschüttert, und dann ist die weitere Konsequenz, daß
Macrobius ihr Verfasser ist, nahezu unvermeidlich; denn daß der
Verfasser ein in Rom lebender Schismatiker gewesen ist, erkennt
auch Blacha an.
12. Zu den pseudocyprianischen Gedichten (S. 369).
In der Abhandlung „Über den Heptateuclidichter Cyprian und
die Caena Cypriani" (Ztschr. f. katliol. Theol. 1904, S. 9201) sucht
Brewer zu zeigen, daß der Adressat des Hieronjonus, Cyprian, in
ep. 140 (um 418) identisch ist mit dem Heptateuchdichter und dai^
dieser, wie ich bereits vermutet hatte, identisch ist mit dem Ver-
fasser der Caena. Durch Hinzuziehung einer Stelle bei Zeno Veron.
(tract. II, 38) und den Nachweis des Gebrauchs der „Caena" bei der
Festtafel in Rom bei Gelegenheit der Kaiserki'önung Karls des
Kahlen vermag Brewer das litterarische Genre der „Caena" sicher
zu bestimmen („Veredelte Tafelunterhaltung", „Tischgabe", ., Tisch-
würze" im Gegensatz zu den rohen und ausgelassenen Tafelspäßeu
und -vortragen) und zugleich durch jene Stelle den terminus a quo
bis gegen das J. 380 hinaufzurücken. Kr macht es ferner wahr-
scheinlich, daß auch die Heptateuchgedichte dem Zwecke dienten,
bei Tisch vorgetragen zu werden und so die heidnisch-mythischen
Stoffe zu verdrängen. Was den Ort des Dichters betrifft, so bringt
Br. einige sehr gute Argumente dafür bei, daß er in Italien,
näher in Oberitalien (also nicht in Gallien), zu suchen sei. Nicht
einleuchtend ist der Versuch, die „Caena" bestimmt auf die Jahre
380—400 zu datieren und in ihr die Jugendarbeit des Dichters
Cyprian zu erkennen , der von c. 360—430 gelebt habe. Daß der
Nachträge und Berichtigungen. 555
Dichter ungefähr in diese Zeit zu setzen ist, ist annehmbai* (s. die
Bemerkungen zu dem Datum der kleinen Gedichte Cyprians); allein
das so genaue Datum für die „Caena", welches auf Grund der Ver-
wertung der Acta Pauli und der Stellung, die sie bei Philastrius
einnehmen, gewonnen wird, ist ganz unsicher; denn es ist nicht
abzusehen, warum der Dichter nicht auch noch nach 400 diese
Akten hochgeschätzt und verwei'tet haben soll. Außerdem hat Br.
das Ansehen, das sie bei ihm gehabt haben, m. E. zu stark herab-
gedrückt Das Verständnis der ^Caena"" aber hat Br. unzweifelhaft
gefördert und auch die Gegend, in die sie gehört (sowie die Zeit-
lage im allgemeinen) richtig bestimmt. Die Identifizierung mit dem
Cyprian des Hieronymus freilich bleibt eine bloße Möglichkeit —
S. 100 spricht Br. seine Meinung beiläufig dahin aus, daß die beiden
psendocyprianischen Orationes Übersetzungen aus dem Griechischen
seien und einer frähen Zeit angehören.
Begister.
Abercius 129. 183 f.
Abgar Severus bar Ma nü 89. 128. 162 f.
AbidaSy Astrolog 131.
Acacius von Cäsarea 110. 143.
AchatiuB 468 f.
Achillas 66. 68. 74. 79.
AcbilleuB 482.
Adamantius 149 ff.
Addaei doctrina 162.
AdelphiuB 412 f.
Ad^ocatuB 456.
Agypterevangelium 178. 182.
Aelafius 412. 454 f.
Aelianus, Adressat des Gregor Thaum.
100.
Aelianiis, Prokonsul 458.
Aelius Paulinus 454. 457.
AemilianuB, Prätendent 7(5.
Aemilianus, Christ 471.
Aeschines 431.
Aetius 156.
Afra 475.
Africanus s. Julius Africanus.
Agape, Märt. 475.
Agapius, afrik. Bischof 471.
Agapius von Cäsarea 108. 160.
Agricolaus s. Agapius.
Agrippinus 260. 286 f. 361 f.
Alcibiades 167. 5:J7 f.
Alexander von Alexandrien 74. 79 ff. 108.
126. 139.
Alexander von Jerusalem 6 f. 21. 30 43.
49. 62. 92 f. 103. 192.
Alexander von Konstantinopel 80. 108.
Alexander- Inschrift, christliche 184,
Alexander Severus 212. 532.
Alexandrinische Katechetenschule 3 f.
Alfius Cäcilianus 457.
Aloger 207. 227 f.
Amantius, Präses 479.
Ambrosius, Freund des Origenes 80. 33 f.
50. 54ff.
AmeliuB 418.
Ammon von Berenike 60 f. 65.
Ammonius Sakkas 24. 28. 81.
AmmoniuB der Alexandriner 81 ff.
AmmoniuB, VerfiEUBer einer synoptiBchea
Arbeit 81 S.
AmmoniuB von Thmuis 25. 33. 81ffl
Ammudates 440.
AmpeliuB, Märtyrer 458.
AnatoliuB 52. 75—79.
Ancjra, Synodalbeschlüsse 160.
AndreaB, Märt. 469.
Andreas, Presbyter und Adressat des
Origenes 50.
Andreasakten 170. 172 f. 175.
Andronicus 480.
Anonymus, Antimeletianer 70 f. 72 f. 74.
Anteros, röm. Bischof 208.
Anthimus von Nikomedien 141. 158 ff
Antonianus 354.
Antoninus 129 f.
Anulinus 454. 476 ff.
Apelles 158. 281 ff. 522.
Aphrodisius, Adressat des Dionysius
Alex. 64
Aphroditianus 91.
Apion, Dialog mit Petrus 521. 533.
Apokalypse im Testament, doniini nostri
514 fF.
Apollinaris von Üierapolis 188.
Apollo, Presbyter 180.
Apollonides 201.
Apollonius 276 f.
ApoUonius von Lykopolis 74.
Apollonius, ägyptischer Bischof 180.
Apostel, zwölf, Evangelium 178. 182.
Apostelgeschichten, apokryphe 132.
169 ff.
Apostoliker 176.
Register.
557
ApoBtoÜBche Didaekalia 488 ff. 522.
Apostolische Eirchenordnung 4S4ffl
Aquila, Statthalter in Ägypten 29.
Aquila, Dialog des 198.
Aquila, Übersetzer 153. 165, s. auch
Hexapla 29. 53.
Aquilinus 412 f.
Archelaus, Gegen Mani 163f. 171.548f.
Archontiker 195.
Arethas 23.
Aristides, Adressat des Julius Afri-
canus 91.
Anus, Arianer 79 f. 99. 101. 108 f. 125.
139 f. 142. 159. 409. 445 f. 533 fF.
Arles, Synode 451. 454 ff.
Armenien, Christen 61.
Arnobius 138. 414 ff.
Arrianus, Konsul 382.
Arteniius, dux 142.
Art«mon 136. 202. 224.
Asklepiades 420 f.
Asklepiades, Märt, in Sniyma 467.
Asklepiodora 478.
Asklepiodotus 201.
Aspasius Paternus 366.
Asterius 143. 159.
Ast^rius, Mart. 475.
AthanasiuB 60f. 79 f. 108 f. 121. 125. 142 f.
Athanasius von Anazarbus 60.
Athenagoras 149.
Athenodorus 93. 97.
Atranes, Adressat des Origenes 49.
Attalus 308.
Augurius, Märt. 473.
Aurelian, Kaiser 186.
Aurelius Didymus 457.
Avircius Marcellus 183.
Bacaudae 482.
Bacchus, Mäi-t. 481.
Bardesanes u. s. Schule 89 f. 128—132.
138. 140. 151. 162. 176. 184. 535 f.
Barnabasbrief 303. 444. 486.
Barnabas-Evangelium 177.
Barsaraya 209.
Bartholomaeus-Quaestiones 177.
Basilides, Gnostiker 231. 332. 548.
Basilides, Metropolit in der Penta-
polis 64.
Bassus 35. 52.
BassuB, Fr&ses 478.
Bellator 54.
Beron 216.
Beryll von Bostra 35. 49. 51 f.
Bibel, lateinische 296 ff.
Bibel, lat., Apokryphen 303 f.
Bolanus, Bischof 136.
BonifiEUiius. Märt. 480 f.
Brucianus Codex 195 f.
€
Caecilian von Karthago 454. 456.
Caecüius Natalis 326f. 330.
Cajus, römischer Christ 206 f. 219. 223 f.
226 ff. 249. 333.
Caldonius 343. 350ff.
CalvisianuB, Prokonsul 476.
Candidas, Valentinianer 40. 50. 52.
Capit-olina, Märtyrerin 103.
Caracalla 259.
Carausius 482.
CassianuB, Gericht«Bchreiber 474.
Celerinus 312. 343. 371.
Celsus 35 f. 51. 184. 188 f.
Celsus, alias 391.
Cerdo 159.
Cerinth 181.
Charinus s. Leucius.
Chionia, Märt. 475.
Chrestus von Syrakus 454.
Claromontanus, Katalog 84 ff.
Claudius, Comes 482.
Claudius, Märt. 475.
Clemens Alex. 3—23. 28. 80. 86 f. 90 f.
02f. 153 ff". 171. 174. 192. 226. 238.
295. 415.478. 481. 486. 497. 541 f.
Clemens Romanus s. Pseudoclemens,
Pseudoklementinen.
Clemensbrief (erster ad Cor.) 298. 304 ff.
(lat. Übersetzung).
Commodian 170. 30S. 310. 429. 433—449.
Commodus 327.
Constantin s. Konstantin.
ConstantiuB Chlorus 473.
Cornelius von Rom 61 f. 135. 348 ff. 351 f.
369. 387 f. 390. 309. 411. 552.
Crescentius 80.
Crisjnna, MäH. 476.
Crispus 115. 417.
5r)8
Register.
Cucujo 8. Kukuß.
Culciauus, Statthalter 70. 72.
CuiQinian 52.
Cyprian 59. 62. 102 f. 300 ff. 305. 325.
327 f. 334—368. 378 f. 394 ff. 435. 440 f.
444 f. 471. 510. Pseudocyprianisclies
8. dort. Cyprian der Magier 369.
Cyrillus, antiochenischer Bischof 138 ff.
D
Dasius, Mart. 476.
Dativus, Märtyrer 453.
Decius, Kaiser 179. 180. 340. 353 f. 387 f.
438f. 466 ff. 5ir)f.
Deiiietriauus 365.
Demctriauus, alius 417 f. 421. 423 f.
Demetrius, alex. Bischof 23 ff. 29 f. 32 f.
58. 73. 93.
Didache 486. 496 f. (lat.) 314.
Dida^kalia, apost. 488 ff'. 522.
Didynius, Adressat des Dionysius Alex.
63.
DidyuiuB, Märt. 476.
Diogenes, Philosoph z. Z. des Petrus
Alex. 75.
Diogiiet 232 f.
Diokletian 414 ff. 422. 430. 4Ö1. 474 ff.
481 f.
Dionysia, Märt. 469.
Dionysius Alex. 24. 33. 47. 57-66. 67.
6!). 73. 713. 91). 102 f. 106. 135. 139. 411 f.
490.
Dionysius Arcopap^ita 135.
Dionysius von Rom Ol f. 64 f. 09. 106.
139. 411 f.
Dokcten 231.
Domitius Celsus 154. 455 f.
Doniitius, Adressat des Dionysius Alex.
03.
Donina, Märtyrerin 159.
DomninuR, Adressat des Serapion 132.
Domnus, antiochenischer Bischof 1.39.
412.
Donatilla, Märt. 478.
Donatisten 412. 433. 446. 453—458.
Donatus, Bischof in Karthago vor Cy-
prian 361.
Donatus, Haupt der Donatisten 456.
Donatus, Freund Cyprians :J38f. 363.
Donatus, Freund des Lactanz 420 f
Donatus, Märtyrer 450.
Dorotheus, Presbyter 138 f.
Dojrotheus, alius 139.
Dorotheus von Tyrus 139.
Dulcetius, Präses 475.
Ebion u.Ebionitenl37. 165 fc 521 ffl 536ft
Edessenische Akten 89. 161 ff. 209.
Elkesai und Elkesaiten 36. 167 f. 521.
532. 536 f.
Elvira, Akten 450 ff.
Enkratiten 176. 192.
Enötös, Häretiker 75.
Epigonus 202 f. 223.
Esnik 147.
Eukt^mon, Bischof 467.
Eulogius, Märt. 473.
Eumelius 454. 456.
Eunomius, afrikanischer Bischof 456.
Euphranor 60 f. 65.
Euphration von Balanea 127.
Euphrosynus 97.
Euplius, Märt. 476.
Euporus 60. 65.
Eusebius v. Cäsarea 26 ff. 84 ff. 103—106.
106—127. 131. 136. 140— 143 f. 148.
157 ff-. 160. 162 f. 172. 188f. 481. 533.
535. 542 f. 544 f.
Eusebius von Laodicea 76. 138.
Eusebius von Nikomedien 108.
Eusebius von Rom 412.
Eustathius 109.
Eutychianus 467.
Eva, Evangelium 179.
Evagrius s. Philagrius.
Evangelien, apokryphe 177 ff.
Fabian, römischer Bischof 32. 35. 48f.
56. 209. :^0. 361. 399. 406.
Fabius von Antiochien 61 f. 135. 411.
' Fabius Yexillif. 481.
Fabius Victor 473.
Fausta, Kaiserin 412.
Felicissimus 347. :^9. 351 f. 364.
Felix von Aptunga 457 f.
i Felix, Märtyrer 453.
Felix, röm. Bischof 412.
Felix Tibiur., Märt. 477.
■ Firmilian 33 f. 47 ff. 62. 102f. 359 f. 530.
Finnilian, Statthalter 105. 107.
Register.
559
Fliicillus von Autiochien 125. 127.
Flaviaiuis Afric. 471 f.
Flavius, Adressat des Dionysius Alex.
»53. 65.
FlaviuK, (irammatiker 138. 410. 420 f.
Florian, Märt. 475.
FloruK von Lyon 321.
Fortis 450.
FortunatuK 35()fF. 354.
Fortunatus, aliua .305.
Fronto 325 f.
Fnictuosus, Märt. 473.
Fuljsriis, Konsul 126.
Fiiscianua 25S.
ilalerius Maximus, Prokonsul 360.
(lallienus, Kaiser 18^}. 478.
Onllus, Kaiser 186. .388.
<Jases 43r).
<ieniinus 13;{.
(ionesius, Mart. 477.
<iennanus, Adressat des Dionysius Alex.
:)9. 04.
deorg, heiliger 142.
«Jeta 259. 323 f.
rinostisches Stück auf Papyrus 181.
(lobarus, Adressat des Origenes 50.
(4ordian -^2.
firegor von Elvira 410.
(Iregorius Thauraaturgus 34. 47 ff.
93-102. 103. 105. 144.
tiurias, Märt. 474.
HaiTuonius 128. 132.
Hegemonius 163. 548.
Helena 141.
Hflix 210.
Honoch fslaviscli) 384 f.
Heniklas 24f. 2Sf. ,30. 33. 68. 73 f. 81.
o<>. 13:;.
lleraklius 412.
Heniiammou 03. 65.
Hennas 15:). 271. 282. 298. Lat.: 305f.
3n8ff. :n2tf. 331f. 370 f. 380. 435. 444.
Hermes Trismegistus 158.
Hermes, alius (Häretiker) 159.
Hermias 190f.
Hennogenes 281 f.
Hennophilu.- 291.
Hesychius, Bischof 70. 74. 83.
Hesychius, Textkritiker 83. 144f.
Hierakas 83 f.
Hierax 03. 05.
Hierokles, Statthalter 7U. 72. 110 f. 418.
Hieronymus &. bei Origenes.
„Hieronymuö saec. III" 78 f.
Hilarianus 323 f.
Hippolyt 21. 29. m. 77. 91. 128. 153.
171. 177. 201 ff. 200 ff. 209—256. 278.
283. 291». 333. 371. 380ff. 400. 403.
427 ff. 431 ff. 445. 448. 531. 539f. 549ff.
Hippolyt, alius Ol.
Homilien s. Pseudoklementinen.
Hosius 451 f.
Huillus, jüdischer Patriarch 29.
Hymenüus von Jerusalem 130 f.
Jacobus, Anabathmoi 538.
Jacobuß, Märt. 470 f.
Jacobus, Protevangelium 178.
Jesus, Sprüche 178, bespräche 181 f.
Jeft, Bücher 190.
Tgnatiusbriefe 303.
Inda, Märtyrerin 159.
Johannesakten 169f. 172. 173ff. 197.
200. 384.
Josephus 150. 219 f.
Irenäus 78. 149. 151. 153. 165. 213. 215.
224. 226 ff. 231. 233. 298. 306. 400.
405. 429. 4:^. 444f. 542.
Irenaeus lat. 2f>8. 308 f. 315 ff.
Irenäus, Märt. Sinn. 477.
Irene Märt-. 475.
Isicius ß. Hesychius.
„Isidor, alex. Chronologe" 78.
Isidor, Bruder des Pierius 07.
Isidor, Häretiker 75.
Isidor, Märtyrer unter Decius 07.
IsiAdes, Häretiker 75.
Jubaian 358.
Judas, Chronograph 23. 264.
Julian, Kaiser 1.52. 480.
Juliana 34. 165 f.
Julianus Anazarb., Märt. 477 f.
Julius Africanus 2.5. 34 f. 40. 48. 89—91.
153 ff. Vrß. Ifilf. 238. 200.
Julius Veteran., Märt. 477.
Justin 149. 151 f. 153. 170. 220.
560
BegiBter.
Justin, Gnofitiker 281.
JustinuB, Präses 478.
K
KaUistus 47. 51. 91. 172. 203. 207 £ 212.
218. 230. 250. 253. 260. 286f. 371.
530 f.
Karikus, Adressat desSerapion 132f.l81.
Karpianus 121. 127.
Kindheitsgeschichte Jesu 182 f.
Kirchenordnungy apostolische 484 ff.
Kleomenes 202 f. 225.
Koinos, Bischof von Edessa 162.
Kolluthus, Häretiker 80.
Konon, Märt. 468. 469 f.
Konon von Hermopolis 61.
Konstantia 109. 127.
Konstantin, Kaiser 80. lC8ff. 115 ff. 121.
125. 141. löOf. 158. 188. 422. 442. 449 f.
454 ff. 482. 536.
Koptisch- gnostische Stücke 17. 193 ff.
Korakion 60.
Kukus 129.
Lactantius 114. 117 f. 138. 153 f. 158.
185—189. 305. 325. 415—426. 435.
441. 459. 540.
Laetus, Statthalter in Ägypten 28.
Laodicenerbrief 17i).
„Landes doiuini" 138. 449 f.
Lehrer, jü<li8chor, des Ongenes 29, des
Eußebiuö in».
Leonides, Vater des Ongenes 28. 48.
Leucius Charimis 173 f. 206.
Libelli libelhiticorum 179.
LiciniuB, Kaiser 108. 114f. 127. 150f.
160 f. 421 f. 479.
LimnuP, l'rcBb. 407.
Liturgisches Stück auf Papyrus 180 f.
Lucian von Antiochien 83. 138 — 146.
148. 198. 5:j:{ff.
Lucian (aliusV) ()4f.
Lucian (iilius\ Märt. 470.
Lucian, KonfeHsor (bei Cyprian) 312.343.
Lucian, Marcionit 159.
Lucian, Oberkanimerherr (Fälschung) 07.
Lucius, Märt. 471.
Lucius, römischer Bischof 349. 351. 355.
Lysias, Präses 475.
Macedonia, Märt 407.
Magnilianus, Curator 477.
Mi^orlnus 456.
Makarius von Edessa 138.
Makrobius, Bischof 374.
Makrobius Candidianns 366.
Malchion 135 ff.
Mammäa 30f. 212. 215f.
Mani u. Manichäer 106. 150. 159. Itl2.
163 f. 420. 445 f.
Mappalicos 342.
Marc Aurel, angebliches Schreiben 181
Marcella, Gemahlin des AmbroBins fA
Marcellas von Ancyra 109. 124 f.
Marcellus, römischer Christ 172.
Marcellus Ting., Märt. 473.
Marcian v. Arles 356.
Marcianus, Märt. Nikom. 470.
Marcianus, Präses 478.
Marcioniten 129. 149. 159. 161. 226. 2r>8.
281 f. 432. 445f. 447. 467. 537 01
Marcus von Rom 454.
Maria, Kleine Fragen der 194 f.
Marianus, Märt, 4 70 f.
Marinus, Adressat des Eusebius 124.
Marinus, Märt. 473.
Marsanes 195.
Martianus, Prokonsul 468 f.
Matthäusakten 177.
Matthiasevangelium 178.
Maxentius 453. 482.
Maxima, Märt. 478.
Maximianus Herculius 473. 474 ff 481 f.
Maximilianus, Märt-. 473.
Maximinus Daza 113 f. 123. 147. 160. 177.
422. 425. 480 f.
Maximinus Thrax 212.
Maximus von Alexandrien 180. 412.
Maximus von Bostra 136.
Maximus, Märt. 469.
Maximus = Methodius 150.
Miiximus, Pi-äses 477. 479.
Maximus, Presbyter 406.
Melchiades 371. 412. 453f.
Meletius von Lykopolis 70f. 72t 83.
Melito (auchPseudo-Melito) 21. 80. 129t
181. 226. 233. 276.
Meniinder, Presb. 468.
Mensurius 453.
Register.
561
Methodius 147 ff. 150 f.
Methodius von Chalciß 148.
Metrodorus, Marcionit 467.
Mettius 349.
Wiltiadcs 226. 263.
Minucius Felix 266. 285. 324-330. 408.
Minucius Timinianus 323.
Monoiraus 231.
l^loiitanismiis 220f. 262ff. 275ff. 279f.
321 f. 332. 432. ;
IMontanuB, Märt. 471. |
Moses, Presb. 406. j
Miiratorisrhos Fragment 171. 107. 205 f.
31 2 f. 330—333. 428.
Kaassenor 231.
NarcißsuR, Bischof von Aelia 92 f. 137.
Narsus 482.
Neo-Gäsarea, Synodalbeschlüsse 161.
Nepos 23. 60.
Ncronißche Verfolgung 438.
Nestor, Bischof 470.
Nicänischc Kanones 483 f.
Nicephonis, Märt. 473. 480f.
Nikasiiirf 454.
Nikomachus 169.
Nikotheus 19.5.
Nilns, Sohn der Politika 180.
Nilu« (alius) 480.
NoctiiB 203. 220ff. 225.
Novatian 61 f. 103. 286. 288. 328. 336.
338. 344. 350ff. 364. 370. 374. 379ff.
387 ff. 396-410. 411. 433. 491. 552 f.
Nuiuerianus Maximus (Flav. Gaius), '■
Präses 480.
NuTidinarius 456.
o
Odünathus 186.
Olympins 456.
Onesiraus, Alilrtyrer 127.
Oi.hiten 194. i
LOi)timus], Prokonsul 409. 1
Origenes 4. 6f. 24f. 26-54. 54ff. 61. 1
64 ff. 67 ff. 73 f. 80—84. 87. 90—97. !
102—105. 107. 110. 115.119.121f. 125. :
140. 144. 148-151. 153. 164— 167. 171 f. ;
174ff. 178. lOOff. 198. 208f. 212.218. '
225. 238. 407f. 426ff. 532f. 542ff. ,
„Origenis"tractatHS, Verf.ders. 54. 407 ff. '
Harnack, Altcbristl. Litteraturgescb. II,
Pachomius, Bischof 70. 74.
Palut von Edessa 128. 133. 163.
Pamphilns 20ff. 36. 44. 67ff. 98. 102.
103—106. 107. 110.113. 115. 121. 144.
151. 158.
Pankratius, Märt. 481.
PantHnus 4. 7 f. 12. 28. 92 f.
Paphnutins 73.
Papus, Konsul 382.
Papyrus-Fragmente 179 ff.
Paternus 368.
Patricius, afiik. Vikarius 464.
Patricius, der Ire 429.
Paul V. Samosata 57. 64. 66. 76. 97.
103. 106. 135—138. 139 f. 164. 202. 412.
Paulin von Tyrus 108. 114. 122. 125. 147.
Paulus- Akten u. -Erzählungen 169 f. 172.
174 f. 181 f. 269 ff*. 314 ff. 489.
Paulus Lamps., Märt. 469.
Pentadius 416. 420.
Peraten 231.
Penvetua 260. 275. 28a 297 f. 300. 308.
321 ff. 470 ff'..
Petrus Balsamus, Märt. 474.
Petrus Lamps. Märt. 469.
Petrus von Alexandrien 68. 71—75. 79 f.
Petnisakten 170ff. 173ff. 177. 332f. 435.
489. 533. 539.
Petrus Judicium 485.
Petrus- Ke^gma 17Q.
Petrus, judenchristlich-gnostische Ke-
rygmen s. Pseudoklementinen.
Petrus, Periodoi, s. Pseudoklementinen.
Petrus- u. Paulusakten, katholische 176 f.
Phädimus, pontischer Metropolit 96.
Philagnuß 101.
Phileas von Thmuis 69 ff. 72. 74. 83.
Pliilemon, röm. Presbyter 62. 411.
Philippus Hcrakl., Märt. 478.
Philippus, Kaiser 35. 48. 194. 340. 438.
Philippus, Schüler des Bardesanes 12S.
131.
Philippus von Thmuis 81.
Philippusakten 177.
Philippusevangelium 178.
Philo 52. 135. 156.
Photius, Adressat des Origenes und
Presbyter 50.
Pierius 00 ff. 71. 105. 123.
2. 30
&62
Register.
PüatuBakten 141. 177.
Pionia 47.
PioniuB 47. 466 ff.
Piso, Troian. Bischof 468.
Pistis Sophia 193 ff.
Plauidan 250. 272.
Plotin 195. 413.
Plutarch, Schüler des Origenes 29.
Polemon 155£
Politika, Frau 180.
PolUo, Mftrt. 478.
PoUtta 467.
Polykarp, Martyrium 466 f.
Polykarp, Brief und Martyrium, lat. 303.
Polykrates von Ephesus 78.
Fompejanus, Advokat 473.
PompejuB, Adressat Gyprians 359.
Pompejus, italienischer Bischof 350.
Pontian 56. 208. 211 f.
Pontius, Adressat des Serapion 1321 181.
Pontius, Biograph des Gyprian 336. 362.
366 f.
Porphyrius 28f. 38. 118f. 129. 148t 157.
170. 191 f. 413.
Porphyrius, Sklave des Pamphilus 104.
Potammon von Heraklea 107 f.
Praxeas 202 f. 285 f. 409. 431.
Prepon, Marcionit 128.
Presbyter, alte 3 f.
Primitivus 350 f.
Privatus, Häretiker 209. 361.
Probian, Prokonsul 4r)8.
Probus, Adressat des Lactanz 421.
Probus, Kaiser 163.
Probus, Märt. 479.
Probus, Präses 477 f.
Proclus (Proculus) 200. 223. 22701249.
203. 431.
Proclus, Bischof 130.
Proculus (ad Scapul. 4) 2i)0.
Prodicianer 413.
Prologe, monarchianische 174. 204 ff.
298 f.
Prophetie, ein Fragment über sie auf
Papyrus 181.
Protevangelium des Jacobus 178.
Protoktetus 33 f. 56 f.
Psenosiris 180.
Pseudoathanasius 197 f.
Pseudoclemens, De virginitate 133—135.
Pseudocyprian 218. 235 u. 251 (de pascha
comp.).313f.(ad aleat.).335f.(ad aleai,
de spect., ad Novat., de bono päd.).
336 f. 407 (Quod idola). 353. 552 f. (ad
Novat.). 371 ff. (Ad aleatores). 381 ffl (De
pascha computos). 383 ff. (De moni
Sina et Sion). 386 (Exhort. de paenit.).
387 (Ad Novatianum). 390 (Ad Vigi-
lium). 393 (De rebapt). Anderes Psea-
docyprianische (De singul. cleric, De
XII abusivis. De dupl. mart., Caena,
Orationes, falsche Briefe u. Gedichte)
s. 369. 553 ff. u. unter Novatian.
Pseudoisidor 208.
PseudoJustin, Gohortatio 151 — 158. 196.
459. 545 ff.
Psendoklementinen 131. 16a 168. 173.
305 ff. 518—540.
Pseudoorigenes, Traktate 407 £
Pseudopolykarp 197.
Pseudotertullian 220ff. 320. 429. 430ff.
442—449.
Pudens (Valerius Pudens) 259.
Purpurius v. Limata 456.
Quadraginta, MSrt. 479.
Quattuor coronati 478 f.
Quintillianus (Julius Proclus), Prokonsul
467.
Quintus, Adressat Cyprians 358.
Quirinus 366.
Quirinus, Mört.. 479.
Rekognitionen s. unter Psendoklemen-
tinen.
Respicius, Märt. 470.
Reticius 433. 450.
Rhodon 333.
Rogatian 347.
Römische Schreiben zur Zeit Cyprians
342 ff.
Rufin s. unter Origenes, auch 190.
Sabastus 480.
Sabellius, Sabellianer 00. 100. 104. 202 ff.
212. 225. 253. 409. 432.
Sabina, Märt. 467.
Register.
563
SabinuB, Adreasat des Paul v. Samo-
sata 137.
Sabinus, Bischof 456.
Salomo, Oden 193 f.
Saturus 321 f.
Scapula 259. 281.
Schamonasy Märt. 474.
Scüitaner 298. m),
Secunda, Märt. 478.
Secundus v. Tigisis 453.
Segienus von Hy 52.
Seleukus, Häretiker 159.
Seneca 458 f.
Septimius Severua 165. 257ff. 260. 263f.
324. 541 f.
SerapioD, „Haupt der Einsiedler" 82 f.
Serapiou; Lehrer an der Katecheten-
schule 68. 71.
Serapion von Antiochien 128. 132 f. 163.
181.
Serenus, Märt. 4SI.
Sergius, Märt. 481.
Scthianer 231.
Severa, Kaiserin 48.
Severa (Julia Acpilia) 21Q.
Severina 216.
Severus, Adressat des Lactanz 421.
Sevenis, Konsul 126.
Sextus-Spriiche 190ff.
Sibyllinische Orakel 153. 157. 184—190.
517. 546.
Siötßs, Häretiker 75.
Silvanus von Cirta 456.
Silvester von Rom 80. 412.
Simon Magus 181. 231.
Simon Magus, Evangelium 177.
Simonianischer Bischof 75.
Sixtus 8. Xystus.
Soter, römischer Bischof 276.
Stephanurf, Adressat des Eusebius 119.
124. 126.
Stephanus von Laodicea 76.
Stephanus, italienischer Bischof 350.
Stephanus von Rom 62. 103. 348. 356 fF.
37:1 389. 394. 411. 5:iO.
Sylvia 163.
Symbol, römisches, lat. 304. 513.
Symmachus 34. 164ff. 168. 521. 536 ff.
Symphosius 416.
Syrmus, der Skythe 90.
Tarachus, Märt. 479 f.
Tatian 8. 12. 155. 226.
Tatian (alius), Adressat des Gregor
Thaum. 100.
Taufbericht, apokrypher, über JesÜB 182.
Tauflied 179.
TeXeKJDaeax;, Evangelium 179.
Telesphorus 60. 65.
Tertullian 91. 201 ff. 205 ff. 215. 229.
256—296. 297. 299 ffl 306. 308 f. 3121
314. 316 ff. 322. 324 ff. 332. 364. 381.
398ff. 405. 408. 430ff. 435. 442ff. 530.
Thaddäus 162.
Thelymidres v. Laodicea 62.
Theodora, Märt. 476.
Theodorus, alex. Advokat und Dichter 67.
Theodonis, Bischof 70. 74.
Theodorus s. Gregorius Thaumaturgos.
Theodorus, Adressat des Anthimus 159 £
TheodosiuB, Mönch 66.
Theodotion 165.
Theodotus v. Ancyra 480.
Thcodotus v. Laodicea 108. 119.
Theodotus der Lederarbeiter 173. 201.
222. 253.
Theodotus der Wechsler 201. 222.
Theognost 66ff. 71.
TheoktistuB von Cäsarea 93.
ITieonas 67 f. 71. 73. 75.
Theoi>hilus, Bischof 136.
Theophilus von Antiochien 153. 187 f.
435. 444.
Theopompus 100 f.
Theoteknus von Cäsarea 64. 76. 136.
Thnetopsychiten 36. 65.
Thomasakten 129. 132. 162. 170. 172 f.
175 f. 540.
Timäus, antiochenischer Bischof 139.
Timotheus, Dialog des 198.
Timotheus, Sohn des Dionysius Alex. 59.
Translatio Petri et Pauli. Bericht 412.
Tricentius 80.
Trophimus, Märt. 481.
Trypho, :Märt. 470.
Trypho, Schriftsteller 49.
Turasius 869.
Typasius 481 f.
Tyrannio von Tyrus 147.
Tyrannus. Bischof von Antiochien 160.
36*
564
Register.
U
Urbanus, Statthalter 105. 107.
Ursenuphiufi, Lektor 66.
Ürsinus 394.
ürsus 454.
Valentin (Numid.) 457.
Valentinianer 128f. 149. 158f. 173. 181.
183. 194. 224. 253. 281 f.
Valeria 422.
Valerian, Kaiser 186. 361. 366. 470 E
Valerius v. Saragossa 451.
Verinus 454. 457.
Veras, Kaiser 165.
Venis, Vicar. Africae 454. 456.
Victor von Rom 78. 201. 205. 212f. 226.
266. 370. 378. 381. 431.
Victorin von Pettau 128f. 252. 274. 408.
410. 426-432. 433. 445. 448.
Victorin, Dichter 442. 447 f.
Vipilius 390 ff.
Vitalie, Bischof von Antiochien 160.
Vulgat« 205.
Xenon 149.
Xystus I., röm. Bischof 126. 191.
Xystus IL, röm. Bischof 60 ff. 190. 301
387 ff. 399. 411. 553.
Xystns 8. Sextus-Sprnche.
Zacharias- Apokryphen 178 f.
Zakchäus 197.
Zauberformel, christliche 182.
Zebinns, antiochenischer Bischof 133.
Zenobia 136.
ZenophiluB 457.
Zephyrin, römischer Bischof 29. 172. 2ol.
203. 205 ff. 218. 501.
Zoroaster, Apokalypse 41.^.
Zostrianus, Apokalypse 413.
Dnirk von August Pries in Leipzig.
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